In der vorliegenden Arbeit wird Bildungsmonitoring als Generierung und Verarbeitung von Daten und Informationen zuhanden bildungspolitischer Akteure ausschliesslich mit Methoden qualitativer empirischer Sozialforschung untersucht. In der Organisation des Forschungsprozesses muss dabei die Komplexität und Vielschichtigkeit des Untersuchungsgegenstandes mit der bestehenden Theorielage und dem breiten, zur Verfügung stehenden methodischen Arsenal zusammengebracht werden (Baur & Blasius, 2014). Die methodologischen Bezüge gehen in Richtung der qualitativ-historischen Forschung, der Politikfeldanalyse und der Hermeneutik. Ebenfalls eingesetzt werden Verfahren der Typisierung und der qualitativ-theoretischen Faktorenanalyse. Das konkrete Vorgehen definiert sich über die Auswahl der Quellen sowie über die Auswertungsverfahren.

4.1 Methodologie

Die bildungshistorische Betrachtung von politischen Prozessen und Entwicklungen ist inspiriert von den Methoden der allgemeinen Geschichtswissenschaft, der Bildungsgeschichte und der pädagogischen Historiografie sowie von den qualitativen Zugängen der Sozialforschung im Allgemeinen. Solche Zugänge qualitativer Sozialforschung sind im Speziellen die Politikfeldanalyse und die Governanceforschung. Der vorliegenden Arbeit liegen konkrete methodologische Annahmen aus vier Bereichen zugrunde: (1) historisch-kritische Methode der Geschichtswissenschaft, (2) historiografische Bewusstheit über die Kontextabhängigkeit historischer Darstellungen, (3) Begriffsrepertoire und methodische Zugänge der qualitativ ausgerichteten Politikfeldanalyse und (4) Ansätze einer hermeneutisch inspirierten Analyse von Textquellen.

Die historische Forschung zeichnet sich durch einen spezifischen Umgang mit ihren Quellen aus. Quellen werden dabei als Zeugnisse der darzustellenden Sachverhalte ernst genommen. Zugleich wird jedoch ihre Differenz zur historischen Darstellung betont (G. Budde, 2008). Als methodisches Instrument des historischen Umgangs mit dieser Differenz wird unter anderem die Quellenkritik herangezogen. Quellenkritik dient laut Koselleck (2006) der Objektivierung der historischen Darstellung indem der Bezug zwischen Quelle und historischer Darstellung fass- und kommunizierbar wird. Über Quellenkritik wird gleichzeitig das sogenannte Vetorecht der Quelle realisiert und damit eine beliebige Kombination von historischer Darstellung und Quelle verhindert:

„Streng genommen kann uns eine Quelle nie sagen, was wir sagen sollen. Wohl aber hindert sie uns, Aussagen zu machen, die wir nicht machen dürfen. Die Quellen haben ein Vetorecht. Sie verbieten uns, Deutungen zu wagen oder zuzulassen, die aufgrund eines Quellenbefundes schlichtweg als falsch oder als nicht zulässig durchschaut werden können.“ (Koselleck, 2006, S. 206)

Insofern begründen die Quellen als empirische und kritisch bearbeitete Basis den Wissenschaftscharakter historischer Forschung, etwa in Abgrenzung zu einer spekulativen Geschichtsphilosophie (Borowsky, Vogel & Wunder, 1989).

Aktuelle methodologische Überlegungen zum quellenkritischen Umgang mit digitalen Quellen weisen darauf hin, dass bestimmte Quelleneigenschaften digitaler Quellen auch auf die historische Arbeit mit analogen Quellen übertragen werden könnten.

„Als Konsequenz stellt sich die Frage, ob es nicht an der Zeit wäre, diese Quelleneigenschaften in die allgemeine Quellenkritik zu integrieren. Diese Auffassung, jede Quelle als prozessual und mehrdimensional wahrzunehmen, ermöglicht es, hinter dem normativen Setting jeder Quelle rekursive und diskursive Prozesse zu identifizieren“ (Schreiber, 2012, S. 13).

