Die Harmonisierung der unter kantonaler Hoheit stehenden obligatorischen Schule spielte von den dargestellten Ursprüngen des nationalen Bildungsmonitorings bis hin zur Überprüfung der Grundkompetenzen (ÜGK) stets eine zentrale Rolle. Während für die Sekundarstufe II und die Tertiärstufe ab den 1990er-Jahren mittels Vereinbarungen und Konkordaten, teilweise unter Einbezug des Bundes, verschiedene Bereiche gesamtschweizerisch geregelt wurden, blieben die Koordinationsversuche für die Stufen der obligatorischen Schule zunächst grösstenteils erfolglos. Erst zu Beginn der 2000er-Jahre und schliesslich mit der neuen Bildungsverfassung von 2006 und der Interkantonalen Vereinbarung über die Harmonisierung der obligatorischen Schule (HarmoS) von 2007 wurden die Grundlagen für eine weitreichende Ziel-, Inhalts- und Strukturharmonisierung geschaffen. Dabei war das nationale Bildungsmonitoring ein wesentliches Element, in dem sich die materielle Harmonisierung abbilden sollte (Criblez, 2008b).

Neben der datenbasierten Dokumentation der materiellen Harmonisierung über Vereinbarungen und Konkordate war im Programm des nationalen Bildungsmonitorings durchaus auch eine zumindest indirekte Harmonisierung der kantonalen Monitoring-Dispositive enthalten. Auf der Ebene der Kantone sollte die politische Bearbeitung von Bildung und insbesondere der obligatorischen Schule ebenfalls auf einer systematisch generierten Informationsgrundlage basieren. Die Kantone sollten also dazu bewegt werden, neben der materiellen Harmonisierung auch die Dispositive zur Generierung und Verarbeitung von Daten und Informationen zuhanden politischer Akteure einander und dem nationalen Bildungsmonitoring anzunähern (vgl. Abschn. 5.4.2). Anders als beispielsweise in Deutschland war im nationalen Bildungsmonitoring für die Schweiz jedoch keine Mehrebenenimplementation von Bildungsmonitoring und Bildungsberichterstattung angelegt (vgl. Abschn. 3.1). Eine direkte Verbindung von Bildungsmonitoring auf den unterschiedlichen Ebenen der föderalistischen Staatsstruktur ist in der Schweiz nur in einzelnen Bereichen wie etwa der Bildungsstatistik festzustellen (vgl. Abschn. 5.4.4). Zugleich gingen die nationalen Entwicklungen oft von Impulsen einzelner Kantone oder von interkantonalen Projekten aus. Die entsprechenden Expertennetzwerke waren beispielsweise stets Netzwerke von Akteuren, die mehrheitlich für die Kantone arbeiteten (vgl. Abschn. 5.2.3, Abschn. 5.3.3 und Abschn. 5.5).

Im Folgenden werden die Bildungsmonitoring-Dispositive aller 26 Kantone dargestellt. Dabei geht es – entsprechend der in der Einleitung präsentierten Arbeitsdefinition von Bildungsmonitoring – um die Beschreibung der vorzufindenden Elemente, Formen und Instrumente, mit denen Daten und Informationen zuhanden bildungspolitischer Akteure generiert und verarbeitet werden. Sowohl die umfassende Herangehensweise, der relativ lange Untersuchungszeitraum als auch die vorzufindende Vielfalt von Bildungsmonitoring, dessen Gestaltung und Entwicklung resultieren in einer sehr grossen Daten- und Informationssammlung (vgl. Abschn. 4.2). Zur Linearisierung dieser Informationen wird eine rudimentäre Typenbildung herangezogen. Die Typen stehen dabei im Sinne einer sozialwissenschaftlichen Typenbildung zwischen Empirie und Theorie (Kelle & Kluge, 2010). Die Informationen zu den Bildungsmonitoring-Dispositiven der Kantone werden bezogen auf die typischen Merkmale gebündelt und das idealtypische an den einzelnen Fällen erhält eine besondere Gewichtung in der Darstellung (vgl. Abschn. 4.1). Nichtsdestotrotz dienen die sechs Typen primär der Strukturierung und Linearisierung der Informationssammlung. Insofern wird für die Zuordnung in diesem Sinne keine auf Reliabilität ausgerichtete, methodische Robustheit angestrebt.

Die Darstellung erfolgt aus zwei Perspektiven: (1) Aus einer Fallperspektive werden die Strukturen der Bildungsmonitoring-Dispositive aller 26 Kantone dargestellt und eingeordnet. (2) Aus einer Typenperspektive zeigen sich die wesentlichen Ausprägungen der Strukturierung der kantonalen Bildungsmonitoring-Dispositive.

Konkret werden die sechs Typen anhand des Bildungsmonitoring-Dispositivs je eines Kantons erläutert. Der jeweilige Kanton dient so als Ankerbeispiel. Die Darstellung ist zunächst auf einen Typ und damit auf eine bestimmte Ausprägung von Bildungsmonitoring hin fokussiert. Damit sollen einerseits aus der Typenperspektive die typischen Merkmale exemplarisch am Material aus einem Kanton präsentiert werden. Andererseits sollen damit aus der Fallperspektive heraus das Gewicht und die Präsenz dieser typischen Merkmale in diesem Kanton herausgearbeitet werden. Die Beschreibungen sind auf Elemente, Formen und Instrumente in einem Kanton fokussiert, die im Rahmen der Typologie den Merkmalen eines Typs entsprechen und diesen entsprechend fassbar machen. In einem zweiten Abschnitt werden dann die weiteren Elemente des Bildungsmonitoring-Dispositivs im dem Kanton darstellt, der als Ankerbeispiel dient. Dabei wird die Fallperspektive eingenommen und insbesondere auch das kantonale Bildungsmonitoring-Dispositiv in seiner Gesamtheit dargestellt. In einem dritten Abschnitt folgen dann, eher an der Typenperspektive orientiert, Kurzbeschreibungen der Bildungsmonitoring-Dispositive weiterer Kantone. Diese werden insbesondere in Bezug auf Erkenntnisse hin dargestellt, die sie zum jeweiligen Typ beitragen.

Der erste Typ kantonaler Bildungsmonitoring-Dispositive zeichnet sich durch eine hohe Gewichtung bildungsstatistischer Daten aus. Am Ankerbeispiel des Kantons Luzern zeigt sich unter anderem der Umgang mit statistischen Daten im Zusammenhang mit konkreten politischen Informationsbedürfnissen. Beim zweiten Typ steht die standardisierte Erfassung von Schülerleistungen im Zentrum. Am Ankerbeispiel des Kantons Neuenburg wird die Herausforderung dargestellt, Leistungserhebungen in eine Gesamtperspektive auf das kantonale Bildungssystem einzubinden. Der dritte Typ ist gekennzeichnet durch eine prominente Positionierung der sich wandelnden Prozesse der Schulaufsicht in den Bildungsmonitoring-Dispositiven. Am Ankerbeispiel des Kantons Freiburg zeigt sich die Verknüpfung von Bildungsmonitoring mit den Entwicklungen hin zu grösserer Autonomie der Einzelschulen und zu neuen Formen von Inspektion und kantonaler Aufsicht. Beim vierten Typ wird Bildungsmonitoring als kommunikatives Phänomen hervorgehoben und die Bildungsberichterstattung als prominentes Element davon fokussiert. Am Ankerbeispiel des Kantons Thurgau wird die Funktion solcher Berichte in den Bemühungen um öffentliche Sichtbarkeit und Transparenz bildungspolitischer Politikgestaltung aufgezeigt. Der fünfte Typ ist auf die Evaluation von bildungspolitischen Projekten und Programmen fokussiert. Am Ankerbeispiel des Kantons Bern wird deutlich, wie solche Evaluationen als zentrale Elemente von Bildungsmonitoring-Dispositiven etabliert und diese Dispositive damit auf konkrete politische Entscheidungen hin ausgerichtet wurden. Der Einbezug von anwendungsorientierter Forschung oder Bildungsforschung ist ein typisches Merkmal des sechsten und letzten Typs. Am Ankerbeispiel des Kantons Zürich kann aufgezeigt werden, wie Kantone auf diese Forschung als zentrale Grundlage des Wissens über das kantonale Bildungssystem zurückgreifen.

6.1 Überblick durch Bildungsstatistik

Ein sehr wesentliches Element der kantonalen Dispositive zur Generierung und Verarbeitung von Daten und Informationen zuhanden politischer Akteure ist die Bildungsstatistik. Sie wird gesamtschweizerisch koordiniert dadurch, dass alle Kantone als Datenlieferanten in die Erhebungen des Bundesamt für Statistik (BFS) eingebunden sind. Dies betrifft explizit die Schülerinnen und Schüler, die Abschlüsse und das Lehrpersonal. Die Ursprünge dieser koordinierten Erhebungen gehen in die 1970er-Jahre zurück (Manz, Nägeli & Criblez, 2013). Ein wichtiges Element koordinierter öffentlicher Statistik stellt die durch das BFS und die Konferenz der regionalen statistischen Ämter der Schweiz (KORSTAT) verfasste Charta dar. Darin werden die Standards des technischen, inhaltlichen und politischen Umgangs mit statistischen Daten definiert. Bezogen auf den politischen Umgang sind dabei Transparenz, Unparteilichkeit und Objektivität als Grundprinzipien verankert (BFS & KORSTAT, 2012).

Die nationale Koordination der Bildungsstatistik führte dazu, dass alle Kantone eine ähnliche Grundlage in diesem Bereich aufweisen. Trotzdem unterscheiden sie sich wesentlich darin, wie intensiv die bildungsstatistischen Informationen als Teil von Bildungsmonitoring genutzt werden und welchen Stellenwert sie im Vergleich mit anderen Elementen haben. Der Kanton Luzern steht im Fokus als ein Kanton, in dessen Bildungsmonitoring-Dispositiv die statistischen Informationen zentral und in ihrer Betonung und Wichtigkeit hervorgehoben sind. Im Folgenden wird zunächst für Luzern aufgezeigt, wie das bildungsstatistische Material im Rahmen von Bildungsmonitoring zum Einsatz kommt. Anschliessend werden insbesondere die Bemühungen um Qualitätsentwicklung und -sicherung als weitere Elemente des kantonalen Monitoring-Dispositivs dargestellt. Der Fall Luzern steht für die Herausforderung, in Bildungsmonitoring statistische Objektivität mit konkreten politischen Informationsbedürfnissen zu kombinieren. Es stellt sich dabei die Frage, inwiefern statistische Informationen zugespitzt auf konkrete Fragestellungen noch den statistischen Grundprinzipien entsprechen können, gerade vor dem Hintergrund der zunehmenden Quantität und Verknüpfbarkeit von Daten. Zusätzlich zeigt sich am Fall Luzern eine Verknüpfung von Bildungsmonitoring und allgemeinem politischen Controlling.

6.1.1 Vom Zahlenspiegel zum Luzerner Bildungsbericht

Die Verantwortung für die bildungsstatistischen Erhebungen lag im Kanton Luzern bis 2008 beim Amt für Statistik, das seinerseits im Finanzdepartement angesiedelt war (Staatskanzlei LU, 2009). Unter anderem zur Sicherung der Unabhängigkeit der kantonalen Statistikstelle wurde diese dann in eine öffentlich-rechtliche Anstalt mit gesetzlich definierter Organisation und einem klaren Aufgabenkatalog überführt (Lang et al., 2014). Parallel zur organisatorischen Entwicklung erfuhren auch die Erhebungen und die Publikationsformate ab 2000 markante Entwicklungen: Unter dem Titel Bildung im Kanton Luzern wurde ein statistischer Überblick über die aktuellsten Daten der Schülerstatistik auf allen Bildungsstufen – mit Ausnahme der Universitäten – publiziert, zunächst als Broschüre, 2002 auch elektronisch und ab 2005 nur noch elektronisch (Amt für Statistik des Kantons Luzern, 2004). Bezogen auf die Volksschulstufen publizierte das Volksschulamt im Bildungs- und Kulturdepartement des Kantons Luzern (BKD LU) ab 2005 jährlich den sogenannten Zahlenspiegel. Darin sind pro Schuljahr die zentralen statistischen Informationen präsentiert: Anzahl Klassen auf den einzelnen Stufen, Entwicklung der Schülerzahlen, Klassengrössen, Anteil ausländischer Schülerinnen und Schüler, Verteilung der Schülerinnen und Schüler auf die Niveaus der Sekundarschule sowie separierte und integrierte Sonderschulung (BKD LU, 2015). Auch in den allgemeinen Publikationsformaten wie dem statistischen Jahrbuch und dem mehrmals jährlich erscheinenden LUSTAT aktuell sowie auf der ab 2001 entwickelten Website waren Bildungsthemen vertreten.

Das BKD LU erteilte der unabhängigen, öffentlich-rechtlichen Organisation Statistik Luzern (LUSTAT) 2009 den Auftrag zur Konzeption und Ausarbeitung einer umfangreichen Gesamtdarstellung der vorhandenen statistischen Informationen zum Thema Bildung (LUSTAT, 2010). Der Bericht wurde 2010 publiziert. Er umfasste alle Stufen vom Kindergarten bis zur Universität. Die statistischen Daten wurden durch umfassende Beschreibungen des Bildungssystems und der einzelnen Bildungsstufen, teilweise gestützt auf Sekundärliteratur, ergänzt und in einen Kontext gesetzt (Paravincini Bagliani et al., 2010). Für den Bildungsbericht wurden fast ausschliesslich statistische Daten verwendet. Der Bericht grenzte sich bewusst ab von einer etwa in den nationalen Bildungsberichten angelegten Gesamtsicht unter Einbezug vieler verschiedener Daten- und Informationsquellen. Und trotzdem wurde ihm eine Monitoringfunktion zugesprochen: „Der erste Luzerner Bildungsbericht ist weder ein Planungs- noch ein Wirkungsbericht; er hat aber das implizite Ziel, ein kontinuierliches Monitoring des Bildungsgeschehens vorzubereiten und Hinweise auf mögliche zukünftige Entwicklungen zu liefern.“ (Paravincini Bagliani et al., 2010, S. 12) Obwohl damit eine Ausrichtung des Berichts an politischen Themen und Fragestellungen angedeutet wurde, scheint die statistische Sichtweise – traditionell entlang der Bildungsstufen gegliedert – den Berichtsinhalten und der Struktur zugrunde zu liegen.

Rund vier Jahre später erteilte das BKD LU den Auftrag zu einer Aktualisierung des ersten Berichts (LUSTAT, 2015). Der 2016 publizierte, zweite Bildungsbericht orientierte sich sehr viel deutlicher an der Funktion, für bildungspolitische Entscheidungen eine Daten- und Informationsgrundlage darzustellen. Dies äusserte sich unter anderem in der Berichtsstruktur: Von den drei Hauptteilen war der erste den Rahmenbedingungen von Bildung sowie den gesellschaftlichen Vorstellungen des Nutzens von Bildung gewidmet. Der zweite Teil stellte die eigentliche Aktualisierung der statischen und beschreibenden Darstellungen im ersten Bildungsbericht entlang der Stufen dar. Im dritten Teil wurden mit den Übergängen sowie den Entwicklungsszenarien explizit zwei politisch relevante Themen behandelt (I. Brunner et al., 2016). Trotz der gegenüber dem ersten Bericht deutlicheren Ausrichtung auf zumindest zwei bildungspolitisch relevante Themen ist auch der zweite Bildungsbericht sehr klar ein statistischer Bericht. Basis sämtlicher Aussagen im Bericht sind statistische Daten.

6.1.2 Evaluation und Leitungserhebungen als weitere Monitoringelemente

Neben den statistischen Daten wurde ab 2000 auch den Verfahren der internen Schulevaluation eine Monitoringfunktion zugesprochen (M. Bucher, Eschelmüller, Murer & Winiger, 2003). Diese waren auf den Volksschulstufen im Rahmen eines Systems von Aufsicht und Evaluation sukzessive implementiert und gefördert worden. Gerade den Evaluationsprozessen wurde diese Funktion zugesprochen, die traditionell – mit historischen Wurzeln in der Helvetik – beim „Aufsichts- und Inspektorenwesen“ (Häfliger, 2002, S. 149) gelegen hatte und in dessen Rahmen sie trotz verschiedener struktureller Umgestaltungen bis 1999 wahrgenommen worden war. Mit dem neuen Volksschulbildungsgesetz von 1999 wurden die entsprechenden Aufgaben im Rahmen der Einführung geleiteter Schulen neu zugeordnet und erhielten teilweise auch neue Bezeichnungen (Brägger et al., 2007). Parallel dazu wurde ab 2005 die externe Schulevaluation etabliert (Felber, 2016).

Für die Gymnasien wurde 2004 im Rahmen der Umsetzung des neuen Reglementes über die Anerkennung von gymnasialen Maturitätsausweisen (MAR) unter dem Schlagwort der Qualitätsentwicklung auf die Elemente schulische Selbstevaluation, Lehrerbeurteilung, externe Evaluation und Bildungsmonitoring verwiesen (Binder, 2004). Für die relativ jungen, weitgehend als autonome Organisationen konstituierten Hochschulen im Kanton Luzern (Fachhochschule gegründet 1998, Universität 2000 und pädagogische Hochschule 2001) wurden ähnliche Elemente von Monitoring unter dem Begriff der Akkreditierung gefasst und bezogen sich primär auf entsprechende, nationale und gesamtschweizerische Normen und Verfahren (Staatskanzlei LU, 2012). Die Ergebnisse verschiedener solcher Verfahren von Evaluation und Akkreditierung wurden auf kantonaler Ebene aggregiert und teilweise in Berichtsform publiziert (BKD LU, 2014; Felber, 2016; Kramis, 2010).

Unter anderem im kantonalen Ergebnisbericht des ersten Zyklus der externen Evaluation der Volksschulen wurden standardisierte Leistungserhebungen als Lücke im kantonalen Bildungsmonitoring-Dispositiv identifiziert (Kramis, 2010). Neben den Stellwerk-Tests, die ab 2007 flächendeckend eingesetzt und deren Resultate auf kantonaler Ebene ausgewertet wurden (Villiger, 2008), waren im Kanton Luzern mit den Orientierungsarbeiten standardisierte Aufgabensets weit verbreitet. Diese wurden bereits in den 1990er-Jahren erstmals entwickelt und richteten sich primär an Lehrpersonen und die lokale Schulentwicklung. Obwohl sie teilweise in den Übertrittsprozessen auf die Sekundarstufe I eine Rolle spielen (BKD LU, 2013), erfüllten sie nie einen Monitoringzweck auf kantonaler Ebene (Imlig & Ender, 2018; Vögeli-Mantovani, 1999).

Die systematische Evaluation und die wissenschaftliche Begleitung bildungspolitischer Programme und Projekte wurde im Kanton Luzern verschiedentlich praktiziert. Beispiele dafür sind etwa im Bereich des Fremdsprachenunterrichts zu finden, wo zur Evaluation der Einführung von Englisch als erster Fremdsprache auch Schülerleistungen erhoben wurden (Bieri & Forrer, 2001; Gnos, 2012; Heinzmann, Schallhart & Wicki, 2015). Systematisch evaluiert wurden im Volksschulbereich auch die beiden grossen Schulentwicklungsprojekte Schulen mit Profil und Schulen mit Zukunft (Büeler, Buholzer & Roos, 2005; Roos, Wandeler & Mosimann, 2015) sowie weitere Projekte im Bereich der Übertritte (Roos, Wandeler & Mosimann, 2013) oder der Medienbildung (BKD LU, 2017).

Im Bildungsmonitoring-Dispositiv des Kantons Luzern sind die statistischen Elemente am deutlichsten sichtbar. Obwohl insbesondere für die Volksschule auch die externe Evaluation als Monitoringelement konzipiert ist, findet sie in den Bildungsberichten als prominenteste Produkte keinen Eingang. Dasselbe gilt für die teilweise gross angelegten Programmevaluationen.

Zusammengeführt werden die verschiedenen Elemente des Bildungsmonitoring-Dispositivs dagegen in den Prozessen und Produkten des sogenannten Verwaltungscontrollings, verstanden als Zielfestlegung, Planung und Steuerung auf der Ebene der kantonalen Exekutive. Im Kanton Luzern wurden ab 2002 sukzessive und gemäss den Prinzipien der Wirkungsorientierten Verwaltungsführung (WOV) Controllinginstrumente wie Legislaturprogramme und -berichte, integrierte Finanz- und Aufgabenpläne oder an Kostenstellen und Leistungsgruppen orientierte Staatsrechnungen und Jahresberichte eingeführt.Footnote 1 Auch im Bildungsbereich wurde mit Auftrags-, Ziel- und Leistungsdefinitionen sowie mit entsprechenden Indikatoren, Kenngrössen und Finanzkennzahlen operiert. Dabei sind sowohl Daten der Bildungsstatistik als auch Informationen aus den erwähnten Evaluations- und Qualitätssicherungsprozessen relevant (z. B. Staatskanzlei LU, 2018). Insofern wird an dieser Stelle das Bildungsmonitoring-Dispositiv als Element eines allgemeinen Dispositivs der Information und Planung politischer Gestaltung offenbar. Zugleich spiegelt die Auswahl der Indikatoren aber wiederum das grosse Gewicht wider, das im Bildungsmonitoring des Kantons Luzern auf den bildungsstatistischen Daten liegt.

6.1.3 Weitere Kantone

Mit Aargau, Basel-Stadt, Jura und Obwalden werden im Folgenden vier weitere Kantone präsentiert. In den Kantonen Aargau und Basel-Stadt werden bildungsstatistische Informationen, im Vergleich mit anderen Informationsgrundlagen, besonders fokussiert. Während in Aargau damit das Motiv der Transparenz im Vordergrund steht, sind in Basel-Stadt die Verwaltung und insbesondere die im Rahmen der Strukturharmonisierung anstehenden Reformen des Bildungswesens zentral. Die Kantone Jura und Obwalden stehen dagegen für einen pragmatischen Umgang mit bildungsstatistischen Informationen, die inhaltlich im Wesentlichen nicht über das gesamtschweizerisch festzustellende Minimaldispositiv hinausreichen. Der Fokus auf Bildungsstatistik innerhalb des Bildungsmonitoring-Dispositivs kommt in beiden Kantonen auch deshalb zustande, weil nur dieses Element in öffentlichen Produkten mündet.

Aargau

Bildungsmonitoring basiert im Kanton Aargau primär auf der gut ausgebauten Bildungsstatistik, die sowohl permanente Erhebungen als auch projektartige Einzelerhebungen umfasst, und zwar über alle Bildungsstufen hinweg. Verantwortlich für die Bildungsstatistik war dabei seit 1970 das Statistische Amt (Manz et al., 2013). Ab 1998 wurden zu den Schülerinnen und Schüler sogenannte Individualdaten erfasst und damit die Grundlagen für die Abbildung von Bildungsverläufen gelegt (Tresch & Zubler, 2009). Als Produkte werden bis heute zahlreiche, mehrheitlich jährlich erscheinende Berichte darunter die Schulstatistik und die Lehrkräftestatistik veröffentlicht. Teilweise wurden spezifischer auf bildungspolitische Fragestellungen fokussierte Zusatzberichte veröffentlicht, so etwa 2002 mit Fokus auf der Frage der „Entwicklung des Normaljahrgangs“ (BKS AG, 2002, S. 8) oder 2004 mit spezifisch differenzierten Schülerzahlen (BKS AG, 2004). In einer vertieften Analyse der Schullaufbahnen zweier Kohortenstichproben durch die Volksschule von 2009 wurde die Thematik des Normaljahrgangs wiederaufgenommen und weiterentwickelt (Tresch & Zubler, 2009). Das BKS AG entwickelte auch immer wieder ergänzende Erhebungen, Analysen und Auswertungen zu politisch relevanten Themen. Prominentestes Beispiel sind hier die erstmals 2008 durchgeführten und dann ausgebauten und jährlich wiederholten STEP-Befragungen zu den Bildungslaufbahnen der Schulabgängerinnen und Schulabgänger (Cahn & Schönbächler, 2011; Schönbächler, 2010; Schönbächler & Zubler, 2010; Tresch & Zubler, 2007).

Im Kanton Aargau gibt es eine Tradition der vergleichenden Erhebung von Schülerleistungen. So existierte seit 1972 eine sogenannte Bezirksabschlussprüfung (Staatskanzlei AG, 2001a, 2005; Vögeli-Mantovani, 1999), die seit den in den 1990er-Jahren initiierten Schulreformen auch mit der Idee eines Volksschulabschlusses für alle verbunden wurde (Staatskanzlei AG, 2001b).Footnote 2 Spätestens seit 2004 war die Praxis einer kantonalen Durchführung und Auswertung von Check 5 dokumentiert, einem standardisierten Testinstrument für die 5. Klasse der Primarschule (S. Keller, 2004). Zudem wurde ab 2006 vermehrt auch das damals neu entwickelte Stellwerk eingesetzt, wobei der Einsatz beider Instrumente grundsätzlich freiwillig war (Manz et al., 2013). Im Rahmen der Zusammenarbeit im Bildungsraum Nordwestschweiz wurden die kantonalen Leistungserhebungen ab 2013 sukzessive abgelöst durch die sogenannten vierkantonalen Checks (vgl. Solothurn in Abschn. 6.2.3). Ein weiteres Element der Zusammenarbeit im Bildungsraum Nordwestschweiz war die vierkantonale Bildungsberichterstattung, die bislang in zwei Bildungsberichten mündete. Darin wurden bildungsstatistische Daten auf allen Bildungsstufen mit qualitativen Informationen zu den vier Bildungssystemen verknüpft und in Bezug auf konkrete bildungspolitische Handlungsfelder ausgewertet (Criblez et al., 2012; Ender, Moser, Imlig & Müller, 2017).

Der Kanton Aargau war in PISA viermal mit einer kantonalen Stichprobe vertreten. Für die repräsentativen, kantonalen Zusatzstichproben in PISA wurden entsprechende Ergebnisberichte veröffentlicht (Angelone, Keller & Verner, 2014a; Ramseier et al., 2005b; U. Moser & Angelone, 2008a, 2011a).

Das seit 2003 umgestaltete, professionalisierte kantonale Inspektorat ist auf den Volksschulstufen zuständig dafür, „die Schule als Ganzes im Blickfeld“ zu haben (Bieli, 2004, S. 10). An diese Neuorganisation anschliessend wurde ab 2005 auch auf diesen Stufen sukzessive die externe Evaluation eingeführt (P. Steiner & Landwehr, 2011; Landwehr, 2010). Im zweiten Evaluationszyklus 2010 war die sogenannte Monitoringfrage Element der externen Evaluation. Dabei wurden allen Schulen qualitativ zu beantwortende Fragen – 2010 zur Thematik des Umgangs mit disziplinarischen Schwierigkeiten – gestellt und die Antworten in einem Monitoringbericht ausgewertet (P. Steiner & Landwehr 2011). Im dritten Evaluationszyklus ab 2017 wurde der Umgang mit den Ergebnissen von Leistungserhebungen als Kriterium eingeführt (BKS AG, 2017).

Auf der Sekundarstufe II wurde seit 2006 unter dem Schlagwort Qualitätsmanagement die externe Evaluation, durchgeführt durch das Institut für Externe Schulevaluation auf der Sekundarstufe II (IFES), institutionalisiert (Staatskanzlei AG, 2007). Im Schuljahr 2013/14 war der zweite Evaluationszyklus im Gange und es wurden vier Schulen evaluiert (IFES, 2015).

Der Kanton Aargau liess regelmässig Programm- und Projektevaluationen durchführen, so zu Beispiel zum Englisch auf der Primarstufe (Husfeldt & Bader, 2009) oder zur kantonalen Finanzierung überbetrieblicher Kurse in der Berufsbildung (Staatskanzlei AG, 2015a). Informationen über das Bildungssystem fliessen auch in die regierungsrätlichen Jahresberichte ein, die 2006 die herkömmlichen Rechenschaftsberichte ablösten (Staatskanzlei AG, 2007). Dabei werden sowohl eher bildungsstatistische als auch eher aus der Evaluation stammende Indikatoren, wie zum Beispiel die Anzahl der extern evaluierten Volksschulen, verwendet (Staatskanzlei AG, 2015b).

Im Kanton Aargau zeichnet sich das Bildungsmonitoring-Dispositiv durch eine hohe Gewichtung der bildungsstatistischen Informationen aus, gekoppelt mit einer Verwertung von Daten und Informationen auf kantonaler, regionaler und lokaler Ebene. Dabei bildet sich der Charakter des Kantons als Flächenkanton mit vielen im Volksschulbereich relativ autonomen Gemeinden und Gemeindeverbänden, die die Schulen führen, ab. Die Informationen aus dem Monitoring sollen dabei grundsätzlich Transparenz bezüglich „Rahmenbedingungen, Funktionsweisen und Wirkungen“ des Schulsystems schaffen im Hinblick auf „gezielte und wirksame Reform“ (BKS AG, 2002, S. 1). Diese Dokumentation ist auf die politischen Akteure mit Entscheidungskompetenzen ausgerichtet. Die ab 2014 erstellten Schulreports gingen in dieselbe Richtung: Darin wurden Informationen aus den bildungsstatistischen Elementen des Bildungsmonitorings mit anderen Informationen aus Schulentwicklung und Qualitätssicherung auf den Volksschulstufen verknüpft und für die Einzelschulen bzw. die lokalen Schulträger zusammengestellt (Zubler, 2015).

Basel-Stadt

Im Kanton Basel-Stadt wurde Bildungsmonitoring als Grundlage einer erfolgreichen Politikgestaltung auf einer zuverlässigen und transparenten Wissensbasis schon 2006 explizit formuliert und 2011 bestätigt (Felder, 2006; Vitelli et al., 2011). Für die Wissensbasis zuständig ist sehr wesentlich die seit den 2000er-Jahren auf- und ausgebaute Bildungsstatistik innerhalb des statistischen Amtes und insbesondere die ab 2009 aufgebaute bildungsstatistische Fachstelle des Erziehungsdepartements des Kantons Basel-Stadt (ED BS) (Staatskanzlei BS, 2010). Der Datenbestand umfasst unter anderem auch Daten zur Frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung (FBBE) (Vitelli et al., 2011) sowie über die standardisierten Merkmale des BFS hinausgehende Schülerdaten (K. Bucher & Grillon, 2015). Im ersten und bislang einzigen kantonalen Bildungsbericht von 2011 (Vitelli et al., 2011) wurden umfangreiche bildungsstatistische Informationen präsentiert und kommentiert. Dabei umfasste der Bericht ein breites Themenspektrum vom gesellschaftlichen und politischen Kontext über alle Stufen des Bildungssystem bis hin zu den Bildungsausgaben. Nicht integriert waren Informationen aus Leistungserhebungen. Die Daten bezogen auf die im Bericht zentralen Kennzahlen wurden in der Folge regelmässig in einem Zahlenspiegel Bildung aktualisiert (unter anderem Ulusoy, 2013, 2017). In Zusammenarbeit zwischen dem ED BS und dem Statistischen Amt entstanden zudem verschiedene Publikationen wie zum Beispiel das Statistische Jahrbuch, das Dossier Basel, die Broschüre zur Schulhausstatistik. Der Kanton Basel war als Teil des Bildungsraums Nordwestschweiz auch eingebunden in die bislang zwei Mal erschienenen, gleichnamigen Bildungsberichte für die Kantone Aargau, Basel-Landschaft, Basel-Stadt und Solothurn (Criblez et al., 2012; Ender et al., 2017). Bildungsstatistische Informationen flossen ab 2007 auch in die neugestalteten Rechenschaftsberichte der Regierung ein, etwa in Form von Schülerzahlen, Anteilen fremdsprachiger Kinder oder Übertritts- und Abschlussquoten (Staatskanzlei BS, 2008, 2015).

