7.1 Studierende

Die Studienteilnehmer*innen sind Mathematik-Lehramtsstudierende der Sekundarstufenlehrämter Gymnasium und Gesamtschule mit Sek II- Befähigung (GymGe) und Haupt-, Real-, Sekundar- und Gesamtschule ohne Sek II- Befähigung (HRSGe). Die Studierenden belegen die Veranstaltung im Rahmen ihres Bachelor-Studiums als Berufsfeldbezogene Praxisstudie, deren Studium für das 4. oder 5. Fachsemester vorgesehen ist und in dem außerunterrichtliche Felder des Lehrer*innenberufs kennengelernt werden sollen. In diesem Fall ist es das Feld der außerunterrichtlichen individuellen Förderung. Die Veranstaltung wird je nach Studiengang im Kernfach (GymGe) oder in einem durch die Studierenden selbstgewählten Fach (HRSGe) durchgeführt. Im Fach Mathematik ist das Förderpraktikum i. d. R. die einzige Option für das Praktikum.

Die Stichprobe besteht insgesamt aus 67 Studierenden (s. Tabelle 7.1). Davon sind 23 Studierende in der Kontrollgruppe (KG), welche die Veranstaltung im Wintersemester 16/17 belegt haben. Die 44 Studierenden der Experimentalgruppen (EG) setzen sich aus drei Kohorten zusammen, welche die Veranstaltung zwischen dem Sommersemester 2017 und dem Sommersemester 2018 belegt haben.

Tabelle 7.1 Stichprobencharakterisierung Studierende

Der Großteil der Studierenden (ca. 83 %) befindet sich im vierten bis sechsten Semester. Die Praxisphase im Rahmen dieser Untersuchung ist, abgesehen von einer orientierenden Praxisstudie zu Beginn des zweiten Semesters, für die Studierenden die erste eigenständige universitär angeleitete Erfahrung mit der Planung, Durchführung und Reflexion von Unterricht. In dem in den Bildungswissenschaften verorteten orientierenden vierwöchigen Blockpraktikum mit dem Schwerpunkt auf der professionellen Wahrnehmung von Phänomenen im Unterrichtskontext und auf Techniken des Beobachtens können die Studierenden in der Regel wenig praktische Erfahrungen im Unterrichten sammeln.

Zur Erhebung der sonstigen pädagogischen Vorerfahrungen werden die Studierenden nach einer Selbsteinschätzung gefragt, wie häufig sie an bestimmten pädagogischen Tätigkeiten vor dem Förderpraktikum beteiligt waren. Diese Tätigkeiten umfassen sieben prototypische pädagogische Handlungssettings: Hospitation, Planung, Durchführung und Reflexion von Unterrichtsbausteinen oder –stunden, Nachhilfe / Hausaufgabenbetreuung, Kinder und Jugendarbeit, Betreuung von Kindern im familiären Kontext. Die Verteilung der pädagogischen Vorerfahrungen ist in beiden Untersuchungsgruppen etwa gleich, allerdings weist die Kontrollgruppe im Mittel leicht höhere Erfahrungswerte auf. In einem t-Test für unabhängige Stichproben konnte jedoch nur für die Durchführung einzelner Unterrichtsbausteine oder –stunden ein signifikanter Unterschied zugunsten der Kontrollgruppe nachgewiesen werden (t (31,51) = 2,092, p = 0,045; vierstufige Skala von nie bis sehr oft). Die Studierenden der Kontrollgruppe haben nach eigener Angabe demnach bereits häufiger im Kontext von Unterricht agiert als die Experimentalgruppe. Die Schwerpunkte der pädagogischen Vorerfahrung liegen in beiden Untersuchungsgruppen auf Erfahrungen im privaten Bereich, also Nachhilfe, Kinder- und Jugendarbeit in Vereinen oder Gemeinden und Betreuung von kleineren Geschwistern. Seltener geben die Studierenden an, hospitiert zu haben. Die wenigsten Erfahrungen haben beide Untersuchungsgruppen im Planen und Durchführen von Unterrichtsstunden und der systematischen Reflexion von Unterricht.

