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1 Einleitung und Gang der Darstellung

Die unterschiedliche Behandlung von Personen gehört zum Polizeialltag und ist Ausdruck gesetzlicher Handlungsspielräume, welche die Polizei dazu befähigen und verpflichten, individuell und situativ angepasste Maßnahmen zu treffen. Hieraus resultierende unterschiedliche Vorgehensweisen sorgen in der Regel für keine Diskussionen, solange sie sich durch eine offen zu Tage tretende Gefahrverantwortung der betroffenen Person begründen lassen. Demgegenüber sind Maßnahmen im Einzelfall aufwendiger zu begründen, wenn der Eindruck entsteht, sie seien durch das von der weißen Mehrheitsgesellschaft abweichende äußere Erscheinungsbild einer Person beeinflusst worden. In diesen Fällen hat sich die Polizei regelmäßig mit dem Vorwurf auseinanderzusetzen, sie verstoße gegen die in der Rechtsordnung normierten Verbote der Ungleichbehandlung aus rassistischen Gründen.

Der Beitrag befasst sich mit zwei zentralen Diskriminierungsverboten im deutschen Recht. Abschn. 2 zeigt den Anwendungsbereich des in Art. 3 Abs. 3 Grundgesetz (GG) formulierten besonderen Gleichheitssatzes auf und legt dar, in welchen Fällen polizeiliche Maßnahmen mit dem Verbot der Ungleichbehandlung „wegen der Rasse“ in Konflikt stehen. Hierbei ist umstritten, ob es der Polizei ausnahmsweise gestattet ist, eine Eingriffsmaßnahme an die Hautfarbe einer Person anzuknüpfen. Der Meinungsstand zu dieser Frage wird in Abschn. 3 abgebildet und einem eigenen Lösungsvorschlag zugeführt. Abschn. 4 befasst sich mit den landesrechtlichen Entwicklungen im Antidiskriminierungsrecht. Exemplarisch wird anhand des Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) Berlin der Inhalt des dortigen Diskriminierungsschutzes vorgestellt und mit der verfassungsrechtlichen Regelung verglichen. Daran anknüpfend wird die auch bei Art. 3 Abs. 3 GG relevante Frage nach der Beweislastverteilung bei behaupteten Verstößen gegen das Diskriminierungsverbot behandelt sowie ein Ausblick auf die zu erwartenden praktischen Folgen gegeben.

2 Verfassungsrechtliches Verbot rassistischer Diskriminierung

Neben dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG („Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“) formuliert die Verfassung in Art. 3 Abs. 3 GG spezielle Diskriminierungsverbote, die das Anknüpfen staatlicher Maßnahmen an unveränderliche persönliche Merkmale untersagen. Der besondere Gleichheitssatz besagt, dass niemand wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden darf. Die in die Verfassung aufgenommenen und in späteren Jahren um das Benachteiligungsverbot wegen der Behinderung ergänzten Diskriminierungsverbote fügen sich ein in das europäische und internationale Menschenrechtsschutzsystem.Footnote 1 Zugleich formulieren sie eine deutliche Abkehr von den menschenverachtenden Diskriminierungen im NationalsozialismusFootnote 2 und sind daher in einem engen Zusammenhang mit der Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes zu lesen.Footnote 3

In verfassungsgeschichtlicher Hinsicht wurde das Verbot der Diskriminierung „wegen der Rasse“ als Gegenentwurf zur rassistischen Ideologie des Nationalsozialismus formuliert.Footnote 4 Zentrales historisches Anliegen war es, sich von der Unrechtsherrschaft des Nationalsozialismus abzusetzen.Footnote 5 Die sprachliche Wendung „wegen der Rasse“ findet sich nicht nur im Grundgesetz, sondern ist auch in einzelnen landesverfassungsrechtlichen Diskriminierungsverboten sowie im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz enthalten.Footnote 6 Zunehmend stößt die Verwendung des Begriffs „Rasse“ im Grundgesetz und in weiteren Rechtstexten allerdings auf Ablehnung.Footnote 7 Kritisiert wird, dass das historische Motiv der Ablehnung rassistischer Konzepte im Wortlaut nicht zum Ausdruck komme und stattdessen der Eindruck vermittelt werde, der Staat gehe von einer Existenz verschiedener menschlicher Rassen aus.Footnote 8 Um das Fehlen jeglicher wissenschaftlicher Grundlage für diese AnnahmeFootnote 9 klar zum Ausdruck zu bringen, zielen rechtspolitische Forderungen auf eine Streichung des Begriffs „Rasse“ und Ersetzung durch „rassistisch benachteiligen“Footnote 10 bzw. einer „Benachteiligung aus rassistischen Gründen“Footnote 11 ab. Diesen Vorschlägen wird wiederum entgegengehalten, dass sie die Umdeutung des Konzepts „Rasse“ innerhalb der Sozialwissenschaften übersehen und damit möglicherweise die Umsetzung des Antidiskriminierungsrechts erschweren.Footnote 12

