1 Einleitung

In nahezu jeder deutschen Großstadt werden „bessere“ von „schlechteren“ Stadtteilen unterschieden oder „teure“ von „bezahlbaren“ Gebieten abgegrenzt. Diese alltäglichen Differenzierungen sind darauf zurückzuführen, dass moderne Stadtgesellschaften weltweit trotz teils divergierender kultureller oder wirtschaftlicher Rahmenbedingungen durch soziale Disparitäten und Segregationsprozesse geprägt sind. Soziale Disparitäten, also ungleiche Lebensbedingungen in Städten, manifestieren sich stets in einer räumlichen Dimension. Nicht selten lassen sich diese Disparitäten beispielsweise an baulichen Qualitäten, Infrastrukturausstattungen oder der Verfügbarkeit von hochwertigen Freiräumen festmachen. In der Analyse der kleinräumigen soziostrukturellen Rahmenbedingungen in Städten lassen sich entsprechend Unterschiede im Einkommen oder in der Abhängigkeit von Transferleistungen feststellen. Residenzielle Segregation beschreibt das Phänomen der Verräumlichung sozialer Ungleichheit in der Stadt. Sie zeigt sich in einer erhöhten Konzentration von Armuts- und Desintegrationsphänomenen auf der einen und in erhöhtem Wohlstand auf der anderen Seite. Segregationsprozesse in Städten führen dazu, dass sich diese zunehmend nach unterschiedlichen, räumlich verorteten Sozialstrukturen ausdifferenzieren (Farwick, 2001). Politisch und medial diskutiert werden in der Regel die Fragmente urbaner Gesellschaften, welche als Bereiche enorm verdichteter sozialer Problemlagen wahrgenommen werden – also als Viertel mit hohen Armutskonzentrationen, desolaten Wohnsituationen und infrastrukturellen Defiziten. Auf dieser sog. Quartiersebene werden die zentralen Handlungserfordernisse definiert – in der Regel mit dem klaren Fokus auf die „benachteiligten“ Quartiere. Kommunen kommen beim Versuch, der Segregation und Armutskonzentration durch die Förderung dieser Quartiere auf verschiedenen Ebenen (z. B. Sanierung, Projektentwicklung, Infrastrukturausstattung) entgegenzuwirken, schnell an ihre finanziellen und zum Teil steuerungsbezogenen Grenzen. Seit ihrer neoliberalen Umgestaltung in den 1980er und 1990er Jahren sind lokale Verwaltungen gezwungen, sich in ihren Entscheidungen zunehmend an ökonomischen Kriterien zu orientieren und Ressourcen zielgerichtet einzusetzen (Crouch, 2008, S. 57–60, 101–132; Häußermann et al., 2008, S. 279–300). Zudem sind sie verstärkt auf zweckgebundene und immer häufiger raumbezogene Förderprogramme auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene angewiesen, denn hier werden problemorientiert finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt.

An dieser Stelle wird die Sozialplanung als analytisches und strategisch beratendes Steuerungsinstrument relevant. Im Rahmen der Sozialberichterstattung liefert Sozialplanung kleinräumige Daten zur sozialen Lage und identifiziert räumlich fokussierte Handlungsbedarfe. Marginalisierte Stadträume werden zum Gegenstand der Planung mit dem Ziel, die Lebensqualität für die lokale Bürgerschaft zu erhöhen und Politik, Bürokratie und Bevölkerung für die quartierspezifischen Problemlagen zu sensibilisieren (Gerber, 2017, S. 13 f.). Sozialplanung definiert somit räumliche Grundlagen (Abgrenzung von zu analysierenden Raumeinheiten) und erarbeitet häufig eine vermeintlich objektive, weil statistisch hergeleitete Analyse der sozialen Lage für die Akquise von Fördermitteln. Damit – und dies ist das Kernstück dieses Beitrags – bewegt sich Sozialplanung auf einem schmalen Grat zwischen wissenschaftsgestützter Analyse und einer starken Komplexitätsreduktion in Bezug auf soziale Problemlagen mit dem Ziel, Bedarfslagen zu identifizieren. Die Sozialplanung verstärkt durch eine spezifische Form der Sozialberichterstattung die strukturell bedingten Folgen unfreiwilliger Segregation marginalisierter Gruppen durch eine nichtintendierte Verstärkung der Stigmatisierung von Quartieren. In diesem Zusammenhang geht dieser Beitrag zunächst kritisch auf sozialplanerische Praktiken (Abschn. 2 und 3) ein und zeigt anschließend Möglichkeiten auf, Sozialberichterstattung und -planung reflexiver im Hinblick auf das eigene Rollenverständnis zu gestalten.Footnote 1 (Abschn. 4).

2 Soziale Lebenswelten und die Macht von Zahlen: Die sozialplanerische Praxis

Das Konzept der Sozialplanung geht auf die Idee der integrierten Planung zurück, die seit den 1960er Jahren insbesondere auf kommunaler Ebene in Deutschland implementiert wurde. Die Sozialplanung sollte Verwaltungshandeln und Interessen der Bürger*innen harmonisieren sowie einzelne Fachdisziplinen wie zum Beispiel Jugendhilfeplanung, Altenplanung und Stadtplanung zusammenbringen, um ganzheitliche Planungsprozesse zu fördern (Dahme & Wohlfahrt, 2015, S. 121). In Verwaltungen wurde daraufhin sukzessive eine Koordinationsstelle „Sozialplanung“ etabliert, die als Bindeglied verschiedener Fachplanungen fungieren und über ein eigenes Berichtswesen zur Sozialentwicklung in den betreffenden Kommunen verfügen sollte. Diese erhielt die Aufgabe, kleinräumige Bedarfe und Problemfelder zu erfassen und die Lebenslagen in verschiedenen Teilen der Städte gegenüber Politik und Öffentlichkeit verständlich zu machen (Gottschalk, 2019, S. 5; Werner, 2019b, S. 18; Brülle & Krätschmer-Hahn, 2018).

