Ob in Bezug auf Unglücke, Krisen oder Katastrophen: Die an der Lagebewältigung beteiligten Akteure haben in der Regel weder währenddessen noch im Nachgang ausreichend Personal, Zeit und Geld, um die Aufarbeitung selbst intern und akteursübergreifend sicherzustellen und nachhaltig zu gestalten. Das gilt so z. B. auch für die Flüchtlingssituation 2015/2016, aber auch für andere ähnliche kritische Situationen. Das Ihnen vorliegende Buch verfolgt daher das Ziel, dem offensichtlichen Bedarf aus der Krisenmanagementpraxis nachzukommen. Zu diesem Zweck greifen die Kapitel dieses Buches auf Forschungsergebnisse zur Flüchtlingssituation 2015/2016 aus zwei jeweils interdisziplinären Forschungsprojekten zurück: SiKoMi und WAKE. Die jeweils in drei Jahren erarbeitete empirische Basis aus Expert*inneninterviews, Fragebogenerhebungen, Tiefenfallstudien und Workshops mit Praktiker*innen fundieren die Ausführungen dieses Buches. In Form von Wissensbausteinen zu speziellen Themen, konkreten Anwendungsbeispielen zur Flüchtlingssituation 2015/2016 aus wissenschaftlichen Untersuchungen, diversen Übungen und Reflexionsfragen präsentieren die einzelnen Abschnitte in der Lage gemachte Erfahrungen, Herausforderungen, Best-Practice-Ansätze und generiertes Wissen, um interessierten Akteure des Krisenmanagements für zukünftige Ereignisse andere Sichtweisen und Denkanstöße zu liefern.

Dazu wird im ersten Kapitel auf den Kontext der Flüchtlingslage 2015/2016 mittels der Darstellung und Analyse von Zahlen, Daten, Fakten, Thesen und Diskursen zurückgeblickt. Sie finden dort außerdem ergänzende Informationen zu den Forschungsprojekten sowie zur umfangreichen Datenerhebung (s. Kap. 1). Im Anschluss erfolgt der Blick auf die Flüchtlingssituation aus organisationsspezifischer Sicht. Dabei werden die Bedeutsamkeit der Situationswahrnehmung durch die organisationseigene bzw. organisational „gefärbte Brille“, unterschiedliche Vorbereitungslevel in Bezug auf Krisen je nach Organisation sowie die Wahl der Strategie zur Lagebewältigung in ihren Zusammenhängen dargestellt (s. Kap. 2). Die organisationsübergreifende Perspektive schließt daran unmittelbar an und greift insbesondere Managementansätze auf, welche interorganisationale Zusammenarbeit in Krisen unterstützen und häufig erleichtern können. Stakeholder-Management ist diesbezüglich ein wichtiger Ansatz. Alles beginnt mit der Identifizierung der relevanten Akteure für eine – aktuelle oder mögliche – Lage, der Aufnahme eines Dialogs und einer Klärung der jeweiligen Interessen und Ziele. Als weiterer Ansatz wird das Projektmanagement aufgegriffen und auf Krisenlagen übertragen (s. Kap. 3). Mitunter waren diese Ansätze bereits in der Situation 2015/2016 zu finden, teils waren sie vielmehr Teil der im Nachgang gezogenen Lehren. Ähnliches gilt für den dritten inhaltlichen Schwerpunkt dieses Buches: das Thema Wissensmanagement. Wie sich auch in den Anwendungsbeispielen, Übungen, Wissensbausteinen und Reflexionsfragen zeigt, hat Wissensmanagement großes Potential für das Krisenmanagement. Es wird aber viel zu wenig „gelebt“ und weist häufig in seiner Umsetzung deutliche Optimierungsmöglichkeiten auf. In allen Phasen des Krisenmanagements erscheint eine enge Verzahnung von Wissensmanagement und Krisenmanagement sinnvoll und sehr wichtig. Einige Möglichkeiten und praktizierte Formen des Wissensmanagements in der Flüchtlingslage werden vorgestellt (s. Kap. 4).

Insgesamt versuchen wir in allen Kapiteln stets zum Nachdecken über weitere vergangene und zukünftige Krisen und notwendige Strategien zur Bewältigung einer Lage durch die eigene Organisation in der Zusammenarbeit mit und zwischen weiteren Organisationen anzuregen. Die Übungen dienen in diesem Sinne als Angebot für die Vorbereitung auf künftige Szenarien.

Wir hoffen, mit diesem Buch für Sie als Praktiker*in im Bereich des Krisenmanagements interessante Anregungen zur Reflexion und Verbesserung der eigenen Arbeit zu geben und einen Beitrag zur Vorbereitung auf künftige kritische Situationen zu leisten. Für Verbesserungsvorschläge und Nachfragen können Sie die Herausgeber*innen und Beitragsverfasser*innen gerne kontaktieren.