Flächendeckende Leistungserhebungen wurden seit 1998 in der Weiterbildungsschule durchgeführt und 2004 die Tests im Rahmen einer Evaluation erstmals zentral ausgewertet (Laschinger, 2006). Ebenfalls 2004 wurden diese Erhebungen auch in der Orientierungsschule durchgeführt (Felder, 2004; Specker, 2005). Ab 2006 wurden Orientierungsarbeiten zu beiden Zeitpunkten, also in Orientierungs- und Weiterbildungsschule durchgeführt und in letzterem Falle mit dem Kanton Basel-Landschaft koordiniert (Vögelin, 2010). Die vierkantonalen Checks (vgl. Solothurn in Abschn. 6.2.3) wurden in Basel-Stadt ab 2013 gestaffelt flächendeckend und obligatorisch durchgeführt (IBE, 2014).

Im kantonalen Konzept zum Qualitätsmanagement für die Volksschule und die berufsbildende Sekundarstufe II wurde neben der Bildungsstatistik als Element von Bildungsmonitoring auch auf die auf externe Evaluation, Inspektion und Aufsicht ausgerichtete Schulsystemevaluation verwiesen (ED BS, 2013). Im Kanton Basel-Stadt wurde die bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eingeführte und damit lange bestehende Organisation der kantonalen Rektorate und der lokalen Standortleitungen ab 2005 ersetzt durch teilautonome Schulleitungen, lokale Schulräte und eine kantonale Volksschulleitung (Rindlisbacher, Herren & Quesel, 2008). Die externe Evaluation einzelner Schulen wurde 2007 zunächst auf der Sekundarstufe II erstmals durchgeführt (Staatskanzlei BS, 2008). Für die Volksschule wurde die externe Schulevaluation ab 2014 als eine von vier Formen der sogenannten standortbezogenen Evaluation eingeführt (ED BS, 2017).

Evaluationen sind integrierter Bestandteil praktisch aller grösseren bildungspolitischen Programme oder Projekte. Beispiele für solche Evaluationen sind etwa im Bereich der Einführung von Tagesstrukturen (Staatskanzlei BS, 2008), der Sprachregelung im Kindergarten (Sacco-Wolber, 2011) oder der integrativen Beschulung (Liesen, 2013) zu finden. Intensiv begleitet wurde auch der Aufbau des Qualitätskonzeptes (Buholzer, Tanner & Zulliger, 2012), die Einführung von Schulräten im Zusammenhang mit der Auflösung der traditionellen Rektorate (Amsler & Akgünlü, 2014) oder das Case Management Berufsbildung (Haller & Hümbelin, 2011).

Im Kanton Basel-Stadt ist das Bildungsmonitoring-Dispositiv ebenfalls bildungsstatistisch geprägt. Dabei fallen drei Charakteristika besonders auf: (1) Das Bildungsmonitoring war praktisch durchgehend und explizit auf die Informations- und Wissensgenerierung zuhanden der Gestaltung und der Steuerung des Bildungssystems ausgerichtet (Vitelli et al., 2011). (2) Dadurch dass der Kanton zugleich auch mehrheitlich Schulträger der einzelnen Schulen ist, bestand lange eine weniger starke Abgrenzung zwischen der Entwicklung der einzelnen Schulen und der Systementwicklung. Erst mit den Qualitätsmanagement-Konzepten ab 2005 wurde eine vom konkreten Schulbetrieb losgelöste, kantonale Ebene zunehmend als solche sichtbar gemacht (Buholzer, von Büren Jarchow & Ottiger, 2009). (3) Der Kanton Basel-Stadt war in Harmonisierungsprozessen sowohl gesamtschweizerisch und sprachregional als auch regional im Bildungsraum Nordwestschweiz sowie in der Kooperation der beiden Basel beteiligt. Die Prozesse führten zu vergleichsweise einschneidenden Reformen (Staatskanzlei BS, 2013). Bildungsmonitoring und insbesondere Bildungsstatistik wurde immer wieder über seine Informationsfunktion in diesen und für diese Reformvorhaben legitimiert.

Jura

Im Kanton Jura wird ebenfalls hohes Gewicht auf Bildungsstatistik als Grundlage politischer Gestaltung gelegt. Die gesamte öffentliche Statistik lag ab 2007 bis 2016 in den Händen der Fondation Interjurassienne pour la statistique (FISTAT), die sowohl den Kanton Jura als auch den Berner Jura statistisch bearbeitete. Inhaltlich reichten die bildungsstatistischen Tätigkeiten dieses statistischen Büros nicht über die ordentlichen Erhebungen des BFS hinaus (FISTAT, 2016). Ab 2017 übernahm das statistische Amt des Kantons Neuenburg die gesamte amtliche Statistik des Kantons Jura (Service de statistique du canton de Neuch\(\hat{\text {a}}\)tel, 2017). Ergänzende Auswertungen, etwa statistische Angaben zur obligatorischen Schule (DFCS JU, 2015, 2017) oder zu den Anschlusslösungen der Schülerinnen und Schüler nach Abschluss der obligatorischen Schulzeit (DFCS JU, 2014), wurden meist von den zuständigen Amtsstellen durchgeführt.

In der Volksschule wurden und werden verschiedene standardisierte Leistungserhebungen durchgeführt. So erfolgte die Zuordnung der Schülerinnen und Schüler auf die unterschiedlichen Anforderungsniveaus der kooperativen Sekundarstufe I bereits ab den 1990er-Jahren unter anderem auf der Basis der sogenannten Épreuves communs (Vögeli-Mantovani, 1999). Diese Prüfungen umfassten je drei Tests in den Fächern Französisch, Mathematik und Deutsch und wurden zu drei Zeitpunkten im letzten Schuljahr der Primarschule absolviert, wobei die Resultate der letzten beiden Zeitpunkte in die Zuweisung einfliessen sollten (DFCS JU, 2013b). Daneben wurden seit 2007 Versuche mit sogenannten Épreuves de référence im 6. und 10. Programmjahr in den Fächern Französisch und Mathematik durchgeführt. Diese Prüfungen dienen diagnostischen Zwecken, sollen primär die Lehrpersonen informieren und sind damit auf die Unterrichtsebene ausgerichtet (DFCS JU, 2013d; IRDP, 2013; DFCS JU, 2013c). Allerdings ist eine Auswertung auf kantonaler Ebene und damit im Sinne von Steuerungswissen ebenfalls vorgesehen (Chancellerie d’État JU, 2011, S. 684).

Der Kanton Jura war im Rahmen der Zusammenarbeit innerhalb der Conférence intercantonale de l’instruction publique de la Suisse romande et du Tessin (CIIP) an allen fünf PISA-Untersuchungen zwischen 2000 und 2012 mit einer kantonalen Stichprobe vertreten (Nidegger et al., 2001, 2005, 2008; Nidegger, Broi et al., 2011; Nidegger, Carulla et al., 2014).

In der Neuformulierung des Schulgesetzes von 2012 wurde unter anderem auf das nationale Bildungsmonitoring und die nationalen und regionalen Bemühungen zur Entwicklung standardisierter Leistungserhebungen verwiesen:

Le canton du Jura ne disposant pas des moyens pour mettre en place un système d’évaluation à l’aide d’indicateurs permettant l’observation, l’analyse et la régulation du système scolaire, le monitorage suisse du système d’éducation est donc appelé à devenir un élément, parmi d’autres, du pilotage du système éducatif jurassien.“ (Chancellerie d’État JU, 2011, S. 684)

Die Weiterentwicklung der traditionellen kantonalen Leistungserhebungen als Element des Bildungsmonitorings wurde unter anderem durch die Hoffnung auf die interkantonalen Instrumente nicht weiter vorangetrieben.

Die Aufsicht über die Volksschule lag traditionell bei den kantonalen Amtsstellen. Von einem Inspektorat oder externer Schulevaluation ist in den Quellen nicht die Rede. Auf der Sekundarstufe II haben sich die 2007 auf kantonaler Ebene in einem Centre zusammengefassten Schulen 2013 ein gemeinsames Qualitätshandbuch gegeben. Teil des Qualitätsmanagements ist auch eine periodische Auswertung desselben auf kantonaler Ebene, die sogenannte Revue de direction zuhanden der Politik und der Schulen, sowie die formale Zertifizierung des Qualitätsmanagements (DFCS JU, 2013a). 2017 konnte die Zertifizierung erneuert werden (Chancellerie d’État JU, 2017).

Im Kanton Jura als eher kleinem Kanton ist das Bildungsmonitoring-Dispositiv geprägt durch eine Bildungsstatistik auf gesamtschweizerisch koordiniertem Niveau, durchgeführt jeweils von spezifischen Auftragnehmern. Daneben werden mit den Leistungserhebungen zwar punktuell zusätzliche Informationen erhoben, jedoch nicht zu einer Gesamtsicht zusammengetragen. Besonders auffällig ist der ab 2010 regelmässig auftauchende Verweis auf das nationale Bildungsmonitoring, das wesentlich zur Weiterentwicklung der bestehenden Modi der Beschaffung und Aufbereitung von Informationen über das kantonale Bildungssystem genutzt werden sollte. Insofern scheint sich der Kanton Jura mit Blick auf die gesamtschweizerischen Entwicklungen bei der Gestaltung der kantonalen Elemente von Bildungsmonitoring stark zurückzuhalten.

Obwalden

Für das Bildungsmonitoring-Dispositiv im Kanton Obwalden wurde bereits 1999 eine Entwicklung hin zu einem einheitlichen Monitoring im Dienste verschiedener Akteure und unter Einbezug verschiedener Element initiiert. Orientiert am Ziel einer hohen Qualität der Bildungsprozesse wurden im sogenannten Bildungskonzept „eine erstmalige, gesamtheitliche Beurteilung des kantonalen Bildungswesens [...] [skizziert und] Leitplanken für die künftige Bildungspolitik gelegt“ (BKD OW, 1999, S. 3), und zwar für die Volksschule ebenso wie für Mittel- und Berufsschulen. Ursprünglich stark auf eine Ablösung des traditionellen Inspektorats durch externe Evaluation und neue Aufsicht ausgerichtet, wurden bis 2009 sukzessive weitere Elemente als Grundlagen für die politische Einschätzung und Gestaltung miteinbezogen. Dabei wurde primär die Bildungsstatistik, verantwortet durch das Bildungs- und Kulturdepartement des Kantons Obwalden (BKD OW), als zusätzliche Informationsquelle verstanden. In diesem Sinne wurden die vom BFS standardisierten Kennzahlen immer wieder ergänzt um verschiedene Daten aus Befragungen der kantonalen Ämter (z. B. Staatskanzlei OW, 2005). Durch den gezielten Ausbau der bildungsstatistischen Informationen zugunsten politischer Verwendungskontexte wurde die Bildungsstatistik sukzessive zum zentralen Element des kantonalen Bildungsmonitorings. Teilweise wurde der Monitoringbegriff sogar exklusiv auf die ausgebaute Bildungs- und Beratungsstatistik angewendet (Staatskanzlei OW, 2009). Auf statistische Informationen, gegliedert in verschiedene Kennzahlen und Indikatoren, wurde auch für die regierungsrätlichen Geschäftsberichten und für die Amtsdauerplanung, das zentrale politische Planungsinstrument der Regierung, zurückgegriffen (Staatskanzlei OW, 2011a, 2011b, 2015).

Im kantonalen Rahmenkonzept zur Qualitätsevaluation von 2009 wurde die Struktur des Bildungsmonitoring-Dispositivs, bezogen auf die Volksschule, aktualisiert. Basieren sollte es auf externer Evaluation, Aufsicht und einem dritten, datenbezogenen Bereich, der explizit als Bildungsmonitoring bezeichnet wurde. Die externe Evaluation, aufgebaut ab 2003 in Zusammenarbeit mit den Kantonen Nidwalden und Uri, sollte fortgeführt werden. Der zweite Evaluationszyklus wurde 2014 abgeschlossen (BKD OW, 2015a), der dritte 2016 gestartet (Staatskanzlei OW, 2017).Footnote 3 Im Rahmen der Aufsichtsfunktion sollten die Informationen der externen Evaluation punktuell ergänzt und verdichtet werden. Dazu waren auf den Volksschulstufen beispielsweise themenspezifische Erhebungen vorgesehen (Staatskanzlei OW, 2011b). Das datenbezogene Bildungsmonitoring – hier als Bildungsmonitoring im engeren Sinne verstanden – bezog sich konzeptionell auf bildungsstatistische Daten einerseits und andererseits auf „Informationen über die Ergebnisse und Wirkungen des Systems (sog. Leistungsanalysen) [...], die für die Bildungspolitik relevant sind und die Vergleichbarkeit mit anderen Systemen fördern“ (Buholzer-Hodel, 2009, S. 17). Zentrales Produkt in diesem dritten Bereich war und ist die bildungsstatistische Zusammenstellung, die 2006 unter dem Titel Bildungs- und Beratungsstatistik erstmals erschien und Daten zu sämtlichen Bildungsstufen umfasst (BKD OW, 2015b). Der Einsatz standardisierter Leistungserhebungen auf kantonaler Ebene ist nur im Projekt 8plus, initiiert 2005, dokumentiert. In diesem Projekt wurden die letzten beiden Schuljahre der Sekundarstufe I inhaltlich stärker auf den Übergang auf die Sekundarstufe II hin ausgerichtet. Dabei kam auch der Stellwerk-Test 2007 erstmals flächendeckend zum Einsatz. Die Resultate wurden auf kantonaler Ebene ausgewertet und der Einsatz des Instruments evaluiert (Staatskanzlei OW, 2007, 2008). Mit dem Projektabschluss wurde 2010 der obligatorische Einsatz von Stellwerk 8 in den Fächern Deutsch und Mathematik definitiv (Staatskanzlei OW, 2011b). Die ebenfalls als Element vorgesehene Bildungsberichterstattung war bis im März 2018 noch nicht realisiert (BKD OW, 2018).

Im Kanton Obwalden steht ein sehr umfassend angelegtes Verständnis von Bildungsmonitoring einer, gemessen an öffentlich sichtbar gemachter Information über das Schulsystem, stark auf bildungsstatistische Daten fokussierten Monitoringpraxis gegenüber. Der Einbezug von externer Evaluation und Aufsichtsfunktionen in das Steuerungswissen, das den politischen Akteuren zur Verfügung stehen soll, scheint nicht oder zumindest nicht öffentlich wahrnehmbar zu erfolgen. Im kantonalen Bildungsmonitoring-Dispositiv erscheinen primär die bildungsstatistischen Elemente, während eine Gesamtsicht, wie sie bereits 1999 postuliert wurde, bislang nicht realisiert wurde. Im Unterschied etwa zum Kanton Jura werden im Kanton Obwalden die konzeptionellen Leerstellen aber nicht explizit mit Verweisen auf Bildungsmonitoring auf nationaler Ebene bewirtschaftet.

6.2 Schülerleistung als Qualitätsmerkmal

Informationen zur Leistung von Schülerinnen und Schülern, gemessen in einem Bezugsrahmen oberhalb der einzelnen Klasse oder Schule, sind ein zweites wesentliches Element kantonaler Dispositive von Bildungsmonitoring. Diesbezügliche Impulse und Modellvorstellungen kommen einerseits aus einer pädagogisch begründeten Tradition von Orientierungsarbeiten, die in den 1990er-Jahren als Element von Schulentwicklung im Bereich der Beurteilung und Bewertung in vielen Kantonen anzutreffen waren (Vögeli-Mantovani, 1999). Andererseits wurden solche Informationen, geprägt durch die internationalen Schulleistungsstudien sowie das nationale Bildungsmonitoring, zunehmend auch in den Kantonen als Qualitätskriterium wahr- und aufgenommen (Wolter, 2008b) (vgl. Kap. 5).

Die Kantone unterscheiden sich einerseits darin, auf welchen Klassenstufen und in welchen Fächern sie solche Leistungserhebungen durchführen und andererseits darin wie die Teilnahme und vor allem die zentrale Auswertung definiert ist. Der Kanton Neuenburg steht im Fokus als ein Kanton, der Prüfungsformen mit standardisierter und zentraler Aufgabenentwicklung und Ergebnisauswertung traditionell als Element der schulischen Beurteilung anwendet und zugleich auch im Sinne einer Informationsbasis über das kantonale Schulsystem verwendet. Im Folgenden wird zunächst für Neuenburg aufgezeigt, welche Formen standardisierte Leistungserhebungen hatten und haben. Dabei geht der Blick auch über den Kanton Neuenburg hinaus auf die CIIP und ihre sprachregionalen Bemühungen um standardisierte Leistungserhebungen. Anschliessend werden Bildungsstatistik und Inspektorat als weitere Elemente des kantonalen Monitoring-Dispositivs dargestellt. Der Kanton Neuenburg steht für die Herausforderungen, Leistungsinformationen in Bildungsmonitoring und damit für eine umfassende Perspektive auf Schulsysteme nutz- und verwertbar zu machen. Es stellt sich dabei die Frage, inwiefern und wie vergleichende Leistungserhebungen, gerade angesichts ihrer hohen kommunikativen Kraft wirksam werden.

6.2.1 Neuenburger Tradition der Orientierungs- und Referenzprüfungen

In der Volksschule des Kantons Neuenburg spielten standardisierte Prüfungen bereits in den 1990er-Jahren eine grosse Rolle. In Form der Épreuves d’orientation bildeten sie, zusammen mit den Erfahrungsnoten und einer Einschätzung der Lehrperson, die Grundlage für die Zuweisung zu den leistungsdifferenzierten Typen der Sekundarstufe I. Die Prüfungen wurden von allen Schülerinnen und Schülern in der nicht leistungsdifferenzierten 1. Klasse der vierjährigen Sekundarstufe I, im sogenannten Orientierungsjahr, zu zwei Zeitpunkten absolviert. Im ersten Semester wurden Mathematik und Französisch geprüft, im zweiten Mathematik und Deutsch. Die Auswertung erfolgte zentral und die resultierende Punktzahl für den einzelnen Schüler wurde statistisch durch die Abbildung der Ergebnisse aller Schüler auf sogenannte Stanine-WerteFootnote 4 ermittelt (Vögeli-Mantovani, 1999). Für die Zuordnung zu einem Leistungszug wurden die Werte der Orientierungsprüfungen und ebenso die Schulnoten sämtlicher Fächer sowie eine Einschätzung der Lehrpersonen, basierend auf dokumentierten Beobachtungen, reduziert auf einen Zuordnungscode, der die Wahlmöglichkeiten der einzelnen Schülerinnen und Schüler bezüglich der drei Leistungszüge definierte. Die Ergebnisse der Épreuves d’orientation wurden in Form dieser Zuordnungscodes jeweils in den jährlichen Rechenschaftsberichten veröffentlicht (z. B. Chancellerie d’État NE, 2001, 2014). Gerade durch die öffentliche Darstellung der Ergebnisse werden diese öffentlich diskutierbar und damit zu zentralen Elementen des kantonalen Bildungsmonitoring-Dispositivs. Die standardisierten Tests wurden ab dem Schuljahr 2014/15 mit der Einführung eines ungeteilten Schulmodells auf der Sekundarstufe nicht mehr durchgeführt (Chancellerie d’État NE, 2015). Bezüglich ihrer Funktion im Rahmen von Promotions- und Selektionsprozessen wurden sie teilweise ersetzt durch die Épreuves cantonales (DEF NE, 2015a, 2015b).

Auch auf anderen Klassenstufen existierte im Kanton Neuenburg eine Tradition der standardisierten Leistungserhebung. Sämtliche Schülerinnen und Schüler der fünfjährigen Primarschule absolvierten alljährlich die sogenannten Épreuves de référence. Dies waren auf den Lehrplan abgestimmte Referenzprüfungen mit primär diagnostischem Zweck. Sie wurden jeweils bezogen auf ein Fach oder ein Thema innerhalb eines Faches für alle Klassen der Primarschule vorbereitet. Zugleich waren sie „un instrument de validation de l’enseignement d’un secteur particulier d’une discipline“ (Chancellerie d’État NE, 2002b, S. 21) und dienten damit auch einem Monitoringzweck. Mit wenigen Ausnahmen bezogen sich diese Prüfungen jeweils auf einen Themenbereich der Fächer Französisch oder Mathematik. 2017 waren die Referenzprüfungen dem Fach bildnerisches Gestalten gewidmet (Chancellerie d’État NE, 2018). Die Mittelwerte der erreichten Testergebnisse sowie der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die eine vorab definierte Bestehensnorm erfüllten, wurden pro Klasse in den Rechenschaftsberichten veröffentlicht (z. B. Chancellerie d’État NE, 2001, 2014).

Eine dritte Form der standardisierten Leistungserhebungen stellten die Épreuves cantonales de niveau 8 (EC8) dar. Sie wurden eingeführt als individuelle Standortbestimmung am Übergang auf die Sekundarstufe II und erstmals im Schuljahr 2008/09 flächendeckend durchgeführt. Sie sollten Auskunft darüber geben, wo individuell bei den Schülerinnen und Schülern noch Aufholbedarf bestand und als Informationsbasis den Laufbahnentscheid beim erwähnten Übergang unterstützen (Chancellerie d’État NE, 2011). Die Prüfungen umfassten mit Französisch und Deutsch die beiden zentralen Fachbereiche und wurden, im Zusammenhang mit der Einführung des ungeteilten Schulmodells, 2016 einmalig ergänzt um eine zweite Prüfungsserie in Deutsch, Englisch und Naturwissenschaften für die Schülerinnen und Schüler im letzten Schuljahr der obligatorischen Schule (Chancellerie d’État NE, 2017). Unter anderem im Hinblick auf die Einführung der ÜGK wurde 2016 entscheiden, auf die kantonalen Prüfungen künftig zu verzichten (Chancellerie d’État NE, 2018).

Bereits im Legislaturprogramm für die Jahre 2006 bis 2009 war die Einführung neuer Lehrpläne begleitet durch systematische Leistungserhebungen in allen Klassen als Ziel formuliert (Chancellerie d’État NE, 2005). Im folgenden Legislaturprogramm wurde dann auf die Einführung der „Épreuves romandes“ sowie auf ein zu entwickelndes „Concept du contrôle de la qualité de l’enseignement“ (Chancellerie d’État NE, 2009, S. 30) verwiesen. In der kantonalen HarmoS-Broschüre wurde dann klar, dass insbesondere das System der kantonalen und Westschweizer Leistungserhebungen diese Kontrolle ausmachen sollte (DECS NE, 2012), ergänzt um einen Referenzrahmen für Lehrpersonen und Schulleitungen (Chancellerie d’État NE, 2015). Die Entwicklung der Épreuves romandes communes war Teil der sich ab 2003 intensivierenden, sprachregionalen Zusammenarbeit innerhalb der CIIP und ein wesentliches Element der 2009 in Kraft getretenen Convention scolaire romande. Das Mandat zur Entwicklung dieser Leistungserhebungen ging 2007 an das Institut de recherche et de documentation pédagogique (IRDP). Zunächst wurde eine vertiefte Analyse der bestehenden Formen standardisierter Leistungserhebung in den sieben französischsprachigen Kantonen durchgeführt und dann ein Konzept für die eigentliche Leistungserhebung erstellt (Viridiana & Wirthner, 2013). Eine stetige Frage in diesen Arbeiten sowohl politisch als auch testtheoretisch war die Koordination mit und die Abgrenzung von der im Rahmen der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) zu entwickelnden ÜGK. 2015 entschied die CIIP schliesslich die Épreuves romandes communes zunächst bis 2019 als Aufgabendatenbank, abgestimmt auf den 2010 verabschiedeten gemeinsamen Plan d’études romand, aufzubauen (CIIP, 2015).

Ebenfalls im Rahmen der Zusammenarbeit innerhalb der CIIP war Neuenburg in den PISA-Untersuchungen von 2000 bis 2012 je mit einer kantonalen Stichprobe vertreten (Nidegger et al., 2001, 2005, 2008; Nidegger, Broi et al., 2011; Nidegger, Carulla et al., 2014). Nicht zuletzt die Auswertungen der PISA-Ergebnisse bezüglich der Leistungsdifferenzen und -überschneidungen zwischen den drei Leistungszügen der Sekundarstufe I begründeten die bereits erwähnte Einführung eines ungeteilten Schulmodells (Chancellerie d’État NE, 2013a; DEF NE, 2015b).

6.2.2 Bildungsstatistik und Inspektion als weitere Monitoringelemente

Die kantonale Statistikstelle führt im Kanton Neuenburg auch die Statistik der Volksschulstufen und der Sekundarstufe II. Dabei werden seit einer Reorganisation 2007 auch Individualdaten erfasst (Chancellerie d’État NE, 2008). Seit 2009 kam ein einfaches Indikatorensystem mit fünf Basis-Kennzahlen zur Anwendung (DEC NE, 2010). Ein eigentlicher Bildungsbericht wurde für den Kanton Neuenburg nicht verfasst. Bildungsstatistische Informationen wurden ab 2001 jährlich in Form einer Broschüre sowie laufend online publiziert (DEC NE, 2010, 2014; Chancellerie d’État NE, 2002b). Die statistischen Erhebungen im Bildungsbereich haben ab 2012 explizit einen auf „Monitorage du système“ (Chancellerie d’État NE, 2013b, S. 35) bezogenen Anwendungsbereich.

Die als Verwaltungseinheit im Département de l’éducation et de la famille du canton de Neuchâtel (DEF NE) angesiedelte, klassische Inspektion übernahm ebenfalls Verantwortung für die Qualität und die Qualitätsentwicklung im Volksschulbereich. Aufgaben dieser Inspektion waren die Beratung in konkreten Schul- und Unterrichtsfragen wie jene nach Lehrplänen und Lehrmitteln, nach der Schülerbeurteilung und nach besonderer pädagogischer Unterstützung sowie ein systematisches Monitoring im Sinne eines Überblick über das Bildungssystem, allerdings ohne näher definierte Dokumentations- oder Kommunikationsbezüge (Chancellerie d’État NE, 2015, 2018).

Auf der Sekundarstufe II und insbesondere bei den Berufsschulen wurde ab 2001 die externe Zertifizierung der einzelnen Schulen aktiv gefördert und vorangetrieben (Chancellerie d’État NE, 2002b). Auch für die kantonalen Stellen der Berufsberatung war ab 2008 die externe Zertifizierung als Ziel erstmals erreicht worden (Chancellerie d’État NE, 2010).

Im Bildungsmonitoring-Dispositiv des Kantons Neuenburg ist zunächst die hohe Präsenz standardisierter Leistungserhebungen auffallend. Der Blick auf die Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler als Outputs macht ein sehr wesentliches Element der bildungspolitischen Bemühungen um Qualität im Schulsystem aus. Bereits im 2002 erstmals verfassten Legislaturprogramm standen die Ergebnisse von Leistungserhebungen explizit hinter einem von zwei bildungspolitischen Zielen: Die kantonalen Erhebungen und die ersten PISA-Resultate legitimierten und begründeten die postulierte Stärkung der sprachlichen Fächer im Volksschulbereich. In diesem ersten Legislaturprogramm wurde auch auf die Bildungsstatistik als Teil eines bildungspolitischen Informations- und Planungssystems verwiesen (Chancellerie d’État NE, 2002a). Im zweiten Legislaturprogramm, das stark vor dem Hintergrund allgemeiner Sparbemühungen verfasst wurde, waren die Leistungserhebungen wiederum das prominenteste Element des Bildungsmonitoring-Dispositivs. Daneben wurde aber auch auf die Bildungsstatistik sowie auf die Systematisierung der Inspektionstätigkeiten hingewiesen (Chancellerie d’État NE, 2005). Die folgenden Legislaturprogramme bestätigten den selektiven Umgang auf der politischen Ebene mit Elementen des kantonalen Bildungsmonitoring-Dispositivs. Es entwickelte sich auf dieser Ebene nicht oder zumindest nicht explizit in Richtung eines Instruments der politisch-strategischen Gestaltung weiter.

6.2.3 Weitere Kantone

Mit Solothurn, Schwyz und Wallis werden im Folgenden vier weitere Kantone präsentiert. Im Kanton Solothurn sind Leistungserhebungen auf der konzeptionellen Ebene prominent in einem ganzheitlich und umfassend angedachten Bildungsmonitoring-Dispositiv verortet. Der Kanton Solothurn vertritt hier auch den Bildungsraum Nordwestschweiz, der die Einführung eines Lern- und Fördersystems als eines seiner Kernprojekte vorantrieb. Die Kantone Schwyz und Wallis stehen dagegen für einen intensiven und konkreten Einsatz von standardisierten Leistungserhebungen.

Solothurn

Im Kanton Solothurn war bis in die 2000er-Jahre keine Tradition breit angelegter, standardisierter Leistungserhebungen festzustellen. Einzig im Verfahren des Übertritts auf die leistungsdifferenzierte Sekundarstufe I war eine Prüfung vorgesehen, die allerdings dezentral in der Verantwortung der Schulbezirke lag (Vögeli-Mantovani, 1999). Im Kontext der strukturellen Reformen der Sekundarstufe I und der Einführung geleiteter Schulen wurde im Rahmenkonzept Qualitätsmanagement ein kantonales Monitoring mit Leistungserhebungen, Bildungsstatistik, Schulcontrolling und externer Evaluation als zentralen Elementen skizziert. Dieses System sollte bezogen auf die Volksschulstufen die vorhandenen Daten und Informationen bündeln, systematisch prüfen und so zuhanden der politischen Entscheidungsträger Steuerungswissen bzw. „Daten für die Systemsteuerung“ (Eggimann et al., 2007, S. 38) generieren. Als ein mögliches Produkt wurde explizit auch ein Bildungsbericht genannt. In diesem kantonalen Qualitätskonzept waren insbesondere für die kantonale Monitoringebene Verweise auf die interkantonalen und gesamtschweizerischen Entwicklungen relevant. Das kantonale Monitoring sollte analog zu den übergeordneten System aufgebaut werden und diese ergänzen.

Mit der Reform der Sekundarstufe I wurden ab 2009 sogenannte Orientierungsarbeiten und übertrittsrelevante Vergleichsarbeiten in den letzten beiden Klassen der Primarschule sowie in der letzten Klasse der Sekundarstufe I eingeführt (Lischer, 2009; Staatskanzlei SO, 2010b). Insbesondere die kantonalen Vergleichsarbeiten in Deutsch und Mathematik wurden kantonal koordiniert und ausgewertet (Schwarzenbach, 2010). Allerdings ist die Verwendung der Ergebnisse dieser beiden Typen standardisierter Leistungserhebungen als Steuerungswissen nicht dokumentiert. Ab 2010 war als weitere Leistungserhebung das Stellwerk 8 verpflichtender Bestandteil der individuellen Planung der neu konzipierten letzten Klasse der Sekundarstufe I und wurde von allen Schülerinnen und Schülern absolviert (DBK SO, 2010). Im Bestreben, den Anspruch einer auf Leistungserhebungen basierenden Qualitätsevaluation einzulösen, stellte der Kanton Solothurn in PISA 2012 eine kantonal repräsentative Stichprobe. Die Ergebnisse zeigten leicht unterdurchschnittliche Kompetenzen in Lesen und Mathematik sowie einen eher hohen Anteil der sogenannten Risikogruppe mit Schülerinnen und Schülern, deren Leistungen in der Mathematik und im Lesen unter dem Kompetenzniveau 2 liegen. Zudem wurden die Leistungsüberschneidungen der vier Typen innerhalb der leistungsdifferenzierten Sekundarstufe I deutlich (Angelone, Keller & Verner, 2014b).

