Im theoretischen Teil dieser Arbeit wurde ein Rahmenkonzept zu Handlungskompetenzen von Lehrkräften entwickelt, die sich auf die Motivierung von Schüler*innen beziehen. Als zentrales Desiderat wurde eine vertiefende Untersuchung der Aspekte der professionellen Kompetenz, motiviertes Lernen zu fördern (KMLF) herausgestellt. Dabei interessiert im Rahmen dieses Projekts, wie sich Facetten dieser Kompetenz im Rahmen eines Veranstaltungskonzepts zur Förderung der KMLF entwickeln (Studie 1; ausführlicher in Abschnitt 5.1) und welche Unterstützungsformen angehende Mathematiklehrkräfte im Rahmen von motivationsförderlichem mathematischem Förderunterricht zur individuellen Förderung ihrer Schüler*innen nutzen (Studie 2; ausführlicher in Abschnitt 5.2). Die in Abschnitt 3.1 beschriebenen unterschiedlichen Ebenen der Kompetenzen finden sich in der Anlage der beiden Studien wieder. Der Schwerpunkt liegt auf den kognitiven Facetten und den Überzeugungsfacetten der KMLF (Studie 1) sowie auf dem konkreten Verhalten der Lehrkräfte in Förderstituationen (Studie 2).

In den folgenden Abschnitten werden zunächst die Fragestellungen inkl. der Hypothesen für die (vorwiegend quantitative) erste Studie, die sich mit der Entwicklung von Facetten der Handlungskompetenz befasst, dargelegt (Abschnitt 5.1) und anschließend die Fragestellung der (qualitativen) Studie zum konkreten Handeln der angehenden Lehrkräfte in Fördersituationen (vgl. Abschnitt 5.2).

5.1 Fragestellungen und Hypothesen für Studie 1

Die erste Studie befasst sich mit der Entwicklung der KMLF bei angehenden Mathematiklehrkräften im Verlauf eines auf die Schulung dieser Kompetenz ausgelegten universitären Veranstaltungsformates. Untersucht werden Veränderungen in den in Abschnitt 3.3 zusammengestellten Wissens- und Überzeugungsfacetten der KMLF (1). Darüber hinaus werden auch die weiteren in Abschnitt 3.4 dargestellten Wirkungsebenen von Interventionen bei Lehrkräften untersucht: Die Bewertung des Veranstaltungskonzepts durch die angehenden Mathematiklehrkräfte (F2), motivationale Variablen der von den Veranstaltungsteilnehmer*innen im Rahmen der Praxisphase unterrichteten Schüler*innen (F3), selbsteingeschätze Lernzuwächsen der angehenden Mathematiklehrkräfte (F4) und die Nutzung der Methoden in der eigenen Praxis durch die Studienteilnehmer*innen (F5).

Bei den ersten drei Fragestellungen stellt sich über die Entwicklung der Facetten hinaus die Frage, ob die explizite Schulung motivationspsychologischer Inhalte, wie sie in der adaptierten Veranstaltung praktiziert wurde, einen Vorteil hinsichtlich der Kompetenzaspekte bietet.

(F1) Facetten der KMLF

Fragestellungen

F1.1:

Verändern sich Wissens- und Überzeugungsfacetten der KMLF bei angehenden Mathematiklehrkräften im Verlauf eines Veranstaltungskonzepts mit angeknüpfter Praxisphase?

F1.2:

Unterscheiden sich Entwicklungen in Wissens- und Überzeugungsfacetten einer KMLF zwischen einer Experimentalgruppe mit einem explizit auf Motivationsförderung im Förderkontext zugeschnittenen Veranstaltungskonzept (adaptierte Veranstaltung) und einer Kontrollgruppe mit einem strukturell ähnlichen Seminar zu den Grundlagen der Diagnose und individuellen Förderung ohne expliziten Anteil motivationspsychologischer Inhalte (ursprüngliche Veranstaltung)?

Hypothesen

H1.1:

Die einzelnen Wissens- und Überzeugungsfacetten der KMLF bei den angehenden Mathematiklehrkräften unterscheiden sich zwischen den Messzeitpunkten vor und nach der Intervention.