In einer solchen als korrealistisch bezeichneten Quellentheorie, so Schreiber (2012) weiter, fragt Quellenkritik nicht nur nach den Eigenschaften der Quelle, sondern auch nach der Sichtbarkeit dieser Eigenschaften sowie den Prozessen der Entstehung dieser Eigenschaften und ihrer Sichtbarkeit. Etwas konkreter weist Salheiser (2014) auf zwei Probleme hin, die gerade bei der Arbeit mit Dokumenten als Artefakte und Kommunikationselemente aus den interessierenden sozialen Prozessen zu beachten sind: (1) Die Selektivität der Quellen steht für die Praktiken der Erstellung, Verarbeitung, Dokumentation und Aufbewahrung der Quellen im Rahmen der politischen und administrativen Tätigkeit der datenerzeugenden Organisation. Dabei gilt es in der Arbeit mit den Quellen unter anderem Sichtbarkeits- oder Geheimhaltungsvorschriften, Hierarchien oder das Primat der betrieblichen Anforderungen bei der Datenerfassung zu beachten. (2) Die Kategorisierung und die Struktur solcher Quellen folgt in der Regel der Eigenlogik der Verwaltungsorganisation und entspricht nicht sozialwissenschaftlichen Standards. Aus wissenschaftlicher Sicht sind in diesen Informationsstrukturen der Quellen Potenziale für Informationsverlust, Redundanz, Inkonsistenz oder ideologische Gefärbtheit angelegt.

Quellenkritik ist aber nur der erste Schritt der bewussten Entwicklung historischer Darstellung auf der Basis von Quellen. Im Sinne einer historisch-kritischen Methode müssen auf die quellenkritisch begleitete Analyse Prozesse der Interpretation und Darstellung folgen. Erst da entstehen die historischen Darstellungen bzw. Narrative. Die Kontextualisierung der historischen Quellen ist für diese Prozesse eine unabdingbare Voraussetzung, insbesondere wenn die historischen Darstellungen den wissenschaftlichen Standards von Objektivität, Reproduzierbarkeit und Überprüfbarkeit standhalten sollen (Borowsky et al., 1989).

Die in diesem Sinne moderne historische Forschung hat einen ihrer Ursprünge in der Entwicklung der neuen Ideengeschichte in den 1960er-Jahren. Durch Kontextualisierung der Texte sollte die bis dahin vorab philosophisch praktizierte Ideengeschichte an die empirische Ausrichtung der Sozialwissenschaften, der Sozialgeschichte, der Sprachphilosophie und des französischen Strukturalismus anschliessen. Massgebliche Impulse waren die Ideologiekritik der Frankfurter Schule, die Entwicklung des soziologischen Diskursbegriffs und die Sprechakttheorie (Lottes, 2002). Prototypisch ist etwa die Forderung von Skinner (2002/2009), auf die Annäherung an dekontextualisierte Idealtypen, Elementarideen und damit auf das Weiterschreiben bestehender Mythen zu verzichten. Vielmehr sei die neue Ideengeschichte – auch über Quellenkritik – an der Unterschiedlichkeit von Ideen, Mentalitäten, Vorstellungen und Begrifflichkeiten zu verschiedenen Zeiten und in unterschiedlichen Diskursen interessiert (Overhoff, 2004).

Die Ideen in einem bestimmten Kontext zu einer bestimmten Zeit enthalten ihrerseits mit hoher Wahrscheinlichkeit auch historische Vorstellungen und Darstellungen. Über historiografische Zugänge soll diese zusätzliche Reflexionsebene erfasst und eingeholt werden. Pädagogische Historiografie interessiert sich beispielsweise dafür, wie pädagogische Geschichtsschreibung in Kontexten wie etwa der Lehrerbildung ausgestaltet war, welche Elemente darin prominent vorkamen oder welche Themen wenig Berücksichtigung fanden (Tröhler, 2001). In einer historiografischen Sichtweise ist unter anderem zu untersuchen, wie historische Darstellungen zustande kommen und welche quellenkritischen Prozesse wie angewendet wurden. Der Blick auf die historischen Darstellungen in einem historisch zu rekonstruierenden Feld offenbart zudem die dominanten kollektiven Interpretationsmuster (Andrews, 2008). Gerade in Bildungsmonitoring als Praxis der Darstellung von Bildung birgt eine historiografische Perspektive grosses Potenzial.