In der Kontrollgruppe sind 13 Frauen, 8 Männer und 2 Studierende, die kein Geschlecht angaben. Das durchschnittliche Alter beträgt 22,4 (SD = 2,135). Bei der Betrachtung der jeweiligen Zweitfächer sind keine auffällig häufig vorkommenden Kombinationen zu verzeichnen (jeweils 1 – 4 Nennungen pro Fach). Elf Studierende der Kontrollgruppe studieren im Studiengang HRSGe mit einer aktuellen DurchschnittsnoteFootnote 1 von 2,7 (SD = 0,429). Beim GymGe-Studiengang haben die zehn Studierenden eine aktuelle Durchschnittsnote von 3,1 (SD = 0,518). Die Experimentalgruppe besteht aus 24 Frauen, 19 Männern und einer Versuchsperson ohne Angabe eines Geschlechts. Das durchschnittliche Alter beträgt 22,6 (SD = 3,103). Die Verteilung der Zweitfächer zeigt einen Peak beim Fach Biologie (13 Nennungen), die anderen Zweitfächer kommen etwa gleichhäufig vor (1 – 6 Nennungen). Die Durchschnittsnote der 30 HRSGe-Studierenden beträgt 2,5 (SD = 0,695), während die Durchschnittsnote der 13 GymGe Studierenden 2,8 (SD = 0,528) ist. Hinsichtlich des Geschlechtes, des Alters, des Zweitfachs, des Studiengangs und der Durchschnittsnote sind die beiden Untersuchungsgruppen vergleichbar verteilt.

Als potentielle Kontrollvariablen wurden das Fähigkeitsselbstkonzept der Studierenden, ihre Berufswahlmotivation sowie Facetten des Interesses untersucht, da diese einen wichtigen Einfluss auf motivationale Aspekte der Kompetenzentwicklung von Studierenden nehmen können (vgl. Ryan und Deci 2004). Bei der Abfrage des Fähigkeitsselbstkonzepts (4-Stufige Skala von stimmt nicht bis stimmt genau) „Wie sehr bist du davon überzeugt, den Anforderungen, die im Schulalltag an eine/n Lehrer/in gestellt werden, gewachsen zu sein?“ berichten beide Untersuchungsgruppen im Mittel stimmt eher (MKG = 3,00; SDKG = 0,459; MEG = 3,00; SDEG = 0,584). Die Studierenden beider Untersuchungsgruppen haben also ein eher hohes Fähigkeitsselbstkonzept hinsichtlich der Anforderungen des Lehrer*innenberufs. Bei der Abfrage der Berufswahlmotivation wurden den Studierenden jeweils vier intrinsische (z. B. Interesse und Spaß) und extrinsische Gründe (z. B. gute Verdienstmöglichkeiten) den Lehrberuf auszuüben vorgeschlagen. Auf einer vierstufigen Skala von sehr unwichtig bis sehr wichtig sollten die Studierenden einschätzen, wie wichtig die jeweiligen Gründe für ihre Entscheidung Mathematik-Lehrkraft zu werden waren. Beide Gruppen vergleichbar schätzen intrinsische Motive als wichtiger für die Berufswahl ein als extrinsische Motive (s. Tabelle 7.1). Hinsichtlich des Interesses wurde zum einen die Wichtigkeit etwas über Schüler*innenmotivation zu wissen sowie der Wunsch sich mit dem Thema auseinanderzusetzen überprüft. In beiden Aspekten weisen die Untersuchungsgruppen vergleichbare hohe Mittelwerte nahe des Maximums auf.

7.2 Schüler*innen

Die Studienteilnehmer*innen sind Schüler*innen dreier am Projekt beteiligter Schulen: eines Gymnasiums, einer Realschule und eines Berufskollegs mit dem Schwerpunkt der Förderung benachteiligter Schüler*innen. Die Stichprobe besteht insgesamt aus 169 Schüler*innen. Davon sind 38 Schüler*innen in der Kontrollgruppe (KG), welche im zweiten Halbjahr des Schuljahres 2016/2017 von den Studierenden der Kontrollgruppe gefördert wurden. Die 88 Schüler*innen der Experimentalgruppen (EG) setzen sich aus drei Kohorten zusammen, welche in den darauffolgenden Halbjahren von den Studierenden der Experimentalgruppe gefördert wurden. Die dritte Regelklassengruppe (RG) setzt sich aus 43 Schüler*innen aus je einer Regelklasse des Gymnasiums und der Realschule zusammen, die nicht gesondert gefördert wurden. Der Großteil der Schüler*innen mit Ausnahme der Schüler*innen aus dem Berufskolleg befindet sich in der fünften bis sechsten Klasse. Die Schüler*innen des Berufskollegs wurden von ihren Lehrkräften danach ausgewählt, dass sie Defizite in den mathematischen Grundlagen der 5. und 6. Klasse haben.