Dies bezieht sich auf Veränderungen im pädagogisch-psychologischen Wissen (i), in der Sicherheit des pädagogisch-psychologischen Wissens (ii), in der Lehrer*innenselbstwirksamkeit und der Selbstwirksamkeit motiviertes Lernen zu fördern (iii), im Enthusiasmus für Mathematik (iv), in der Attribution schlechter Schüler*innenleistungen (v) sowie in der Bezugsnormorientierung (vi) (vgl. Abschnitt 3.3).

H1.2:

Die Entwicklung über die zwei Messzeitpunkte vor und nach der Intervention in den einzelnen Wissens- und Überzeugungsfacetten der Studierenden unterscheidet sich zwischen den beiden Untersuchungsgruppen bzw. Veranstaltungsformaten. Dies bezieht sich ebenfalls auf in H1.1 beschriebenen Facetten.

(F2) Bewertung des Veranstaltungskonzepts durch die Studierenden

Fragestellungen

F2:

Unterscheiden sich Bewertungen des Veranstaltungskonzepts von Studierenden zwischen einer Experimentalgruppe mit einem explizit auf Motivationsförderung im Förderkontext zugeschnittenen Veranstaltungskonzept (adaptierte Veranstaltung) und einer Kontrollgruppe mit einem strukturell ähnlichen Seminar zu den Grundlagen der Diagnose und individuellen Förderung ohne expliziten Anteil motivationspsychologischer Inhalte (ursprüngliche Veranstaltung)?

Hypothesen

H2:

Die Bewertungen der Inhalte durch die angehenden Mathematiklehrkräfte zu einem explizit auf Motivationsförderung im Förderkontext zugeschnittenen Veranstaltungskonzept unterscheiden sich von den Bewertungen zu einem strukturell ähnlichen Seminar zu den Grundlagen der Diagnose und individuellen Förderung ohne expliziten Anteil motivationspsychologischer Inhalte. Dies bezieht sich auf Unterschiede in der Bewertung der Anwendbarkeit der Inhalte im Förderpraktikum (H2.1), Unterschiede in der Bewertung der Anwendbarkeit der Inhalte in der zukünftigen Praxis (H2.2), Unterschiede in der Bewertung der Darstellung der Inhalte (H2.3), Unterschiede in der Bewertung der Interessantheit (H2.4) und der Nützlichkeit (H2.5) der Inhalte.

(F3) Motivationale Variablen der assoziierten Schüler*innen

Fragestellungen

F3.1:

Wie unterscheiden sich Ausprägungen motivationaler Variablen zwischen einer für Förderunterricht ausgewählten Schüler*innen-Gruppe von denen einer Schüler*innengruppe aus Regelklassen? Lassen sich ggf. zu Beginn bestehende Unterschiede zwischen diesen Schüler*innengruppen durch die Förderung von geschulten angehenden Mathematiklehrkräften aufheben?

Verändern sich motivationale Variablen bei Schüler*innen, die von geschulten angehenden Mathematiklehrkräften gefördert werden, und bei Schüler*innen aus Regelklassen im Verlauf eines Schulhalbjahres?

F3.2:

Unterscheiden sich Entwicklungen in motivationalen Variablen von Schüler*innen zwischen einer Experimentalgruppe, deren angehende Mathematiklehrkräfte ein explizit auf Motivationsförderung im Förderkontext zugeschnittenes Veranstaltungskonzept besucht haben (adaptierte Veranstaltung), und einer Kontrollgruppe, deren angehende Mathematiklehrkräfte ein strukturell ähnliches Seminar zu den Grundlagen der Diagnose und individuellen Förderung ohne expliziten Anteil motivationspsychologischer Inhalte (ursprüngliche Veranstaltung) besucht haben.

F3.3:

Berichten Schüler*innen, die von angehenden Mathematiklehrkräften der Experimentalgruppe (s. F3.2) gefördert werden, häufiger Erfolgserlebnisse als Schüler*innen in Kontrollgruppen, die (1) von angehenden Mathematiklehrkräften der Kontrollgruppe gefördert wurden (s. F3.2) (2) oder neben dem Regelunterricht keine zusätzliche Förderung erhalten?