Ab den 1990er Jahren wurde innerhalb der Verwaltung das betriebswirtschaftlich orientierte New-Public-Management-Modell implementiert. Dieses Modell zielt darauf, die Effizienz der Verwaltungen zu steigern und die Kooperation mit Politik, freien Trägern, privaten Akteur*innen und Bürger*innen zu verbessern (Häußermann et al., 2008, S. 295–298). In vielen Kommunen wurden daher umfassende Sozialberichterstattungen etabliert. Zusammen mit der Sozialplanung entwickelten sie sich insbesondere in Großstädten zu einem allgegenwärtigen Bestandteil kommunaler Verwaltungsstrukturen.

Im Kontext dieses neuen Steuerungsmodells übernimmt Sozialplanung eine entscheidende Funktion. Sie erforscht die sozialen Lagen auf kommunaler Ebene, identifiziert Handlungsfelder und definiert Maßnahmen als Lösungsansätze. Aufgrund der zunehmenden Finanzknappheit der öffentlichen Kassen entwickelte sich die Sozialplanung zum anderen allerdings noch stärker zu einer strategisch-beratenden Einheit (Dohmen-Burk, 2019, S. 83; Gottschalk, 2019, S. 7 ff.). Diese erleichtert und legitimiert Entscheidungen, wo etwa Gelder oder Personalstellen am effektivsten ausgegeben bzw. eingesetzt werden sollen. Sie steuert somit die Ressourcenallokation – insbesondere für die besonders relevanten „freiwilligen“ Mittel, die abseits von gesetzlich festgelegten Zahlungen zusätzlich als Fördersummen im kommunalen Haushalt bereitgestellt werden (Häußermann et al., 2008; Jungfer, 2005). Wenn also Mittel für ein „freiwilliges“, zusätzliches Beratungsangebot, zum Beispiel für Alleinerziehende, zur Verfügung gestellt werden sollen, dann besteht der Anspruch, dieses Angebot bedarfsgerecht einzusetzen. Die Lösung liegt dann entsprechend nahe: Es werden Räume ausgewählt, in denen die Alleinerziehenden-Quote besonders hoch sind. Zusätzliche Mittel sollen in dieser Logik dort ausgegeben werden, wo möglichst viele Personen der definierten Zielgruppen davon profitieren können. Eine Folge davon ist die Territorialisierung von sozialen und insbesondere sozioökonomischen Problem- und Bedarfslagen.

In diesem Kontext haben sich raumbezogene Förderprogramme von Bund und Ländern (insbesondere „Soziale Stadt“Footnote 2 in Deutschland) sowie auf europäischer Ebene (zum Beispiel Europäischer Sozialfonds) etabliert, um Städte und Kommunen zu unterstützen, denen die ökonomischen Ressourcen zum Erhalt oder Ausbau von Infrastrukturen und Maßnahmen fehlen. Auch hierbei nimmt die Sozialplanung eine zentrale Rolle ein. Denn die potenziellen Gelder sind gebunden an fixe „Projektkontexte“ mit einer gut begründeten Wahl von „Projekträumen“. Raumbezogene Förderprogramme verfolgen in den jeweiligen Städten somit das Ziel, klar abgrenzbare „Problemräume“ planerisch zu bewirtschaften und sogenannte Strukturprobleme wie Armut, Desintegration oder städtebauliche Missstände auf kleinräumiger Ebene zu bekämpfen.

Diese Territorialisierung von sozialen Zuständen und Prozessen führt letztlich dazu, dass nicht soziale Problemlagen im Allgemeinen (z. B. Strukturwandel, verfestigte Transferleistungsbezüge) behandelt werden, sondern die vermeintliche Aufwertung einzelner Räume in den Fokus gerückt wird. Für die Sozialplanung ist dies eine entscheidende Rahmenbedingung, da sie dazu verleitet wird, in defizitorientierter Weise „Problemräume“ zu identifizieren. Damit erhöht sie die Effekte territorialer Stigmata.

Im Rahmen der Sozialberichterstattung untersuchen Sozialplaner*innen in der Regel klar abgrenzbare, statistische Raumeinheiten und setzen sie in den gesamtstädtischen Durchschnittskontext. Dadurch werden mit der Sozialberichterstattung oftmals auch neue räumliche Ordnungsmuster geschaffen. Hinzu kommt, dass durch die Sozialplanung vorwiegend solche Räume analysiert werden, für die es bereits eine Datenbasis gibt. Damit steuern also die Verfügbarkeit von Daten und die räumlichen Ordnungsprinzipien, die sich hinter den Datensätzen verbergen, ganz entscheidend die Art und Weise mit, wie soziale Realitäten rekonstruiert werden. In Abb. 1 werden beispielhaft die 60 sogenannten „Lebensräume“ der Stadt Aachen dargestellt. Sie wurden für die städtische Sozialplanung neu konstruiert und dienen seither als Analysebasis für das Sozialmonitoring.