Tabelle 7.2 Stichprobencharakterisierung Schüler*innen

Die Schüler*innen werden je nach Förderkonzept der Schule entweder von ihren Eltern angemeldet oder von ihren Lehrkräften ausgewählt. Der Anteil der freiwillig teilnehmenden Schüler*innen ist vergleichbar groß zu dem Anteil der verpflichtend teilnehmenden (s. Freiwilligkeit in Tabelle 7.2).

In der Kontrollgruppe sind 18 Mädchen und 19 Jungen und ein*e Schüler*in, die kein Geschlecht angab. Das durchschnittliche Alter beträgt 12,71 mit hoher Standardabweichung (SD = 3,376). Dies liegt an den Schüler*innen aus dem Berufskolleg, die deutlich älter sind als Schüler*innen der 5. und 6. Klasse. Der Durchschnitt der Noten vom letzten Zeugnis ist 3,26 (SD = 0,886). Die Experimentalgruppe besteht aus 35 Mädchen und 50 Jungen und 3 Schüler*innen, die kein Geschlecht angaben. Das durchschnittliche Alter beträgt 11,57 mit ebenfalls hoher Standardabweichung (SD = 2,275). In der Regelklassengruppe ist die Standardabweichung im Alter entsprechend geringer, da keine Schüler*innen des Berufskollegs in der Stichprobe sind. Der Durchschnitt der Noten vom letzten Zeugnis ist 3,11 (SD = 0,712). In der Regelklassengruppe sind 22 Mädchen und 21 Jungen. Das durchschnittliche Alter beträgt 11,21 (SD = 0,833). Der Durchschnitt der Noten vom letzten Zeugnis ist 2,44 (SD = 0,908). Der Regelklassengruppe ist erwartungsgemäß deutlich besser als die beider Fördergruppen. Dies lässt sich auch inferenzstatistisch nachweisen (Vergleich mit KG: t (73,491) = 3,998, p < 0,001 und Vergleich mit EG: t (69,127) = 4,192, p < 0,001).

Als potenzielle Kontrollvariablen wurden vier Aspekte zum regulären Mathematikunterricht erfragt. Bei der Abfrage des Verstehens (4-stufige Skala von nie bis sehr oft) ‚Wie häufig kommt es vor, dass Du im Matheunterricht nichts mehr verstehst?‘ berichten die Schüler*innen der Kontrollgruppe im Mittel, dass sie selten bis oft nichts mehr im Unterricht verstehen. Die beiden anderen Gruppen haben Mittelwerte näher an 2 (selten). Die Kontrollgruppe berichtet davon, signifikant häufiger im Matheunterricht nichts mehr zu verstehen als die beiden anderen Gruppen (exakter Mann-Whitney-U-Test: Vergleich mit EG: U = 1199, p = 0,007 und Vergleich mit RG: U = 558, p = 0,009). Beim Item zur Anstrengung (4-stufige Skala von gar nicht bis sehr) ‚Wie sehr strengst Du Dich momentan im Matheunterricht an?‘ haben alle drei Gruppen einen ähnlichen Mittelwert etwas über 3 (ein bisschen Anstrengung). Bei der Abfrage des Erfolgserlebens (4-stufige Skala von gar nicht bis sehr) ‚Wie erfolgreich fühlst Du Dich momentan im Matheunterricht?‘ berichten alle drei Gruppen einen Mittelwert etwas unter 3 (ein bisschen erfolgreich). Die Schwierigkeit ihres aktuellen Mathematikunterrichts schätzen die Schüler*innen der Regelklassengruppe im Mittel als gerade richtig ein (MW = 3,09; SD = 0,718), während die Tendenz bei den geförderten Gruppen zu etwas zu schwierig geht. Dieser Unterschied ist allerdings nicht signifikant. In den Kontrollvariablen weisen die Schüler*innen der drei Gruppen im Mittel ein vergleichbares Profil auf.