Die wissenschaftliche und retrospektive Untersuchung der Inhalte bestimmter politischer Auseinandersetzungen und Entscheidungen wird als Politikfeldanalyse bezeichnet. Die Politikfeldanalyse ist eine von mehreren Ausrichtungen der Politikwissenschaft. Zur Abgrenzung der verschiedenen Ausrichtungen wird meist die in der Deutschen Sprache nicht gut repräsentierbare Differenzierung in Policy, Politics und Polity herangezogen. Der Begriff der Policy wird verwendet für „die konkreten Inhalte der Politik, die materiell-inhaltlichen Fragen und Probleme, auf die mit politischen Programmen und Maßnahmen reagiert wird, aber auch die Resultate der politischen Aktivitäten in den jeweiligen Politikfeldern“ (Blum & Schubert, 2011, S. 14). Die Policy steht im Zentrum politikwissenschaftlicher Ansätze des Policy making, verstanden als Be- und Verarbeitung gesellschaftlicher Probleme. Gerade über die prozessualen Vorstellungen von Politik, die in den 1970er-Jahren in Politik- und Verwaltungswissenschaft international weiterentwickelt wurden und die unter anderem zu methodischen Neuorientierungen führten, wurden auch Prozesse und Institutionen zunehmend als Analyse- und Erklärungskategorien berücksichtigt (Jann & Wegrich, 2009). Der Begriff der Politics repräsentiert die Prozesse der Politikgestaltung. Dabei stellt das Aufeinanderprallen unterschiedlicher Meinungen, Interessen und Ziele die Ausgangslage dar und die Prozesse sind gekennzeichnet durch Modi der Entscheidungsfindung wie beispielsweise Absprachen, Abstimmungen, Kooperationen, Koalitionen aber auch Willensbildung, Opposition oder Mechanismen der Austragung von Konflikten (Blum & Schubert, 2011). Wie beispielsweise die Vertreterinnen und Vertreter der Critical policy analysis aufzeigen, offenbart der Blick auf die Prozesse und die dahinterliegenden Mechanismen wie Macht und Ideologie auch die teilweise sehr positivistischen Annahmen einer reinen Policy-Perspektive (Young & Diem, 2017). Der Begriff der Polity fasst die politischen Ordnungen, Verfassungen, Strukturen sowie die Institutionen (vgl. Abschn. 3.2). Konkret handelt es sich unter anderem um den Staatsaufbau, das Parteien-, Regierungs- und Justizsystem, aber auch die politische Kultur eines Landes und die darin vorherrschenden Normen und Werte (Blum & Schubert, 2011). Wie am sogenannten World polity-Ansatz deutlich wird, kann sich Polity auch auf nicht-formalisierte Institutionen beziehen und ist nicht zwingend an staatliche Strukturen gebunden (Adiek, 2009). Die Politikfeldanalyse bearbeitet vorrangig Fragestellungen, die sich auf die Policy beziehen und bei denen Politics und Polity als erklärende Faktoren herangezogen werden (Blum & Schubert, 2011).

Die methodischen Zugänge der qualitativen Politikfeldanalyse lehnen sich mehrheitlich an allgemeinen Methoden der historischen Forschung und der qualitativen Sozialforschung an. Die zwei wesentlichen methodischen Elemente sind die Informationsgewinnung aus Quellen und die Interpretation der erhobenen Informationen (Blum & Schubert, 2011). Durch die Unterscheidung der drei Politikbegriffe ist die Auswertung in der Politikfeldanalyse – durchaus auch in Abgrenzung zur historischen Forschung – stärker und expliziter fokussiert auf Politikinhalte, Prozesse oder Institutionen. Anders als andere Bereiche der Politikwissenschaften hatte die Politikfeldanalyse auch stets einen engen und expliziten Praxisbezug (Jann, 2009). Vor diesem Hintergrund wird in der politikfeldanalytischen Vorgehensweise der Zweck der Auswertung üblicherweise explizit gemacht. Windhoff-Héritier (1987) unterschied bereits für die an Policy interessierte Forschung der 1960er-Jahre ein Nebeneinander einer neopluralistisch-deskriptiven und einer synoptisch-präskriptiven Ausrichtung fest. Dabei habe sich die synoptische Ausrichtung eher um eine ganzheitliche Sicht, zentrale Planungsmodelle und rationale Steuerungsmodelle bemüht, dabei vor allem statistisch-empirische Methoden eingesetzt und sich zunehmend mit Auftragsforschung für Regierungen beschäftigt. Die deskriptive Ausrichtung dagegen sei stärker auf die Arbeit an Fällen konzentriert und damit an der Theoriebildung innerhalb gewisser Politikfelder interessiert gewesen.