Abb. 1
figure 1

(Eigene Darstellung)

Die 60 Lebensräume der Sozialberichterstattung in Aachen.

Sozialplanung konstruiert somit jeweils eigenlogische räumlich-analytische Grundlagen, welche dann durch die enge Raumfokussierung mit einer sozialen „Wirklichkeit“ gleichgesetzt werden. Sie schafft vermeintlich statistisch-homogene Sozialräume (oder Quartiere) und wertet auf dieser Basis eine Fülle an unterschiedlichen Sozialindikatoren aus. Zu solchen gehören Altersstrukturen, Haushaltsdaten, Armutsindikatoren, Indikatoren im Bereich der sozialen Teilhabe (z. B. Wahlbeteiligung) und Gesundheitsdaten. Aus diesen werden raumbezogene Handlungsnotwendigkeiten abgeleitet. Zwangsläufig ergibt sich im Zuge der Analysen ein Benchmarking der zur Analyse bereitstehenden Raumeinheiten. Denn wie ein Sozialraum hinsichtlich seiner Daten zu bewerten ist, ist immer relativ zu sehen. Jeder Sozialraum wird mit seinen Datenkombinationen mit allen anderen Werten und vor allem mit gesamtstädtischen Durchschnittswerten verglichen, da die Werte erst im Vergleich eine Bewertungsdimension erhalten. Dabei werden insbesondere Abweichungen vom Durchschnittswert interessant. Der konstruktivistische Charakter der Raumeinheiten wird selten reflektiert. Vielmehr wird Sozialberichterstattung an manchen Stellen zum Optimierungsprozess bei der Suche nach den „idealen Problemräumen“. Nicht selten werden Quartiere als Fördergebiete neu definiert, um Fördermittel zu erhalten. Dabei gilt: Abhängig davon, welche Straßenzüge oder Gebäudeeinheiten in das zu konstruierende Gebiet integriert werden, ergeben sich gänzlich andere Durchschnittswerte für die gewählten Sozialindikatoren und somit unterschiedliche Facetten territorialer Problemzuspitzungen. Die Notwendigkeit, an den raumbezogenen Fördermitteln teilhaben zu können, erhöht den Druck, „Problemquartiere“ zu finden, und damit auch, sie zu konstruieren. In den Argumentationen wird entsprechend selten reflektiert, dass diese Stadtquartiere als Konstrukte in die Berichterstattung eingehen, wo sie durch Kommunikation verfestigt werden. Sie dienen letztlich dazu, Städte zu ordnen und zu beschreiben (Anderson, 2005; Gebhardt et al., 2004; Miggelbrink, 2009; Wardenga, 2006).Footnote 3

In einem weiteren Schritt werden die Daten und Ergebnisse kartografisch verarbeitet. Karten sind ein beliebtes Mittel, um die Ergebnisse kompakt, verdichtet und teilweise plakativ darzustellen.Footnote 4 Hier erscheinen die „Problemquartiere“ als von der Norm abweichende „Inseln“, häufig als rot eingefärbte Raumeinheiten (Beispiele siehe bei Kozanák, 2014, S. 27; Kersting et al., 2009, S. 143). Bezeichnet werden diese „Inseln“ dann beispielsweise als soziale Brennpunkte oder „Räume mit besonderen Problemlagen“, was das letzte Stadium der von der Sozialberichterstattung vollzogenen Territorialisierung sozialer Probleme darstellt. Dabei ist festzustellen, dass über die kartografischen Pendants, also die „grünen“, vermeintlich „problemfreien“ Räume selten diskutiert wird, obwohl diese durchaus über spezifische Probleme verfügen können. Zu diesen gibt es nur häufig keine verfügbaren Daten (Themen Mobilität, Einsamkeit im Alter etc.).

Letztlich bleibt festzuhalten, dass die starke Defizitorientierung der Sozialberichterstattung zur Exponierung ohnehin schon durch Struktur- und Imageprobleme betroffener Räume beiträgt. Die endogenen Defizite dieser Räume werden somit durch exogene Prozesse der Berichterstattung verschärft. Denn Sozialplanung schafft öffentlichkeitswirksame Publikationen, aus denen gerne vereinfacht zitiert wird, wo es „am schlimmsten“ ist. Dies verdeutlicht klar den schmalen Grat zwischen Analyse und Überakzentuierung, auf dem sich Sozialplanung befindet. Häufig werden sogenannte „Problemquartiere“ über eine einfache, verknüpfende Analyse von einigen wenigen Indikatoren identifiziert. Diese sind vor allem auf sozioökonomische Strukturdaten ausgelegt (Transferleistungsbezug, Alleinerziehenden-Quote). Die komplexen Lebenswelten der Menschen in diesen Quartieren werden so auf wenige erklärende Variablen reduziert. Sozialräumlich organisierte Handlungsinstrumente (z. B. Quartiersmanagement) werden entsprechend dieser Ergebnisse eingesetzt. Wenn es darum geht, knappe Ressourcen bestmöglich einzusetzen, ist dieses Vorgehen verständlich; die Botschaft vor Ort ist damit trotzdem eindeutig: „Hier sind die Probleme übergroß!“

Insgesamt führt die Verräumlichung sozialer Herausforderungen innerhalb von Städten und einzelnen Bezirken zu einer vereinfachenden Fokussierung gesellschaftlicher Prozesse auf Raumkonstrukte. Sowohl die gesamtgesellschaftlich zu betrachtenden Problemlagen als auch die individuellen Problemlagen vor Ort werden über den Raum verallgemeinert und homogenisiert. Aus sozialen Problemen von Menschen an einem Ort werden räumliche Strukturprobleme. Und so werden aus „armen“ Menschen „arme“ Quartiere.

