In dieser Arbeit wurden professionelle Kompetenzen von angehenden Mathematiklehrkräften zur Förderung von Mathematiklernen unter der Berücksichtigung individueller Motivation untersucht. Dazu wurde zunächst der aktuelle Forschungsstand zur Förderung von mathematischen Kompetenzen und motivationalen Variablen sowie zur Unterrichtsqualität bei Schüler*innen mit Schwierigkeiten mit dem Mathematiklernen dargelegt und Grundsätze der Förderung dieser Schüler*innengruppe formuliert (s. Abbildung 2.3). Unter Berücksichtigung der Forschung zu professionellen Kompetenzen von Lehrkräften, wurde ein Modell der professionellen Kompetenz von Lehrkräften, motiviertes Lernen zu fördern, entwickelt (s. Abbildung 3.4). Kompetenz wurde dabei Blömeke et al. (2015) folgend als Kontinuum von Dispositionen, situationsspezifischen Fähigkeiten und Performanz modelliert. Auf dieser Basis wurde ein universitäres Lehrkonzept entwickelt (s. Abbildung 4.2), in dem theoretische und praktische Grundlagen der Förderung mathematischer Leistung und individueller Motivation bei Schüler*innen mit Lernschwierigkeiten thematisiert und vermittelt werden.

Das Erkenntnisinteresse dieser Arbeit fokussiert besonders auf die dispositionalen Aspekte der Kompetenz und die Performanzebene. In Bezug auf den dispositionalen Bereich sollte die Frage beantwortet werden, ob sich die dispositionalen Faktoren der professionellen Kompetenz, motiviertes Lernen zu fördern, durch eine universitäre Veranstaltung mit integrierter Praxisphase entwickeln lassen und ob durch den speziellen inhaltlichen Fokus auf motivationale Aspekte ein Vorteil für den Kompetenzerwerb der Studierenden erreicht werden kann. Dabei wurden neben den Facetten der professionellen Kompetenz auch Aspekte der Akzeptanz sowie selbsteingeschätzte Lernzuwächse und eine Reflexion der Nutzung von Methoden aus der Veranstaltung im Rahmen eines Pre-Post-Kontrollgruppendesigns untersucht. Ein weiterer Indikator war die Ebene der Entwicklungen von motivationalen Variablen auf Schüler*innenebene. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass es mithilfe des entwickelten Lehrkonzepts möglich ist, Facetten der professionellen Kompetenz, motiviertes Lernen zu fördern und, dass sich in einzelnen Facetten Vorteile einer expliziten Thematisierung motivationaler Inhalte ergeben. Die Analyse der Akzeptanzskalen, die selbstberichteten Lernerfolge und der Selbstbericht der Studierenden über den Einsatz der Methoden aus der Veranstaltung deuten in dieselbe Richtung. Die Daten auf Ebene der Schüler*innen zeigen einen motivationalen Vorteil für Schüler*innen, die eine zusätzliche Förderung erhalten, allerdings uneinheitliche Ergebnisse darüber, ob eine explizite motivationsbezogene Schulung der Studierenden überlegen ist.

In Bezug auf die Performanz wurde der Schwerpunkt auf ein Kernelement individueller Förderung von Schüler*innen mit Schwierigkeiten beim Mathematiklernen gelegt, die konstruktive Unterstützung. Hier sollte die Frage beantwortet werden, wie Studierende Unterstützungssituationen im Rahmen der Praxisphase gestalten und welche Handlungsmuster und Strukturen sich dabei identifizieren lassen. Das Ergebnis der Analysen von neun Unterrichtsvideos war neben einer Charakterisierung verschiedener Dimensionen von Unterstützungssituationen ein Kategorienraster mit insgesamt 9 Unterstützungsmustern, die verschiedene Arten unterscheiden, mit denen die Studierenden ihre Schüler*innen unterstützen.

Zur Erhöhung der Verallgemeinerbarkeit der quantitativen Ergebnisse wäre eine vergleichbare Erhebung mit einer größeren Stichprobe wünschenswert, gegebenenfalls von unterschiedlichen Universitätsstandorten und einer Kontrollgruppe, die kein vergleichbares Veranstaltungsformat besucht, beispielsweise eine Gruppe, die das Blockseminar ohne Praxisphase absolviert oder die in einem Semester ohne Praxisphase studiert. Dadurch könnten die Zusammenhänge zwischen der Veranstaltung und die Entwicklungen in den Kompetenzfacetten der Studierenden klarer bestimmt und abgesichert werden. Außerdem könnte in einem solchen Format vertiefend untersucht werden, auf welche Aspekte der Veranstaltungskonzeption sich Entwicklungen in den Kompetenzfacetten zurückführen lassen. Eine Adaption des Konzeptes für bereits praktizierende Lehrkräfte wäre daran anschließend ein gewinnbringender weiterer Schritt.