Gerade in der qualitativ-sozialwissenschaftlichen Beschäftigung mit Politik spielt die methodische Tradition der interpretativen Auswertung von Daten und Informationen eine wichtige Rolle. Die hermeneutische Interpretationsarbeit stellt dabei den Kern der Auswertungsprozesse dar. Allerdings hat sich die Politikwissenschaft erst in den 1990er-Jahren intensiver qualitativen Vorgehensweisen zugewandt und dabei Ansätze aus Soziologie, Ethnologie und Sozialpsychologie aufgegriffen (Blatter, Janning & Wagemann, 2007). Ein wichtiger Ausgangspunkt war dabei die gesteigerte Sensibilität der politikwissenschaftlichen Forschung für die Bedeutung von Sprache als elementares Medium des Weltverstehens und Weltveränderns. Viele theoretische und methodische Ansätze, die im Zuge des sogenannten Liguistic turn entwickelt wurden, sind mittlerweile auch politikwissenschaftlich intensiv rezipiert und auf die komplexen Aushandlungsprozesse von Politik angewendet worden (Gadinger, Jarzebski & Yildiz, 2014).

Hermeneutische Verfahren gehen davon aus, dass soziale Handlungen – und damit auch politische Prozesse – durch die Wahrnehmung und Interpretation der einzelnen Akteure konstituiert sind. Über hermeneutische Interpretation sollen die subjektiven Konstruktionen der Lebenswelt als empirisches Material fassbar und theoretisch verwendbar werden. Mit hermeneutischen Verfahren wird in der qualitativen Sozialforschung versucht, das Beobachtete zu deuten und seinen „sozialen Sinn“ (Süßmann, 2016, S. 116) zu rekonstruieren. Dieser Sinn – beispielsweise dokumentiert in Texten – erschliesst sich allerdings nicht direkt, sondern die multiplen Sinnschichten sind interpretatorisch aufzuschlüsseln (Blatter et al., 2007). Es geht also nicht um das blosse Nachvollziehen von Gesagtem oder Geschriebenem, sondern um die Rekonstruktion des Gemeinten oder – im Sinne der Sprechakttheorie – des Beabsichtigten (Skinner, 2002/2009). Das gilt auch bei der Analyse von Dokumenten (Salheiser, 2014). Dabei ist die Subjektivität der Forschenden eine wichtige Forschungsressource, die nicht neutralisiert, sondern reflektiert und transparent gemacht werden muss (Baur & Blasius, 2014). Interpretationen werden unter anderem dadurch objektiviert und damit wissenschaftlich nutzbar, dass objektive Bedeutungszusammenhänge konstruiert sowie die Akteure und ihre Aussagen in ihrem Kontext betrachtet werden (Blatter et al., 2007). Konkrete Vorgaben zu dieser Objektivierung sind beispielsweise in der Methodenschule der objektiven Hermeneutik entwickelt worden (Franzmann, 2016). Für qualitative Verfahren – vorab mit interpretativem oder rekonstruktivem Charakter – gelten also, ebenso wie bei quantitativen Verfahren, allgemeine Gütekriterien. Diese können laut Flick (2014) entweder an den klassischen quantitativen Gütekriterien Reliabilität, Validität und Objektivität orientiert, als Standards aus der Rekonstruktion qualitativer Forschungspraxis entwickelt oder auf Strategien der Geltungsbegründung bezogen sein. Als Strategien der Geltungsbegründung würden dabei die empirische Anreicherung von Ergebnissen mit der Berücksichtigung und Integration von Gemeinsamkeiten und Widersprüchen sowie die Transparenz der Vorgehensweisen gelten. Die objektive Hermeneutik geht in der Objektivierung und der Generalisierung noch einen Schritt weiter und löst das Verhältnis zwischen dem Allgemeinen und dem Einzelfall auf:

„Der Allgemeinheitsanspruch der Interpretation ergibt sich aus den konstitutionstheoretischen Prämissen. Der analysierte Fall ist immer schon allgemein und besonders zugleich. Denn in jedem Protokoll sozialer Wirklichkeit ist das Allgemeine ebenso mitprotokolliert wie das Besondere im Sinne der Besonderheit des Falls. Der konkrete Fall ist insofern schon mehr als ein Einzelfall, als er ein sinnstrukturiertes Gebilde darstellt.“ (Wernet, 2009, S. 19)

Insofern sind Objektivierung und Generalisierung – und damit zwei Elemente der Geltungsbegründung – bereits in der Rekonstruktion tieferliegender Sinnschichten zumindest teilweise angelegt. In der Grounded theory, einem weiteren hermeneutischen Forschungsansatz, wird das Gütekriterium der theoretischen Sättigung angewendet. Dabei werden die theoretischen Kategorien und Modelle so lange mit Fällen und weiteren Informationen konfrontiert, bis sie genügend detailliert, kohärent und dicht sind um potenziell auch weiteren empirischen Varianten standhalten zu können (Breuer, 2010).

Die qualitative Sozialforschung bedient sich in der Auswertung und vor allem in der Darstellung von Ergebnissen einer breiten Palette von Verfahren zur Bildung von Typen, Kategorien oder Modellen. Über die Entwicklung von Begriffen, Konzepten und Kategorien aus dem Datenmaterial kann sowohl eine dichte Beschreibung formuliert als auch, darüber hinausgehend, eine empirisch begründete Theorie konstruiert werden (Kelle & Kluge, 2010). Mithilfe von Typen können die grundlegenden Gemeinsamkeiten und Unterschiede verschiedener Fällen identifiziert und zugleich Strukturierung und Informationsreduktion eines Gegenstandbereiches erreicht werden (Baumgartner, 2010).

Die Typenbildung als methodisches Konzept geht zurück auf den Begriff des Idealtypus nach Weber. Der Idealtypus steht dabei zwischen Empirie und Theorie und mit ihm können empirische Ergebnisse anhand ausgewählter Merkmale in ein Modell sozialer Wirklichkeit eingeordnet werden. Nach Kelle und Kluge (2010) ist Typenbildung ein Prozess bei dem bestimmte Elemente so gruppiert werden, dass sie innerhalb der Gruppen möglichst viele gemeinsame Eigenschaften aufweisen. Diese Eigenschaften werden als Kategorien, Subkategorien, Merkmale, Merkmalsausprägungen oder Dimensionen bezeichnet. Kategorien bzw. Merkmale sind die basalen Beschreibungskonzepte. Subkategorien bzw. Merkmalsausprägungen beschreiben die möglichen empirischen Möglichkeiten innerhalb einer Kategorie. Dimensionen stehen – immer noch gemäss Kelle und Kluge (2010) – für Merkmale, deren Merkmalsausprägungen eine bestimmte Strukturierung aufweisen. Eine Typologie entsteht meist aus der Kombination mehrerer Merkmale bzw. Dimensionen und ihrer Ausprägungen.

Gerade in der Forschung rund um Educational governance hat sich eine spezifische Variante der Typenbildung etabliert. Dabei werden Governanceregime – aus dem empirischen Material herausgearbeitete, spezifische Merkmale (vgl. Abschn. 3.3) – beschrieben, die Beschreibungsmerkmale ihrer Ausprägungen ermittelt und diese für jedes Merkmal möglichst kontrastierend dimensionalisiert. Für eine Typologisierung nationaler Hochschulgovernance schlägt beispielsweise Schimank (2007) einen sogenannten Governance-Regler mit staatlicher Regulierung, staatlicher Steuerung, akademischer Selbstorganisation, Konkurrenzdruck und hierarchischer Selbststeuerung als Merkmale vor. Mit dieser fünfdimensionalen Charakterisierung nimmt Schimank (2007) den Modus einer Regler-Analytik auf, der bereits in den 1980er-Jahren vielfach verbreitet war, allerdings eher als politisches Überzeugungsmittel denn als methodisch-wissenschaftlicher Ansatz (Brüsemeister, 2019). Wie Langer (2015) nachzeichnet, wird diese Art der dimensionalisierten Typenbildung in der Governanceforschung immer wieder angewendet, dabei jedoch methodologisch kaum weiterentwickelt:

„Die Educational Governance nutzt [...] eine Forschungsstrategie, die man als qualitativ-theoriebildende Faktoren- und Dimensionalanalyse bezeichnen könnte. Sie ist qualitativ, da sie eher nach den Beschaffenheiten als den Mengenverhältnissen ihrer Gegenstände fragt; sie ist theoriebildend, weil sie mit den Dimensionen die strukturell wesentlichen Züge ihrer Gegenstände beschreibt (und von konkret variierenden Einzelfalleigenschaften abhebt) und mit den Faktoren die Erzeugungsprinzipien und -ursachen ihrer Gegenstände erfasst [...]. Es wäre nützlich, eine explizite Methodologie für diese Forschungsstrategie zu entwickeln, die sich an der Theoriebildungspraxis orientiert (und nicht an idealisierenden Vorstellungen, wie sie häufig in Methodenbüchern anzutreffen sind).“ (Langer, 2015, S. 56)

Ähnlich argumentiert Brüsemeister (2019) wenn er feststellt, dass Governanceregler in der Forschung bislang durchaus gewinnbringend verwendet wurden um Projekte einzeln zu untersuchen oder zu vergleichen. Auf dieser Basis müsse nun aber zunehmend eine Verdichtung der induktiv generierten Beschreibungs- und Erklärungsfaktoren erfolgen. Ein mögliches Ergebnis einer solchen Analyse sind stärker generalisierbare Faktoren, Dimensionen oder – bei Brüsemeister (2019) – Regelungsbereiche, anhand derer die Governanceprozesse akkurater erklärt und theoretisiert werden können.

Der zentrale Modus dieser qualitativ-theoriebildenden Faktoren- und Dimensionalanalyse ist laut Langer (2015) das Herausarbeiten von Faktoren bzw. Dimensionen aus empirischem und teilweise auch theoretischem Material. Dabei sei gerade empirisches Material, das mit historisch-kritischen Methoden erhoben und ausgewertet wurde, sehr gut geeignet. Die Doppelbezeichnung als Faktoren bzw. Dimensionen bildet zugleich den Doppelcharakter von analytischem und normativem Governanceansatz ab: In der Forschung rund um Educational governance wurden auf diesem methodischen Weg bislang vor allem Gelingensbedingungen oder Erfolgsfaktoren ermittelt, die dann im Rahmen von Expertisen und Beratungen direkt ins Untersuchungsfeld zurückgetragen wurden und so gewissermassen normativ gedacht waren. Das theoriebildende Potenzial liege aber genau in der Bildung von Dimensionen, auf denen verschiedene Ausprägungen identifiziert und benannt werden können (Langer, 2015).

Die Analyse von Institutional work ist methodologisch noch nicht intensiv bearbeitet worden. Wie Lawrence und Suddaby (2006) darlegen, sind in der Forschung mit dem Institutional work-Konzept die theoretischen Begrifflichkeiten sowie der Fokus auf die soziale Praxis im Umgang mit Institutionen zentral (vgl. Abschn. 3.2). Methodisch seien im Prinzip alle Möglichkeiten offen, die in Organisationsforschung genutzt werden, beginnend bei Methoden qualitativer Sozialforschung wie Ethnografie oder Oral history über Diskursanalyse und die Semiotik der Akteur-Netzwerk-Theorie bis hin zu quantitativen Ansätzen wie statistischer Event- oder Netzwerkanalysen. Die methodologische Weiterentwicklung über den Begriff der Materialität von Institutional work weist auf die wichtige Rolle der empirisch erfassbaren Kommunikation zwischen Akteuren innerhalb von Organisationen hin (Jones & Massa, 2013). Gawer und Phillips (2013) schlagen etwa vor, die Konturen von Institutional work und die Intentionalität der beteiligten Akteure direkt anhand des Designs der Artefakte zu untersuchen.