3 Die sozialplanerische Stigmatisierung von Quartieren

In der Debatte zu den Effekten von Quartieren wird mehrheitlich davon ausgegangen, dass Quartiere mit einem hohen Anteil sozial Benachteiligter eine zusätzliche negative Wirkung auf ihre Bewohner*innen haben (Farwick, 2001, S. 123–141; Kessl & Reutlinger, 2010, S. 114–120; Häußermann & Siebel, 2000, S. 133 f.; Volkmann, 2012, S. 18). Diese Effekte lassen sich hinsichtlich ihrer sozialen (Interaktion, Zusammensetzung der Wohnbevölkerung, Sozialisation), politischen (institutionelle Vorgehensweisen), materiell-physischen (Umweltbedingungen, bauliche und infrastrukturelle Ausstattung, Lage und Erreichbarkeit) und symbolischen (Image, Stigma) Dimension differenzieren (Dangschat 2014, S. 226 f.; Schuster & Volkmann, 2019, S. 2 ff.; Volkmann, 2012, S. 20). Auf letztere bezieht sich der Begriff territorialer Stigmatisierung. Darunter wird die kollektiv vollzogene symbolische Abwertung städtischer Räume verstanden (Wacquant, 2018, S. XX; Wacquant et al., 2014, S. 1272). Insbesondere die städtische Bürokratie, d. h. auch die Sozialplanung, die Privatwirtschaft sowie Wissenschaftler*innen, intellektuelle Eliten verfügen über die symbolische Macht, die Wahrnehmung spezifischer städtischer Räume zu prägen und anschließend zum Gegenstand politischer Maßnahmen zu machen.Footnote 5 Die Sozialplanung hat wie oben aufgeführt sogar regelrecht den Auftrag, städtische Teilräume zu labeln. Ist der Schritt zum zwar ungewollten, aber dennoch wirksamen Stigma durch die Definition des Viertels als Ort konzentrierter Problemlagen vollzogen, folgen weitere:

„Diese auf den Raum bezogene Schande verzerrt Wahrnehmung und Verhalten von Akteuren der öffentlichen Bühne und der Wirtschaft (etwa wenn Firmen die Auswahlkriterien bezüglich Investitionen und Anstellungen nach Lage und Wohnort ausrichten), ebenso wie die Zuteilung zentraler öffentlicher Dienstleistungen wie Sozialhilfe, Gesundheit und Polizei“ (Wacquant, 2018, S. XX–XXI).

Eine zusätzliche Verschärfung der Stigmatisierung tritt ein, sobald jene Gruppen und Institutionen mit symbolischer Macht die geografische Lage des als homogen wahrgenommenen Wohnortes mit dessen Bewohner*innen identifizieren. Wissenschaft und Journalismus tragen ihren Teil zu diesem Stigmatisierungsprozess bei, indem sie durch die gezielte Verwendung von Signalworten oder eine intensivierte, problematisierende Forschung und Berichterstattung die Wahrnehmung bürokratischer Eliten prägen und konsolidieren. Dabei ist es auch so, dass wissenschaftlich gut aufbereitete Analysen in der Sozialberichterstattung erst der Ausgangspunkt für weitere Kommunikationsprozesse sind. Diese können – insbesondere auf das Wording bezogen – dann auch nicht mehr durch die Sozialplanung gesteuert werden. So titelt die tz, 2009 „Wo Münchens Sorgen wohnen“ und liefert in einer Grafik die entsprechend rot eingefärbten Gegenden der Stadt gleich mit.Footnote 6 Sehr anschaulich zeigt das Münchner Boulevardmagazin, wie die räumliche Adressierung sozialer Probleme zum territorialen Stigma gerät. Die Stellungnahme des wissenschaftlichen Leiters vom Deutschen Institut für Urbanistik (Difu), Rolf-Peter Löhrs, im Jahre 2002 kann als paradigmatisch für den Anteil der Wissenschaft am Stigmatisierungsprozess gelten. Denn das Difu war bis 2003 die zentrale wissenschaftliche Begleitinstanz im Rahmen des Bundesprogramms „Soziale Stadt“, das die Identifikation sozialräumlicher Problemlagen durch Sozialberichterstattung sowie deren sozialplanerische Bewältigung zum Ziel hat.

„Dort leben manche Leute schon in der dritten Generation von Sozialhilfe – da herrscht Sozialhilfeadel – die wissen gar nicht mehr, wie das ist, morgens aufstehen, sich rasieren, vernünftig anziehen und zur Arbeit fahren. Die kassieren ihr Geld vom Staat, machen nebenbei noch ein bisschen Schwarzarbeit, wenn sie nicht sogar kriminell werden. Wenn wir etwas bewegen wollen, müssen wir diese Leute aus ihrer Lethargie wecken, ihnen klar machen, dass sie für sich, ihre Stadt und ihr Viertel selbst verantwortlich sind“ (Löhr, zitiert nach Kessl & Reutlinger, 2010, S. 107).