Die leistungsbasierte Systembetrachtung setzte der Kanton Solothurn in der Folge im Rahmen des Bildungsraums Nordwestschweiz mit den vierkantonalen Checks fort. Entwickelt durch das Institut für Bildungsevaluation (IBE) im Auftrag der Kantone Aargau, Basel-Landschaft, Basel-Stadt und Solothurn wurden die Checks ab 2013 sukzessive in den Volksschulen der vier Kantone eingesetzt. Ihre Zweckbestimmung war eine doppelte: Sie waren und sind als Instrumente zur Unterstützung konkreter Lern- und Lehrprozesse und zugleich als Wirkungsüberprüfung auf der Systemebene konzipiert. Dazwischen können sie zusätzlich durch Schulleitungen oder lokale Schulbehörden als Informationsquelle für die Schulentwicklung hinzugezogen werden (BRNW, 2012). Die vierkantonalen Checks umfassen Leistungserhebungen für vier Programmjahre und – ergänzend dazu – entsprechende Aufgabendatenbanken für Lehrpersonen, Schülerinnen und Schüler zur Illustration und Vorbereitung.Footnote 5 Die Checks P3 und P6 in der Primarschule informieren Schüler und Lehrperson über die Leistung, gemessen an einer kriterialen Bezugsnorm. Die Checks haben summativen Charakter. Die beiden Checks S2 und S3 auf der Sekundarstufe I dienen als individuelle Lernstandserhebungen. Die Checks beziehen sich auf die Fächer Deutsch, Mathematik, Naturwissenschaften und Fremdsprachen. Die Ergebnisse werden bis hin zur Kantonsebene aggregiert und es sind auch Auswertungen nach Geschlecht oder Erstsprache möglich. Dazu wurde ein umfangreiches computerbasiertes Auswertungsdispositiv aufgebaut, das die entsprechend aggregierten Ergebnisse auf Schüler-, Klassen- und Schulebene online zugänglich macht. Ebenfalls über diese Plattform wurde 2016 erstmals das vierkantonale Abschlusszertifikat distribuiert (BRNW, 2015). Die vierkantonalen Checks ersetzten die bestehenden, standardisierten Leistungserhebungen (IBE, 2014). Die kantonal aggregierten Ergebnisse aller vier beteiligten Kantone wurden ab 2013 jährlich publiziert (unter anderem Oostlander & Berger, 2014; Giesinger, Oostlander & Berger, 2017).

Als erster Check im Kanton Solothurn wurde 2013 der Check P3 2013 durchgeführt, und zwar auf freiwilliger Basis. Solothurn war dann 2015 der erste Kanton mit einer flächendeckenden, obligatorischen Teilnahme an Check S2. Im Schuljahr 2017/18 wurden erstmals alle vier Checks obligatorisch absolviert (IBE, 2014).

Neben den standardisierten Leistungserhebungen wurden 2010 mit dem Aufbau der Bildungsstatistik und der Einführung der externen Evaluation zwei weitere Elemente des im Rahmenkonzept Qualitätsmanagement skizzierten Bildungsmonitoring-Dispositivs realisiert. Mit dem neuen Volksschulgesetz wurde unter anderem die Grundlage gelegt für eine eigenständige Erhebung und insbesondere Auswertung der bildungsstatistischen Daten. Die bis dahin praktizierte Erhebung mittels Papierfragebogen, die direkt dem BFS zugestellt worden waren, genügte weder den kantonalen Ansprüchen noch den durch die Modernisierung der gesamtschweizerischen Bildungsstatistik höheren Ansprüchen des BFS (Staatskanzlei SO, 2010a; vgl. Abschn. 5.4.4). Eine Übersicht über die kantonalen bildungsstatistischen Daten wurde 2015 erstmals aufbereitet (Lischer, 2015a, 2015b). Die externe Evaluation wurde ebenfalls mit dem neuen Volksschulgesetz eingeführt und im Rahmen eines Leistungsauftrags an die Pädagogische Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz (PH FHNW) realisiert. Der erste Evaluationszyklus wurde 2015 abgeschlossen, der zweite Zyklus in einer deutlich reduzierten Form der externen Evaluation wurde 2016 begonnen (Zumbrunnen & Steiner, 2016).

Im Kanton Solothurn ist das 2007 für die Volksschule systematisch angedachte, auf andere Bildungsstufen übertragbare und in Übereinstimmung mit den gesamtschweizerischen Entwicklungen konzipierte Bildungsmonitoring-Dispositiv zunächst nur in Teilbereichen realisiert worden. Die Leistungserhebungen, gerade mit der kantonalen PISA-Zusatzstichprobe, erscheinen dabei relativ prominent. Das hat auch damit zu tun, dass Bildungsstatistik und externe Evaluation zunächst aufgebaut werden mussten. Das in diesem Sinne holistisch angedachte Monitoring konnte allerdings nicht realisiert werden. Darin bildet sich exemplarisch die Schwierigkeit ab, gerade breit angedachte Informationssysteme als Zusammenführung und Etablierung verschiedener Elementen mit jeweils eigenen Kontexten zu realisieren. Damit verbunden ist politisch stets die Frage zu beantworten, inwiefern das Bildungsmonitoring-Dispositiv auch mit einer unvollständigen Instrumentensammlung funktionieren kann. Im Fall des Kantons Solothurn war es schliesslich der Einbezug in den Bildungsraum Nordwestschweiz, der eine Weiterentwicklung bedeutete und mit zwei Bildungsberichten und den Checks zu einer breiteren Palette an Daten und Informationen zuhanden politischer Akteure führte.

Schwyz

Im Kanton Schwyz wurden in den letzten rund 20 Jahren auf allen Stufen sukzessive standardisierte Leistungserhebungen eingeführt. In der Primarschule wurden ab 2003 sogenannte Jahresschlussprüfungen in der 4. Klasse implementiert. Daneben absolvierten alle Klassen der Primarschule bestimmte vorgegebene Orientierungsarbeiten der Bildungsdirektoren-Konferenz Zentralschweiz (BKZ), die jeweils zentral ausgewertet wurden (Staatskanzlei SZ, 2006). Die Jahresschlussprüfung in der 4. Klasse wurde 2008 abgelöst durch das Klassencockpit in den Fächern Mathematik und Deutsch (Staatskanzlei SZ, 2009). Auf der Sekundarstufe I kamen ab 2003 ebenfalls vorgegebene BKZ-Orientierungsarbeiten sowie in der 3. Klasse obligatorische Jahresschlussprüfungen zum Einsatz (BD SZ, 2008a). Letztere wurden ab 2008 durch das Stellwerk 9 ersetzt. Ab 2010 kam zudem Stellwerk 8 flächendeckend zum Einsatz (Staatskanzlei SZ, 2009, 2011).

Auch bei den Gymnasien wurden mit der Einführung von Leistungsaufträgen 2009 vergleichende Leistungserhebungen initiiert (BD SZ, 2008a). Als kantonale Eigenheit kann zudem der kantonale Sporttest bezeichnet werden, der – dokumentiert ab 2002 – prinzipiell für alle Schülerinnen und Schüler der 2. Klasse der Sekundarstufe I obligatorisch war. Für fast alle Leistungserhebungen wurden kantonal aggregierte Resultate veröffentlicht, so beispielsweise für das Klassencockpit und für Stellwerk 9 seit 2008 (BD SZ, 2008b, 2008c). In den ab 2011 durchgängig indikatorenbasierten, regierungsrätlichen Rechenschaftsberichten gaben die Teilnahmequoten an den erwähnten Leistungserhebungen und eine aggregierte Ergebniskennzahl jeweils über den Bereich der Qualitätssicherung in der Volksschule Auskunft (Staatskanzlei SZ, 2012, 2018).

Daneben sind im Kanton Schwyz, ähnlich wie im Kanton Solothurn, Bildungsstatistik und Schulcontrolling weitere Elemente des Bildungsmonitoring-Dispositivs. Für die bildungsstatistischen Erhebungen und Auswertungen war und ist das Bildungsdepartement des Kantons Schwyz (BD SZ) – bis 2008 Erziehungsdepartement des Kantons Schwyz (ED SZ) – verantwortlich. Es publiziert jährlich zwei statistische Broschüren, die eine relativ knapp zu den Lehrkräften (BD SZ, 2014), die andere sehr ausführlich und detailliert zu den Schüler- und Klassenzahlen (BD SZ, 2015). Bereits 1999 wurde eine Neukonzeption des traditionellen Schulinspektorats initiiert, die 2003 unter anderem in ersten externen Evaluationen bei geleiteten Pilotschulen mündete. In diesem Zusammenhang tauchte der Begriff Schulcontrolling auf (Staatskanzlei SZ, 2003). Der allgemeinen Einführung der externen Evaluation 2004 folgten inhaltliche Weiterentwicklungen von entsprechenden Prozessen und Instrumenten (BD SZ, 2008a, 2010). Diese Entwicklungen wurden 2013 jäh gestoppt als der Kantonsrat einem Vorstoss zur Abschaffung der Schulevaluation zustimmte. Im daraufhin deutlich reduzierten Schulcontrolling wurden auf den Volksschulstufen einerseits an die bisherige externe Evaluation angelehnte „Qualitätsüberprüfungen“ sowie thematisch definierte Fokusevaluationen vorgesehen (U. Bucher et al., 2015, S. 6). Das Schulcontrolling – konkret organisiert als im Vergleich mit den Vorgängerabteilungen Evaluation und Aufsicht deutlich reduzierte Abteilung – umfasst damit seit 2015 sowohl die traditionellen Aufsichtsfunktionen als auch sämtliche weiteren Elemente des Monitoring-Dispositivs. Die entsprechende Abteilung aggregiert „Wissen aus Beaufsichtigung und Überprüfung, verdichtet [es] in einem Monitoring über die wesentlichen Bereiche des Volksschulwesens [...] und generiert Steuerungswissen“ (U. Bucher et al., 2015, S. 5).

Eine Reihe politischer Projekte führte 2008 zu einem zugleich resümierenden und vorausblickenden Grundlagenbericht, in dem die aktuellen Daten, die laufenden und kommenden bildungspolitischen Projekte sowie die künftigen Herausforderungen präsentiert wurden, und zwar für die Volksschulstufen, die Berufsbildung und die Gymnasien (BD SZ, 2008a). 2014 wurden erste Überlegungen angestellt in Richtung einer Aktualisierung und Fortführung der im Grundlagenbericht begonnenen Berichterstattung (Staatskanzlei SZ, 2015). Nach mehreren Vernehmlassungsrunden und dem Einbezug von Erziehungsrat und Parlament wurde 2018 schliesslich die Bildungsstrategie präsentiert. Anders als im Grundlagenbericht sind darin aber nur sehr marginal Informationen aus dem Bildungsmonitoring-Dispositiv oder Hinweise auf dessen künftige Gestalt und Ausrichtung enthalten (BD SZ, 2018).

Im Kanton Schwyz spielten standardisierte Leistungserhebungen eine wichtige Rolle im Bildungsmonitoring-Dispositiv. Dabei erstaunt insofern, wie explizit verschiedene durchaus unterschiedliche Testsysteme gleichermassen auf kantonaler Ebene zu Monitoringzwecken ausgewertet wurden. Die politisch unterbundene Etablierung der externen Evaluation führte schliesslich zu einer organisatorisch und inhaltlich auf die kantonale Steuerungs- und Monitoringebene konzentrierten Sammlung von Daten und Informationen zuhanden politischer Akteure. Darin wird unter anderem deutlich, dass Aufbau und Entwicklung kantonaler Bildungsmonitoring-Dispositive nicht zuletzt geprägt sind durch die Entwicklungen einzelner Elemente.

Wallis

In der Volksschule des Kantons Wallis wurden obligatorische Jahresprüfungen auf fast allen Klassenstufen und in beiden innerkantonalen Sprachregionen bereits in den 1990er-Jahren als etablierte Praxis und kantonale „Spezialität“ im Bereich der schulischen Beurteilung charakterisiert (Vögeli-Mantovani, 1999, S. 112). Die Ergebnisse der von kantonal organisierten, fachbezogenen Jahresprüfungskommissionen vorbereiteten und kantonal koordiniert durchgeführten Leistungserhebungen flossen unter anderem in die Zeugnisse ein. Ab 2001 wurden zu vier Zeitpunkten flächendeckend obligatorische Prüfungen durchgeführt, und zwar für die 4. und 6. Klasse der Primarschule sowie die 2. und 3. Klasse der Sekundarstufe I. Die Prüfungen bezogen sich auf die Fächer Mathematik, Erstsprache und erste Fremdsprache (DEKS VS, 2002, 2006a). Mit der Neuorganisation der Sekundarstufe I wurde 2011 eine zusätzliche Prüfung in der 1. Klasse der sogenannten Orientierungsschule eingeführt und kurz darauf jene in der 2. Klasse der Orientierungsschule abgeschafft (DEKS VS, 2011; Roch, 2011). Ab dem Schuljahr 2013/14 wurde zusätzlich eine Leistungserhebung in der 2. Klasse der Primarschule eingeführt, die auch mündliche Prüfungsformate umfasste (DBS VS, 2014). Mit der Einführung des Lehrplan 21 wurden 2015 auf Verordnungsebene die Prüfungszeitpunkte am Ende der 2. und 6. Primarschulklasse sowie der 3.  Klasse der Sekundarstufe I definiert, wobei aber kantonal obligatorische Prüfungen zu anderen Zeitpunkten möglich blieben. Dementsprechend wurden zunächst die Prüfungszeitpunkte in der 4. Primarschulklasse und in der 1. Klasse der Orientierungsschule beibehalten (Cleusix, 2015). Auf das Schuljahr 2016/17 hin wurden diese beiden Prüfungszeitpunkte jedoch definitiv abgeschafft (DBS VS, 2016a, 2016c).

Die Ergebnisse der Leistungserhebungen wurden ab 2001 kantonal ausgewertet und teilweise publiziert (DEKS VS, 2008; DBS VS, 2017; Salzmann, 2006). Die detaillierte, jährliche Auswertung wurde nicht veröffentlicht. Sie umfasste Aggregationen der Ergebnisse auf Klassen-, Schul-, Regions- und Kantonsebene. Ausgewertet wurden auch Stärken und Schwächen im Kompetenzprofil der Schülerschaft innerhalb der geprüften Fächer. Die Ergebnisse wurden explizit für Vergleiche zwischen Klassen und Schulen sowie für Auswertungen nach Geschlecht und Strukturmerkmalen wie beispielsweise Jahrgangs- und altersgemischten Klassen herangezogen (DEKS VS, 2013). Zuständig für die Elemente der standardisierten Leistungserhebungen, der Bildungsstatistik sowie für Programmevaluation und anwendungsorientierte Forschung im Bildungsbereich war ab 2000 bis 2015 die Einheit Forschung und Entwicklung des Bildungssystems (FEB), angegliedert bei der Dienststelle für tertiäre Bildung. Diese Ansiedlung ausserhalb der für Volksschule zuständigen Verwaltungseinheiten erfolgte bewusst und primär aus Gründen der organisationalen Unabhängigkeit der Systemevaluation beziehungsweise des Bildungsmonitoring-Dispositivs (DEKS VS, 2006b; Stupf, 2010; Roch, 2012). Die Dienststelle wurde Anfang 2015 als Dienststelle Hochschulwesen neu organisiert. Im Zuge dieser Reorganisation gingen gewisse Aufgaben an die für die Volksschule zuständigen Verwaltungseinheiten über (Staatskanzlei VS, 2015).

Das Gewicht von Leistungsinformationen auf Systemebene innerhalb des kantonalen Bildungsmonitoring-Dispositivs zeigt sich auch in der doppelten PISA-Beteiligung des Kantons Wallis. Im Rahmen der Zusammenarbeit innerhalb der CIIP war der französischsprachige Kantonsteil in den PISA-Untersuchungen von 2000 bis 2012 mit einer kantonalen Stichprobe vertreten. Als Walliser Beteiligung war dabei durchwegs die FEB aufgeführt (Nidegger et al., 2001, 2005, 2008; Nidegger, Broi et al., 2011; Nidegger, Carulla et al., 2014). Im deutschsprachigen Kantonsteil wurden ab 2003 vier Mal repräsentative Zusatzstichproben untersucht. Die Walliser Beteiligung in der Deutschschweizer Arbeitsgemeinschaft bestand aus der Pädagogische Hochschule Wallis (PHVS) und der FEB (Ramseier et al., 2005b; E. Steiner, Ruppen & Stupf, 2008; Ruppen, Oggier & Steiner, 2011; E. Steiner, Stalder & Ruppen, 2014).

Die Schulaufsicht liegt im Kanton Wallis in den Händen des Inspektorats. Es bildet parallel zur organisatorischen Führungsstruktur lokaler Schulleitungen eine kantonale, „pädagogische Linie“ (Staatskanzlei VS, 3013, S. 11), und dies trotz einer in den Reformen um 2012 intendierten Stärkung der Schulleitungen. Das Inspektorat hat damit weitreichende Führungskompetenzen im pädagogischen Bereich. Im Rahmen dieser Kompetenzen übernehmen die Inspektoren unter anderem die Koordination der Durchführung der kantonalen Leistungserhebungen.

Die erwähnte Dienstelle Hochschulwesen erstellte 2015 erstmals einen Hochschulbericht. Darin wurde einerseits die kantonale Hochschullandschaft beschrieben. Sie besteht aus fünf kantonalen Teilhochschulen und einer interkantonalen Teilhochschule der Fachhochschule Westschweiz, der Fernfachhochschule, der höheren Fachschule, der PHVS, den universitären Fernstudien und verschiedenen Forschungsinstituten und Standorten der École polytechnique fédérale de Lausanne (EPFL) und der Universitäten Lausanne und Genf. Andererseits war der Bericht dem Thema der studentischen Mobilität gewidmet, die primär anhand bildungsstatistischer Daten dargestellt wurde (DBS VS, 2015). Zwei weitere Berichte fokussierten die Themen der Kosten von Bildung und Forschung, des akademischen Arbeitsmarkts und des Arbeitsmarkts für Hochschulabsolvierende sowie des Fachkräftemangels (DBS VS, 2016b; DVB VS, 2017).

Im Kanton Wallis waren Informationen zu den Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler, gemessen mit standardisierten Leistungserhebungen, das herausragende Element im Bildungsmonitoring-Dispositiv. Anders als beispielsweise in Solothurn oder Schwyz war über die Leistungserhebungen hinaus kaum ein konzeptionell gerahmtes Monitoring festzustellen. Obwohl es gut denkbar ist, dass gerade die Inspektorinnen und Inspektoren durch ihren Einbezug in die kantonalen Prüfungen über eine breitere Informationsgrundlage verfügen, wurde eine solche nicht als Basis politischer Entscheide explizit gemacht.

6.3 Aufsicht und Inspektion

Obwohl Schulinspektion phänomenologisch und historisch eher als Aufsichts-, Kontroll- und Steuerinstrument beschrieben wird, ist ihr zugleich aber auch eine Rolle in der Generierung und Verarbeitung von Daten und Informationen zuhanden politischer Akteure zuzuordnen. Ähnlich wie Bildungsmonitoring bezieht auch die Schulinspektion bzw. beziehen im Prinzip sämtliche Formen von staatlicher Schulaufsicht ihre Legitimation stark aus ihrer Rolle im Rahmen der staatlichen Qualitätsverantwortung (Maritzen, 2015). Zudem ist Schulinspektion sowohl in ihrer traditionellen, eher auf Aufsicht fokussierten Form als auch im Sinne einer modernen Qualitätsagentur der Anspruch der Generierung von Systemwissen inhärent (Altrichter & Kemethofer, 2016).

Insbesondere in den deutschsprachigen Schweizer Kantonen übernahm die Schulinspektion traditionell eine fach- oder professionsbezogene Aufsichts-, Kontroll und Steuerfunktion auf kantonaler Ebene. Dabei war die Ausübung dieser Funktion nicht zuletzt geprägt durch die Koexistenz kantonaler Inspektion und lokaler Laienbehörden (Rothen, 2015). In der Westschweiz war das Nebeneinander von lokalen und kantonalen sowie fachlichen und politischen Akteuren der Schulaufsicht, auch vor dem Hintergrund der Tradition lokaler Schulleitungen, teilweise etwas anders gewichtet. In den letzten rund 20 Jahren veränderte sich die Funktionszuschreibungen der Inspektion deutlich, auch und besonders durch die zunehmende Betonung der Schule als pädagogische Handlungseinheit und Ort der Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung. Die Veränderung ging weg von der beratenden und steuernden Inspektorenrolle hin zu einer stärkeren Betonung der kantonalen Aufsichtsbehörden als Empfänger schulischer Rechenschaftslegung, etwa durch interne und externe Evaluation, und als Partner bei der Qualitätsentwicklung auf Schul- und Systemebene (Brägger et al., 2007). Damit wurden das Generieren und Verarbeiten von Informationen zuhanden politischer Akteure zu einem wichtigen Modus der kantonalen Aufsicht und Inspektion. Auf der Sekundarstufe II war die Ausgangslage meist weniger komplex, da die Kantone direkt als Schulträger auftreten konnten und keine lokale Steuerungsebene zu berücksichtigen hatten. Nichtsdestotrotz haben sich auch hier die Prozesse des kantonalen Zugriffs auf die traditionell meist schon autonomen Schulen verändert (Maag Merki & Büeler, 2002). Dabei etablierten sich an Berufs- aber auch an Mittelschulen zunehmend Anbieter sogenannter Qualitätssicherungssysteme, die oft auch Verfahren der Zertifizierung beinhalteten (Gonon, 2006).

Der Kanton Freiburg steht im Fokus als ein Kanton, in dessen Bildungsmonitoring-Dispositiv die Schulinspektion der Volksschule und die Aufsichtskommissionen der Sekundarstufe II zentral sind. Dabei begleitet die Schulinspektion auch die Einführung von geleiteten Schulen oder erhält neue Formen der Rechenschaftslegung zugeordnet. Im Folgenden wird zunächst für Freiburg aufgezeigt, wie die Schulaufsichtssysteme eine zunehmend wissensbasierte Kommunikation pragmatisch realisierten und sich dabei stets an Qualitätsbegriffen orientieren. Anschliessend werden die Leistungserhebungen und die Bildungsstatistik als weitere Elemente des kantonalen Monitoring-Dispositivs dargestellt. Der Kanton Freiburg steht für die Herausforderung, die reichhaltige Informations- und Wissensbasis der traditionellen und modernen Systeme von Schulaufsicht in Bildungsmonitoring einzubinden. Zugleich wird deutlich, wie stark die kantonalen Entwicklungen abhängig sind von Bildungsmonitoring auf sprachregionaler und nationaler Ebene: Viele Elemente wie etwa die Schulinspektion oder die Leistungserhebungen sind für die beiden Sprachregionen innerhalb des Kantons je separat konzipiert und richten sich aus an den jeweiligen sprachregionalen Netzwerken.

6.3.1 Freiburger Schulaufsicht als Qualitätsagentur

Im Kanton Freiburg wurden auf den Volksschulstufen traditionell im Rahmen der Schulinspektion Informationen zwischen den kantonalen Stellen und den einzelnen Schulen ausgetauscht. Jeweils für den französisch- und den deutschsprachigen Kantonsteil waren die Konferenzen der Schulinspektoren zwei zentrale Gremien in der Diskussion der politischen Gestaltung von Schule und in der Abstützung dieser Gestaltung auf einer systematischen Informationsbasis. Dabei waren die Schulen der Sekundarstufe I schon vor 1990 flächendeckend als geleitete Schulen organisiert. Für Kindergärten und Primarschulen wurde die Einführung von Schulleitungen in entsprechenden Pilotprojekten ab 1999 für den deutschsprachigen und ab 2001 für den französischsprachigen Kantonsteil initiiert (Staatskanzlei FR, 2003, 2004). Im Zuge dieser Schulautonomisierung, die 2011 auch im französischsprachigen Kantonsteil abgeschlossen wurde, wandelte sich die Schulinspektion deutlich (Staatskanzlei FR, 2012b). Bereits 2002 wurde die französischsprachige Schulinspektion neu organisiert und geografisch anders gegliedert: Aus den jeweils für eine kleine Region zuständigen Einzelinspektoren wurden grössere Teams gebildet, die jeweils bezirksübergreifend für die Schulen einer grösseren geografischen Einheit zuständig waren. Zugleich wurde das Inspektorat räumlich zentralisiert. Dies wurde unter anderem mit den neuen Anforderungen an die Aufsichtsfunktion legitimiert:

Le mode de fonctionnement actuel de l’inspection des écoles n’est en effet plus adapté aux changements ni aux évolutions importantes de ces dernières années. Les inspecteurs et les inspectrices doivent s’adapter à cette nouvelle situation. Les relations de personne à personne en usage jusqu’à ce jour dans ce secteur doivent évoluer vers une relation de personne à groupe ou de groupe à groupe, passant d’une réflexion individuelle à une réflexion collective (au sein de la région et du canton).“ (Staatskanzlei FR, 2005a, S. 1270)

Die Veränderung der Inspektion war ein Element der im gleichen Zeitraum angedachten Schulgesetzrevision (Staatskanzlei FR, 21.12.2004/2005b). Während sich eine neue Praxis zwischen Schulinspektionen und den geleiteten Schulen etablierte, blieb die formale Fassung dieser Art von Monitoring über einen langen Zeitraum hinweg ungeklärt. Die Schulgesetzrevision verzögerte sich mehrmals, unter anderem durch die Entwicklungen auf interkantonaler Ebene in CIIP und EDK (Staatskanzlei FR, 2008). Mit der erst 2014 verabschiedeten Totalrevision des Schulgesetzes wurden die „Bemühungen zur Stärkung der Führungsstrukturen und zur Verbesserung der Qualität der Schulen und des Schulsystems insgesamt“ (Staatskanzlei FR, 18.12.2012/2014a, S. 182) schliesslich auf Gesetzesebene nachvollzogen (Staatskanzlei FR, 2015).

Neben der bis zu diesem Zeitpunkt bereits weitgehend erfolgten Einführung von Schulleitungen wies das Gesetz dem Schulinspektorat eine wichtige Rolle bei der Qualitätsentwicklung in den Schulen und im Schulsystem insgesamt zu. Dabei wurde auch erstmals ein Monitoringbegriff explizit gemacht:

„Das Monitoring soll die für die Steuerung des Schulsystems nötigen Daten liefern. „Monitoring“ bedeutet, dass ein Instrument zur Steuerung des Schulsystems eingerichtet und betrieben wird. Es geht somit darum, systematisch und über längere Zeit Informationen über das Bildungssystem und dessen Kontext zu sammeln und zu verarbeiten.“ (Staatskanzlei FR, 18.12.2012/2014a, S. 225)

Diese Monitoringkonzeption beinhaltete zwei unterschiedliche Referenzen (Staatskanzlei FR, 18.12.2012/2014a): (1) Sie wurde mit der traditionellen Rolle des Inspektorats verknüpft. Im Sinne einer politisch-gestaltenden Begriffsbestimmung (vgl. Abschn. 5.4.2) sollten im Inspektorat sowohl die Informationsbasis sichergestellt als auch die potenziellen Gestaltungsoptionen ausgearbeitet werden. Es lag zudem in der Kompetenz der Inspektoren, ihre Monitoringfunktion auch in Form externer Evaluationen einzelner Schulen wahrzunehmen. (2) Zugleich bezog sich diese Monitoringkonzeption auf Leistungserhebungen. In kantonalen, interkantonalen, nationalen und internationalen Referenztests sollte kontrolliert werden, inwiefern die Unterrichtsziele erreicht werden konnten. Die Rahmung dieser Outputmessungen als Prüfung und Förderung der Qualität des Bildungssystems wurde explizit aus dem nationalen Bildungsmonitoring übernommen.

Die Verantwortung des Schulinspektorats für die Qualitätsentwicklung im Bildungswesen wurde für die beiden sprachlich definierten Kantonsteile je separat zugeordnet (Staatskanzlei FR, 2017). Für den deutschsprachigen Kantonsteil wurde bereits 2010 ein Qualitätskonzept erstellt und implementiert. Interne und externe Evaluation gehörten darin ebenso zu den 14 Qualitätsbereichen wie Schulleitbilder, Schulprogramme und kantonale Unterstützungsangebote für Lehrpersonen und Schulleitungen (Hurni, Schwaller, Wattendorff, Zurkinden & Furter, 2010). Als Instrument zur Qualitätsentwicklung auf der Systemebene wird seither die externe Evaluation eingesetzt. So wurden auf der Grundlage der durchgeführten externen Evaluationen ab 2013 in der Weiterbildung etwa die Thematik der Binnendifferenzierung oder der Turn- und Sportunterricht fokussiert (Staatskanzlei FR, 2014b). Für französischsprachigen Kantonsteil wurden bislang keine analogen Qualitätskonzepte entwickelt und auch keine externen Evaluationen durchgeführt.

Auf der Sekundarstufe II stellte die Rektorenkonferenz der kantonalen Kollegien das zentrale Aufsichtsgremium dar. Gerade bezüglich der Verantwortung für die Qualitätsentwicklung wurde eine starke Ausrichtung an interkantonalen Entwicklungen sichtbar. Diese war auch deswegen sehr prominent, weil sie sowohl im Rahmen der CIIP als auch im Rahmen der Nordwestschweizerischen Erziehungsdirektorenkonferenz (NW EDK) stattfand (Staatskanzlei FR, 2003). Zudem wurde 2005 das Gymnasium der Broye in gemeinsamer Trägerschaft mit dem Kanton Waadt eröffnet (Staatskanzlei FR, 2006). Durch die Betonung dieser Rektorenkonferenz zusammen mit den Schulkommissionen der einzelnen Gymnasien und der Fachmittelschule ist auf der Sekundarstufe II eine Art Selbstaufsicht mit wenigen formalisierten Informationssystemen etabliert worden (Staatskanzlei FR, 2015).

Die Idee einer wissensbasierten Steuerung wurde im Kanton Freiburg lange nicht explizit gemacht, sondern allenfalls in den Aufsichtssystemen der Volksschule und der Sekundarstufe II pragmatisch realisiert. Für den deutschsprachigen Kantonsteil wurde mit dem Qualitätskonzept erstmals der Qualitätsbegriff mit Monitoring verknüpft, und zwar auf zwei Ebenen: (1) Mit der Einführung geleiteter Schulen veränderte sich die Rolle der Inspektionen von einer stark auf operative Fragen der Einzelschule fokussierten zu einer eher auf das Gesamtsystem bezogenen Ausrichtung. (2) Gerade im deutschsprachigen Qualitätskonzept wurde die gesamte politische Gestaltung und Steuerung der Volksschule unter einem Monitoringbegriff gefasst. Verbunden mit der als pragmatisch bezeichneten Art und Weise, in der die Schulaufsichtsgremien Information akkumulierten und zur politischen Bearbeitung ihrer jeweiligen Stufe des Bildungssystems einsetzten, wurde Bildungsmonitoring im Kanton Freiburg nur sehr sporadisch als Kommunikationsmittel eingesetzt. Insbesondere gab es keine eigentlichen Publikationen, die die beschriebenen Elemente als Teile eines kantonalen Monitoring-Dispositivs explizit sichtbar gemacht hätten.