Der im Rahmen der qualitativen Untersuchung der Unterrichtsvideos von Förderstunden entwickelte Ordnungsrahmen für Unterstützungsmuster lässt sich in verschiedenen Bereichen der Forschung und Lehre nutzbar machen. Unter der Forschungsperspektive schließen sich an diese erste Untersuchung zahlreiche Forschungsfragen an. Insbesondere die Frage nach der Qualität und dem Erfolg von Unterstützungsmustern im Hinblick auf Auswirkungen auf die unterstützten Schüler*innen ist ein wichtiger Anschlusspunkt an die Identifikation der Unterstützungsmuster. Die Vermutung liegt nahe, dass es nicht qualitativ hochwertigere Unterstützungsmuster gibt, sondern die Unterstützungsmuster in unterschiedlichen Situationen und bei unterschiedlichen Schüler*innen unterschiedliche Passung haben und Unterstützungsmuster auf verschiedenen Qualitätsniveaus angewendet werden können. Für die Untersuchung gilt es den Einsatz bestimmter Unterstützungsmuster intensiver zu untersuchen, beispielsweise durch die Nutzung zusätzlicher Schüler*innenbefragungen oder einer Analyse von Schüler*innenlösungen. Ein weiterer Anknüpfungspunkt an die Untersuchung wäre eine Verallgemeinerung der Unterstützungsmuster für eine größere Stichprobe, Lehrkräfte im Regelunterricht oder für das Handeln von Expertenlehrkräften. Ein vor dem Hintergrund der aktuellen gesellschaftlichen Situation bedeutsamer Forschungsfokus ist die Untersuchung von Unterstützungsmaßnahmen im digitalisierten Unterricht.

Für die universitäre Lehre und die Fortbildung von Mathematiklehrkräften lässt sich das Raster gezielt nutzen, um ein Repertoire für die eigene Unterstützungspraxis aufzubauen oder diese zu reflektieren. Beispiele wären eine Reflexion der Rückmeldungspraxis und eine Weiterentwicklung von einfachen Rückmeldungen der Richtigkeit oder Falschheit einer Lösung hin zu ausführlicheren Formen mit Begründungen und Erklärungen oder Überlegungen zur Passung und Qualität unterschiedlicher Unterstützungsformen. Eine weitere Möglichkeit zur Nutzbarmachung des Rasters liegt im Rahmen von Unterrichtshospitationen. Hier könnten die Unterstützungsmuster einen Rahmen für die Analyse eigenen und fremden Unterrichts bieten. Insbesondere könnten Dozierende das gewonnene Wissen darüber, was Studierende in der praktischen Förderung erwartet, für die Vorbereitung der eigenen Lehre nutzen. Weitere Anknüpfungspunkte an das entwickelte Lehrkonzept, insbesondere für eine Verallgemeinerung auf Regelklassenkontexte, könnten die Ansätze der Selbstbestimmungs- und Interessenstheorie sein. Hier sollte eine stärkere Fokussierung auf mathematische Prozesse, wie das Modellieren oder Problemlösen, sowie auf die verwendeten Inhalte und Aufgaben produktive Ergänzungen darstellen.

Für eine umfassende Untersuchung der professionellen Kompetenz, motiviertes Lernen zu fördern, steht noch eine Untersuchung der verbindenden Prozesse zwischen den dispositionalen Aspekten und der Performanz aus.

Diese Arbeit hat einen ersten Schritt zur Erforschung einer wichtigen Teilfacette professionellen Handelns von Lehrkräften gemacht: Die professionellen Kompetenzen zur Förderung mathematischer Kompetenzen und individueller Motivation. Sie setzt damit einen mehrere Kompetenzbereiche umfassenden Anknüpfungspunkt für die weitere Untersuchung der Fähigkeiten, die (angehende) Mathematiklehrkräfte benötigen, um das Motivationsgeschehen im Mathematikunterricht gezielt zu gestalten.