Wissenschaft und Journalismus geben somit eine Perspektive vor, in der die dem Wohnort zugeschriebenen negativen Attribute auf die Bewohner*innen übertragen und soziale Probleme, die in einem Mangel an Infrastruktur und Arbeitsplätzen gründen, auf individuelle Einstellungen und Verhaltensweisen (beispielsweise fehlende Leistungsbereitschaft) zurückgeführt werden. Im Umgang mit stigmatisierten Orten wird jedoch nicht allein auf Aktivierungs- und Rehabilitierungspolitiken, sondern immer wieder auch auf Methoden des Überwachens und Bestrafens zurückgegriffen (Kessl & Reutlinger, 2010, S. 114–120).Footnote 7

Das territoriale Stigma kann tiefschürfende soziale und psychische Folgen für die Bewohner*innen marginalisierter Quartiere haben und zu beschädigten Identitäten führen.Footnote 8 Die beschädigte Identität erschwert es den Bewohner*innen, sich mit dem Quartier und ihrem sozialen Umfeld zu identifizieren. Als Folge ziehen sie sich ins Private zurück, was zur Erosion sozialer Bindungen führt und die Fähigkeit unterminiert, sich kollektiv zu organisieren (Wacquant, 2018, S. XX f.). Selbst die sozialplanerisch bekämpften Segregationsprozesse können durch ein territoriales Stigma verstärkt werden, sprich die planerische Absicht wird von ihrem eigenen Vorgehen konterkariert. Denn aufgrund ihres Stigmas reduzieren sich für die Bewohner*innen marginalisierter Stadtteile nicht nur die Chancen auf dem Arbeitsmarkt,Footnote 9 sondern auch die Aussichten, eine geeignete Wohnung in einem renommierteren Quartier zu erhalten, was Segregationstendenzen weiter verstärkt.Footnote 10 Die Paradoxie wird spätestens dann sichtbar, wenn sich in den Quartieren Widerstand regt. Dieser nimmt aufgrund eines Mangels an ökonomischer oder symbolischer Macht der Bewohner*innen tendenziell die Form der Gewalt an, wie es etwa 2011 im Londoner Stadtteil Tottenham und 2005 in den französischen Banlieues beobachtet werden konnte (Dzudzek & Müller, 2013; Eribon et al., 2019). Sozialberichterstattung ist damit ein wesentlicher Teil von lokalen Kommunikationsprozessen und prägt die Art und Weise, wie über einzelne Fragmente von Städten gesprochen wird. Sie kann dabei zur Verschärfung von territorialen Stigmatisierungen beitragen. Im Folgenden werden Anregungen vorgestellt, mittels derer die skizzierte Stigmatisierung gemildert oder umgangen werden kann.

4 Sozialplanung weitergedacht: Zur Reflexion der eigenen Rolle in der Sozialberichterstattung

Mit den folgenden Überlegungen soll auf das Spannungsfeld eingegangen werden, in dem sich Kommunen bei ihrer Raum- und Förderpolitik befinden. Einerseits sind sie auf eine raumbezogene Sozialplanung angewiesen, andererseits um eine Abmilderung von Stigmatisierungseffekten bemüht. Für die Sozialplanung ist ganz entscheidend, dass sie ihre Rolle als Wissensvermittlerin ernst nimmt und sich dem konstruktivistischen Charakter ihrer analytischen Grundlagen bewusst wird.

Bezüglich des Strebens nach einer reflexiven Sozialplanung und einer differenzierten Sozialberichterstattung kristallisieren sich folgende Möglichkeiten heraus:

Fokus auf Komplexität, Heterogenität und Potenzialerkennung

Um der territorialen Stigmatisierung entgegenzuwirken kann nicht gelten, soziale Problemfelder in ihrer räumlichen Dimension zu tabuisieren. Sozialplanung ist in erster Linie um Transparenz bemüht und sollte dies auch weiter tun. Das übergeordnete Ziel sollte nur nicht die Identifizierung von Problemen sein, sondern die allgemeine Beschreibung der sozialen Lage. Es sind differenzierte Analysen nötig, um Räume stärker in ihrer Komplexität darzustellen. Neben offensichtlichen Defiziten und Problemkonstellationen müssen die Potenziale beschrieben und in den Fokus gerückt werden.Footnote 11 Beispielsweise weisen soziale Einrichtungen wie Schulen in Räumen mit besonderen sozialen Herausforderungen sehr häufig große Erfahrungswerte und Know How auf und die Akteur*innen vor Ort sind in der Regel gut in Netzwerken organisiert und arbeiten gemeinsam, was insgesamt als großes Potenzial angesehen werden kann. Schulen und Kindertagesstätten in migrantisch und gleichzeitig durch Armut geprägten Quartieren leisten häufig sehr gute Integrationsarbeit und sind als starke Partner*innen in der Quartiersentwicklung zu sehen. Ein Fokus auf die Infrastruktur vor Ort kann daher hilfreich sein, um Ergebnisse aus der Analyse von Sozialstrukturen einordnen und in eine Entwicklungsperspektive überführen zu können. So ist beispielsweise eine hohe Alleinerziehenden-Quote sozialplanerisch per se nicht unbedingt als ‚Problem‘ zu werten, wenn es vor Ort ein breites Angebot zur Unterstützung und Beratung gibt und beispielsweise die lokalen Kindertagesstätten auf Alleinerziehende eingestellt sind. Dann ist die hohe Quote vor Ort vielleicht sogar Indiz einer Stärke, weil sie ein effektives Unterstützungsangebot im Umfeld bedingt.