4.2 Vorgehen

Die Analyse von Bildungsmonitoring als Generierung und Verarbeitung von Daten und Informationen zuhanden bildungspolitischer Akteure erfolgt in der vorliegenden Arbeit ausschliesslich auf der Basis von Dokumenten bzw. schriftlichen Quellen. Obschon Bildungsmonitoring als Forschungsgegenstand und vorab die zeitliche Einordnung sich nur mit Mühe als historisch oder auch nur zeitgeschichtlich charakterisieren lassen, wird grundsätzlich ein Methodenrepertoire angewandt, das sich an historisch-kritischen und qualitativ-hermeneutischen Ansätzen orientiert (vgl. Abschn. 4.1). Auf der Basis textueller Daten wird dementsprechend über die reine Informationssammlung hinausgehend nach theoretischen Schlüssen und Interpretationsansätzen gesucht.

Für die Analyse der Bildungsmonitoring-Dispositive in allen 26 Kantonen der Schweiz wurde in drei Rechercheschritten ein umfangreiches Quellenkorpus erstellt: (1) Ausgehend von der Feststellung, dass Bildungsmonitoring ein Instrument politischer Kommunikation ist, simulierte eine unsystematische Recherche in den Onlineportalen der Kantone einen Zugang, wie ihn die interessierte Öffentlichkeit erhält. Gefunden wurde in diesem ersten Schritt eine breite Palette verschiedener Informationsprodukte und Projekte mit bildungsbezogenen Themen. Die kantonalen Schulblätter wurden als Instrumente bildungspolitischer Kommunikation in diesem Rechercheschritt ebenfalls systematisch einbezogen. (2) Als zweiter Rechercheschritt wurden die regierungsrätlichen Rechenschaftsberichte systematisch nach Hinweisen auf kantonale Bildungsmonitoring-Tätigkeiten und Bildungsberichterstattung durchsucht. Dieser zweite Rechercheschritt stellt einen zusätzlichen Zugang dar, mit dem die Ergebnisse des ersten Rechercheschrittes verifiziert und weitere Elemente von Bildungsmonitoring identifiziert wurden. (3) In einem dritten Schritt wurden weitere Dokumente, bezogen auf die Entstehungsprozesse und Produkte von Bildungsmonitoring, zusammengetragen. Da kamen Zwischenprodukte wie Vorstudien, Ergebnisberichte, politische Aufträge oder Rapporte der Exekutive zuhanden der Legislative zutage. In diesem Schritt wurde auch die für das Bildungswesen zuständige, kantonale Verwaltung näher untersucht. In ihren Publikationen wurden weitere wichtige Eckdaten zu Bildungsmonitoring gefunden.

Die Analyse der kantonalen Bildungsmonitoring-Dispositive ist grob auf den Zeitraum zwischen 2000 und 2016 beschränkt. Dementsprechend sind auch die Dokumente im Quellenkorpus mehrheitlich in dieser Zeit entstanden. Gerade die sukzessive Ausweitung des Quellenkorpus in den drei Schritten führte allerdings dazu, dass in einzelnen Kantonen auch Dokumente einbezogen wurden, die älter oder jünger sind.

Für die Analyse der Entwicklung von Bildungsmonitoring auf der nationalen bzw. gesamtschweizerischen Ebene erfolgte die Zusammenstellung der relevanten Quellen hauptsächlich auf der Basis bestehender Sekundärliteratur zum Aufbau der nationalen Bildungsberichterstattung, zur Entwicklung der Bildungsforschung sowie zur Entstehung eines nationalen Bildungsraums. Auch dieses Quellenkorpus besteht fast ausschliesslich aus öffentlich zugänglichen Dokumenten. Anders als für die Analyse der kantonalen Bildungsmonitoring-Dispositive wurde hier, vor allem aufgrund der besseren Verfügbarkeit von Sekundärliteratur, nicht systematisch und in mehreren Schritten auf eine vollständige Erfassung aller relevanten Dokumente hingearbeitet. Die Analyse des nationalen Bildungsmonitorings bezieht sich im Kern auf die Zeit zwischen 2001 und 2019. Die Aufnahme von Bildungsmonitoring ins Tätigkeitsprogramm der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK), der formale Projektauftrag sowie die erste Vorstudie markieren den Anfang dieses Zeitraums (vgl. Abschn. 5.4). Die Publikation der ersten Ergebnisse der ÜGK markiert das Ende des Untersuchungsfensters auf nationaler Ebene (vgl. Abschn. 5.5).