6.3.2 Leitungserhebungen und Statistik als weitere Monitoringelemente

Im Kanton Freiburg kamen flächendeckende Leistungserhebungen traditionell als Instrument beim Übergang von der Primarschule auf die geteilte Sekundarstufe I zum Einsatz (Vögeli-Mantovani, 1999). Diese sogenannte Vergleichsprüfung – Test d’aptitude et de connaissances (TAC) im Französischen – wurde ergänzt durch andere Erhebungen, vor allem in der Primarschule und jeweils bezogen auf einen Kantonsteil und ein Fach. So gab es beispielsweise 2004 eine kantonale Mathematikprüfung in den französischsprachigen 2. Klassen zur Evaluation eines neu im Einsatz stehenden Lehrmittels (Staatskanzlei FR, 2005c), eine ähnlich gelagerte kantonale Leistungserhebung 2005 in Deutsch als erster Fremdsprache in den französischsprachigen 6. Klassen (Staatskanzlei FR, 2006) sowie eine in Englisch in allen deutschsprachigen 6. Klassen 2009 (Staatskanzlei FR, 2010). Kantonale Orientierungsarbeiten sollten zudem seit 2006 den Schülern im französischsprachigen Kantonsteil eine gezielte Vorbereitung auf die Vergleichsprüfungen hin ermöglichen (Staatskanzlei FR, 2006). Auf der Sekundarstufe I wurden ebenfalls sowohl diagnostische als auch summative Leistungserhebungen durchgeführt, letztere im Zusammenhang mit dem Abschlussdiplom der Volksschule (IRDP, 2013; Viridiana & Wirthner, 2013). Insgesamt war der Einsatz von flächendeckenden Leistungserhebungen im französischsprachigen Kantonsteil deutlich intensiver als im deutschsprachigen, gerade rund um die Vergleichsprüfungen und die Vorbereitung darauf (Staatskanzlei FR, 2012a). Dies wurde auch auf den unterschiedlichen Stand der sprachregionalen, interkantonalen Harmonisierungsprojekte bezüglich Lehrpläne, Lehrmittel und Referenztests zurückgeführt (Staatskanzlei FR, 18.12.2012/2014a, 2015).

Im Rahmen der Zusammenarbeit innerhalb der CIIP war der französischsprachige Kantonsteil in den PISA-Untersuchungen von 2000 bis 2012 mit einer repräsentativen Stichprobe vertreten (Nidegger et al., 2001, 2005, 2008; Nidegger, Broi et al., 2011; Nidegger, Carulla et al., 2014).

Die Bildungsstatistik bewegte sich grösstenteils auf dem gesamtschweizerisch koordinierten Stand (vgl. Abschn. 6.1). Bildungsstatistische Informationen werden publiziert im Statistischen Jahrbuch (VWD FR, 2007, 2014). Eine bildungsbezogene Vertiefung mit bildungsstatistischen Daten wurde in der Reihe Freiburger Statistik aktuell publiziert, die auch längsschnittliche Analysen beinhaltete (VWD FR, 2012).

Im Bildungsmonitoring-Dispositiv des Kantons Freiburg spielen die Inspektorinnen und Inspektoren beziehungsweise ihr während der Aufsichtstätigkeit entstehendes Wissen um die Qualität im kantonalen Bildungssystem eine zentrale Rolle. Obschon im Rahmen einer Begriffsbestimmung von Monitoring durchaus auch die Schülerleistungen sowie bildungsstatistische Informationen als Grundlage explizit genannt wurden, war das Schulinspektorat als qualitätsverantwortliche Instanz auf kantonaler Ebene wiederum für die Umsetzung der Informationen zuständig (Staatskanzlei FR, 18.12.2012/2014a). Sie standen damit im Zentrum der Bemühungen um eine evaluative Gesamtsicht auf die öffentliche Volksschule.

6.3.3 Weitere Kantone

Mit Appenzell Innerrhoden, Appenzell Ausserrhoden, Glarus, Nidwalden, Schaffhausen und Zug werden im Folgenden gleich sechs weitere Kantone präsentiert und damit im Rahmen der rudimentären Typen der Gruppe von Kantonen mit einem Fokus auf Aufsicht und Inspektion innerhalb ihrer Bildungsmonitoring-Dispositive zugeordnet. Diesen bevölkerungsmässig eher kleinen Kantonen ist gemein, dass sie innerhalb der Bildungsverwaltung die Funktionen Steuerung, Aufsicht und Monitoring nicht klar trennen. Typischerweise sind alle drei Funktionen einem einzigen Akteur zugeordnet, der meistens mit Begrifflichkeiten wie Qualitätssicherung oder Qualitätsentwicklung identifiziert wird. Zugleich reicht in diesen Kantonen die Bildungsstatistik als weiteres Element nicht wesentlich über das gesamtschweizerisch festzustellende Minimaldispositiv hinaus.

Appenzell Innerrhoden

Im Kanton Appenzell Innerrhoden lag und liegt das Bildungsmonitoring-Dispositiv in den Händen der traditionellen Aufsicht und Inspektion, und zwar für die Volksschulstufe und das kantonale Gymnasium. Dabei waren konkret im untersuchten Zeitraum ab 2003 für die Volksschule drei Personen zuständig (Ratskanzlei AI, 2003, 2018). Zusätzlich übernahm die sogenannte Landesschulkommission die Gesamtaufsicht über das kantonale Schulsystem. Bei Inspektion und Landesschulkommission kommen denn auch die verschiedenen Elemente des Bildungsmonitoring-Dispositivs zusammen. Für das Jahr 2017 waren dies konkret die aktuellen bildungsstatistischen Kennzahlen zu Schülerzahlen, Lehrerzahlen und Klassengrössen, ein Bericht der Stipendienstelle sowie drei Berichte zu aktuellen Projekten (Ratskanzlei AI, 2018).

In Ergänzung dazu organisierte das Inspektorat sogenannte Vergleichsarbeiten ab der 3. Klasse der Primarschule, und zwar schon vor 1999. Als primärer Zweck wurde damit jedoch nicht Monitoring, sondern die Etablierung einer auf den gesamten Kanton bezogenen, sozialen Bezugsnorm verfolgt. Zur Anwendung kamen zunächst kantonale Vergleichsarbeiten, später das Klassencockpit (Ratskanzlei AI, 2003; Vögeli-Mantovani, 1999).

Einige bildungspolitische Prominenz erhielt Appenzell Innerrhoden durch die Einführung von Englisch als erster Fremdsprache ab der 3. Klasse im August 2001. Die Projektevaluation in zwei Schritten bezog auch Tests des Hör- und Leseverstehens sowie der Schreibfertigkeit mit ein (Schaer & Bader, 2003; Bader & Schaer, 2005). Weitere Programmevaluationen bezogen sich etwa auf einen Schulversuch der integrierten Oberstufe (Ratskanzlei AI, 2007) oder ein Pilotprojekt der externen Unterrichtevaluation am Gymnasium (Ratskanzlei AI, 2013).

Die Informationen wurden bislang weder im Sinne der Dokumentation der Informationsgrundlage für politische Entscheide publiziert noch flossen Monitoringinformationen in die staatliche Rechenschaftslegung ein, abgesehen von grundsätzlichen bildungsstatistischen Informationen etwa zu Lehrkräften, Schülerinnen und Schülern und Abschlüssen auf der Sekundarstufe II.

Nicht zuletzt durch die kleinräumigen und übersichtlichen Strukturen scheint der Kanton Appenzell Innerrhoden keinen Bedarf nach einem expliziten Bildungsmonitoring-Dispositiv identifiziert zu haben. Die Generierung und Verarbeitung von Daten und Informationen zuhanden politischer Akteure kann in diesen Strukturen offenbar quasi ad-hoc erfolgen. Während in grösseren Kantonen zumindest Elemente von Bildungsmonitoring auf systematischer Ebene neben oder in Ergänzung zu den eigentlichen Aufsichts- und Steuerungsorganen konzipiert wurden (vgl. Abschn. 6.3.1), konnte hier die Monitoringfunktion implizit den bestehenden Gremien zugeordnet werden.

Appenzell Ausserrhoden

Im Kanton Appenzell Ausserrhoden wurde mit dem neuen Schulgesetz 2000 die Entwicklung interner und externer Schulevaluation unter dem Stichwort Schulqualität auf den Volksschulstufen initiiert (Kantonskanzlei AR, 2001). Die externe Schulevaluation war dabei konzeptionell stark auf die Begleitung der Entwicklung der Einzelschulen ausgerichtet. Eine erste Schule wurde 2003 extern evaluiert. Auf der Sekundarstufe II wurden die Kantonsschule 2007 und die Berufsschule 2010 durch das IFES extern evaluiert (Kantonskanzlei AR, 2008).

In der Volksschule wurde ab 2005 mit dem sogenannten rechenschaftsorientierten Verfahren bzw. der kantonalen rechenschaftsorientierten Evaluation ein weiteres Element von Qualitätssicherung eingesetzt. Im Rahmen dieser Evaluation sollten, ganz im Sinne von Bildungsmonitoring, bestehende Daten und Informationen im Hinblick auf bestimmte Themen oder Fragestellungen hin ausgewertet werden (Chiozza, 2007; Kantonskanzlei AR, 2005). In der ersten Durchführung 2005 waren dies Abweichungen von der regulären Schullaufahn, organisatorische und personelle Fragen, Eckdaten der Volksschule und die Schulinformatik. Die Daten wurden 2006 und 2008 einerseits kantonal ausgewertet und andererseits zuhanden der Gemeinden aufbereitet (Klauser & Chiozza, 2006; Klauser, 2008).

In einem 2009 publizierten Entwicklungsbericht zur Volksschule wurde diese rechenschaftsorientierte Evaluation konzeptionell neu definiert und in einen expliziten Zusammenhang zu Bildungsmonitoring gebracht. Neu daran war unter anderem die Übernahme der gesamtschweizerischen Begriffe Bildungsberichterstattung und Bildungsmonitoring sowie die damit verbundene Kopplung von Evaluation auf Systemebene an bildungsstatistische Informationen und Leistungserhebungen. Die bestehenden kantonalen Formen des Bildungsmonitorings wurden dabei als eher defizitär beschrieben. Gleichzeitig wurden die Mitwirkung am gesamtschweizerischen Monitoring und an der nationalen Modernisierung der Bildungsstatistik sowie die Fortführung der an die Qualitätssicherung angebundenen Auswertungen als Massnahmen definiert:

„Das Defizit an verlässlichen Grundlagen ist auch im Kanton bekannt. Bisher ist dies teilweise durch interne Erhebungen kompensiert worden, welche bei der Übersichtlichkeit des Kantons möglich waren (Schulabgängerbefragung, Erfassung aller Lehrpersonen und Lehrpensen, Statistik über Nutzung der Unterstützungsangebote, etc.). Die Ergebnisse aus den externen Evaluationen geben primär Entwicklungshinweise und werden zur inhaltlichen Steuerung einzelner Projekte oder Elemente genutzt.“ (DB AR, 2009a, S. 58)

Die rechenschaftsorientierte Evaluation wurde im 2013 überarbeiteten Qualitätskonzept erneut aufgeführt, allerdings enger an die externe Evaluation gebunden (Chiozza, 2013).

Ab 2006 wurde die Verbindlichkeit des Einsatzes von vorher nicht flächendeckend durchgeführten Leistungserhebungen auf den Volksschulstufen erhöht. Zum Einsatz kommen in der Primarschule festgelegte Module von Klassencockpit sowie auf der Sekundarstufe I das Stellwerk 8 (DB AR, 2009b; Kantonskanzlei AR, 2007). Ab 2014 ist auch das Stellwerk 9 obligatorisch (DB AR, 2014).

Das Qualitätskonzept sowie der Erfahrungsbericht dazu standen am Anfang einer Reihe von Berichten zur rechenschaftsorientierten Schulevaluation (Chiozza, 2007, 2009, 2015). Diese mündeten 2009 in den Entwicklungsbericht, der sich wie die Vorgängerberichte aber exklusiv auf die Volksschulstufen bezog (DB AR, 2009a) und ergänzt wurde durch eine vertiefende Analyse zur Sekundarstufe I (Hofer, 2009).

Im Kanton Appenzell Ausserrhoden wird explizit gemacht, was bereits für den Kanton Appenzell Innerrhoden beschrieben wurde: Bei den Akteuren mit Verantwortung für Aufsicht und Steuerung der Volksschulen kommen alle relevanten Daten und Informationen zuhanden politischer Akteure zusammen. Im Bildungsmonitoring-Dispositiv werden explizit Aufsichts-, Controlling- und Führungszwecke kombiniert. Diese gerade gegenüber den gesamtschweizerisch entstehenden Dispositiven minimalen Elemente von Bildungsmonitoring sind legitimiert durch die kleinräumigen Strukturen und die bescheidenen Mengengerüste im Schulsystem. Zugleich sehen hier gerade die kleinen Kantone das Potenzial des Bildungsmonitorings auf nationaler Ebene (vgl. Jura in Abschn. 6.1.3).

Glarus

Im Kanton Glarus wurde das traditionelle Schulinspektorat 2002 neu aufgestellt und in die Strukturen zur Qualitätssicherung und -entwicklung innerhalb des Bildungsamtes integriert (Staatskanzlei GL, 2003). Vier Jahre darauf wurde die Arbeit an einem Rahmenkonzept zur Schulqualität für die Volksschule aufgenommen (Staatskanzlei GL, 2006). Die Arbeiten waren stark angelehnt an ähnliche Projekte in verschiedenen Kantonen, insbesondere aber im Kanton Graubünden (Staatskanzlei GL, 2007). Die Pilotphase mit ersten Schulevaluationen begann 2007 (Staatskanzlei GL, 2008). Controlling und Schulaufsicht waren als Elemente des Bildungsmonitoring-Dispositivs im 2010 schliesslich publizierten Rahmenkonzept enthalten. Controlling umfasst dabei unter anderem die Gewinnung und Verarbeitung von Steuerungswissen, auch auf der Basis der Rechenschaftslegung der Gemeinden und Schulen. Die sogenannte evaluationsbasierte Schulaufsicht berücksichtigt sowohl die kommunale Ebene der Schulführung in den drei Glarner Grossgemeinden als auch die Ebene der Einzelschulen (E. Fischer & Brägger, 2010). Evaluiert durch die kantonale Amtsstelle wurden 2013 eine Gemeinde sowie fünf Einzelschulen (Staatskanzlei GL, 2014). In der Bilanzierung der ersten beiden Evaluationszyklen wurde ausschliesslich die Wirksamkeit der Schulaufsicht auf der Ebene der Schulen und der Gemeinden untersucht und positiv bewertet (DBK GL, 2015). Im dritten Zyklus der evaluationsbasierten Schulaufsicht von 2017 bis 2020 standen der Einsatz der sonderpädagogischen Ressourcen sowie die Bereiche Schulklima, Unterricht und Schulführung im Fokus (Staatskanzlei GL, 2017).

Das Rahmenkonzept umfasst auch standardisierte Leistungserhebungen bzw. verweist auf entsprechende Instrumente wie etwa Klassencockpit und Stellwerk, aber auch auf die Möglichkeiten, schul- oder gemeindeintern Vergleichsprüfungen durchzuführen (E. Fischer & Brägger, 2010). Eine öffentliche Berichterstattung der auf kantonaler Ebene angesiedelten Elementen aus dem Rahmenkonzept gab es bislang nicht. Die bildungsstatistischen Erhebungen und Auswertungen hat der Kanton Glarus seit 2010 an die Bildungsstatistik des Kantons Zürich ausgelagertFootnote 6.

Im Kanton Glarus wird Bildungsmonitoring in erster Linie über die kantonalen Elemente des Qualitätsmanagement-Systems realisiert. Dabei ist das Element der Schulaufsicht zentral. Das Rahmenkonzept zur Schulqualität ist relativ stark geprägt durch die beiden Autoren, die auch in den Kantonen Zug, Basel-Stadt, Schaffhausen und Bern tätig waren, und wirkt dadurch unspezifisch. Da zudem kaum Produkte entstanden, ist nicht abschätzbar, welche weiteren Informationen in das Bildungsmonitoring-Dispositiv einfliessen oder inwiefern die kantonalen Monitoring-Elemente implementiert sind.

Nidwalden

Im Kanton Nidwalden wurde die konventionelle Schulinspektion 2002 durch eine Abteilung für externe Evaluation abgelöst (Staatskanzlei NW, 2003). Konzeptuell wurde die Praxis der externen Evaluation der Volksschule von den Kantonen Nidwalden, Obwalden und Uri gemeinsam erarbeitet (Staatskanzlei NW, 2006, 2008, 2011).Footnote 7 Mit dem Qualitätskonzept wurde 2005 auf den Volksschulstufen die externe Schulevaluation definitiv eingeführt.

Die Überarbeitung des Qualitätskonzepts ging 2013 klar in Richtung der Stärkung der dezentralen Akteure. Die kantonalen Elemente umfassten die externe Schulevaluation – ab 2013 in Form einer stark datenbasierten Fokusevaluation – sowie daneben eine Systemevaluation über standardisierte Leistungserhebungen, konventionelle Schulaufsicht, pädagogische Beratung und Bildungsstatistik (BD NW, 2013; Staatskanzlei NW, 2014; Zihlmann & Ackermann, 2015). Diese beiden Elemente stellten das Bildungsmonitoring-Dispositiv dar, das konzeptionell klar von den anderen Elementen des Qualitätskonzepts abgegrenzt wurde.

Als Produkte entstanden jährliche Zusammenfassungen der externen Evaluationen auf den Volksschulstufen, Syntheseberichte nach den ersten zwei Evaluationszyklen sowie 2010 ein Bericht zur Evaluation des Qualitätsberichts (Staatskanzlei NW, 2008; Frey & Zihlmann, 2008; Staatskanzlei NW, 2011, 2013). Der Abschluss des zweiten Evaluationszyklus stellte zugleich eine Art Neuorientierung von einem systematischen auf ein politisches Bildungsmonitoring-Dispositiv dar:

„Nach zwei durchgeführten externen Evaluationszyklen besteht ein Grundwissen über die Nidwaldner Schulen. Demnach ist die Schulqualität grundsätzlich gut. Es dürfte in naher Zukunft nicht mehr nötig sein, grosse Mengen von Daten zur allgemeinen Schulqualität an jeder Schule einzeln zu erheben.“ (Zihlmann, 2013, S. 11)

Insofern wurde der Bedarf nach Informationen stärker politisch und nicht mehr systematisch begründet. Zugleich wurde die datengestützte Betrachtung des Bildungssystems verstetigt, allerdings ohne thematische oder inhaltliche Festlegung.

Auch das kantonale Gymnasium wurde ab 2006 bezogen auf die Erreichung der Zielsetzungen im Leitbild hin evaluiert (Staatskanzlei NW, 2007). Nach der Verabschiedung des neuen Mittelschulgesetzes wurde ab 2008 auch für die kantonale Mittelschule ein Qualitätskonzept entwickelt, in dem die Evaluation des Unterrichts im Vordergrund stand (Staatskanzlei NW, 2009).

Die standardisierte Leistungserhebung hat in Nidwalden trotz Verankerungen im Qualitätskonzept keinen prominenten Status, auch aufgrund der integrativ oder kooperativ organisierten Sekundarstufe I und der bereits in den 1990er-Jahren entwickelten Verfahren des Übertritts. Letzte umfassten vergleichende Semesterarbeiten, die ab 2002 sukzessive abgelöst wurden durch die Orientierungsarbeiten der BKZ, deren Einsatz aber in der Kompetenz der Lehrpersonen lag (Frey, 2010; Vögeli-Mantovani, 1999) und die in diesem Sinne nicht flächendeckend eingesetzt oder ausgewertet wurden (BD NW, 2015). In ähnlicher Art und Weise kam später das Instrument Klassencockpit zum Einsatz (Mathis, 2006). Ab 2005 wurde eine „Abschlussprüfung am Ende der obligatorischen Schulzeit“ (Staatskanzlei NW, 2006, S. 107) thematisiert, anschliessend konzipiert und 2007 erstmals durchgeführt (Staatskanzlei NW, 2008). Ab 2010 wird das Instrument Stellwerk 9 flächendeckend als Abschlussprüfung eingesetzt (Staatskanzlei NW, 2011). Die Auswertung der Ergebnisse erfolgt auf Individual-, Schul- und kantonaler Ebene (BD NW, 2010).

Im Bildungsmonitoring-Dispositiv spielten Programmevaluation und anwendungsorientierte Forschung ebenfalls eine Rolle: Der Kanton Nidwalden beteiligte sich etwa an den durch die EDK-Ost koordinierten Schulversuchen zur Eingangsstufe. 2004 wurde der Schulversuch mit der Grundstufe in Nidwalden gestartet, regelmässig evaluiert und 2011 die freiwillige Einführung der Grundstufe allen Gemeinden ermöglicht (Staatskanzlei NW, 2012; Wiederkehr Steiger et al., 2010; BD NW, 2014). Eine vorbereitete Evaluation der integrativ und kooperativ organisierten Sekundarstufe I wurde 2006 sistiert (Staatskanzlei NW, 2007). Im Bereich der Fremdsprachen – im Kanton Nidwalden immer wieder politisch intensiv diskutiert – beteiligte sich der Kanton Nidwalden an der angewandten Forschung im Auftrag der BKZ (BKZ, 2014). In einer Längsschnitterhebung mit Leistungserhebungen in Mathematik und Deutsch wurde ab 2015 die Anpassung der Stundentafeln wissenschaftlich begleitet (BD NW, 2018). Die neu konzipierten Fokusevaluationen stellten ebenfalls so etwas wie ein programmatisch definierbares Gefäss für forschungsorientiertes Bildungsmonitoring dar (BD NW, 2013).

Im Kanton Nidwalden wurde im Rahmen der Qualitätssicherung in der Volksschule zunächst ein Bildungsmonitoring-Dispositiv entwickelt, das auf die aus der Schulinspektion entstandene, externe Schulevaluation fokussiert war. Mit der Reduktion der externen Evaluation entwickelte sich eine thematisch variablere und insgesamt breitere Informationsgrundlage mit klareren politischen Bezügen. Allerdings verbleibt die Verantwortung für die Zusammenführung der Informationen zuhanden der politischen Gestaltung von Schule bei den qualitätsverantwortlichen Akteuren.

Schaffhausen

Im Kanton Schaffhausen wurde die traditionelle Schulaufsicht und -inspektion ab 2007 weiterentwickelt. Dabei entstand aus den Stufeninspektoraten eine neue Abteilung zuständig für Schulentwicklung, Steuerung und Aufsicht. In Verantwortung dieser Abteilung wurde ein „zielorientiertes kantonales Bildungscontrolling“ (Staatskanzlei SH, 2009, S. A34) aufgebaut. Zentrale Elemente dieses Controllings waren ein neues Verfahren der Schulaufsicht, externe Evaluation sowie erweiterte bildungsstatistische Daten, von denen einige über die Schulverwaltung erhoben werden sollten. Das Motiv dieser neuen Schulaufsicht war die Qualitätssicherung und -entwicklung in den Schulen (Staatskanzlei SH, 2009). Ein erster Zyklus des sogenannten rechenschaftsorientierten Aufsichtsverfahrens und der externen Evaluation wurde zwischen 2009 und 2011 durchgeführt. Gerade in diesem Zeitraum standen inhaltlich in diesen Prozessen weniger die Analyse und die systematische Dokumentation, sondern die Begleitung und Beratung von lokalen Schulbehörden bei Schulfusionen und bei der Einführung geleiteter Schulen im Vordergrund (Staatskanzlei SH, 2012b). Parallel dazu wurden zwischen 2008 und 2010 die Datenerhebungen im Bildungsbereich im Rahmen einer generellen Modernisierung der Instrumente zur Schulverwaltung auf lokaler und kantonaler Ebene neu gestaltet (Staatskanzlei SH, 2011). Allerdings wurden die Daten, abgesehen von den normalen statistischen Broschüren und dem Einbezug in die regierungsrätlichen Geschäftsberichte, nicht weiter im Hinblick auf die Systembeobachtung hin verwendet.

Mit der Ablehnung der flächendeckenden Schulleitungen in einer Volksabstimmung 2012 wurde auch der Transformationsprozess hin zu extern evaluierten, teilautonomen Schulen gestoppt. Insbesondere die externe Evaluation wurde sistiert (ED SH, 2012a; Staatskanzlei SH, 2013). Im als Reaktion auf den politischen Entscheid erstellten Qualitätsrahmen standen Unterrichtsbesuche, die Begleitung und die Beurteilung der Unterrichtstätigkeit der Lehrpersonen sowie die inhaltliche Schulentwicklung wieder im Vordergrund. Die Aufgaben auf kantonaler Ebene waren auf die Definition von Rahmenvorgaben, die Umsetzung von Entwicklungsprojekten, die inner- und interkantonale Koordination sowie auf Weiterbildung und Berufseinführung beschränkt. (Staatskanzlei SH, 2014; ED SH, 2012b). Auf politischer Ebene wurde 2016 die Möglichkeit zur Einführung geleiteter Schulen durch die Gemeinden geschaffen und die Abteilung in der Folge wieder stärker mit beratenden Aufgaben bedacht (Staatskanzlei SH, 2017). Allerdings war auch da keine Zweckbestimmung im Sinne eines Bildungsmonitorings enthalten.

Parallel zum Aufbau der erwähnten Controllingverfahren wurden auch erste standardisierte Leistungserhebungen eingeführt: Nach einer Pilotphase zwischen 2008 und 2010 wurde das Stellwerk 8 flächendeckend und obligatorisch eingesetzt (Staatskanzlei SH, 2011). Eine Auswertung der Ergebnisse bezogen auf die Einzelschule war vorgeschrieben, eine ebensolche auf kantonaler Ebene aber nicht explizit vorgesehen (R. Moser, 2010). Im Rahmen der Bearbeitung der Schnittstelle zwischen Primarschule und Sekundarstufe I wurden 2014 eine anonymisierte Potenzialanalyse aller Schülerinnen und Schüler der 6. Klassen und eine Befragung aller Absolventen der Probezeit in der 1. Klasse der Sekundarschule durchgeführt und auf den Ebenen Klasse, Schule und Kanton ausgewertet (Staatskanzlei SH, 2015; Pfeiffer, 2014). Ebenfalls zeitlich parallel zur Sistierung der externen Evaluation sowie im Rahmen verschiedener Sparprogramme wurden ab 2012 die standardisierten Leistungserhebungen Lernlot und Klassencockpit nicht mehr kantonal finanziert (ED SH, 2014). In den PISA-Untersuchungen von 2006 und 2009 liess der Kanton Schaffhausen je eine kantonale Zusatzstichprobe testen (U. Moser & Angelone, 2008d, 2011b). Auf weitere kantonale Stichproben wurde im Kontext verschiedener Sparprogramme verzichtet (Staatskanzlei SH, 2012a).

Im Kanton Schaffhausen wurde eine Qualitätsinitiative lanciert, die verschiedene potenzielle Elemente eines Bildungsmonitoring-Dispositivs umfasste. Allerdings wurde diese Aufbauarbeit bereits 2012 politisch abgebrochen. Dabei spielte die finanzielle Situation des Kantons eine wichtige Rolle. Seither wurde situativ stark auf den Informationsbedarf in einzelnen Entwicklungsprojekten hin reagiert und kein Aufbau in Richtung eines themenunabhängigen Bildungsmonitoring-Dispositivs betrieben.

Zug

Im Rahmen der Ende der 1990er-Jahre im Kanton Zug eingeleiteten Schulentwicklungsprozesse auf den Volksschulstufen waren auch Strukturen der Qualitätsentwicklung initiiert worden. Als Elemente davon standen autonome, geleitete Schulen sowie Selbst- und Fremdevaluation im Zentrum (W. Stadelmann, 2001/02). Im Zuge dieser Entwicklungen wurden die Schulinspektion mit den nebenamtlichen Schulinspektoren aufgelöst und die Abteilungen für externe Schulevaluation und für Schulaufsicht eingerichtet (DBK ZG, 2008/09a, 2008/09b). Im entsprechenden Rahmenkonzept zum Qualitätsmanagement waren auf der kantonalen Ebene Bildungsmanagement und -controlling sowie externe Schulevaluation aufgeführt.Footnote 8 Bildungsmanagement und -controlling umfassten das kantonale Rahmenkonzept selbst, die verschiedenen Unterstützungsangebote für Schulen und Lehrpersonen, Leistungsvereinbarungen mit einzelnen Schulen, Planung und Steuerung über strategische Ziele und kantonale Zielvorgaben sowie die Generierung von Steuerungswissen zuhanden von Politik und Bildungsadministration. Die externe Evaluation hatte dagegen die Funktion eines Spiegels der schulinternen Qualitätsprozesse, diente der Standardüberprüfung sowie der strategischen Entwicklungsberatung, war aber auch Element öffentlicher Rechenschaftslegung sowie des Bildungscontrollings indem eine „systematische flächendeckende Bestandsaufnahme der Qualität schulischer Arbeit“ zu „Daten für die Bildungsberichterstattung und für Steuerungswissen für Politik und Bildungsadministration“ (Brägger, 2011, S. 39) gewonnen werden sollten. Die erste Runde der externen Evaluationen auf den Volksschulstufen wurde 2013 abgeschlossen. Der zweite Zyklus begann 2014 und erhielt vom Bildungsrat neue Schwerpunkte zugeordnet (J. Furrer, 2015). Insgesamt wurden und werden Informationen aus Bildungsmanagement und -controlling sowie aus der Bildungsstatistik relativ spärlich in systematischer und öffentlicher Form aufbereitet. Ausnahmen sind die statischen Anhänge, die bis 2011 den regierungsrätlichen Geschäftsbericht begleiteten.

Für die allgemeinbildenden Schulen der Sekundarstufe II wurden ab 2007 Qualitätssicherungssysteme etabliert, die externe Evaluationen durch das IFES umfassten. Für die berufsbildenden Schulen sollte die externe Evaluation im Rahmen von Zertifizierungsprozessen erfolgen (M. Bauer, 2007/08). Eine erste externe Evaluation der Kantonsschule Zug durch das IFES sowie der Zertifizierungsprozess des gewerblich-industriellen Bildungszentrums Zug fanden 2010 statt (Staatskanzlei ZG, 2011). Als Hochschule strebte die Pädagogische Hochschule Zug (PHZG) bzw. bereits ihre Vorgängerorganisation, die Pädagogische Hochschule Zentralschweiz (PHZ) Zug, eine EFQM-Zertifizierung an, die jedoch 2013 im Hinblick auf das neue Hochschulförderungs- und -koordinationsgesetz (HFKG) sistiert wurde (Staatskanzlei ZG, 2012, 2014).

Im Kanton Zug ist das Sammeln und Aufbereiten von Informationen im Sinne eines Bildungsmonitoring-Dispositivs zwar zumindest für die Volksschule explizit und implizit als Aufgabe der verschiedenen Abteilungen der Bildungsverwaltung formuliert. Allerdings fehlen die öffentlichen Produkte, die dokumentieren, dass bewusst Daten und Informationen zuhanden politischer Akteure generiert und verarbeitet werden. Ähnlich wie in den anderen hier dargestellten, eher kleinen Kantonen kann zwar davon ausgegangen werden, dass die zumindest für die Entscheidungsfindung in konkreten politischen Geschäften notwendigen Informationen systematisch zusammengetragen werden. Allerdings erfolgt dies nicht in öffentlich wahrnehmbaren Formaten.