Um die Komplexität und auch Heterogenität von kleinräumiger Sozialentwicklung erfassen zu können, sollte das Portfolio der Sozialberichterstattung auch qualitative Methoden (Interviews, teilnehmende Beobachtungen etc.) beinhalten, denn gerade mit ihnen kann der Sozialraum als Feld aktiver nachbarschaftlicher Beziehungen, bürgerschaftlichen und akteursbezogenen Engagements sowie sozialer Netzwerke rekonstruiert werden (Heintze, 2019, S. 45 f.). Ein Stichwort ist hierbei die sog. responsive Bildung von Indikatoren. Damit ist gemeint, dass Sozialplanung sozialraumbezogene Informationen dauerhaft und systematisch im Sinne eines Bottom-up-Prozesses mit einbezieht. Dabei hilft ein regelmäßiger Austausch mit zentralen Netzwerken und Akteur*innen in den Quartieren der Sozialberichterstattung. Quartiersmanagements oder Stadtteil- bzw. Quartierskonferenzen können als Seismografen und Lotsen fungieren und gewährleisten, dass sich wandelnde Bedürfnisse kommuniziert und sozialplanerisch berücksichtigt werden. Eine derartige sozialräumliche Planung baut bürokratisch-administrativ eingezogene Hierarchien ab, versteht die Bewohner*innen als Instanz, vor der es sich in erster Linie zu rechtfertigen gilt, und greift damit zentrale Gedanken des Community Organizing auf (May, 2008, S. 72–79). Noch weiter geht der sog. Ansatz des Asset-Based Community Development (ABCD), der Quartiersentwicklung bewusst auf die lokalen Stärken und Potenziale ausrichtet und vor allem in Nordamerika zum Einsatz kommt. Konträr zu stärker bedarfsorientierten Ansätzen, die einen analytischen Blick auf den Raum und die Menschen werfen und somit eine Top-down-Bedarfsermittlung mit sich bringen, besteht beim ABCD-Ansatz die Prämisse, dass sich Menschen in Gemeinschaften organisieren und die Entwicklung in ihrem Quartier vorantreiben können, indem sie Potenziale und Anknüpfungspunkte für Lokalentwicklung identifizieren und nutzen (Kreitzer et al., 2020, S. 44 f.). Themen, aber auch neue Entwicklungsrichtungen für einzelne Quartiere und Nachbarschaften werden vor Ort im Quartier und durch die lokale Bevölkerung definiert. Dabei kann es sein, dass diese nicht unbedingt mit der sozialplanerischen Analyseebene korrespondieren müssen. Auch in solchen Fällen sollte die Sozialplanung Unterstützungsmöglichkeiten aufbauen und anbieten und vor allem den ‚Raum‘ für diese Prozesse zulassen bzw. fördern.

Zudem ist es für die Sozialberichterstattung sehr hilfreich, die Zusammenhänge zwischen Raumstrukturen zu erarbeiten. Die Marginalisierung von Räumen ist nicht ohne die Herausbildung von wohlhabenden, auf den ersten Blick als „sorgenfrei“ einzustufenden Quartieren möglich, denn beide werden stets in Relation zueinander eingeordnet (Belina & Miggelbrink, 2010). In der Regel wird völlig außer Acht gelassen, dass der Wohnungsmarkt der zentrale Treiber von Segregationsprozessen ist. Die Verzahnung von Sozial- und Wohnungsmarktberichterstattung ist ein guter Weg, um einzelne Räume und ihre Sozialstrukturen mit gesamtstädtischen Entwicklungen in Beziehung zu setzen.

Neue und alternative Daten

Häufig wird in der sozioökonomischen Berichterstattung aufgrund des Mangels an Zahlen zur kleinräumigen Einkommensstatistik die Bevölkerung regelrecht in zwei Gruppen eingeteilt: die Tranferleistungsempfänger*innen und die Nichttransferleistungempfänger*innen. Dies wird den komplexen Bedarfslagen in den alltäglichen Lebenswelten der Bevölkerung nicht gerecht. Solche Ansätze führen zu einer starken Homogenisierung einzelner Bevölkerungsgruppen und Raumeinheiten. Es stellt sich die Frage, wie alternative Bedarfs- beziehungsweise Potenziallagen zu identifizieren sind. Das Thema „Soziale Teilhabe“ ist dabei einer von vielen Schlüsselbegriffen. Dieses zugegebenermaßen komplexe Thema lässt sich beispielsweise in einer Annäherung über Indikatoren wie Wahlbeteiligung, Verbreitung von Ehrenamtsausweisen, Theaterabonnement-Bezug, Teilnahme an Weiterbildungen von Volkshochschulen, Vereinsmitgliedschaften oder Bezug von Stadtbibliotheksausweisen kleinräumig darstellen, auch wenn dies nur einen Ausschnitt von sozialer Teilhabe abbilden kann.Footnote 12 Die Operationalisierbarkeit der Betrachtungsebenen setzt der Sozialberichterstattung deutliche Grenzen. Und dennoch: Die oben genannten Daten bieten einen Einstieg in das komplexe Themenfeld von sozialer Teilhabe. Vermehrte Forschung und neue empirische Zugänge zu den Variablen könnten einer solchen Betrachtungsweise zu größerer Bedeutung verhelfen.