Hypothesen

H3.1:

Die motivationalen Variablen (Selbstwirksamkeit, mathematikbezogenes Selbstkonzept und Anstrengungs-Erfolgs-Überzeugungen) der Schüler*innen, die für Förderunterricht ausgewählt werden, unterscheiden sich zum ersten Messzeitpunkt von denen der Schüler*innen aus Regelklassen. Diese Unterschiede bestehen zum zweiten Messzeitpunkt nicht mehr.

Die genannten motivationalen Variablen der Schüler*innen verändern sich im Verlauf eines Schulhalbjahres nur in der Schüler*innengruppe, die eine über den Regelunterricht hinausgehende zusätzliche Förderung erhalten hat.

H3.2:

Die Entwicklung über die zwei Messzeitpunkte in den motivationalen Variablen der Schüler*innen unterscheidet sich zwischen den beiden Untersuchungsgruppen. Dies bezieht sich ebenfalls auf die in H3.1 beschriebenen Facetten.

H3.3:

Die Schüler*innen der Experimentalgruppe mit explizit in der Motivationsförderung im Förderkontext geschulten angehenden Mathematiklehrkräften berichten mehr Erfolgserlebnisse als Schüler*innen der Kontrollgruppen.

(F4) Selbsteingeschätzte Lernzuwächse der Studierenden

F4:

Welche Lernzuwächse berichten die angehenden Mathematiklehrkräfte nach einem Veranstaltungskonzept mit angeknüpfter Praxisphase und worauf führen sie diese zurück?

(F5) Nutzung der Methoden aus dem Veranstaltungskonzept durch die angehenden Mathematiklehrkräfte

F5:

Wie häufig nutzen die angehenden Mathematiklehrkräfte der Experimentalgruppe, die ein explizit auf Motivationsförderung im Förderkontext zugeschnittenes Veranstaltungskonzept besuchen, die darin vorgestellten Methoden?

Die Forschungsfragen F4 und F5 werden deskriptiv oder qualitativ ausgewertet. Es werden daher nur für die drei ersten Fragen Hypothesen aufgestellt. Abbildung 5.1 gibt einen Überblick über vorgestellten Forschungsfragen für Studie 1.

Abbildung 5.1
figure 1

Überblick über die Inhalte der Forschungsfragen sortiert nach methodischem Zugang (ganz umrandet: Untersuchung der angehenden Mathematiklehrkräfte, gestrichelte Linie: Untersuchung der assoziierten Schüler*innen)

5.2 Fragestellung für Studie 2

Die zweite Studie befasst sich mit dem zentralen Desiderat nach einem strukturierten Einblick in die Unterstützungspraxis angehender Mathematiklehrkräfte im Rahmen von motivationsförderlichem mathematischem Förderunterricht. Die Studie legt damit den Schwerpunkt auf das beobachtbare Verhalten der angehenden Lehrkräfte im Rahmen von Förderunterricht für Schüler*innen mit Schwierigkeiten im Mathematikunterricht. Der untersuchte Förderunterricht ist an das in Kapitel 4 beschriebene Veranstaltungskonzept angekoppelt. Dabei wird der Fokus auf das Identifizieren, Beschreiben und Analysieren von Unterstützungssituationen gelegt, weil diese einen großen Einfluss auf das Gelingen motivationsförderlicher mathematischer Förderung zu haben scheinen (vgl. Abschnitt 2.3). Die zentrale Fragestellung ist:

Welche Handlungsmuster und Strukturen lassen sich in Unterstützungssituationen bei der Förderung leistungsschwacher Schüler*innen durch angehende Mathematiklehrkräfte identifizieren?

Dabei steht im Fokus aus den Transkripten isolierte Handlungsmuster induktiv zu identifizieren, die angehende Mathematiklehrkräfte in ihrem Förderunterricht nutzen, um ihre Schüler*innen gleichermaßen motivational und mathematisch zu fördern. Mit diesen soll es möglich sein, Unterstützungssituationen in Fördersettings beschreiben und analysieren zu können. Darüber hinaus werden an Fallbeispielen zwei für die Gestaltung von Unterstützungssituationen zentrale Faktoren, Interaktionsstruktur und Lernmaterial, reflektiert.