6.4 Selbstvergewisserung durch Bildungsberichterstattung

Kantonale Bildungsmonitoring-Dispositive zur Information und Kommunikation über Bildung und Schule weisen eine Vielzahl von Kommunikationsformaten auf. Dabei werden die Formate teilweise für spezifische Elemente von Bildungsmonitoring wie Bildungsstatistik (vgl. Abschn. 6.1) oder externe Evaluation (vgl. Abschn. 6.3) konzipiert und gestaltet. Bildungsberichterstattung, als eigenes Element in Bildungsmonitoring-Dispositiven gedacht, geht dagegen vom Publikationszweck aus. Die primären Bezugspunkte liegen nicht im Material oder in den bestehenden Informationsbeständen, sondern im Informationsbedarf von Politik und Gesellschaft (Döbert, 2011). Typischerweise entstehen dann Bildungsberichte, die themen- und stufenübergreifend angelegt sind und einen ganzheitlichen Informationsanspruch haben.

Die Art und Intensität, mit der die Kantone in diesem Sinne über Bildung berichten, unterscheidet sich stark. Selbst die Kantone, die explizit als Bildungsberichte bezeichnete Publikationen vorzuweisen haben, unterscheiden sich deutlich. Unterschiede sind etwa in der Breite der verarbeiteten Informationen, im Einsatz von Indikatorensystemen zur Beschreibung des Bildungssystems, in der thematischen Breite oder in der Abdeckung der Bildungsstufen auszumachen. Der Kanton Thurgau steht im Fokus als ein Kanton, der relativ früh – deutlich vor der nationalen Bildungsberichterstattung – einen Bildungsbericht als Überblick und Bestandsaufnahme erstellte und damit nicht zuletzt laufende politische Diskussionen um die Entwicklung des kantonalen Bildungssystems öffentlich sichtbar machte.

Im Folgenden wird zunächst aufgezeigt, wie der Bericht zur Entwicklung des Thurgauer Bildungswesens im Dispositiv der Information und Kommunikation über Volksschule, Mittelschulen und Berufsbildung positioniert ist. Anschliessend werden Qualitätsmanagement, Bildungsstatistik und Leistungserhebungen als weitere Elemente des kantonalen Monitoring-Dispositivs dargestellt. Der Fall Thurgau steht für die Herausforderung, die kommunikative Dimension von Bildungsmonitoring aktiv und sinnvoll zu bearbeiten. Es stellt sich dabei die Frage, welche Daten und Informationen zu welchem Zeitpunkt für politische Akteure und die Öffentlichkeit relevant und verständlich sind.

6.4.1 Thurgauer Bildungsbericht als kommunikativer Nexus

Der Kontext des ersten Bildungsberichts im Kanton Thurgau war geprägt durch die intensivierte, öffentliche Wahrnehmung von Schule, durch die grossen internationalen Schulleistungsstudien sowie – auf kantonaler Ebene – durch verschiedene Entwicklungsprojekte, insbesondere in der Volksschule. Zentrale Stichworte dabei waren Lehrplanaktualisierung, Integration des Kindergartens, Struktur der Sekundarstufe I, geleitete Schulen, Selbst- und Fremdevaluation, Schulqualitätsentwicklung, Begabtenförderung, leistungsabhängige Löhne für Lehrpersonen und Neuordnung des Finanzierungsmodells der Volksschule (Trachsler, 2002). Im Bereich der Mittelschulen waren verschiedene Ausbauprojekte im Gang und die Tertiarisierung der Lehrerausbildung zeichnete sich ab.Footnote 9 Im Bereich der Berufsbildung wurden Massnahmen zur Schaffung von Lehrstellen getroffen und an den Berufsschulen waren ebenfalls Projekte zur Qualitätsentwicklung im Gange. Gleichzeitig wurde das Departement für Erziehung und Kultur des Kantons Thurgau (DEK TG) einer Neustrukturierung unterzogen. Sämtliche Projekte waren geprägt durch die angespannte Lage der Kantonsfinanzen und damit – meistens auch explizit – Sparprojekte (Staatskanzlei TG, 1998, 1999, 2000).

In diesem Diskussionskontext wurde das Vorhaben einer kantonalen Bildungsberichterstattung entwickelt und 2001 mit der Publikation des ersten Berichts realisiert. Der Bericht wurde, gemeinsam mit der neuen Departementsstruktur, als Grundlage dafür präsentiert, „die strategisch offensive Bildungsplanung zu einem zentralen Instrument der kantonalen Bildungs- und Schulpolitik zu machen“ (DEK TG, 2001, S. 4). Dem eigentlichen Bericht lag eine fünffache Zweckbestimmung zugrunde (DEK TG, 2001): (1) Mit ihm würden gerade angesichts der vielen parallelen Entwicklungen und Projekte Übersicht und Transparenz geschaffen. (2) Auf dieser Grundlage sollte er Kontrolle, Bewertung und bewusste Steuerung von Projekten ermöglichen. (3) Zudem wäre er als Instrument der Planung und der Prioritätensetzung einzusetzen. (4) Durch die Übersicht über Entwicklungen und Projekte sollte der Bericht eine verstärkte Koordination ermöglichen. (5) Sowohl nach innen zu den Akteuren und Stakeholdern der Schule als auch nach aussen in Richtung der breiten Öffentlichkeit sollten durch den Bericht Information und Kommunikation gewährleistet sein.

Inhaltlich stellte der erste kantonale Bildungsbericht die Ausgangslage, die bildungspolitische Situation im Kanton und gesamtschweizerisch sowie die einzelnen kantonalen Entwicklungsprojekte im Bildungsbereich dar. Für jedes der 26 Projekte wurde, ganz im Stile der Kontrollmodi wirkungsorientierter Verwaltung, eine Art Statusmeldung gemacht und das Projekt erläutert. Die meisten Projekte bezogen sich auf die Volksschule. Daneben wurden Projekte der Mittelschulen, der Berufsbildung und eines zur aktiveren Positionierung des Kantons in der Hochschullandschaft dargestellt. Die Projektdarstellungen wurden ergänzt durch Finanz- und Zeitplanungen, wiederum bezogen auf die einzelnen Vorhaben sowie auf die Gesamtkosten im Bildungsbereich (DEK TG, 2001). Der erste Bericht wurde im Kanton intensiv und unter breiter Beteiligung diskutiert. Dabei wurde er als Element einer systematischen politischen Kommunikation über Bildung sehr positiv rezipiert und relativ schnell zu einer wichtigen Referenz in bildungspolitischen Diskussionen (DEK TG, 2003).

Konzeptionell in der kantonalen Bildungsberichterstattung angelegt war von Beginn an eine regelmässige Aktualisierung des Berichts. Diese Aktualisierung wurde 2003 erstmals vorgenommen und dann im Zweijahresrhythmus bis 2013 wiederholt. Bereits im Bericht von 2003 deutete sich eine deutlichere Ausrichtung auf die öffentliche Kommunikation an. Die nach wie vor im Zentrum stehende Perspektive auf die einzelnen Entwicklungsprojekte wurde um eine projektübergreifende Perspektive mit zwei Elementen ergänzt. Relativ ausführlich wurden die Themen der bildungspolitischen Diskussion seit dem ersten Bericht dargestellt und in Form von neun Leitideen wurde eine Art politisches Entwicklungsprogramm dargelegt, das sich eng an die allgemeinen Legislaturziele anlehnte und in das sich die einzelnen Projekte einfügten (DEK TG, 2003).

In der dritten Ausgabe von 2005 wurde wiederum die Informationsdichte in den allgemeinen, kontextualisierenden Teilen erhöht. So wurden nicht nur die Themen der bildungspolitischen Diskussion, sondern auch bildungsstatistische Indikatoren wie etwa die Maturitätsquoten in die Kontextbeschreibung aufgenommen. Damit wurden der interkantonale Vergleich und die gesamtschweizerischen Harmonisierungsbemühungen zur Hintergrundfolie der nach wie vor präsentierten, kantonalen Leitlinien und der einzelnen Projektdarstellungen. Insbesondere die auf interkantonaler Ebene priorisierten Elemente aus den EDK-Tätigkeitsprogrammen (vgl. Abschn. 5.4.1) sowie die Ergebnisse von PISA 2003 wurden ausführlich beschrieben. Eine kantonale Adaption des gesamtschweizerischen PISA-Aktionsplans wurde gar als neue Projektkategorie eingeführt und Bildungsmonitoring als eigenes Projekt explizit genannt. Das Projekt des Aufbaus, der Professionalisierung und der Systematisierung eines Bildungsmonitorings sollte es ermöglichen, dass „[m]it einer ständigen, systematischen Beobachtung des Bildungswesens mit wissenschaftlichen Methoden [...] frühzeitig Stärken und Schwächen des Systems erkannt und entsprechende Massnahmen rechtzeitig ergriffen werden“ (DEK TG, 2005a, S. 40). Die damit gemeinte Zusammenführung von Informationen aus Wissenschaft, Evaluationen und Bildungsstatistik zuhanden der politischen Entscheidungsträger sollte in Koordination mit dem nationalen Bildungsmonitoring erfolgen. Als Schwachpunkt des bestehenden Monitoring-Dispositivs wurde im Besonderen die kantonale Bildungsstatistik identifiziert (DEK TG, 2005a). Nicht zuletzt als Ergebnis dieser negativen Einschätzung führte ab 2006 die die Bildungsdirektion des Kantons Zürich (BI ZH) die Erhebung und Auswertung der bildungsstatistischen Daten im Kanton Thurgau durch (Staatskanzlei TG, 2007). Als besondere Stärke wurden dagegen die eigens aufbereiteten Finanzkennzahlen im Bildungsbereich betrachtet (DEK TG, 2005b).

In den Folgeberichten von 2007, 2009 und 2011 wurden die kontextualisierenden Elemente nochmals ausgebaut und auf mehrere Kapitel verteilt. Zudem wurden die dargestellten Entwicklungsprojekte pro Bildungsstufe zusammengefasst und jeweils einleitend mit Kontextinformationen ergänzt. Nach wie vor Teil der Berichte waren die Finanz- und Zeitplanung der einzelnen Projekte sowie die Übersicht über die Bildungskosten (DEK TG, 2007, 2009, 2011). 2009 konnte über die Verabschiedung des kantonalen Gesamtkonzepts zum Bildungsmonitoring berichtet werden. Im Rahmen dieses Konzepts wurde ein integrierender Blick auf Datenerhebungen, Publikationskanäle sowie auf die Schnittstellen zu BFS und nationalem Bildungsmonitoring geworfen. Als kantonale Datengrundlagen wurden die Bildungsstatistik und die Schulevaluation explizit genannt. Schnittstellen wurden zur Modernisierung der Bildungsstatistik durch das BFS sowie zu den nationalen Bildungsstandards und ihrer Überprüfung durch die EDK identifiziert (DEK TG, 2009). Im Bericht von 2011 wurde auch in den nach Projekten gegliederten Kapiteln der konkrete Bezug zu Projekten teilweise aufgelöst zugunsten einer Darstellung allgemeiner Entwicklungsbereiche und Herausforderungen. Er enthielt zudem drei strategische Maximen, denen die einzelnen Entwicklungen zugeordnet waren und an denen sich das künftige Controlling ausrichten sollte (DEK TG, 2011).

Der Bericht von 2013 setzte die Entwicklung insofern fort, als dass ganz auf die Darstellung der Finanz- und Zeitplanung der einzelnen Entwicklungsprojekte verzichtet wurdeFootnote 10. Dieser Bericht sollte denn auch die vorerst letzte Ausgabe der kantonalen Bildungsberichterstattung sein. Im Bericht selbst wurde vorgeschlagen, den nächsten Bericht 2017 zu erstellen und damit auf einen Vierjahresrhythmus umzustellen, was der Kantonsrat so unterstützte (DEK TG, 2013a).

Der jüngste kantonale Bildungsbericht wurde schliesslich 2018 publiziert, unter anderem um nicht vor, sondern jeweils kurz nach dem nationalen Bildungsbericht zu erscheinen. Verändert wurde die inhaltliche Struktur insbesondere dahingehend, dass im Rückblick auf die bildungspolitischen Themen im Zeitraum 2013–2017 zwei thematische Schwerpunkte gesetzt wurden. Mit der Verbesserung der Bildungschancen als einem der beiden Schwerpunkte wurde ein neues Stufenkapitel zur frühen Förderung legitimiert. Dieses Kapitel umfasste vier politisch postulierte Handlungsfelder im Bereich der FBBE. Ansonsten wurde der Charakter der Projektdarstellungen pro Stufe, angereichert mit bildungspolitischen und bildungsstatistischen Kontextinformationen, beibehalten (DEK TG, 2018).

6.4.2 Evaluation, Leistungserhebungen und Statistik als weitere Monitoringelemente

Die Fokussierung auf die Bildungsberichte als kommunikativ ausgerichtete Produkte eines Bildungsmonitoring-Dispositivs sollen nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch im Kanton Thurgau die einzelnen Elemente und damit die Informationsbasis für die Berichterstattung durchaus eine differenzierte Entwicklung durchliefen.

Die um die Jahrtausendwende initiierten Schulreformprozesse in der Volksschule drehten sich – ähnlich wie in anderen Kantonen (vgl. Abschn. 6.3) – um den Qualitätsbegriff und hatten Begriffe wie geleitete Schulen, Selbst- und Fremdevaluation der Schulen, Schulqualitätsentwicklung, Schulaufsicht, Schulberatung oder Schulorganisationsentwicklung im Zentrum. Als einer der wichtigen Auslöser wurden bereits 2002 die PISA-Ergebnisse genannt. Basierend auf internationalen, nationalen und kantonalen Entwicklungen wurde ein Konzept in Richtung eines systematischen Monitorings auf kantonaler Ebene skizziert. Dieses sollte insbesondere auf Wirkungsdaten aus Leistungserhebungen sowie auf Informationen aus dem im Aufbau begriffenen Qualitätsmanagement basieren (Trachsler, 2002). Diese erste Konzeption bezog sich auf die Volksschule ebenso wie auf Mittel- und Berufsschulen. Der Begriff des Qualitätsmanagements wurde dann 2008 und 2014 für die Volksschule konzeptionell konkretisiert. Bezüglich der Wirkungsdaten wurde da auf die internationale Ebene mit PISA und die nationale Ebene mit der geplanten ÜGK verwiesen. Auf kantonaler Ebene würden Evaluation und anwendungsorientierte Forschung sowie Bildungsstatistik zusätzliche Informationsgrundlagen liefern (DEK TG, 2008).

Obwohl die Prozesse der externen Schulevaluation primär auf die Entwicklung der Einzelschulen hin ausgerichtet waren, wurden auch hier die systematischen Möglichkeiten mitgedacht (DEK TG, 2014). Die externe Schulevaluation befand sich für die Volksschulen 2009 im zweiten Evaluationszyklus und hatte spätestens ab diesem Zeitpunkt bereits eine Einbindung in das kantonale Monitoring-Dispositiv erfahren: Auf der kantonalen Ebene wurden quantitative und qualitative Evaluationsergebnisse aggregiert (Staatskanzlei TG, 2010). Qualitätsentwicklung war ab 2004 auch für die Mittelschulen vorgesehen, wurde aber intern über sogenannte Qualitätsentwicklungsgruppen realisiert (Staatskanzlei TG, 2008a, 2009). Die externen Evaluationen durch das IFES, die in allen vier Maturitätsschulen sowie in beiden Berufsbildungszentren zwischen 2009 und 2014 vorgesehen waren, sind nur für die pädagogische Maturitätsschule in den Geschäftsberichten verzeichnet (Staatskanzlei TG, 2012). Programmevaluationen erfolgten beispielsweise zu Schulaufsicht und kantonaler Schulevaluation, zu Lernräumen, zur Arbeitssituation von Schulleitungen, zu den Unterrichtsformen an den Kantonsschulen oder zur Einführung des Frühenglisch (DEK TG, 2009; Trachsler, Kreis, Nido, Brosziewski & Grimmer, 2006; Kreis, Williner & Maeder, 2014; DEK TG, 2013b; Landert, Riedo & Brägger, 2009).

Wie bereits erwähnt, wurden die bereits die ersten PISA-Ergebnisse 2002 im Kanton Thurgau aktiv und intensiv rezipiert. Als Reaktion darauf wurde 2003 und 2006 je eine kantonale Zusatzstichprobe gebildet und getestet. Die kantonalen Ergebnisse wurden einerseits je in einem Portrait, analog zu anderen Kantonen, präsentiert (Ramseier et al., 2005a; Morger & Bitto, 2008) und andererseits in einem Zusatzbericht ausgewertet (Morger & Bitto, 2009). Abgesehen davon wurden ab den 2000er-Jahren zwar verschiedene standardisierte Leistungserhebungen eingesetzt. Allerdings war eine kantonale Auswertung der Ergebnisse nie explizit vorgesehen (Züst, 2004; DEK TG, 2004, 2015b).

Bildungsstatistik und insbesondere bildungsstatistische Indikatoren waren ein wichtiges Element der Bildungsberichte. Der Kanton Thurgau präsentierte bereits 2003 eine relativ umfassende Sammlung bildungsstatistischer Informationen, die unter anderem kantonal entwickelte Indikatoren enthielt (DEK TG, 2005b). Im Bereich der Bildungsfinanzen wurden etwa Indikatoren zur Ermittlung des finanziellen Aufwands pro Schülerin bzw. Schüler entwickelt (DEK TG, 2015a). Daneben wurden auch verschiedene bildungsstatistische Kennzahlen als politische Indikatoren verwendet, etwa die Quoten von Berufs- und gymnasialer Maturität (Staatskanzlei TG, 2008b).

Im Bildungsmonitoring-Dispositiv des Kantons Thurgau ist schon ab 2002 eine systematische, datenbasierte Herangehensweise erkennbar. Dabei hatten die verschiedenen Elemente jeweils unterschiedliche Entwicklungsgrade und Informationsgehalte im Hinblick auf die aktuell anstehenden, bildungspolitischen Fragestellungen. Die Bildungsberichterstattung führte unter anderem dazu, dass vorhandene Informationen zusammengeführt und dass Informations- oder Datenlücken identifiziert werden konnten. Auf der Produktebene entsteht dabei der Eindruck, dass die einzelnen Elemente des Bildungsmonitoring-Dispositiv gut aufeinander abgestimmt sind und sich reibungslos ins Gesamtkonzept einfügen würden. Erst auf den zweiten Blick offenbart sich, trotz wiederholter Betonung der systematischen Generierung von Steuerungswissen und trotz der kontinuierlichen Berichterstattung, eine stark an aktuellen Fragestellungen und politischen Bedürfnissen ausgerichtete Monitoring-Policy. In diesem Sinne wurden und werden in den Berichten sehr gezielt einzelne Informations- oder Datengrundlagen intensiver und andere praktisch gar nicht eingebunden. Darin zeigt sich exemplarisch die Herausforderung, mit einem ganzheitlichen oder umfassenden Bildungsmonitoring-Konzept, verschiedenen zur Verfügung stehenden Informationsquellen und einer nicht auf einzelne Elemente hin ausgerichteten Bildungsberichterstattung die öffentlich und bildungspolitisch relevanten Daten und Informationen auszuwählen und darzustellen.

6.4.3 Weitere Kantone

Mit Basel-Landschaft und St. Gallen werden im Folgenden zwei weitere Kantone präsentiert, die sich unter anderem durch konkrete Produkte der Bildungsberichterstattung auszeichnen. Im Kanton Basel-Landschaft wurden 2007 und 2011 zwei auch als solche benannte Bildungsberichte publiziert. Die kantonale Berichterstattung wurde ab 2012 abgelöst durch die beiden vierkantonalen Bildungsberichte im Rahmen des Bildungsraums Nordwestschweiz (vgl. Aargau in Abschn. 6.1.3). Im Kanton St. Gallen wurden zwischen 2002 und 2014 vier umfassende Berichte zum Schulsystem verfasst, allerdings nicht explizit als Bildungsberichte, sondern als Berichte der Regierung an den Kantonsrat im Zuge der Bearbeitung politischer Vorstösse.

Basel-Landschaft

Im Kanton Basel-Landschaft wurde 2007 der erste und 2011 der zweite kantonale Bildungsbericht publiziert. Die beiden Berichte waren inhaltlich eine Kombination von bildungspolitischem Programm, Darstellung aktueller politischer Projekte und sogenannten statistischen Portraits der Schulstufen. Beide Berichte basierten auf einer breiten Informationsgrundlage, die alle relevanten Elemente des kantonalen Bildungsmonitoring-Dispositivs enthält (Schneebeli, Albrecht, Gruntz, Studer & Ruckstuhl, 2007; Schneebeli, Voisard-Horisberger, Albrecht, Suter & Stocker, 2011). Die Grundlage dieses Dispositivs bildet das Bildungsgesetz von 2002. Durch die für die Volksschule und die Sekundarstufe II gleichermassen geltende Zweckdefinition von Qualitätssicherung wurde darin der normative Rahmen der produktorientierten Generierung und Verarbeitung von Daten und Informationen für politische Akteure und Öffentlichkeit gesetzt. Die Qualitätssicherung sollte in Form von interner Evaluation in Verantwortung der Einzelschulen und externer Evaluation in kantonaler Verantwortung erfolgen. Ebenso wurde im Gesetz festgehalten, dass dem Parlament alle vier Jahre ein Bericht zur Qualität der öffentlichen Schulen vorzulegen sei (Landrat BL, 2003).

Die beiden Bildungsberichte waren als Zusammenzüge der verschiedenen Informationen aus den unterschiedlichen Elementen des Bildungsmonitoring-Dispositivs gestaltet. Beide Berichte hatten grundsätzlich eine Struktur nach Schulstufen. Pro Stufe wurde dabei ein Bericht, unter anderem mit Informationen zu laufenden Projekten und Ergebnissen der externen Schulevaluation, mit einem statistischen Portrait, vor allem mit Daten aus der Bildungsstatistik, kombiniert (Schneebeli et al., 2007, 2011). Im Bericht von 2011 wurde zudem aufgezeigt, was seit dem ersten Bericht von 2007 bildungspolitisch erreicht werden konnte. Ein Element dieser Standortbestimmung war die Bewertung der Entwicklung bezüglich des verfügbaren Steuerungswissens. Dabei wurden die nationalen Bildungsstandards und ihre Überprüfung, die Leistungserhebungen im Bildungsraum Nordwestschweiz sowie die nationale Bildungsberichterstattung und die Modernisierung der nationalen Bildungsstatistik als relevante Entwicklungen genannt (Schneebeli et al., 2011).

Bildungsstatistische Daten, die in der Verantwortung des statistischen Amts lagen, flossen auch in andere Publikationen ein. Im Magazin Statistik Baselland etwa wurden bildungsbezogene Fokusthemen mehrfach bearbeitet (Bobst, 2006, 2009, 2012; Wiederkehr, 2012, 2013, 2014). Im interkantonalen Vergleich innovativ waren zudem die Auswertungen des Amtes für Raumplanung unter der Bezeichnung Lernendenprognosen, die unter anderem die Verteilung der Schüler auf die Schulen abbildeten (Hof, 2013).

Das zuvor für die Volksschule zuständige Schulinspektorat wurde 2004 – auf der Grundlage des neuen Bildungsgesetzes – in eine Amts- und Abteilungsstruktur überführt. Bereits das Schulinspektorat erfüllte bestimmte Monitoring-Funktionen wie etwa die Durchführung von Abgängerbefragungen auf der Sekundarstufe I (Landeskanzlei BL, 1999). Im neuen Amt für Volksschulen wurden 2004 auch die ersten Erfahrung mit externer Evaluation gemacht (Landeskanzlei BL, 2005). Bis 2007 wurden 33 staatliche und acht private Schulen extern evaluiert (Schneebeli et al., 2007), bis 2010 waren es insgesamt 75 Kindergärten, Primar-, Sekundar- und Musikschulen (D. Widmer, 2010). Auf der Sekundarstufe II wurden bereits vor 2000 erste Schulen extern evaluiert, ab 2000 im Rahmen des von der NW EDK initiierten Projektes Benchmarking Sekundarstufe II, das 2014 ans IFES übergeben wurde (Vogt, 2006, 2013; Landeskanzlei BL, 2006). In der Regel wurde jährlich eine Schule der Sekundarstufe II extern evaluiert (Schneebeli et al., 2007). Während die einzelnen Evaluationsberichte nicht öffentlich waren, wurden im Bildungsbericht 2007 einige zentrale Erkenntnisse summarisch präsentiert (Schneebeli et al., 2007).

In den Bildungsberichten zwar als Informationsgrundlage benannt aber nicht datenbasiert eingebunden waren Informationen aus Leistungserhebungen. Sogenannte Orientierungsarbeiten wurden ab 2001 in der 9. Klasse und ab 2004 in der 5. Klasse durchgeführt (Landeskanzlei BL, 2002, 2005). Dabei stand zunächst die Förderung einer qualitativ hochstehenden Beurteilungspraxis der Lehrpersonen im Vordergrund. Zusätzlich wurden die Ergebnisse aber auch auf kantonaler Ebene ausgewertet (z. B. Thurnherr, 2006). Das Potenzial dieser Leistungsdaten in Richtung einer intensiveren Nutzung wurde 2010 vertieft evaluiert (U. Moser, 2010). Abgelöst wurden die Orientierungsarbeiten schliesslich ab 2015 durch die vierkantonalen Checks (vgl. Solothurn in Abschn. 6.2.3). Zusätzlich liess der Kanton Basel-Landschaft in PISA 2006 eine kantonale Stichprobe testen (U. Moser & Angelone, 2008c).

Im Kanton Basel-Landschaft wurde das Bildungsmonitoring-Dispositiv relativ früh und explizit auf die Generierung von Steuerungswissen und damit als Informations- und Datengrundlage politischer Entscheidungsfindung definiert. Im Sinne der politischen Steuerung bzw. Steuerbarkeit werden Bildungsmonitoring und insbesondere die Bildungsberichte als eine Art öffentliche „Standortbestimmung“ (Schneebeli et al., 2007, S. 9) verstanden, und zwar retrospektiv und prospektiv. Dahinter werden drei Axiome erkennbar: Erstens wird – in Abgrenzung zur Lehrpersonenzentriertheit des traditionellen Inspektorats – Qualität von Schule und Bildung als gemeinsam erarbeitetes Gut verstanden (D. Widmer, 2010). Zweitens wird Qualität als Eigenschaft verstanden, die auf allen Ebenen von den individuellen Personen über die Einzelschulen aller Stufe sowie das Bildungssystem insgesamt ermittelt werden kann und soll. Dabei sind drittens Effektivität, Effizienz und Equity als Qualitätskriterien zentral (Wüthrich-Pelloli, 2010; Schneebeli et al., 2007).

St. Gallen

Im Kanton St. Gallen hat sich eine regelmässige Bildungsberichterstattung nicht explizit, sondern im Zuge der Bearbeitung politischer Vorstösse im kantonalen Parlament etabliert. Ausgangspunkt war ein Bericht von 2002, mit dem die Regierung auf zwei Vorstösse zur Gestaltung der Schuleingangsstufe sowie zu Tagesstrukturen reagierte. Der Bericht stellte fest, dass die Schulstrukturen an die gesellschaftlichen Realitäten angepasst werden müssten und bettete die bereits in Vorbereitung begriffenen Projekte und Programme zur Definition der Schulpflicht ab vier Jahren, zur Basisstufe sowie zur Einführung von Tagesstrukturen oder tagesschulähnlichen Angeboten in diese übergeordnete Entwicklung ein. Die Basisstufe sollte dabei ab 2003 im Rahmen der durch die EDK-Ost koordinierten Schulversuche erprobt werden. Der Bericht enthielt ausführliche Modelle und Szenarien zu Stundentafeln, Schülerzahlen und Kosten und schloss damit, dass die begonnenen Projekte weiterzuführen seien (Staatskanzlei SG, 2002).

Rund vier Jahre später wurde ein zweiter Bericht unter dem Titel Perspektiven der Volksschule publiziert. Formal als Reaktion auf vier parlamentarische Vorstösse präsentierte der Regierungsrat damit

„einen Überblick über den aktuellen Stand und über die Perspektiven der obligatorischen Volksschule und des Kindergartens. Er [der Bericht] beinhaltet auch die Auswirkungen des neuen Bildungsartikels in der Bundesverfassung sowie der interkantonalen Vereinbarung zur Harmonisierung der obligatorischen Volksschule (HarmoS-Konkordat). Beleuchtet werden die aktuellen und die mutmasslichen künftigen Veränderungen der öffentlichen Volksschule in den kommenden Jahren.“ (Staatskanzlei SG, 2006, S. 2)

Im Bericht wurden unter anderem die Bestrebungen hin zu neuen Formen der Schulaufsicht, die aktuelle Lage der im Vorgängerbericht präsentierten Projekte zur Basisstufe und zur Einführung von Tagesstrukturen und die Einführung von Englisch als erster Fremdsprache beschrieben. Zudem wurden die PISA-Ergebnisse und die bildungspolitischen Schlüsse daraus sowie der Stand der interkantonalen Koordination und Harmonisierung präsentiert. Zum damaligen Zeitpunkt waren die Grundzüge des HarmoS-Konkordats definiert und die nationale Abstimmung zur sogenannten Bildungsverfassung stand kurz bevor. Auf der interkantonalen Ebene wurde zusätzlich die Koordination des Fremdsprachenunterrichts sowie die sprachregionalen Lehrpläne als relevante Bereiche bildungspolitischer Entwicklungen vorgestellt. Als Instrumente zur Überprüfung der Zielerreichung wurden für die Systemebene PISA und das zu entwickelnde nationale Bildungsmonitoring, für die Schulen und Lehrpersonen die neuen Formen der Schulaufsicht und die damit verbundenen Prozesse der Qualitätssicherung sowie für die Schülerinnen und Schüler die Testsysteme Klassencockpit und Stellwerk genannt. Der Bericht enthielt zudem auf der Basis bildungsstatistischer und finanzbezogener Daten erstellte Szenarien und Prognosen (Staatskanzlei SG, 2006). Entsprechend der Definition von PISA als wichtiges Instrument der Effektivitätsprüfung war der Kanton St. Gallen in PISA fünfmal mit einer kantonalen Stichprobe vertreten (Ramseier et al., 2002, 2005a; Brühwiler, Abt Gürber & Kis-Fedi, 2008; Brühwiler, Abt Gürber & Buccheri, 2011; Buccheri, Brühwiler, Erzinger & Hochweber, 2014).