Auch andere Darstellungsformen sind zu überlegen. Die Macht, die hinter Zahlen- und Kartenwerken steckt, und die Folgen einer Reduzierung von Komplexität in der Sozialberichterstattung gilt es in der Sozialplanung zu reflektieren. Dabei helfen beispielsweise raumtheoretische Ansätze und insbesondere die kritische Kartografie (Glasze, 2013), die sich mit der Raumproduktion und der „Macht von Karten“ beschäftigt. Die oben diskutierte Problematik subjektiver Raumkonstruktionen kann aufgebrochen werden durch eine zumindest partielle Abkehr vom Denken in vermeintlich lebensweltorientierten Quartieren. Sogenannte Rasterkarten werden so konzipiert, dass das Stadtgebiet in Quadrate (zum Beispiel 500 × 500 m) eingeteilt wird und über diese Indikatoren dargestellt werden. Diese Quadrate orientieren sich nicht an politischen Grenzen oder gefühlten Nachbarschaften. Sie zeigen häufig auf, dass sich die räumliche Verteilung von Problemlagen selten „perfekt“ über bekannte und immer wieder reproduzierte Viertellabels erklären lassen.

Des Weiteren lassen sich nicht alle sozialen Phänomene über den Raum erklären. In der Formulierung von Maßnahmen, etwa zur Bekämpfung von Kinderarmut, kann es durchaus sinnvoll sein, sich zum Beispiel Daten von Betreuungseinrichtungen anzuschauen und über die soziale Durchmischung einrichtungs- und nicht sozialraumbezogen zu diskutieren. In der Analyse einrichtungsbezogener Segregationsphänomene zeigt Kersting für die Stadt Mülheim/Ruhr auf, dass über einen reinen Sozialraumbezug die Konzentration von Armut in Kinderbetreuungseinrichtungen völlig außer Acht gelassen wird (Kersting, 2017).

Wissensvermittlung und Einordung der Ergebnisse

Sozialberichterstattung ist ein zentraler Kommunikationskanal und hat den Auftrag der Wissensvermittlung. Sie „liefert“ nicht nur Daten, sondern ist verantwortlich dafür, wie Öffentlichkeit über Stadt und Gesellschaft spricht. Es ist unabdingbar, nicht lediglich Daten und Kartenmaterialien zu produzieren, sondern die Ergebnisse zu erklären und in einen Kontext zu setzen. Sozialberichterstattung sollte sich wichtigen Fragen in ihrer Komplexität stellen. Zu solchen Fragen gehören etwa:

  • Was impliziert eine erhöhte Quote von Migrant*innen vor Ort?

  • Sind alle arm, die Transferleistungen beziehen?

  • Welche Wechselwirkungen bestehen zwischen der erhöhten Armutskonzentration und der Wohnungsmarktentwicklung?

  • Was bedeutet das viel diskutierte Ziel der sozialen Durchmischung? Und wer strebt diese eigentlich an (Brülle & Krätschmer-Hahn, 2018)?

Sozialberichterstattung sollte beim „Verstehen“ helfen, denn damit zeigt sie Problemfelder auf und beugt gleichzeitig Überakzentuierungen von Themen oder Fehlinterpretationen vor. Dies fängt bei der Erklärung von Indikatoren an (Was bedeutet überhaupt ein Bezug von Arbeitslosengeld nach dem SGB II?) und führt zum Aufzeigen von deren Wechselwirkungen.

Sozialberichterstattung mit Weitblick

Eine Sozialberichterstattung, die lediglich eine Identifizierung marginalisierter Problemräume intendiert, verschärft das Problem territorialer Stigmata. Sie stützt sich in der Regel auf sozioökonomische Armutsdaten und das Thema der Zuwanderung (Integrationsherausforderungen) und konstruiert damit zugleich Räume, in denen sich soziale und ethnische Segregationstendenzen verstärken. Eine interdisziplinäre Berichterstattung wird allerdings auch in den vermeintlich unauffälligen, weil nicht von Armut betroffenen Räumen Defizite und Herausforderungen identifizieren. Ihr Motiv lässt sich auf die Formel bringen: „Jedes Quartier hat seine spezifischen Herausforderungen.“ Das Bild wird deutlich differenzierter, sobald demografische Überalterungsprozesse, städtebauliche Herausforderungen, Mobilitäts- und Anbindungsfragen, Wohnungsmarktentwicklungen und Umweltfaktoren ebenfalls berücksichtigt werden. Statt die „guten“ von den „schlechten“ Quartieren zu trennen, bietet es sich an, Quartierstypen mit spezifischen Problemlagen zu definieren, die ein differenzierteres Bild der Stadt ergeben. Hierunter werden sich sicherlich auch die Quartiere mit Multi-Problemlagen wiederfinden. Diese werden dann allerdings in einen Gesamtzusammenhang städtischer Entwicklungen gesetzt. Das bedeutet auch, zu relativieren und die Bedeutung von Segregation für die Stadt zu verstehen. Wenn in vier Stadtvierteln, in denen 25 % der Gesamtbevölkerung leben, 50 % aller Transferleistungsempfänger*innen leben, spricht dies für eine deutliche Konzentration und eine Segregationstendenz. Ein Raumfokus scheint dann unausweichlich. Gleichzeitig bedeutet dieses Rechenbeispiel allerdings auch, dass jede*r zweite Transferleistungsempfänger*in eben nicht in diesen vier Quartieren lebt.