Die Auswertung der beiden Quellenkorpora erfolgte zunächst im Hinblick die Beschreibung der Bildungsmonitoring-Dispositive. Im Fall des Bildungsmonitorings auf nationaler Ebene wurden zusätzlich dessen Ursprünge in den 1960er-Jahren sowie die zentralen Entwicklungen in den 1990er-Jahren nachgezeichnet. Mit der Auswertung der Quellen zu den kantonalen Bildungsmonitoring-Dispositiven wurde, neben der Beschreibung, eine bewusste Verknüpfung von theoretischem Vorwissen mit empirischen Erkenntnissen und Einsichten angestrebt. Kelle und Kluge (2010) formulieren ein solches Vorgehen als iterativen, qualitativen Forschungsprozess: Das theoretische Vorwissen kann zu Beginn einer Untersuchung durchaus alltagsnah und empirisch wenig gesättigt sein. Im Verlauf des Forschungsprozesses steht für die einzelnen Analyseschritte ein immer umfangreicheres, empirisch gehaltvolleres und schliesslich auch theoretisch besser verwertbares Wissen zur Verfügung.

Die wesentlichen vier Iterationen im Auswertungsprozess waren die folgenden: (1) Mit den zentralen theoretischen Begrifflichkeiten, der Wahrnehmung bildungspolitischer Prozesse sowie der praktischen Erfahrung in der Erstellung eines Bildungsberichtes für vier Kantone der Nordwestschweiz (Criblez, Imlig & Montanaro, 2012) als Vorwissen wurden in allen 26 Kantonen Produkte identifiziert, die als Bildungsberichte bezeichnet werden konnten. Im Modus der qualitativ-theoriebildenden Faktoren- und Dimensionalanalyse wurden dabei die Zweckzuschreibungen sowie die Vielfalt der vorzufindenden Elemente, Formen und Instrumente, mit denen Daten und Informationen zuhanden bildungspolitischer Akteure generiert und verarbeitet werden, als weiter theoretisierbare Elemente identifiziert. (2) Mit diesem in diesem Sinne ergänzten Vorwissen wurden die Bildungsmonitoring-Dispositive in den fünf Kantonen Aargau, Luzern, Neuenburg, St. Gallen und Tessin genauer analysiert. Ein Augenmerk lag unter anderem darauf, welche weiteren Produkte einem Bildungsmonitoring-Dispositiv zugeordnet werden können und welche Akteure involviert sind. (3) Auf der Basis dieses relativ breiten und empirisch abgestützten, heuristischen Orientierungsrahmens folgte dann die Analyse aller 26 Kantone. Im Zuge der Analysen wandelte sich die Heuristik von einem analytischen Hilfsmittel zunehmend zu einer epistemologischen Struktur, in der theoretisches und empirisches Wissen kombiniert werden können, und die schliesslich herangezogen wird, um die Darstellung der Ergebnisse auf kantonaler Ebene zu strukturieren (vgl. Kap. 6) sowie um diese Ergebnisse in Form von Dimensionen zu theoretisieren (vgl. Kap. 7). (4) Für die abschliessende Darstellung von Bildungsmonitoring als Institutional work (vgl. Kap. 8) wurden sowohl die empirischen Ergebnisse als auch die theoretischen Erkenntnisse in Form der Dimensionen von Bildungsmonitoring nochmals neu gruppiert. Zentrale Ordnungs- und Typisierungskategorien waren dabei die in Bildungsmonitoring relevanten Institutionen, die Produkte von Bildungsmonitoring als Narrative und Artefakte sowie die Akteure und ihre Agency.