Der dritte Bericht folgte 2010 und thematisierte einerseits rückblickend die Entwicklungen seit 2006 und andererseits die künftige strukturelle Gestaltung der Sekundarstufe I. Formal reagierte der Bericht auf vier parlamentarische Vorstösse zu strukturellen Fragen der Volksschule und vier weitere Vorstösse zum Themenbereich Schule und Elternhaus. Bei den Beschreibungen der interkantonalen Entwicklungen wurde auf HarmoS und auf das Sonderpädagogik-Konkordat sowie auf die Bildungsstandards, den Lehrplan 21 und das nationale Bildungsmonitoring hingewiesen. Auf kantonaler Ebene waren wiederum die Basisstufe, die Testsysteme, die Qualitätssicherung sowie neu die Struktur der Sekundarstufe I die zentralen Themen. Der Bericht enthielt erstmals auch einen umfangreichen statistischen Anhang (Staatskanzlei SG, 2010a). Im vierten Bericht von 2014 lag der inhaltliche Fokus einerseits auf den drei Themen Oberstufe, Schuleingangsstufe und musikalische Bildung und andererseits auf der Neukonzeption von Schulaufsicht und Qualitätssicherung. Das kantonale Bildungsmonitoring wurde zudem als Ergänzung des nationalen Bildungsmonitorings mit vier Elementen dargestellt (Staatskanzlei SG, 2014b): (1) Auswertung von kantonalen Daten innerhalb gesamtschweizerischer Erhebungen, (2) kantonale Lehrstellenerhebung, (3) Erhebung kantonaler Daten im sonderpädagogischen Bereich sowie (4) Evaluationen und Erhebungen zu unterschiedlichen Themen, vor allem im Rahmen der Qualitätssicherungsprozesse. Die so zusammengetragenen, hauptsächlich bildungsstatistischen Daten wurden dabei explizit als Steuerungswissen für die politischen Akteure verstanden.

Durch die regelmässigen Berichte zuhanden des Kantonsrates entstand eine Reihe impliziter Bildungsberichte. Diese Entwicklung wurde bereits ab 2006, ebenfalls durch verschiedene parlamentarische Vorstösse, aufgenommen. 2016 legte der Regierungsrat schliesslich einen Bericht zum Monitoring der Volksschule und der Mittelschulen vor. Darin wird Bildungsmonitoring funktional als Element des allgemeinen politischen Controllings – im Kanton St. Gallen ab 2008 Staatszielmonitoring genannt – und zugleich als dem Politikbereich Bildung inhaltlich und materiell angepasstes Dispositiv der Entwicklungsbeobachtung gefasst. Orientierung für das kantonale Bildungsmonitoring bieten das nationale Bildungsmonitoring, die gesamtschweizerische Harmonisierung, die internationalen Schulleistungsstudien und die national koordinierte Bildungsstatistik. Das kantonale Monitoring kann sich unter anderem auf Daten und Informationen aus den Prozessen der Qualitätsentwicklung, aus verschiedenen Lern- und Testsystemen sowie aus Projekt- und Programmevaluationen beziehen (Staatskanzlei SG, 2016).

Der erste explizite Monitoringbericht wurde 2018 publiziert. Er vereint im Wesentlichen Informationen aus drei Bereichen (Thöny, Müller, Bachmann & Hutter, 2018): (1) Im Hinblick auf den Budgetprozess 2019 wurden für Volksschule und Mittelschulen Finanzdaten zusammengetragen und ausgewertet. (2) Der Bericht bezieht sich zu grossen Teilen auf bildungsstatistische Informationen zu Schülerinnen und Schülern, Lehrpersonen sowie – für die Mittelschulen – Abschlüssen. (3) Für die Volksschule wurden auch Daten aus PISA 2012 sowie – auszugsweise – aus den Stellwerk-Tests einbezogen.

Auf der Ebene der Bildungsstatistik wurden – neben den erwähnten Berichten – regelmässig Daten und Informationen zu Schüler- bzw. Auszubildendenzahlen sowie zu den Maturitätsabschlüssen publiziert. Im kantonalen statistischen Jahrbuch waren zudem auch für den Bildungsbereich immer thematisch fokussierte, kommentierte Datenauswertungen zu finden. 2010 wurde beispielsweise die Mobilität der Hochschulstudierenden thematisiert (FfS SG, 2011).

Die Entwicklung hin zu geleiteten Schulen begann 1998. Bis 2004 waren die gesetzlichen Grundlagen geschaffen worden und 2010 konnte die Einführung von geleiteten Schulen als abgeschlossen bezeichnet werden (Staatskanzlei SG, 2010a). In den entsprechenden Konzepten der Qualitätsentwicklung und -sicherung war auf kantonaler Ebene eine externe Evaluation vorgesehen. Ab 2007 wurden im Rahmen einer Pilotphase erste Schulen durch die Pädagogische Hochschule St.Gallen (PHSG) evaluiert. Durch einen Entscheid im Kantonsrat wurde die definitive Einführung ab 2010 allerdings verhindert. Daraus resultierte ein Verzicht auf kantonale Evaluationen. Schulaufsicht und Qualitätssicherung wurden auf eine Meta-Ebene verschoben und ihre konkrete Umsetzung bei den Gemeinden als Schulträger angesiedelt. Auf der Systemebene verblieben damit die Vorgabe von Weisungen und Handreichungen zur Qualitätssicherung, die übergeordnete Schulaufsicht und das Bildungsmonitoring, das ebenfalls der neu aufzubauenden Schulaufsicht zugeordnet wird (BD SG, 2014).

Der Kanton St. Gallen und der kantonale Lehrmittelverlag waren gewissermassen Vorreiter bei standardisierten Leistungserhebungen auf der Sekundarstufe I. Das Evaluationsinstrument Stellwerk 8 kam 2006, das Stellwerk 9 2007 erstmals flächendeckend zum Einsatz (Staatskanzlei SG, 2007, 2008b). Die Ergebnisse wurden auch bezüglich konkreter Fragestellungen auf kantonaler Ebene auswertet. Eine erste solche Analyse der Stellwerk-Daten bezog sich auf mögliche Zusammenhänge zwischen Schulleistungen, Klassengrösse und Klassenzusammensetzung (U. Moser, 2007). Daneben entwickelte der kantonale Lehrmittelverlag mit LernLot und Klassencockpit weitere Instrumente zur diagnostischen Lernstandserhebung (Staatskanzlei SG, 2008a, 2010a). Allerdings dienten im Kanton St. Gallen diese Testsysteme – von der erwähnten Auswertung abgesehen – primär der formativen Beurteilung auf Mikroebene und wurden nicht für Schullaufbahnentscheide eingesetzt (Vögeli-Mantovani, 1999; BD SG, 2008). Auf das Schuljahr 2017/18 hin wurden die Systeme – teilweise in Kooperation mit dem Kanton Zürich – weiterentwickelt und zwar von Testsystemen für punktuelle Standortbestimmungen hin zu Lernfördersystemen für die kontinuierliche individuelle Förderung (BD SG, 2017, 2018). Das Instrument Lernlupe ist für den Einsatz in der 3. bis 6. Primarschulklasse, das Instrument Lernpass Plus für die Sekundarstufe I konzipiert. Beide Instrumente sind als Online-Plattformen implementiert, setzen den Schwerpunkt explizit auf die individuelle Leistungsentwicklung und sind damit an Schülerinnen, Schüler und die Lehrpersonen gerichtet. Im Lernpass Plus wurden die Stellwerk-Leistungserhebungen integriert (Thöny et al., 2018).

Als Evaluationen von politischen Projekten oder Programmen können die Evaluation des Aufnahmeverfahrens der Mittelschulen (BD SG, 2015), der Fachmittelschule (Staatskanzlei SG, 2014a), des Führungs- und Qualitätskonzepts der Volksschule (Capaul, Keller, Sylla & Hintermann, 2014), des Verfahrens zur Standortbestimmung und beruflichen Entwicklung der Mittelschullehrkräfte (Staatskanzlei SG, 2010b) oder des Informatikangebots der Wirtschaftsmittelschule (Staatskanzlei SG, 2008a) angeführt werden. Der Kanton St. Gallen war auch Teil einer Untersuchung zum Frühenglisch (von Ow, Husfeldt & Bader Lehmann, 2011; Staatskanzlei SH, 2012b).

Im Kanton St. Gallen ist der Anspruch einer systematischen Herangehensweise auf der Basis solider Datengrundlagen schon 2002 explizit formuliert. In diesem Sinne bilden Bildungsstatistik, PISA-Ergebnisse sowie einzelne kantonale Auswertungen von Ergebnissen aus den Testsystemen den Kern des Bildungsmonitoring-Dispositivs. Eine darüber hinausgehende Informationsgrundlage konnte allerdings nicht geschaffen werden. Insbesondere in der Frage der Qualität seien, laut der Evaluation des Führungs- und Qualitätskonzepts, kaum Daten vorhanden und könnten gerade durch den politisch gewollten Verzicht auf externe Evaluation auch nicht generiert werden (Capaul et al., 2014). Insofern bleibt das realisierte Bildungsmonitoring-Dispositiv trotz der Bildungsberichterstattung und der Vorreiterrolle im Bereich der Lern- und Testsystemen hinter den Ansprüchen zurück.

6.5 Evaluation von Programmen und Projekten

Nicht zuletzt mit den Veränderungen der politischen Wahrnehmung und Bearbeitung von Bildung und Schule ging eine Intensivierung konkreter Projekte und Programme im Bildungs- und Schulbereich einher. Auf verschiedensten Ebenen und praktisch allen Stufen des Bildungssystems wurden Veränderungen und Entwicklungen angestossen, nicht zuletzt basierend auf systematischen Informationen aus Bildungsmonitoring-Dispositiven. Parallel dazu entwickelte sich ein Modus der systematischen Bewertung solcher Veränderungsprojekte und -programme, deren Ergebnisse wiederum in die Generierung und Verarbeitung von Daten und Informationen zuhanden politischer Akteure zurückflossen.

Bereits in den 1990er-Jahren war international eine Expansion von Evaluation als Begriff aber auch als Praxis der systematischen, transparenten und datengestützten Beschreibung und Bewertung konkreter politischer Programme und Projekte festzustellen (Beywl & Widmer, 2009). Im Bildungsbereich – gerade in Deutschland – war die Evaluationstätigkeit der 1990er-Jahre stark auf einzelne Schulen fokussiert. In den 2000er-Jahren entwickelte sich im Kontext der internationalen Schulleistungsstudien ein umfassenderes Verständnis, das Evaluation auch als Qualitätssicherungsinstrument auf der Systemebene etablierte (Maag Merki, 2009). In der Schweiz waren Evaluationen insbesondere auf der Sekundarstufe II bereits in den 1990er-Jahren integraler Bestandteil vieler Projekte, darunter auch grosser Reformen wie jener der Maturitätsanerkennung (Eberle, 2018). Für die Volksschule waren in vielen Schweizer Kantonen die internationalen Entwicklungen der Evaluation auf Schulebene nicht aufgenommen worden, was dazu führte, dass Evaluation erst in den 2000er-Jahren intensiver thematisiert wurde und sowohl in Form der permanenten Schul- und Systemevaluation als auch als Programm- und Projektevaluation grössere Verbreitung erfuhr. In der Schweiz war dabei die konzeptionelle Trennung zwischen bildungsspezifischer Evaluation als Element in Qualitätssicherung und Monitoring und allgemeiner, gegenstandsbezogener Evaluation relativ deutlich.Footnote 11 Für diese zweite Form von Evaluation, die im Folgenden als Programmevaluation bezeichnet wird, wurde die themenfeldübergreifende Professionalisierung und Standardisierung bewusst vorangetrieben (T. Widmer, Ländert & Bachmann, 2000; T. Widmer & Beywl, 2009).

In praktisch allen Kantonen wurden und werden Reformprogramme, Schulversuche oder andere Innovationsprojekte im Bildungsbereich evaluiert. Dabei sind die Evaluationsgegenstände, die Fragen, Methoden und Herangehensweisen sowie der Umfang der Evaluationen divers. Programmevaluationen werden teilweise mit anderen Begriffen bezeichnet. Solche Bezeichnungen sind etwa wissenschaftliche Begleitung, Praxisforschung, angewandte Forschung, Erfolgskontrolle oder Wirkungsforschung (Beywl & Widmer, 2009). Die Kantone unterscheiden sich darin, wie systematisch sie Programmevaluationen einsetzen und welchen Stellenwert sie der Aufnahme von Evaluationsergebnissen ins Bildungsmonitoring-Dispositiv zuordnen.

Der Kanton Bern steht im Fokus als ein Kanton, der gerade im Zusammenhang mit grossen, strukturellen Reformschritten Programmevaluationen als wichtiges Element des Bildungsmonitoring-Dispositivs einsetzte. Im Folgenden wird zunächst für Bern aufgezeigt, wie Programmevaluation als Element eines auf konkrete politische Entscheidungen hin ausgerichteten Bildungsmonitorings etabliert wurde. Anschliessend werden Bildungsstatistik und Schulaufsicht als weitere Elemente des kantonalen Monitoring-Dispositivs dargestellt. Der Kanton Bern steht für die Herausforderung, eine Vielzahl von Entwicklungen, politischen Projekten und Programmen evaluativ im Blick zu behalten und in ein auf das Gesamtsystem gerichtetes Bildungsmonitoring zu integrieren. Zudem zeigt sich im Kanton Bern exemplarisch die hohe Nachfrage nach Information, die gerade in grösseren Kantonen und im Zusammenhang mit strukturellen Veränderungen des Bildungssystems formuliert wird.

6.5.1 Programmevaluation in der Berner Bildungsstrategie

Die in den 1990er-Jahren angestossenen und im Kontext der gesamtschweizerischen Harmonisierung erneut dynamisierten Grossreformen im Bildungsbereich des Kantons Bern, die unter anderem mit Veränderungen der Struktur der Verwaltung, der Struktur der Volksschulstufen und der Ausbildung der Lehrpersonen in Verbindung gebracht werden können, gingen einher mit einer stark an managerialistisch inspirierten Staats- und Verwaltungsidealen ausgerichteten Gestaltung mittel- und langfristiger Planungs- und Monitoringprozesse.Footnote 12 Bezogen auf Bildungsmonitoring wurde eine „Umorientierung in Richtung Evaluation und standardisierte Leistungsmessung“ (ED BE, 2001, S. 8) angestrebt. Ein Ausdruck davon war die 2005 erstmals erstellte und publizierte Bildungsstrategie, in der in Abstimmung mit anderen Instrumenten der politischen Planung und über alle Bildungsstufen hinweg eine Gesamtsicht auf das Berner Bildungssystem angestrebt wurde (B. Furrer, 2004). Diese Gesamtsicht – oder zumindest ihre Darstellung – folgte deduktiven Prinzipien: Auf der Basis einer übergeordneten Vision wurden stufenübergreifende strategische Ziele formuliert, die ihrerseits auf den einzelnen Stufen konkretisiert wurden und in Massnahmen einflossen. Diese Massnahmen wurden wiederum in Projekten nochmals spezifiziert und konkretisiert. Abgesehen von punktuellen Informationen aus laufenden oder abgeschlossenen Projekten war die Perspektive war ganz klar eine prospektive. Bildungsmonitoring war 2005 eines der zehn strategischen Ziele und floss als solches in verschiedene Zielsetzungen auf allen Bildungsstufen ein (ED BE, 2005).

Zentrale Stelle für die Erarbeitung und Umsetzung der Bildungsstrategie und damit auch verantwortlich für Planung und Monitoring war die Abteilung Bildungsplanung und Evaluation, ab 2003 organisatorisch angesiedelt im Generalsekretariat der Erziehungsdirektion des Kantons Bern (ED BE), bzw. davor das 1971 gegründete Amt für Bildungsforschung (ED BE, 1999). Diese Verwaltungseinheit umfasste seit ihrer Gründung eine französischsprachige Abteilung, das Office de recherche pédagogique, die ab 1975 einen separaten Standort im französischsprachigen Kantonsteil bezog (ED BE, 2003). Die sprachliche Binnenstruktur wurde in der 2003 geschaffenen Abteilung übernommen. In dieser Verwaltungseinheit wurden die wesentlichen Elemente des kantonalen Bildungsmonitoring-Dispositivs zusammengefasst. Ihre Zuständigkeiten umfassten zunächst vor allem die Programmevaluation sowie die Teilnahme an PISA (ED BE, 2003). Mit der Umstrukturierung 2003 wurde ihr zusätzlich die Bildungsstatistik zugeordnet, wenig später wurde sie – wie erwähnt – mit der Bildungsstrategie betraut. Später kamen in diesem Zusammenhang weitere Aufgaben wie politische Führungsunterstützung und interkantonale Zusammenarbeit hinzu. Der damalige Abteilungsleiter Beda Furrer bezeichnete 2005 Evaluation und Statistik als die eigentlichen Kernelemente:

„Durch Evaluationen, wie z. B. betreffend den Schulversuch zur Flexibilisierung des Schuleintrittsalters (Basisstufe) oder Lehrvertragsabbrüche, sollen [...] Erkenntnisse gewonnen werden für künftige Entscheide. Systembeobachtungen (Bildungsmonitoring) wie z. B. die PISA-Studie geben Hinweise zum Zustand des Bildungssystems und zeigen Handlungsbedarf auf. Die Bildungsstatistik liefert Zahlenmaterial, welches aufbereitet werden muss, damit sie zuverlässige Grundlagen für die Planung liefern kann.“ (B. Furrer, 2005, S. 19)

Unter Evaluationen verstand er dabei offensichtlich sowohl die eigentlichen Programmevaluationen als auch – passend zum internationalen und gesamtschweizerischen Diskurs – die Erfassung von Schülerleistungen. Dieses Doppelverständnis entstand einerseits durch die sukzessive wichtiger werdende Aufgabe der Programmevaluation und andererseits durch die Zuordnung der internationalen Schulleistungsstudien an das damalige Amt für Bildungsforschung (ED BE, 2003). Ab 2018 ist die Abteilung Bildungsplanung und Evaluation nicht mehr im Organigramm der ED BE verzeichnet. Ihre Aufgaben wurden übernommen von zwei Fachbereichen innerhalb des Generalsekretariats, der eine für Statistik, Evaluationen und interkantonale Koordination und der zweite für Bildungsstatistik (ED BE, 2019).Footnote 13

Die Liste der konkreten Programmevaluationen im Kanton Bern ist sehr lang und facettenreich. Darunter finden sich bereits für die 1990er-Jahre Evaluationen mit unterschiedlicher Reichweite wie etwa ein Pilotprojekt zur Neugestaltung des sogenannten 9. Schuljahrs, ein Schulversuch zur Begabtenförderung, ein weiterer Schulversuch zur Erprobung eines neuen Mathematiklehrmittels oder die gesamtschweizerische Reform der gymnasialen Maturitätsausbildung, bei deren Evaluation (EVAMAR) das Berner Amt federführend war (ED BE, 2001; Ramseier et al., 2004). Später wurden beispielsweise der Lehrberuf Fachangestellte Gesundheit, die Basisstufe im französischsprachigen Kantonsteil, die ersten Erfahrungen mit dem Testinstrument Stellwerk oder das Phänomen der häufigen Lehrvertragsauflösungen evaluiert (ED BE, 2007; Merazzi, 2006; Staatskanzlei BE, 2006).

2009 wurden relativ umfangreiche Evaluationstätigkeiten rund um die Umsetzung der schulischen Integration von Kindern mit besonderem Bildungsbedarf in der Volksschule aufgenommen. Dabei wurde auf der Basis von statistischen Daten und Informationen der Erziehungsberatungsstellen eine Bestandsaufnahme der Formen der Beschulung dieser Kinder sowie ihrer Bildungsverläufe vorgenommen (Stricker & Pfister, 2011). In einem weiteren Schritt wurde mittels der Personaldaten die Entwicklung des Ressourceneinsatzes für die sogenannten besonderen Massnahmen vor und und nach der Veränderung der Gesetzesgrundlagen nachgezeichnet und eine insgesamt positive Bilanz gezogen (Stricker & Pfister, 2015). Schliesslich wurden in einer qualitativen Untersuchung an fünf Fallbeispielen die Integrationspraxis und die konkreten Auswirkungen nachgezeichnet (Pfister, Jutzi, Stricker & Burgener, 2016). Dieses Evaluationsvorhaben war zwar auf das konkrete Umsetzungsprogramm der schulischen Integration fokussiert, wurde aber zugleich sehr multiperspektivisch und mit einer breiten Palette an Daten und Methoden durchgeführt. Es umfasste die Auswertung von Bildungsstatistik- und Verwaltungsdaten ebenso wie Methoden der qualitativen Sozialforschung, die in der vertiefenden Studie im Stile anwendungsorientierter Forschung (vgl. Abschn. 6.6) zur Anwendung kamen.

Ebenfalls unter Kombination verschiedener Erhebungen und Datenbestände nahm die Abteilung Bildungsplanung und Evaluation ab 2014 eine Evaluation der sogenannten Kontrollprüfung vor und richtete anschliessend ein jährliches Monitoring ein. Die Kontrollprüfung wurde eingeführt für den Fall, dass sich Eltern und Lehrpersonen bei der Zuweisung in einen der drei Leistungszüge der Sekundarstufe I nicht einig waren. In der Evaluation wurden die Zuweisungsunterlagen, die Schulnoten, die Prüfungsergebnisse sowie schriftliche Befragungen der beteiligten Akteure kombiniert. Sie kam zum Ergebnis, dass die Kontrollprüfung sowohl Erwartungen der Lehrpersonen als auch Hoffnungen der Eltern erfüllte und das Verfahren gut aufgenommen wurde (Weber, 2015). Anschliessend wurde ein jährliches Monitoring eingeführt, in das die Prüfungsstatistiken sowie die Zuweisungseinschätzungen von Eltern und Lehrpersonen einflossen (Weber, 2018).

Zwei weitere Beispiele für Programmevaluationen in den letzten Jahren sind die 2014 abgeschlossene Evaluation der Neugestaltung des gymnasialen Unterrichts im 11. Programmjahr (Staatskanzlei BE, 2014, Bd. 4) oder die 2016 abgeschlossene Evaluation eines Programms zur Qualitätsförderung der beruflichen Grundbildung im Gastgewerbe und in der Hotellerie (Ulshöfer & Weber, 2016). In beiden Evaluationsvorhaben bestand die Datengrundlage primär aus Befragungen verschiedener Beteiligtengruppen.

Eng mit der Programmevaluation verknüpft war der Umgang mit Leistungserhebungen. Im Kanton Bern wurden 1997 die bis dann durchgeführten Vergleichsarbeiten durch Orientierungsarbeiten ersetzt und damit die Lernstandserhebung als bestimmendes Element im Verfahren des Übertritts auf die Sekundarstufe I abgeschafft (Vögeli-Mantovani, 1999). An den gymnasialen Mittelschulen wurden ab 2010 ebenfalls Orientierungsarbeiten eingesetzt (Staatskanzlei BE, 2011). Beide Arten von standardisierten Leistungserhebungen dienten allerdings primär der pädagogischen Qualitätsentwicklung und wurden nicht zu Monitoringzwecken auf Systemebene eingesetzt (Viridiana & Wirthner, 2013). Für ebendieses Leistungsmonitoring auf Systemebene wurde für den deutschsprachigen Kantonsteil ab 2005 die Evaluation von Schulleistungen mittels standardisierter Tests vorangetrieben. Gewissermassen als Vorbereitung auf die nationalen Bildungsstandards und deren Überprüfung sollten in einer ersten Phase bis 2009 auf Basis der bestehenden Lehrplanvorgaben Leistungserhebungen in den Fächern Mathematik und Deutsch und für die 2. und 6. Primarschulklasse sowie die 2. und 3. Klasse der Sekundarstufe I entwickelt und erprobt werden (ED BE, 2007). Im Hinblick auf die gesamtschweizerisch zu entwickelnde ÜGK wurden in der Pilotphase schliesslich die Stellwerktests eingesetzt und auf die Entwicklung von eigener Leistungserhebungen verzichtet (J. Brunner, 2007). Der französische Kantonsteil war über die CIIP eingebunden in die sprachregionale Entwicklung standardisierter Leistungserhebungen (vgl. Abschn. 6.2.1). Beide Kantonsteile waren in PISA fünfmal mit einer kantonalen Stichprobe vertreten (Ramseier et al., 2002, 2005a; Ramseier, 2008; C. Bauer & Ramseier, 2011; C. Bauer, Ramseier & Blum, 2014).

Die kantonale Bildungsstrategie wurde 2009 und 2016 aktualisiert (ED BE, 2009, 2016). Die jüngere Bildungsstrategie beschreibt ein nach den grossen strukturellen Reformvorhaben der zurückliegenden Jahre gut aufgestelltes Bildungssystem und stellt drei strategische Handlungsschwerpunkte vor. Wie schon die Bildungsstrategien von 2005 und 2009 enthält auch jene von 2016 eine in sehr wesentlichen Teilen auf den verschiedenen Programm- und Projektevaluationen basierende Zusammenstellung der wichtigen Projekte und Programme – ähnlich wie die Bildungsberichterstattung des Kantons Thurgau (vgl. Abschn. 6.4.1). Zugleich wird implizit auch die Wichtigkeit des im Rahmen des Bildungsmonitorings und insbesondere in Evaluationen generierten Wissens als Grundlage der bildungspolitischen Weiterentwicklung bestätigt:

„Das Bildungssystem unseres Landes braucht sowohl die notwendigen Anpassungen als auch eine ausreichende Stabilität. Der Kanton prüft Veränderungsschritte sorgfältig auf ihre Praxistauglichkeit, ihren Nutzen und ihre Finanzierbarkeit. Er konzentriert sich auf das Wesentliche und stützt Anpassungen sowie deren Umsetzung breit ab.“ (ED BE, 2016, S. 15)

Obwohl der Monitoringbegriff in den Bildungsstrategien ab 2009 nicht mehr explizit auftaucht, wird das Bildungsmonitoring-Dispositiv des Kantons Bern als Instrument zur Analyse der Tauglichkeit und der Wirksamkeit einzelner Veränderungen sehr klar in den Dienst bildungspolitischer Akteure gestellt.

6.5.2 Bildungsstatistik und Controlling als weitere Monitoringelemente

Die Bildungsstatistik erfuhr im Kanton Bern insbesondere durch ihre organisatorische Verschiebung in die Abteilung Bildungsplanung und Evaluation einen Professionalisierungsschub. Eines der vielen Formate zur Veröffentlichung bildungsstatistischer Daten waren die 2006 erstmals veröffentlichten und seither jährlich erscheinenden, bildungsstatistischen Basisdaten, eine indikatorenbasierte Zusammenstellung bildungsstatistischer Informationen, angereichert mit kurzen Kommentaren (Allraum, 2006a). Zu diesen Formaten zählte ab 2005 auch ein exklusiv auf Bildung bezogener statistischer Anhang zum regierungsrätlichen Geschäftsbericht (Allraum, 2006b, 2010; Allraum et al., 2018). Ab 2006 wurde eine Modernisierung der Erhebung und der Publikation von Daten angestossen. Dabei mitgedacht waren auch ein ausgebautes Online-Angebot, die Ausrichtung auf spezifische Zielgruppen – realisiert etwa in Schülerstatistiken pro Gemeinde und Schule – sowie die Fokussierung auf bildungspolitisch relevante Themen wie beispielsweise Klassengrössen. Zugleich sollten die verschiedenen Erhebungen von Statistik- und Verwaltungsdaten im Bildungsbereich innerhalb des Kantons koordiniert und systematisiert werden (ED BE, 2007).Footnote 14

Einige der kantonalen statistischen Erhebungen im Bildungsbereich lieferten nicht nur Daten für Auswertungen bezogen auf konkrete Programme und Projekte, sondern waren waren als Erhebungen eigens auf solche Programme und Projekte ausgerichtet. So wurde ab 2010 beispielsweise eine Erhebung zu den Tagesschulen aufgebaut. Die Daten stammten zunächst aus den Abrechnungen der Gemeinden, die diese einreichten um Beiträge aus dem Lastenausgleich zu erhalten (Kull, 2014). Die Erhebung über die Reportings der Gemeinden wurde dann sukzessive systematisiert. Für den jüngsten Bericht konnte erstmals auf flächendeckende Abrechnungs- und Reportingdaten zurückgegriffen werden (Cuvit, 2018).

Ein Element der Bildungsstrategie von 2005 war das Projekt Neue Schulaufsicht und Beratung. Es stellte die Fortführung von Projekten der Qualitätsentwicklung in den Schulen dar, die – ebenfalls begleitet durch die Abteilung Bildungsplanung und Evaluation – eine Weiterentwicklung der in den 1990er-Jahren erfolgten Autonomisierung der Volksschulen ermöglichen sollten (Rothen, 2015). Bezeichnungen für Teilprojekte dieser Autonomisierung waren unter anderem Globalsteuerung sowie Qualitätsentwicklung in Schulen. Die Autonomisierung sollte insbesondere bezogen auf Steuerung, Führung, Aufsicht und Evaluation der Schulen weiterentwickelt werden (ED BE, 2005). Mit der Revision des Volksschulgesetzes 2008 wurden die Steuerungs- und Organisationskompetenz den Gemeinden zugesprochen und die Position der kommunalen Schulleitungen gestärkt. Der Kanton blieb zuständig für die Definition von Zielen, Inhalten und Rahmenbedingungen und sollte ein Controlling der Qualität und der Weiterentwicklung des Angebots der Gemeinden etablieren (Hänni, 2008). Ein erster Zyklus des kantonalen Controllings der Qualitätsentwicklung von Einzelschulen, verbunden mit einer Berichterstattung der Gemeinden gegenüber dem Kanton, wurde bereits ab 2007 durchgeführt, ein zweiter ab 2010 (Sommer, 2010). Im zweiten Zyklus wurde ein besonderer Fokus auf die ebenfalls mit der Revision des Volksschulgesetzes eingeführten Blockzeiten und Tagesstrukturen sowie die auf die Integration von Kindern mit besonderen Bedürfnissen gelegt, im dritten Zyklus ab 2013 sollte dann die Unterrichtsentwicklung im Vordergrund stehen (ED BE, 2013). Im vierten Zyklus, der 2016 begann, lag der Fokus, der jeweils über einen Fragebogen zur Vorbereitung der Controllinginterviews etabliert wurde, auf Fragen der kommunalen und innerschulischen Zusammenarbeit, der Elternarbeit sowie in der am Lehrplan 21 orientierten Unterrichtsentwicklung (S. Müller et al., 2016).

Die regierungsrätliche Rechenschaftslegung wies gleich einen doppelten Bezug zu Bildungsmonitoring auf: Einerseits wurde im Geschäftsbericht, der streng gemäss den Prinzipien der wirkungsorientierten Verwaltung strukturiert ist und für jede Produktgruppe operationalisierte Wirkungs- und Leistungsziele in Form von Indikatoren aufweist, punktuell auf spezifische Informationen aus dem Bildungsmonitoring zurückgegriffen. Ein zentrales Wirkungsziel der Volksschulstufen wurde beispielsweise daran gemessen, ob die Berner PISA-Resulate mindestens im Schweizer Mittelwert liegen (Staatskanzlei BE, 2010, Bd. 3). Andererseits enthielt der Geschäftsbericht – wie bereits erwähnt – einen umfangreichen, statistischen Anhang (Allraum et al., 2018).

Das Bildungsmonitoring-Dispositiv ist im Kanton Bern vergleichsweise stark professionalisiert. Damit geht eine frühe Ausrichtung auf Leistungserhebungen als Teilinformation über Bildungssysteme einher. Stärker als in anderen Kantonen wird Bildungsmonitoring in erster Linie auf Politik hin ausgerichtet und erst in zweiter Linie als Kommunikations- und Informationsmittel verstanden. Insbesondere Evaluationen und die entsprechende Berichterstattung sind stark auf konkrete politische Entscheidungen sowie Schulentwicklungsprojekte hin ausgerichtet. Eine eher systematische und langfristige Herangehensweise ist in den indikatorenbasierten Basisdaten sowie in der regierungsrätlichen Berichterstattung zu sehen. Die Neukonfiguration der Akteurskonstellationen und Zuständigkeiten, die durch die Auflösung der Berner Bildungsplanung nötig wird, ist noch nicht klar einzuordnen.