Ausgleichender lokaler Förderansatz

Es ist notwendig, die lokale Förderpolitik differenziert zu gestalten und sich möglichst allen genannten Themenfeldern anzunehmen. Neben Programmen zur Armutsbekämpfung und Beseitigung von Strukturproblemen in Multi-Problemgebieten können auch andere Quartiersprojekte über Fördermittel umgesetzt werden – zum Beispiel solche, die sich mit dem demografischen Alterungsprozess auf Quartiers- oder Nachbarschaftsebene beschäftigen. Ein Themenmix beim gesamtstädtischen Einsatz von Instrumenten wie Quartiersmanagement kommuniziert eine ganzheitliche Betrachtungsweise und eine ausgleichende kommunale Förderpolitik.

Klare und konkrete Zielsetzungen

„Armutsbekämpfung“, „Aufwertung“, „Durchmischung“ oder die „Schaffung von mehr Begegnung“ bleiben oftmals sehr vage formulierte Ziele an der „Oberfläche“. Eine klare Idee davon, was insbesondere soziale Maßnahmen in den als „Problemräumen“ identifizierten Quartieren erzielen sollen, hilft, sich mit den individuellen und spezifischen Problemlagen zu beschäftigen. Ein roter Faden in Analyse, Interpretation und Schlussfolgerungen schafft Möglichkeiten für klar formulierte Handlungsempfehlungen und Maßnahmenentwicklungen bei der Fokussierung auf die konkreten Bedarfe. Damit verbunden ist eine realistische Zielsetzung sinnvoll, genauso wie der offene Umgang mit gegebenen Strukturen, die nicht unmittelbar durch die Sozialplanung selbst beeinflusst werden können.

Mit diesen Handlungsempfehlungen lässt sich der konstruktivistische Charakter der Sozialplanung und ihrer Sozialberichterstattung nicht gänzlich auflösen und auch das Problem des schmalen Grats zwischen wissenschaftlichem Anspruch und der starken Komplexitätsreduktion in Bezug auf soziale Problemlagen bleibt aufgrund der übergeordneten Rahmenbedingungen, in denen sich Sozialplanung befindet, bestehen. Die praxisnahen Empfehlungen ermöglichen Sozialplaner*innen jedoch einen reflektierten Umgang mit der eigenen Rolle, eine kritische Auseinandersetzung mit den Folgen der Konstruktion von Räumen als „soziale Realitäten“ und einen Zugang zu einer ganzheitlichen Sozialberichterstattung, die soziale Phänomene in ihren Wechselwirkungen erfasst und nicht lediglich auf räumlich fixierte „Problemlagen“ reduziert.

5 Resümee

Im Kontext zunehmender Finanzknappheit von Städten und Gemeinden und des gleichzeitigen Bedeutungsgewinns von raumorientierten Ansätzen in der staatlichen Förderpolitik erhält die kommunale Sozialplanung, die hauptverantwortlich ist für die kleinräumige Sozialberichterstattung, eine ganz besondere Rolle. Sie analysiert einzelne Teilräume der Stadt und stuft diese hinsichtlich ihrer demografischen und vor allem sozioökonomischen Entwicklung ein. In der Betrachtung von Armutsdaten erhalten vor allem stark vom städtischen Durchschnitt abweichende Gebiete Aufmerksamkeit und werden als zentrale „Problemräume“ herausgearbeitet. Sie bilden infolgedessen die Grundlagen für das Abgreifen raumbezogener Fördergelder. Was plausibel im Hinblick auf das Abgreifen von Fördermitteln erscheint, bringt eine Verschärfung territorialer Stigmatisierung mit sich. Auf der Suche nach den „perfekten“ Zielgebieten für die Ressourcengewinnung und -allokation werden Strukturprobleme nämlich durch die Sozialberichterstattung vereinfacht und verräumlicht. Dabei fehlt den teils unreflektierten Aneinanderreihungen von Daten in Kombination mit plakativen kartografischen Elementen auf Basis eigens für die Analysen kreierter Raumkonstrukte nicht selten der Bezug zu den Lebenswelten der Menschen und eine konkrete Lösungsorientierung. Die Abgrenzung homogener „Problemräume“ und ihre Betitelung als „Brennpunkte“ oder „Quartiere mit sozialen Schieflagen“ verschärft in erster Linie die Stigmatisierung dieser Gebiete. Der vorliegende Text versteht sich als Anregung, Sozialberichterstattung reflexiver zu gestalten. Eine solche Berichterstattung ist sich des konstruierten Charakters ihrer räumlichen Bezüge bewusst. Neben der Produktion von Daten versteht sie sich als kommunikative Nahtstelle, die Zusammenhänge und Wechselwirkungen sozialer Prozesse einordnet, erklärt und in ihrer Komplexität darstellt. Sie führt einzelne Entwicklungen argumentativ zusammen und bringt diese in einen städtischen Gesamtkontext. Sie durchbricht auf diese Weise die zusammenhangslose Bloßstellung von Problemquartieren.