6.5.3 Weitere Kantone

Mit Graubünden, Uri und Waadt werden im Folgenden drei weitere Kantone präsentiert. Der Kanton Waadt weist ein sehr ähnliches Bildungsmonitoring-Dispositiv auf wie der Kanton Bern. Dabei spielt die Ausrichtung auf politische Entscheidungsfindung – auch mittels Programm- und Projektevaluation – eine wichtige Rolle. In den Kantonen Graubünden und Uri ist diese jeweils auf politische Vorhaben ausgerichtete Zusammenstellung von Informationen ebenfalls präsent und wird unter anderem über gezielte Evaluationen erreicht.

Graubünden

Das Bildungsmonitoring-Dispositiv basiert im Kanton Graubünden auf einer regelmässigen Aufsichts- und Evaluationstätigkeit sowie auf der gezielten Informationsgewinnung zu konkreten Programmen und Projekten. Insgesamt erscheint Bildungsmonitoring weder in den ab 2001 initiierten Umstrukturierungen der Schulaufsicht noch im 2013 in Kraft getretenen, totalrevidierten und für Kindergarten und Volksschule relevanten Schulgesetz sowie der dazugehörigen Verordnung eine gewichtige Rolle zu spielen. Dies obschon die für die Volksschule relevanten, bildungspolitischen Projekte – ähnlich wie im Kanton Thurgau (vgl. Abschn. 6.4.1) – 2001 und 2003 in Form zweier Informationsbroschüren mit der Überschrift Bildungsbericht zusammenfassend dargestellt wurden.

Die für die jeweils aktuellen bildungspolitischen Geschäfte relevanten Informationen im Sinne eines Bildungsmonitoring-Dispositivs entstanden dagegen mehrmals über gezielte Projekt- und Programmevaluationen. Exemplarisch kann hier auf vier konkrete Evaluationen verwiesen werden. Ein zentrales bildungspolitisches Thema im dreisprachigen Kanton Graubünden war und ist der Fremdsprachenunterricht. Dieser wurde in den Primarschulen in den romanischsprachigen Gebieten Ende der 1990er-Jahre besser zu organisieren versucht. Konkret ging es um das Verhältnis zwischen Deutsch und Rätoromanisch, abgestimmt auf die lokalen rätoromanischen Dialekte und die sprachliche Zusammensetzung der Schülerschaft. Im gleichen Zeitraum wurden Massnahmen zur Verbreitung und Festigung von Rumantsch Grischun als gemeinsame rätoromanische Schriftsprache vorangetrieben (Standeskanzlei GR, 2001). Verschiedene dieser Massnahmen betrafen direkt und indirekt die Schule. Die neue romanische Standardsprache wurde im Lehrmittelverlag und an der entstehenden pädagogischen Hochschule angewendet und vermittelt (Standeskanzlei GR, 2004). Ein Konzept zur Einführung in der Volksschule wurde 2004 erstellt und kontrovers diskutiert (Standeskanzlei GR, 2005). Ab 2007 wurde die Standardsprache in sogenannten Pioniergemeinden eingeführt. Ab 2009 wurden die Auswirkungen der Einführung in den Schulen evaluiert. Dabei wurden sowohl die Akzeptanz und die subjektiven Wahrnehmungen erhoben als auch die Sprachkompetenzen der Schülerinnen und Schüler. Gemessen wurde die Wirkung von Rumantsch Grischun in der Schule in einem Vergleich der Leistungen von Kindern aus den Pioniergemeinden und solchen aus Gemeinden ohne Pionierstatus. Als zentrales Ergebnis stellte sich heraus, dass die Rumantsch Grischun-Schulen im Leseverstehen und Schreiben ähnlich gute Resultate erzielten wie die sogenannten Idiomklassen, beim Sprechen jedoch wiesen die Kinder aus Idiomklassen bessere Resultate auf. Damit konnte für den Bereich der Mündlichkeit eine eher negative Wirkung von Rumantsch Grischun festgestellt werden (Berthele & Lindt-Bangerter, 2011). 2011 wurde dann ein politischer Entscheid zugunsten der ursprünglichen Idiome gefällt und die allgemeine Einführung nicht weiterverfolgt (Standeskanzlei GR, 2012).

Zwischen 2012 und 2015 wurde in der Primarschule Englisch als zweite Fremdsprache eingeführt. Diese Einführung wurde ebenfalls evaluiert. Wiederum standen bei der Evaluation die Sprachkompetenzen der Schülerinnen und Schüler im Fokus (Bayer & Moser, 2018).

Ende der 1990er-Jahre wurde im Kanton Graubünden die Frage der Struktur der Sekundarstufe I intensiv diskutiert. Ab 1999 wurde den Schulgemeinden die Kompetenz zugestanden, aus drei vorgeschlagenen Modellen mit Blick auf die lokalen Gegebenheiten und Bedürfnisse auszuwählen. Die drei Modellvarianten waren ein geteiltes Modell mit Real- und Sekundarschule, ein kooperatives Modell mit niveaugeteilten Kernfächern und gemeinsamen weiteren Fächern sowie ein ebenfalls als kooperativ zu bezeichnendes Modell mit leistungsdifferenzierten Stammklassen und leistungsdifferenzierten Niveaukursen in einzelnen Fächern („Gemeinsamer Jahresbericht von BRV und BSV 1998, in Zusammenarbeit mit dem EKUD“, 1998). Die ersten Erfahrungen wurden 2001 in einer Evaluation durch die kantonale Schulverwaltung zusammengetragen. Dabei wurde einerseits die konkrete Verbreitung der drei Modelle erhoben und andererseits die Erfahrungen mit dem dritten Modell in zwei Schulgemeinden fokussiert. Insgesamt wurden die Möglichkeit der Modellwahl und die kooperativen Modelle positiv beurteilt (EKUD GR, 2003). Die drei Modellvarianten sowie die Wahlfreiheit der Schulgemeinden wurden auch im neuen Schulgesetz 2012 übernommen (EKUD GR, 2018).

Als viertes Beispiel sei hier auf eine Studie zum Lehrerarbeitsmarkt und zu Lehrermangel im Kanton Graubünden verwiesen. Angeregt durch einen parlamentarischen Vorstoss wurde 2008 der Auftrag für diese Untersuchung erteilt. In der Studie wurden auf der Basis von Literaturanalysen, statistischen Daten, Experteneinschätzungen und Befragungen der Lehrpersonen die aktuelle Situation beschrieben, Prognosen aufgestellt sowie auf Ursachen und mögliche Massnahmen hingewiesen. Insgesamt wurde der Befund des Lehrermangels bestätigt und die Löhne als eine unter mehreren Ursachen identifiziert (I. Graf, Oesch, Gehrig & Künzi 2010).

Initiiert in den bereits erwähnten Umstrukturierungen der Schulaufsicht ab 2001 erhielt das kantonale Inspektorat die Aufgabe zugewiesen die Einhaltung der Qualitätsstandards der Schulen zu überprüfen sowie die Volksschulen periodisch zu evaluieren. Diese Evaluation fand im dritten Evaluationszyklus zwischen 2011 und 2014 bei 141 Schulen statt (Standeskanzlei GR, 2015) und basierte im Wesentlichen auf einem kantonalen Qualitätsrahmen (EKUD GR, 2013a, 2013b, 2013c). Der Qualitätsrahmen war von Beginn weg auf die Schul- und Unterrichtsebene hin konzipiert: „Die Schulbeurteilung und -förderung erzielt Wirkung auf der Unterrichts- und Betriebsebene“ (EKUD GR, 2011, S. 63). Das Steuerungswissen auf der Systemebene war zwar Teil der Zweckbestimmungen, auf die kantonale Systemebene bezogene Aussagen finden sich in den zusammenfassenden Evaluationsberichten aber kaum (EKUD GR, 2007, 2011, 2014).

Im Bildungsmonitoring-Dispositiv des Kantons Graubünden dominiert das nur vereinzelt dokumentierte Wissen der kantonalen Schulinspektoren. Die nationalen Entwicklungen hin zu einem Bildungsmonitoring wurden zwar registriert (Standeskanzlei GR, 2007), Bestrebungen hin zu einer systematischen Verknüpfung unterschiedlicher Informationsgrundlagen waren allerdings nur konzeptionell angetönt und wurden kaum realisiert. Die systematische Schulevaluation auf den Volksschulstufen, die im gesamtschweizerischen Vergleich relativ früh zustande kam, war kaum auf kantonales Steuerungswissen hin ausgerichtet. In den zentralen politischen Fragen, wie jener der Sprachen, wurden allerdings gezielt Evaluationen durchgeführt. Damit kommt einerseits das Bestreben zum Ausdruck, in gewissen Fragen mehr Verwaltungs- und Erfahrungswissen aus Schulaufsicht und -inspektion zur Verfügung zu haben. Andererseits wird das Bildungsmonitoring-Dispositiv, sichtbar gerade in der Frage des Rätoromanischen, über Evaluationen bewusst um unabhängige Akteure ergänzt. So gesehen wirken Schulaufsicht und Programmevaluation als reziproke Korrektive und damit zugunsten einer ausgeglichenen politischen Einscheidungsgrundlage.

Uri

Das Bildungsmonitoring-Dispositiv basiert im Kanton Uri auf einer regelmässig aktualisierten Übersicht mittels statistischer Daten und einer projektbezogenen Evaluationstätigkeit. Ähnlich wie im Kanton Graubünden ist die Schulaufsicht zudem charakterisiert durch eine hohe Gewichtung schulinterner Qualitätsentwicklung ohne entsprechende Monitoringinstrumente und -produkte auf kantonaler Ebene.

Verschiedene Projekte und Programme im Bildungsbereich wurden evaluiert: Das prominenteste Beispiel ist dabei die Evaluation der ab 2007 eingeführten Formen der integrierten Förderung in Kindergarten und Primarschule, die unter anderem die abgeschafften Kleinklassen teilweise ersetzten. Ein Team der Pädagogischen Hochschule Zentralschweiz führte die Evaluation durch und kombinierte dabei eine quantitative Vollerhebung bei Lehrpersonen, Schulischen Heilpädagoginnen und Schulleitungen mit qualitativ ausgewerteten Fokusgesprächen. Als Ergebnis wurden die Formen der integrierten Förderung in der Praxis positiv aufgenommen und akzeptiert. Zudem wurde Verbesserungspotenzial in der Administration und den Prozessen der integrierten Förderung identifiziert (S. Tanner, Ottiger & Buholzer, 2011). In der Folge wurden die Formen weiterentwickelt und insbesondere auf die Unterscheidung zwischen kurzfristiger und langfristiger Förderung verzichtet (BKD UR, 2014b).

Eine Art Meta-Evaluation stellte der Planungsbericht Volksschule 2016 dar. Dieser wurde von einer eigens eingesetzten Projektgruppe erstellt und zeigte unter anderem auf, welche Merkmale einer qualitativ guten Schule sich in verschiedensten Untersuchungen und Evaluationen als relevant herauskristallisiert hatten (Standeskanzlei UR, 2012). Der 2011 nach abgeschlossener Erarbeitungs- und Vernehmlassungsphase publizierte Bericht war nicht nur als Rückschau und Überblick gedacht, sondern skizzierte zugleich verschiedene Schulentwicklungsmassnahmen. Dazu gehörten etwa das zweijährige Angebots- und das einjährige Besuchsobligatorium im Kindergarten, das Modell 3/7 beim Erwerb der Fremdsprachen, die flächendeckende Umstellung zu integrativen und kooperativen Modellen auf der Sekundarstufe I, die Standortkonsolidierung auf der Sekundarstufe I, die flächendeckende Einführung von Stellwerk 8, die Einführung des Lehrplan 21 und die Veränderung der Steuerung und Aufsicht von Volksschule und Sekundarstufe II. Der Bericht legte für die verschiedenen Massnahmen zugleich politische Zielsetzungen auf der Ebene von Kanton und Gemeinden fest (BKD UR, 2010).

Mit dem Übergang zu geleiteten Schulen auf den Volksschulstufen zwischen 2001 und 2010 (Standeskanzlei UR, 2002, 2004, 2012), mit der flächendeckenden Übertragung von Personalverantwortung an diese sowie der Etablierung von Selbst- und Fremdevaluation wurde das kantonale Schulinspektorat aufgehoben. Dabei lag das Qualitätsmanagement zunächst in der Kompetenz der einzelnen, geleiteten Schule (Standeskanzlei UR, 2008). Die kantonale Aufsicht beschränkte sich weitestgehend auf die Rückmeldungen zu den von den Schulen ab 2008 zu erstellenden Jahresberichten mit Rechenschaftsfunktion gegenüber dem Kanton (Standeskanzlei UR, 2010; BKD UR, 2009b). Ab 2010 wurde die Aufsicht durch die Einführung der externen Evaluation tendenziell wieder stärker (Standeskanzlei UR, 2014). Die erste Volksschuleinheit wurde im Dezember 2010 evaluiert. Die externen Evaluationen erfolgten in Koordination mit den Kantonen OW und NW (BKD UR, 2011). Das Instrument der externen Evaluation wurde nach dem ersten Zyklus deutlich reduziert und für die Schuljahre 2014/15 bis 2016/17 gänzlich ausgesetzt (BKD UR, 2014a, 2015a).

Die kantonale Mittelschule, die kantonale Berufsfachschule sowie die kaufmännische Berufsschule richteten ab 2002 Systeme des Qualitätsmanagements ein, wobei sich die Berufsfachschule 2002 ISO-zertifizieren liess (Standeskanzlei UR, 2004, 2006). Mit der Zusammenführung der verschiedenen Berufsschulen ins Berufs- und Weiterbildungszentrum Uri ab 2006 wurde die gemeinsame Qualitätsmanagement-Zertifizierung der schulischen Elemente der Berufsbildung angestrebt und 2010 erreicht (Standeskanzlei UR, 2010, 2012). Ebenfalls 2011 wurde die kantonale Mittelschule durch das IFES extern evaluiert (BKD UR, 2012).

Die bildungsstatistischen Daten wurden unter anderem in der jährlich erscheinenden Bildungs- und Beratungsstatistik publiziert, die Daten zu allen Bildungsstufen umfasst (BKD UR, 2015b). Erstmals für das Schuljahr 2008/09 wurde der amtsinterne Jahresbericht des Volksschulamtes zuhanden des Erziehungsrates in einer zusammengefassten Version unter dem Titel Bericht zur Volksschule auch öffentlich zugänglich gemacht (BKD UR, 2009a, 2015a, 2017). Darin wurden jeweils bildungsstatistische Informationen dargestellt, kommentiert und mit politischen Projekten verknüpft (BKD UR, 2015a).

Der Planungsbericht sticht als öffentlich publiziertes Dokument aus dem Bildungsmonitoring-Dispositiv des Kanton Uri heraus. Ähnlich wie bei anderen bevölkerungsmässig kleinen Kantonen sind daneben viele Informationen und damit viel Wissen direkt bei den Akteuren, insbesondere bei der Schulaufsicht, zu vermuten (vgl. Abschn. 6.3.3). Dieses Element wird jedoch kaum öffentlich wahrnehmbar dokumentiert. Die im Planungsbericht erstmals realisierte Intention einer öffentlich diskutierbaren Informationsgrundlage wurde in den Berichten zur Volksschule fortgesetzt. Damit wurden diesen neben der Informations- auch eine explizite Rechenschaftsfunktion zugeordnet. Insofern zeichnet sich das Bildungsmonitoring-Dispositiv durch die Integration verschiedener Informationsquellen aus Bildungsstatistik, Schulaufsicht und eben auch Programmevaluationen aus.

Waadt

Die im Département de la formation, de la jeunesse et de la culture du canton de Vaud (DFJC VD) angesiedelte Forschungsstelle Unité de recherche pour le pilotage des systèmes pédagogiques (URSP) hat in ihrem Auftrag sowohl angewandte Forschung als auch Expertise und Evaluation politischer Vorhaben. Diesem Auftrag wurde sie in zahlreichen Projekten auf verschiedenen Schulstufen gerecht. Einige Beispiele dafür waren die Überprüfungen der Sprachkompetenz mit Referenz auf das nationale Bildungsmonitoring (Sieber, 2015), die Untersuchung der Schwächen der Absolvierenden mit Berufsmaturität (Stocker & Bachmann Hunziker, 2008) oder der Selektion beim Übertritt auf die Sekundarstufe I (Blanchet, 2002) sowie die Analyse unterschiedlicher Einstellungen zur Hausaufgabenaufsicht (Benghali Daeppen, Karine, Stocker & Sieber, 2015). Daneben gab es weitere, teilweise sehr langfristige Untersuchungen, etwa zur Frage der Anschlusslösungen nach der obligatorischen Schule, zu der seit 1978 Daten vorliegen (Statistique Vaud, 2011). Auch das Departement betrieb in Zusammenarbeit mit fachbezogenen Arbeitsgruppen von Lehrpersonen Erhebungen, beispielsweise über die jährliche Erarbeitung eines Testinstruments zu mündlichen Kompetenzen in Deutsch im 10. Programmjahr (DFJC VD, 2015).

Neben diesen sehr praxisorientierten Zugängen wurden auch verschiedene politische Reformprogramme intensiv evaluiert, etwa die Ecole vaudoise en mutation oder die teilweise daran anschliessende Neustrukturierung der Gymnasien und Diplommittelschulen (Chancellerie d’État VD, 2002).

Die URSP hatte die Verantwortung für die kantonale Zusatzstichprobe des Kantons Waadt im Rahmen der Zusammenarbeit innerhalb der CIIP in den PISA-Untersuchungen von 2000 bis 2012 inne (Nidegger et al., 2001, 2005, 2008; Nidegger, Broi et al., 2011; Nidegger, Carulla et al., 2014).

Ähnlich wie andere Kantone der Westschweiz weist auch der Kanton Waadt eine Tradition standardisierter Leistungserhebung auf. Kantonale Épreuves cantonales de référence kamen regelmässig zum Einsatz. Gerade auch in der Schulreform mit der Bezeichnung Ecole vaudoise en mutation, initiiert 1995 und erstmals evaluiert 2001 (Chancellerie d’État VD, 2002; Leonardis, 2004), waren sie ein wesentliches Element. Als Teil der in den 1990er-Jahren aufgegleisten, zwei Klassen umfassenden Lernzyklen in der Volksschule wurden sie von allen Schülerinnen und Schülern am Ende des 4., 6., 8. und 10. Programmjahres absolviert (Longchamp, 2010; Vögeli-Mantovani, 1999). In einem umfassenden Bericht wurde 2011 auf die Einführungsphase zurückgeblickt, das Konzept der Prüfungen erläutert und die Resultate mehrerer Durchführungen präsentiert (Ntamakiliro & Moreau, 2011).

Der bildungsstatistische Blick auf das Bildungssystem erfolgte vor allem über zwei Indikatorenmodelle: (1) Die Indikatoren für nachhaltige Entwicklung sind inspiriert durch entsprechende Indikatorensysteme der United nations organization (UNO) und das Schweizer Projekt zum Monitoring der Nachhaltigen Entwicklung (MONET). Sie wurden 2006 ausgearbeitet und umfassen rund 90 Indikatoren in 23 Themen. Auf die Bildung bezogen waren dabei sechs Indikatoren definiert: Die Kompetenzen in den drei PISA-Kompetenzbereichen und ihre Verteilung entlang des sozio-ökonomischen Status sowie die Teilnahmequoten auf der Sekundarstufe II und in der Weiterbildung (Gillabert, Keller & Brugger, 2006). Die Daten wurden 2012 aktualisiert und seither auch online verfügbar gemacht (Gillabert & Keller, 2012). (2) Das Indikatorensystem der jährlichen, bildungsstatistischen Broschüren mit der Bezeichnung Les indicateurs de l’enseignement obligatoire umfasste in seiner ersten Version primär Daten zu Schülerinnen und Schülern, Übergängen und Schulstruktur-Veränderungen (DFJC VD, 2008). 2010 wurde es umstrukturiert hin zu einer Aufteilung in Input-, Prozess- und Output-Indikatoren (DFJC VD, 2010). Diese Aufteilung wurde erstmals 2003 als Möglichkeit skizziert (Stocker, 2003). Unter anderem auf der Basis dieser Vorstudie entwickelte die URSP eine Berichterstattung mit einer ersten Publikation 2004. Dieses Indikatorensystem sollte unter anderem die autonomen Schulen mit Informationen versorgen (Stocker, 2004, 2010).

Die Aufsicht auf den Volksschulstufen wurde ab 2008 mit der sukzessiven Einführung sogenannter Conseils d’établissement neu gestaltet. Diese lösten die lokalen Schulkommissionen ab (Valceschini, 2007). Die Aufsichtsmechanismen sowie die kantonalen Anpassungen an HarmoS und die Convention scolaire romande (CSR) wurden 2011 in einem Volksentscheid bestätigt (Chancellerie d’État VD, 2011, 2012). Allerdings gibt es keine Dokumentation des Wissens in diesen Aufsichtsmechanismen.

Im Bildungsmonitoring-Dispositiv des Kantons Waadt ist einerseits mit den Indikatorensystemen und den Leistungserhebungen eine systematische Herangehensweise festzustellen. Zugleich wird eine auf konkrete politische Entscheidungen ausgerichtete Evaluationstätigkeit betrieben und dokumentiert. Damit ist Bildungsmonitoring gleichzeitig auf Politik hin ausgerichtet und als Kommunikations- und Informationsmittel eingesetzt. Als Adressaten der Informationen stehen zudem nicht nur die politischen Akteure, sondern ebenso die Akteure des Schulfelds im Fokus. Der Kanton Waadt verweist damit – expliziter als andere Kantone – auf die Vielfältigkeit der Elemente, Formen und Instrumente von Bildungsmonitoring und auf die Breite möglicher Funktionszuschreibungen durch verschiedene Akteure.

6.6 Information durch Bildungsforschung

Die Kantone waren und sind sehr wesentliche Auftraggeber von Forschung im Schul- und Bildungsbereich. Dies ist einerseits dem Umstand geschuldet, dass die Kantone als Träger der Universitäten, der Fachhochschulen und der pädagogischen Hochschulen fungieren. Andererseits fand, gerade im Bildungsbereich, Forschung auch ausseruniversitär statt und die kantonalen und regionalen Arbeitsstellen im Bereich von Bildungsforschung und -planung waren und sind Auftraggeber oder Träger dieser Forschung. Gerade im Kontext des steigenden Bedarfs nach sogenanntem Steuerungswissen als Grundlage für eine wissensbasierte Politikgestaltung der 1990er-Jahre wurden einige Kantone auf beiden Ebenen aktiv: An den Universitäten Bern, Zürich und Basel wurden entsprechende Forschungsabteilungen geschaffen, die neu geschaffenen pädagogischen Hochschulen erhielten einen Forschungs- und Entwicklungsauftrag und die pädagogischen Arbeitsstellen erfuhren in vielen Kantonen Umstrukturierungen oder Neupositionierungen, gerade auch im Zusammenhang mit den entstehenden pädagogischen Hochschulen (Criblez, 2015; vgl. Abschn. 5.2). Im OECD-Hintergrundbericht von 2006 wurde ebenfalls auf die Vielgestaltigkeit der kantonalen und teilweise von mehreren Kantonen gemeinsam geführten Arbeitsstellen hingewiesen (Denzler-Schircks, 2006b).

Gerade durch ihre Position zwischen Wissenschaft und Verwaltung sind die pädagogischen Arbeitsstellen als zentrale Elemente der Bildungsmonitoring-Dispositive zu bezeichnen. Wie Rothen (2016) für die Bildungsplanungen der Kantone Bern, Neuenburg und Zürich nachzeichnete, entstanden diese während der Bildungsexpansion im Bestreben rationale Entscheidungsgrundlagen für politische Gestaltung und Verwaltungshandeln zu liefern. Die dabei praktizierte Forschung sei, gerade durch ihren engen Bezug zu konkreten Elementen einer bildungspolitischen und -verwaltenden Praxis, als Ressortforschung zu bezeichnen. Der Begriff der Ressortforschung verweist dabei, insbesondere in der deutschsprachigen Literatur, auf den Stellenwert der entsprechenden Forschungsaktivitäten für die politische Administration und auf ein besonderes Verhältnis zur Vorstellung einer autonomen Wissenschaft. Diese Art von Forschung weist also einen doppelten Referenzrahmen auf, indem sie zwar auf Wissenschaftlichkeit und damit auf methodische Kontrolle, Objektivität und Neutralität rekurriert aber zugleich über organisatorische Einbettung, Beauftragung und Kontrolle als Teil kantonaler Verwaltung offenbart wird (F. Bauer, 2016). Mit den pädagogischen Hochschulen etablierte sich gewissermassen eine dritte Form von Forschung zwischen dem an Universitäten angestrebten Ideal freier Grundlagenforschung und der verwendungsorientierten Ressortforschung der pädagogischen Arbeitsstellen. Die Forschung an den pädagogischen Hochschulen zeichnet sich typischerweise durch eine zusätzliche Orientierung an Profession und Schulfeld aus. Die pädagogischen Arbeitsstellen wurden im Kontext eines durch pädagogische Hochschulen, universitären Ausbau und zusätzlich mehr privaten Forschungsanbietern sukzessive reichhaltigeren Forschungsangebots immer stärker auch zu einem vermittelnden Akteur (Criblez, 2015). Insofern stellt Bildungsforschung nicht nur das wissenschaftliche Element von Bildungsmonitoring-Dispositiven dar, sondern steht zugleich für Moderations-, Mediations- und Übersetzungsprozesse (Grek, 2013) zwischen den beiden Domänen. Forschung ist in diesem Kontext und unabhängig von der institutionellen Einbettung der Forschenden stark ausgerichtet auf ihr Potenzial, in praktischen und politischen Zusammenhängen verwendet zu werden. Um ihre Bezeichnung ist nach wie vor eine intensive Diskussion im Gange. Hier soll sie als anwendungsorientierte Forschung bezeichnet werden.

In praktisch allen Kantonen wurden und werden wissenschaftliche Informationen aktiv rezipiert (Criblez, 2008a) und damit als Elemente von Bildungsmonitoring-Dispositiven eingesetzt. Die Kantone unterscheiden sich aber sehr wesentlich darin, in welchem Masse sie Ressourcen für Forschung einsetzen und in welchen organisatorischen Formen sie Forschungsaufträge vergeben und Forschung durchführen lassen. Ebenso sind sehr unterschiedliche Modi der Einbettung wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Information zuhanden bildungspolitischer Akteure festzustellen. Der Kanton Zürich steht im Fokus als ein Kanton mit einer eigenen, seit den 1960er-Jahren tätigen Arbeitsstelle für Bildungsforschung, die spätestens ab den 1990er-Jahren Forschung nach wissenschaftlichen Standards zu einer zentralen Grundlage des Wissens über das kantonale Bildungssystem machte. Im Folgenden werden die Forschungsaktivitäten in Zürich anhand dreier Beispiele vorgestellt. Anschliessend wird auf die übrigen Elemente im kantonalen Bildungsmonitoring-Dispositiv hingewiesen. Der Fall Zürich steht für die Herausforderung, dem Bedarf von Politik und Verwaltung nach handlungslegitimierenden Informationen durch gezielte anwendungsorientierte Forschung im Speziellen und durch Bildungsmonitoring im Allgemeinen zu entsprechen. Zusätzlich zeigt sich am Fall Zürich die Komplexität und Vielschichtigkeit eines Bildungsmonitoring-Dispositivs im Vollausbau.

6.6.1 Forschung als Informationsquelle der Zürcher Bildungsplanung

Die seit 1998 beim Generalsekretariat der BI ZH angesiedelte Bildungsplanung war und ist die explizit mit Bildungsmonitoring beschäftigte Organisationseinheit der kantonalen Verwaltung. Die Bildungsplanung entstand aus der 1971 eingerichteten pädagogischen Abteilung, die unter anderem die Erarbeitung von Planungsgrundlagen in einzelnen Bereichen des Bildungswesens, spezielle Untersuchungen und Erhebungen sowie Bildungsstatistik zu ihren Aufgaben zählte (Criblez, 2015). Insbesondere die Konzeptualisierung und Evaluation von Schulversuchen wie beispielsweise zum abteilungsübergreifenden Unterricht auf der Oberstufe ab den 1970er-Jahren sollten durch die damalige pädagogische Abteilung auf wissenschaftliche Grundlagen gestellt werden. Die Abteilung entwickelte sich relativ rasch zum zentralen Akteur einer Schulreformpolitik über Schulversuche, die bereits in den 1940er-Jahren praktiziert, 1959 gesetzlich verankert und 1975 im sogenannten Schulversuchsgesetz institutionalisiert wurde (Imlig & Ruoss, 2015; Seiler, 1977). Wie Kussau und Oertel (2001) herausarbeiten, erfolgte die Institutionalisierung der Bildungsplanung nicht in erster Linie über ihre planerischen Aktivitäten, sondern vor allem über den systematischen Einbau von wissenschaftlicher Informiertheit in die Bildungsverwaltung und in die politischen Konzeptionen.

Die wissenschaftliche Begleitung der unter der Bezeichnung Abteilungsübergreifende Versuche an der Oberstufe (AVO) bekannten Schulversuche stellt denn auch ein erstes Beispiel für die anwendungsorientierte Forschung im Kanton Zürich dar. Hintergrund für die Versuche waren unter anderem die Schwierigkeiten der Verteilung der Schülerinnen und Schüler auf die Leistungszüge der Sekundarstufe I. Diese waren 1959 zwar mit einer Strukturreform bereits bearbeitet worden (Imlig & Ruoss, 2015). Allerdings konnte die Ungleichverteilung nicht gestoppt werden und zugleich wurden integrierte und Gesamtschulmodelle auf der Sekundarstufe I öffentlich breit diskutiert (Bösche & Criblez, 2007). Die pädagogische Abteilung war von Beginn weg in die Konzeption eingebunden und wurde insbesondere durch AVO die zentrale Stelle zur Planung und Durchführung von Schulversuchen, auch über die 1977 und 1979 gestarteten, ersten AVO-Versuche hinaus. Als Begleitforschung im weiteren Sinne etablierte sich zunächst ein Modus der Dokumentation und Bewertung von Erfahrungen der unterschiedlichen Akteure in den Schulversuchen, die in Form von Zwischenbilanzen immer auch als Basis von Anpassungen und Weiterentwicklungen der Konzeption diente. In Anlehnung an den in Deutschland damals populären Gedanken der handlungsorientierten Begleitforschung sollte die wissenschaftliche Begleitung das Projekt überprüfen und unterstützen. Dabei wurden zunehmend systematischere Untersuchungsdesigns und elaboriertere Instrumente verwendet. Darunter waren etwa Vergleichsstudien mit Kontrollschulen, Fallanalysen oder Instrumente wie Fragebögen, Persönlichkeitstest und Leistungserhebungen. Im Zentrum standen dabei Fragen der Wirkung und Wirksamkeit der AVO, beispielsweise bezüglich der sozialen Beziehungen in den nicht mehr ausschliesslich über Klassenzüge organisierten Versuchsschulen oder gemessen anhand der Schülerleistungen (Oertel, 1997). Die AVO steht insofern auch exemplarisch für die Ernüchterung, die auf die Etablierung von wissenschaftlich gestützter, politischer Entscheidungsfindung folgte (vgl. Abschn. 5.1): Trotz mehrheitlich positiven Ergebnissen der Begleitforschung konnte eine erneute Strukturreform auf Grundlage der AVO politisch nicht realisiert werden. Insofern konnte die bewusst eingebrachte, wissenschaftliche Expertise keine politische Entscheidung herbeiführen (Rothen, 2016). Als Folge davon entstand in den 1990er-Jahren ein Nebeneinander von Strukturen auf der Sekundarstufe I (Bösche & Criblez, 2007). Nicht zufällig war auch die bereits erwähnte Untersuchung von U. Moser und Rhyn (1999), als eine der ersten Versuche mit Leistungsdaten bildungsbezogene Problemstellungen auf der Systemebene zu bearbeiten, auf die „Oberstufenproblematik“ (Oertel, 1997, S. 25) bezogen (vgl. Abschn. 5.2).

Nachdem in den 1990er-Jahren auf kantonaler Ebene bereits einige Male Schülerleistungen erhoben worden waren, wurde von der BI ZH 2001 die sogenannte Zürcher Längsschnittstudie initiiert, die das zweite Beispiel anwendungsorientierter Forschung darstellt. Dabei sollten bei einer Kohorte von rund 2000 Schülerinnen und Schülern, die 2003 in die 1. Klasse der Primarschule eintraten über ihre gesamte Schullaufbahn hinweg regelmässig fachliche und überfachliche Kompetenzen erhoben werden (F. Keller & Moser, 2008). Im Fokus standen insbesondere Fragen nach dem Zusammenhang von schulischen Leistungen und Bildungslaufbahnen sowie danach, welche weiteren Einflussfaktoren relevant sind. Zunächst waren vier Erhebungswellen bis zum Ende der 3. Klasse der Sekundarschule geplant. Später wurde eine fünfte Erhebungswelle angefügt, die 2016 die Situation vier Jahre nach dem Abschluss der obligatorischen Schulzeit erfasste. Von Beginn weg war ein wissenschaftliches Konsortium mit der Erhebung und Auswertung betraut und insbesondere für die Kompetenzerhebungen kamen eigens entwickelte Instrumente zum Einsatz (Milic, 2005). Die Zürcher Längsschnittstudie war eine der wenigen Studien dieser Art für die Volksschule (Wolter et al., 2007) und die mit der vierten Erhebung vorliegenden Leistungsdaten über die gesamte obligatorische Schulzeit wurden gar als einmalig im deutschsprachigen Raum bezeichnet (Angelone, Keller & Moser, 2013). Die politische Wirkung der breit angelegten Längsschnittstudie ist nicht so klar zu benennen wie jene der AVO-Begleitforschung. Nichtsdestotrotz wurde durch die anwendungsorientierte Forschung die politische Themensetzung im Bildungsbereich mitgeprägt, etwa in Fragen der individuellen Förderung, der Einflüsse von Erstsprache und sozialer Herkunft und der Bedeutung der FBBE.

Als zwei weitere Beispiele sei hier auf die Forschung rund um die überfachlichen Kompetenzen am Gymnasium sowie auf eine Studie im Rahmen der Überprüfung der Situation des Kindergartens im Kanton Zürich verwiesen. Die überfachlichen Kompetenzen waren im gesamtschweizerischen Maturitätsanerkennungsreglement relativ prominent aufgeführt, allerdings kaum konkret und inhaltlich definiert (BI ZH, 2006; Wolter et al., 2007). In der Erhebung Young Adult Survey, durchgeführt in den Jahren 2000 und 2001 im Rahmen der Jugend- und Rekrutenbefragungen in der gesamten Schweiz wurden unter anderem diese Kompetenzen erhoben (Bieri Buschor, Forrer & Maag Merki, 2002). Das verwendete Instrumentarium entstand in einer 2001 durchgeführten Studie, die die überfachlichen Kompetenzen an den Zürcher Mittelschulen erfassen sollte und die von der BI ZH in Auftrag gegeben wurde (Maag Merki, 2002). Die sogenannte Kindergartenstudie wurde 2017 von einem Forschungsteam der Pädagogischen Hochschule Zürich (PHZH) und der Pädagogischen Hochschule Bern (PHBe) im Auftrag der Bildungsplanung durchgeführt. In zwanzig Kindergartenklassen wurden umfangreiche Erhebungen durchgeführt, die zu den vier Themenbereichen Unterricht, Kompetenzentwicklung, Sprachförderung und Übergänge Daten liefern sollten. Darunter waren altergemässe Instrumente zur Erfassung der exekutiven Funktionen ebenso wie Videografien des Kindergartenunterrichts, Interviews mit Lehrpersonen oder schriftliche Befragungen der Eltern (Edelmann, Wannack & Schneider, 2018).

6.6.2 Bildungsmonitoring im Vollausbau

Der Kanton Zürich verfügt über eine inhaltlich breite Bildungsstatistik, die neben den üblichen Statistiken des BFS auch Finanzkennzahlen umfasst. Die Bildungsstatistik integrierte in den letzten Jahren auch politisch relevante Verwaltungsdaten wie beispielsweise zur Probezeit an den Gymnasien (Helbling & Moser, 2017).

Wie erwähnt waren standardisierte Leistungserhebungen, teilweise flächendeckend und teilweise stichprobenbasiert auf den Volksschulstufen im gesamten Kanton Zürich bereits in den 1990er-Jahren eingesetzt worden. Auf der Sekundarstufe II wurde 2006 für die schon länger existierende, sogenannte Gymiprüfung zum Eintritt ins Lang- und Kurzzeitgymnasium eine Vereinheitlichung in Form der zentralen Aufnahmeprüfung angestrebt (Olivier, 2006). Die zentralen Aufnahmeprüfungen wurden 2007 für das Langzeitgymnasium und 2008 für Kurzzeitgymnasium erstmals eingesetzt (Bayard, Binder & Schalit, 2015). Das Testsystem Klassencockpit wurde bereits im Rahmenkonzept für Schulqualitätsmanagement von 2000 in lokaler Verantwortung verortet und damit dessen Nutzung als freiwillig deklariert (Mäder, 2006). Der Umgang mit anderen Testsystemen wie Stellwerk oder den Orientierungstests aus Lernpass und Lingua-Level war ähnlich (Binder, 2012). Ein Projekt zur Einrichtung eines flächendeckend eingesetzten Test für die 6. Klasse der Primarschule wurde 2012 abgebrochen und stattdessen eine Zusammenarbeit mit dem Kanton St. Gallen zur Weiterentwicklung von Instrumenten zur individuellen Standortbestimmung und Förderung eingegangen (BI ZH, 2013a; vgl. St. Gallen in Abschn. 6.4.3). Im Rahmen einer Neugestaltung des letzten Schuljahres wurde 2013 Stellwerk 8 breit eingeführt (Staatskanzlei ZH, 2014). Die laufenden Projekte in diesem Zusammenhang sind jedoch ebenfalls auf einen diagnostischen Einsatz durch die Lehrperson ausgerichtet (BI ZH, 2015a) und die Testsysteme damit eher als Lehrmittel und nicht als Instrumente zur Leistungserhebung im Rahmen von Bildungsmonitoring zu betrachten. Der Einsatz anderer Testsysteme kann Teil der Schulentwicklung in Kompetenz der Einzelschule sein, sie werden in einer Mehrheit der Schulen zwar durchgeführt aber nur selten auf Schulebene ausgewertet (BI ZH, 2015b). Auf der Systemebene verliess sich der Kanton Zürich hauptsächlich auf PISA. In den PISA-Untersuchungen von 2000 bis 2009 war er je mit einer erweiterten Stichprobe vertreten (Ramseier et al., 2002, 2005a; U. Moser & Angelone, 2008b, 2011c).

Zahlreiche politische Projekte wurden in der Vergangenheit durch wissenschaftliche Evaluationstätigkeit begleitet, sei es vorbereitend, in einzelnen Projektphasen oder am Projektende. Dabei sind teilweise externe Evaluatoren und Projektmanager engagiert worden (z. B. B. Bucher, 2010; Nido & Trachsler, 2015). Die Bildungsplanung führte solche Evaluationen entweder selbst durch – teilweise als eine Art Metaevaluation und mit Rückgriff auf bestehende Projektevaluationen (z. B. Bayard et al., 2015) – oder war zuständig für die Ausschreibung, die Vergabe und die Begleitung der externen Evaluationsakteure (z. B. Rhyn, Widmer, Roos & Nideröst, 2002). Thematisch und methodisch weisen die Evaluationen, Erhebungen und Expertisen eine grosse Vielfalt auf und beziehen sich auf praktisch alle Stufen des Bildungssystems.

Die Veränderung der Zuständigkeiten in der Führung der lokalen Schulen wurde 1996 initiiert als Reformprojekt mit der Bezeichnung Teilautonome Volksschule. Die in diesem Projekt zunächst erprobte Einführung von Schulleitungen war eines der wichtigsten Projekte von Erziehungsdirektor Ernst Buschor zur Anwendung von Konzepten des New public management (NPM) im Bildungsbereich (Aeberli, 2003). In der ersten Erprobungsphase nahmen über 60 Schulen teil und bereits während dieser Phase artikulierten weitere Schulgemeinden den Wunsch, ebenfalls sogenannte TaV-Schulen zu werden. Die Erprobungsphase wurde im Hinblick auf die allgemeine Einführung geleiteter Schule wissenschaftlich evaluiert (Rhyn et al., 2002). Nachdem die Zürcher Volksschulreform 2005 im zweiten Anlauf schliesslich eine Volksmehrheit gefunden hatte, wurde, im Rahmen der allgemeinen Einführung geleiteter Schulen auf den Volksschulstufen, die traditionelle Schulaufsicht der Bezirksschulpflegen durch die externe Schulevaluation in Verantwortung der entsprechenden kantonalen Fachstelle ersetzt, zunächst in einer dreijährigen Validierungsphase ab 2007 (Staatskanzlei ZH, 2007a; BI ZH, 2009). Leitfaden dieser Einführung externer Evaluation war die erste Ausgabe des Handbuchs Schulqualität (Staatskanzlei ZH, 2008). Der erste Evaluationszyklus konnte 2011 abgeschlossen werden (Staatskanzlei ZH, 2013). In der zweiten Handbuchausgabe, die 2011 vom Bildungsrat verabschiedet wurde, ist Bildungsmonitoring eines von sechs Feldern des Qualitätsmanagements. Es ist beschrieben als „Überprüfung der Qualitätsziele und -vorgaben durch die Bildungsdirektion mittels Daten aus Bildungsstatistik, Lernstandsmessungen und Daten aus Feld 4 und 6“ (BI ZH, 2011, S. 4), wobei das Feld 4 die externe Schulevaluation und das Feld 6 verwaltungsunabhängige wissenschaftliche Systemevaluationen bezeichnet. Auf der Basis dieses Handbuchs begann 2011 der zweite Evaluationszyklus (BI ZH, 2013b).

Auch das kantonale Bildungswesen auf Sekundarstufe II wurde in den 1990er-Jahren im Rahmen der Umstellung zur wirkungsorientierten Verwaltung neu gestaltet. Die Schulen erhielten eine grössere Selbständigkeit, Globalbudgets, Leistungsvereinbarungen und führten ein Qualitätsmanagement mit externer Evaluation als Instrument der Leistungs- und Wirkungssteuerung ein (T. Widmer et al., 2015). Für 2006 wurden beispielsweise je zwei externe Evaluationen von Mittel- und Berufsschulen durch das IFES berichtet (Staatskanzlei ZH, 2007b). Das Instrument der externen Evaluation von Schulen der Sekundarstufe II durch das IFES wurde 2015 seinerseits evaluiert (T. Widmer et al., 2015).

Im Rahmen des Regierungscontrollings spielte Bildungsmonitoring eine wichtige Rolle, einerseits als Verwaltungsaufgabe, über die Rechenschaft abgelegt wird und andererseits als beratende Stimme bei der Definition der Indikatoren und als Datenlieferant für die jährliche, indikatorenbasierte Rechenschaftslegung. Im jährlich aktualisierten konsolidierten Entwicklungs- und Finanzplan bzw. in den regierungsrätlichen Geschäftsberichten waren ab 2007 jeweils über 20 bildungsbezogene Indikatoren aufgeführt. Im Volksschulbereich waren 2009 etwa Leistungsinformationen aus PISA und der Zürcher Längsschnittstudie, Regelverlaufsquoten, Klassengrössen und finanzieller Aufwand pro Kopf solche Indikatoren (Staatskanzlei ZH, 2010). Auch gewisse Monitoringtätigkeiten selbst waren über Indikatoren im Regierungscontrolling abgebildet. So wurden beispielsweise 2013 die Anzahl der Erhebungen von Struktur- und Leistungsdaten sowie von Wirkungsdaten als Indikatoren ausgewiesen (Staatskanzlei ZH, 2013). Die Prozesse des Regierungscontrollings wurden 2015 überarbeitet, was insgesamt zu einer deutlichen Reduktion und Neugestaltung der Indikatoren führte. Im Volksschulbereich wurde unter anderem auf die Indikatoren mit Leistungsinformationen verzichtet (Staatskanzlei ZH, 2017).

Im Bildungsmonitoring-Dispositiv des Kantons Zürich sind praktisch alle potenziellen Elemente eines Bildungsmonitoring-Dispositivs vorhanden. Dabei verlangt nicht zuletzt die Grösse des Kantons eine systematische Herangehensweise. Anders als beispielsweise in den Kantonen Freiburg, Glarus oder Zug ist etwa die externe Schulevaluation als eigene Abteilung der BI ZH formal sichtbar, professionalisiert und anhand ihrer Produkte dokumentiert. Dasselbe gilt für die Bildungsplanung, die Bildungsstatistik, Leistungserhebungen, Programmevaluationen und anwendungsorientierte Forschung umfasst. Eine Bildungsberichterstattung im engeren Sinne findet sich im Kanton Zürich dagegen nicht. Die in einer gewissen Regelmässigkeit erscheinenden Berichte aus den übrigen Elementen des Bildungsmonitoring-Dispositivs wurden bislang nicht in eine Gesamtsicht in Form eines Berichts integriert. Da die Informationen aus praktisch allen Elementen bei der Bildungsplanung zusammenkommen, kann davon ausgegangen werden, dass eine solche integrale Gesamtsicht da eingenommen wird. Zugleich scheint das Bildungsmonitoring-Dispositiv des Kantons Zürich sehr bewusst als Instrument der Information und Planung politischer Entscheide aufgestellt. Allerdings bleibt, gerade durch den Verzicht auf einen Gesamtbericht, die Gewichtung von verwaltungsinterner und öffentlicher Information und Kommunikation über Schule und Bildung etwas diffus.

6.6.3 Weitere Kantone

Mit Genf und dem Tessin werden im Folgenden zwei weitere Kantone präsentiert. In beiden Kantonen wird Monitoring als permanente Aufgabe bestimmter Verwaltungseinheiten verstanden. Und in beiden Kantonen soll Monitoring nicht nur politischen, sondern auch wissenschaftlichen Ansprüchen genügen. In Genf und im Tessin scheint sich eine Zusammenarbeit von Verwaltung und Wissenschaft entwickelt zu haben, die nicht – wie es teilweise für die sogenannten pädagogischen Abteilungen der Deutschschweiz festgestellt wurde – durch gegenseitige Berührungsängste geprägt ist, sondern eine gemeinsame Verpflichtung für qualitativ gute Schulen hochhält.

Genf

Im Kanton Genf hat die intensive datengestützte Beobachtung des Bildungssystems eine lange Tradition. Dokumentiert wird diese Tradition unter anderem durch den 1944 gegründeten, im Département de l’instruction publique, de la culture et du sport du canton de Genève (DIP GE) angesiedelten Service de la recherche en éducation (SRED). Im Kanton Genf ist dabei die universitäre erziehungswissenschaftliche Forschung sehr eng mit der Bildungsverwaltung verknüpft. Die Wurzeln dieses Zusammenhangs gehen unter anderem darauf zurück, dass die erste Professur für Pädagogik 1890 auf explizite Anregung des DIP GE eingerichtet wurde und dass in der Genese der Erziehungswissenschaft als multidisziplinäre Forschung zu Bildung und Schule das Institut Jean-Jacques Rousseau ab 1912 eine wichtige Rolle spielte. Dieses Institut stand als eigenständige Organisation zwischen Universität, Verwaltung und dem Schulfeld (Hofstetter, 2011). Die enge Verbindung zwischen Verwaltung und Universität zeigt sich immer wieder personell, beispielsweise durch Samuel Roller, Direktor des SRED und des damals in die Universität integrierten Instituts in den 1960er-Jahren, der sich an den ersten internationalen Schulleistungsstudien beteiligte (vgl. Abschn. 5.2.3). Nicht zuletzt waren die entsprechenden Verwaltungseinheiten in Genf, zusammen mit jenen in Lausanne, die Vorläufer der in den 1960er-Jahren in vielen Kantonen entstehenden ausseruniversitären, verwaltungsinternen Forschungsinstitutionen (Gretler, 2000). Diese starke Wissenschaftsorientierung blieb gerade in Form des SRED, in dem verschiedene weitere und ähnlich ausgerichtete Forschungsstellen innerhalb der Verwaltung aufgingen, bis heute erhalten. Zwei mögliche Gründe dafür formulierte Walo Hutmacher, ein weiterer SRED-Direktor, bereits 1986: In Genf sei ein Bruch der verwaltungsinternen Forschungsabteilung mit gewissen Verwaltungsnormen möglich und es könne ein Gleichgewicht zwischen Auftragsforschung und autonomer Forschung erreicht werden (zit. nach Gretler, 2000). Die enge Verbindung zwischen systematischer Forschung und schulischer Praxis wird im Kanton Genf immer wieder betont, aber auch regelmässig infrage gestellt (Gather Thurler & Thévenaz Christen, 1996; Hutmacher, 1993/2010).

Der SRED hat eine zentrale Position im Bildungsmonitoring-Dispositiv, nicht nur bezogen auf die umfangreiche und vielseitige anwendungsorientierte Forschung, sondern auch bezüglich Bildungsstatistik und Leistungserhebungen. Die Bildungsstatistik mit Schüler-, Lehrpersonen- und Abschlusszahlen ist dabei ebenso vertreten wie bestimmte erweiterte Erhebungen. Beispiele für solche weiteren Erhebungen sind etwa die seit 1968 durchgeführten Abgängerbefragungen, genannt Enquête EOS (Marina Decarro, 2001), daran angelehnte weitere Erhebungen (Davaud & Hexel, 2008) oder der Observatoire cantonal de la petite enfance (Chervaz Dramé, Rosetti, Scalena & Mykytyn-Gazziero, 2011). Ein weiteres Merkmal des Genfer Bildungsmonitorings ist die klare Ausrichtung an Indikatorensystemen (z. B. Le Roy-Zen Ruffinen & Jaunin, 2011; Amos, Evrard, Hrizi, Rastoldo & Silver, 2010; Le Roy-Zen Ruffinen, Soussi & Evrard, 2013). Seit 2000 sind rund ein Dutzend indikatorenbasierte Berichte zum Bildungswesen entstanden. Einerseits sind drei ausführliche Berichte (Rogers et al., 2001; Le Roy-Zen Ruffinen & Jaunin, 2005b; Le Roy-Zen Ruffinen, Martz, Jaunin & Petrucci, 2009) und darauf aufbauend fünf Berichte in der Reihe L’enseignement à Genève (Le Roy-Zen Ruffinen & Grin, 2003; Le Roy-Zen Ruffinen, 2007; Le Roy-Zen Ruffinen & Jaunin, 2005a, 2011; Le Roy-Zen Rufinen et al., 2009) publiziert worden. Andererseits wurden auch zu weiteren Themen wie etwa der Berufsbildung oder der FBBE indikatorenbasierte Berichte veröffentlicht (Amos et al., 2010; Amos, Baertschi, Silver, Tomei & Tournier, 2003; Chervaz Dramé et al., 2011). Das zentrale Indikatorensystem wurde 2015 gründlich überarbeitet, in Repères et indicateurs statistiques umbenannt und auf die Onlinepublikation hin ausgerichtet.

Die prominente Rolle des Kantons Genf bei der Entwicklung von Leistungserhebungen auf internationaler und gesamtschweizerischer Ebene ist klar erkennbar. So war der SRED von Beginn weg in nationalen und internationalen Gremien rund um Bildungsindikatoren, die Third international mathematics and science study (TIMSS) und PISA vertreten (vgl. Abschn. 5.2.1, 5.2.3 & 5.3.3). In der Primarschule des Kantons Genf wurden Leistungserhebungen in den Volksschulstufen ab 2007 sukzessive eingeführt. Die Épreuves cantonales und die Épreuves communes bezogen sich primär auf die Fächer Französisch, Deutsch und Mathematik, hatten summativen Charakter und waren auf die Ergebnisrückmeldung an Eltern, Lehrpersonen und Schüler ausgerichtet (Soussi & Nidegger, 2009; IRDP, 2013). Daneben führte der SRED bereits zwischen 1995 und 2000 eine Längsschnittstudie mit Fokus auf der Kompetenzentwicklung durch (Saada, Guignard, Nidegger & Ducrey, 2001). Die Teilnahme der CIIP an den PISA-Untersuchungen von 2000 bis 2012, die jeweils auch eine kantonalen Stichprobe im Kanton Genf umfasste, war sehr wesentlich durch den Kanton Genf getragen (Nidegger et al., 2001, 2005, 2008; Nidegger, Broi et al., 2011; Nidegger, Carulla et al., 2014).

Auf den Volksschulstufen fungierte bis zur ab 2008 implementierten Schulreform das Inspektorat als Schnittstelle zwischen den zuständigen Einheiten innerhalb des DIP GE und den Schulen. Die Inspektoren übernahmen dabei primär operative und kaum dokumentarische Aufgaben (Schneider, 2004; Tallagnon, 2008; Chancellerie d’État GE, 2014). Dieses Inspektorat wurde im Rahmen der Schulreform ersetzt, wobei die Funktionen mehrheitlich von den neu definierten Schulleitungen übernommen wurden. Die Directeurs d’établissements sowie die Conseils d’établissements dans les écoles primaires ersetzten die Inspektoren, die bisherigen Responsables d’école sowie die Maîtres principaux (Chancellerie d’État GE, 2009). Insgesamt spielten aber die Aufsichtsfunktionen kaum eine Rolle im Bildungsmonitoring-Dispositiv.

Der Kanton Genf stellt gewissermassen einen Prototyp der Kombination von systematischen und wissenschaftlichen Informationsbeständen zugunsten der politischen Entscheidungsträger dar. Der Anspruch eines ausgebauten Systems der Systembeobachtung zum Zwecke der Steuerung und Planung innerhalb des Bildungssystems ist sowohl in konkreten Reformprojekten wie der Neukonzeption der Sekundarstufe I (Cycle d’orientation) (Cour des comptes GE, 2014) als auch auf allgemeiner Ebene deutlich. Explizit wurde er etwa im staatsrätlichen Vorwort zu L’enseignement à Genève: „Et c’est pour suivre et évaluer l’efficacité de ces choix politiques que nous avons besoin de pouvoir nous référer à des productions régulières et fiables d’indicateurs.“ (Le Roy-Zen Ruffinen & Jaunin, 2011, S. 3).

Tessin

Auch im Kanton Tessin war lange eine departementsinterne Forschungsstelle zuständig für die meisten Elemente des Bildungsmonitoring-Dispositivs. Entstanden war das Ufficio studi e ricerche (USR) in den 1960er-Jahren unter anderem zur wissenschaftlichen Abstützung der Scuola media. Das USR war zuständig für die Bildungsstatistik, sämtliche Leistungserhebungen, didaktische und bildungssoziologische Erhebungen sowie teilweise eingebunden in Schulentwicklungsprojekte. Insbesondere die eigene und in Auftrag gegebene Forschung rund um die sozialen Faktoren von Selektion im Bildungssystem waren bereits in den ersten Jahren dieser Abteilung sehr wichtig (Berger, 2001). Die Verwaltungseinheit wurde 2010 aufgelöst. Die anwendungsorientierte Forschung ging an die Scuola universitaria professionale della Svizzera italiana (SUPSI) bzw. an deren Forschungsabteilung Centro di innovazione e ricerca sui sistemi educativi (CIRSE). Die übrigen Elemente wurden innerhalb des Dipartimento dell’educazione, della cultura e dello sport (DECS TI) in das Ufficio del monitoraggio e dello sviluppo scolastico (UMSS) überführt (Berger & Cattaneo, 2010). Die angewandte Forschung blieb auch angegliedert an der CIRSE ein wichtiges und intensiv bearbeitetes Element des Bildungsmonitoring-Dispositivs. Das Thema Chancengerechtigkeit blieb eines der zentralen Themen. So wurden etwa im Zeitraum zwischen 2012 und 2015 in fünf verschiedenen wissenschaftlichen Erhebungen Daten zu verschiedenen Dimensionen von Ungleichheit erhoben (Calvo, Castelli, Marcionetti, Crescentini & Cattaneo, 2015).

Das ursprüngliche USR und die Nachfolgeorganisationen CIRSE und UMSS waren neben der anwendungsorientierten Forschung auch in Programm- und Projektevaluation tätig. So wertete das UMSS unter anderem die Kompetenzerhebungen in der ersten Fremdsprache aus, die im Rahmen eines Reformprojekts der Scuola media gestärkt wurde (Tamagni Bernasconi & Tozzini Paglia, 2010). Gerade im Sprachbereich wurden immer wieder Evaluationen durchgeführt, die auch Leistungserhebungen umfassten (z. B. Cancelleria dello Stato TI, 2001; Tozzini Paglia, 2013).

Im Kanton Tessin wurden schon die ersten PISA-Untersuchungen gewissermassen kantonal ausgewertet, da die gesamtschweizerische Neuntklässler-Stichprobe für den Kanton Tessin auch kantonal repräsentativ war (Pedrazzini-Pesce, 2003; Origoni, Faggiano & Mariotta, 2007; Zahner Rossier, 2005). Der Kanton Tessin war so an allen PISA-Durchführungen mit kantonal repräsentativen Stichproben vertreten (Origoni et al., 2007; Mariotta, 2011; Nidegger, Moser et al., 2011, 2014). Zudem wurde die Durchführung und Auswertung bestimmter Teile von TIMSS als Bildungsmonitoringaktivität rapportiert (Cancelleria dello Stato TI, 2001). Obwohl Leistungserhebungen immer wieder punktuell zu Forschungs- und Evaluationszwecken eingesetzt wurden, gab es zumindest in der Volksschule keine Tradition standardisierter Leistungserhebungen. Dies ist sicher auch der kaum curricular oder strukturell differenzierten Scuola media zuzuschreiben (Calvo et al., 2015; Vögeli-Mantovani, 1999). Erste standardisierte Leistungserhebungen für die Fächer Mathematik und Italienisch in der Primarschule wurden ab 2007 entwickelt (Cancelleria dello Stato TI, 2012). Die standardisierte Erhebung der Mathematikkompetenzen erfolgte erstmals 2008 in der 5. Klasse der Primarschule, später in der 2. und schliesslich in der 4. Klasse, letztere entwickelt in Anlehnung an die Bildungsziele und explizit im Sinne einer grösseren sozialen Bezugsnorm sowie des systematischen Bildungsmonitorings (Crescentini, Salvisberg & Zanolla, 2014). Im kantonalen Bildungsbericht von 2015 konnten neben PISA-Ergebnissen erstmals auch Resultate dieser Leistungserhebungen in Mathematik in allen 4. Klassen der Primarschule von 2012 präsentiert werden (Cattaneo et al., 2015). Ein Projekt zur Schaffung und zum Einsatz von Leistungserhebungen in Italienisch wurde 2012 gestartet. 2013 fanden die ersten Erhebungen statt (Cancelleria dello Stato TI, 2015)

Im Kanton Tessin wurde bereits in den 1990er-Jahren eine an internationalen Standards ausgerichtete, indikatorenbasierte Bildungsstatistik aufgebaut. Auf dieser Basis wurden bildungsstatistische Publikationen jährlich in grossem Umfang publiziert. So sind beispielsweise Schülerstatistiken für den Beginn und das Ende des Schuljahres (Rigoni, 2015a, 2015b), demografisch ausgerichtete Datenbroschüren (Guidotti & Rigoni, 2012a) oder allgemeine Überblicksbroschüren (Guidotti & Rigoni, 2012b) online abrufbar. Im gesamtschweizerischen Vergleich auffallend ist der zeitweise halbjährliche Erscheinungsrhythmus der Schülerstatistiken.

Die vielseitigen Aktivitäten rund um Bildungsmonitoring wurden 2005 erstmals in einem Bildungsbericht dokumentiert. Dieser erste Bericht sollte explizit Teil einer neuen Informationspolitik sein und damit den Wandel von einer Schulpolitik der investierten Ressourcen hin zu einer stärkeren Betrachtung der Bildungsergebnisse mit vorantreiben (Cancelleria dello Stato TI, 2007). 2010 und 2015 erschienen die zweite und dritte Ausgabe von Scuola a tutto campo. Die Erarbeitung eines Indikatorensystems, die Erhebung der Daten sowie die eigentliche Berichterstellung als „akkurate Beschreibung eines komplexen Systems“ (Cattaneo et al., 2015, S. 9) wurden als weiteres und eigenständiges Element von Bildungsmonitoring präsentiert (Berger, Attar, Cattaneo, Faggiano & Guidotti 2005; Berger & Cattaneo, 2010; Cattaneo et al., 2015). Die Berichte waren stark an internationalen Standards – vor allem der OECD – ausgerichtet. Das zeigte sich unter anderem an der Strukturierung entlang thematischer Indikatorensysteme mit übergeordneten Themen wie „Equità“, „Competenze e risultati“ oder „Innovazione, cambiamento e sperimentazioni“. Ausserdem wurden die Daten und Ergebnisse intensiv kommentiert (Cattaneo et al., 2015).

Die Entwicklungen in der Aufsicht von Volks- und Mittelschulen blieben im Kanton Tessin stark abgegrenzt vom Bildungsmonitoring-Dispositiv auf der Systemebene. In Anlehnung an international verbreitete Konzepte wurde ein starker Fokus auf Selbstevaluation als zentralem Instrument der Schulentwicklung gelegt (Berger, Ghisla, Gusberti & Vanetta, 2001). Mit der ab 2015 flächendeckenden Implementation von Schulleitungen auf den Volksschulstufen – erste Schulleitungen ausserhalb der städtischen Zentren wurden bereits um 1970 eingerichtet – wurde diese Entwicklung weiter vorangetrieben (CDD, 2013). Die reflektierte Selbstbetrachtung der Schulen wurde teilweise explizit als Aktionsforschung bezeichnet (Pedrazzini-Pesce & Tozzini Paglia, 2013). Der Anspruch einer durch den Zusammenzug lokalen Wissens entstehenden Informationsbasis als Element des Bildungsmonitoring-Dispositivs wurde allerdings in diesem Zusammenhang nicht formuliert.

Der Kanton Tessin zeichnet sich ebenfalls durch ein breites Bildungsmonitoring-Dispositiv aus, das auch anwendungsorientierte Forschung umfasst. Dabei werden die Einflüsse der gesamtschweizerischen Entwicklungen ebenso aufgenommen wie die internationalen Debatten und Trends, an denen sich der Kanton Tessin als dritte Sprachregion der Schweiz beteiligt. Daneben ist der Kanton Tessin eingebunden in die CIIP und damit in die Westschweizer Koordination. Ähnlich wie im Kanton Genf ist die Betonung eines wissenschaftlich–systematischen Anspruchs, der nicht nur im Hinblick auf anstehende Reformprojekte wirken, sondern durch Monitoring im Sinne einer konstanten Evolution der Schule eingelöst werden soll.