Ungeachtet dieser Diskussion lässt sich der Inhalt des Diskriminierungsverbots „wegen der Rasse“ für den Bereich polizeilicher Maßnahmen folgendermaßen eingrenzen. Verhindert werden soll, dass Beamt:innen ihre Entscheidung über das Ob und Wie einer Eingriffsmaßnahme anhand unveränderlicher äußerer Merkmale einer Person, insbesondere deren Hautfarbe treffen.Footnote 13 Unzulässig ist es daher, die Hautfarbe einer Person zu einem Entscheidungskriterium bei der polizeilichen Gefahrenabwehr und Strafverfolgung zu machen, das heißt mittels der Hautfarbe die Grenze zwischen polizeilichem Handeln und Nicht-Handeln zu markieren oder die Eingriffsintensität einzelner Maßnahmen zu steuern. Eine derartige Ungleichbehandlung aufgrund der Hautfarbe, der Gesichtszüge oder vermeintlich herkunftsbezogener äußerer Merkmale einer Person würde an den Kerngedanken rassistischer Konzepte anknüpfen, wonach sich Menschen anhand physischer Merkmale in Gruppen mit unterschiedlichen sozialen oder kulturellen Eigenschaften oder Verhaltensweisen einteilen lassen.Footnote 14 Dem einzelnen Menschen wird hierdurch nicht als Individuum begegnet, sondern er wird als Merkmalsträger begriffen, der auf Grund der Hautfarbe anders zu behandeln ist als andere Menschen. Wird das polizeiliche Handeln durch derartige Zuschreibungen beeinflusst, steht die Maßnahme im Widerspruch zu Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG.

3 Verfassungsrechtliches Diskriminierungsverbot und polizeiliches Handeln

3.1 Verbot der Diskriminierung „wegen der Rasse“

Allerdings verbietet der spezielle Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG nicht jede polizeiliche Maßnahme zu Lasten einer Person, die sich auf Grund ihrer Hautfarbe vom Erscheinungsbild der weißen Mehrheitsgesellschaft unterscheidet. Unzulässig ist die Ungleichbehandlung „wegen der Rasse“, weshalb der Anwendungsbereich des speziellen Gleichheitsgrundsatzes über die Auslegung des Begriffs „wegen“ zu bestimmen ist.

Unstreitig von Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG verboten sind finale Diskriminierungen, also Fälle, in denen es der Polizei darauf ankommt, eine Person gerade wegen ihrer Hautfarbe zu benachteiligen.Footnote 15 Hier tritt der Bezug zum Kerngehalt des Diskriminierungsverbots besonders offen zu Tage, da die Hautfarbe einer Person zum Anlass genommen wird, diese einer belastenden polizeilichen Maßnahme zu unterwerfen. Da polizeiliches Handeln regelmäßig in der Öffentlichkeit stattfindet, geschieht dies auch deutlich sichtbar für die übrige Bevölkerung. Die Ungleichbehandlung wiegt daher besonders schwer und ist zugleich geeignet, in der Bevölkerung bestehende Vorurteile zu verfestigen.Footnote 16

Weit häufiger als die zielgerichtete Ungleichbehandlung von Personen aufgrund ihrer Hautfarbe dürften Fälle auftreten, in denen die Hautfarbe innerhalb eines sogenannten Motivbündels mitursächlich für die Durchführung einer polizeilichen Maßnahme ist. Auch in diesen Fallgestaltungen liegt ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG vor.Footnote 17 Zwar kann die Polizei ihr Handeln hierbei auch durch weitere Umstände begründen, beispielsweise das verdächtige Verhalten der Person oder den Besitz gefährlicher Gegenstände. Ein Teil der Entscheidung darüber, ob eine Maßnahme getroffen und – bejahendenfalls – wie diese ausgestaltet wird, wird aber auch durch die Hautfarbe der Person beeinflusst. Damit wird aber der Hautfarbe eine Bedeutung für die polizeiliche Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung zugeschrieben. Unabhängig davon, dass diese Annahme sachlich unbegründet ist,Footnote 18 verbietet Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG die Ableitung individueller Eigenschaften oder Verhaltensweisen aus der Hautfarbe – und zwar auch dann, wenn dieser Vorgang in einem Motivbündel verborgen wird.

Vorstehende Erwägungen stehen im Einklang mit dem traditionellen Verständnis polizeilicher Eingriffsmaßnahmen. Nur im Falle einer Gefahr für ein polizeiliches Schutzgut darf der:dem hierfür verantwortlichen Bürger:in eine Handlungspflicht auferlegt werden. Adressat:in einer polizeilichen Maßnahme darf nur werden, wer zumindest eine gewisse Gefahrnähe aufweist.Footnote 19 Ausgangspunkt und zugleich Begrenzung hoheitlicher Eingriffsmaßnahmen bilden die Gefahr und die hierfür verantwortliche Person, nicht aber Hautfarbe oder Gesichtszüge. Demzufolge kann sich die Polizei nur dann von dem Vorwurf einer Ungleichbehandlung „wegen der Rasse“ frei machen, wenn die Hautfarbe keine Rolle bei der konkreten Entscheidungsfindung spielt und die Einleitung und Durchführung der Maßnahme ausschließlich im Zusammenhang mit der Gefahrverantwortung der Person erfolgt.

Dies bedeutet jedoch nicht, dass im Falle einer Gefahrverantwortung einer Person of Color der Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG zurücktritt. Die Person of Color hat auch im Falle einer Gefahrverantwortung einen Anspruch darauf, ebenso behandelt zu werden, wie eine weiße Person behandelt worden wäre. Gleichheitswidrig ist es daher, bestimmte Begleitmaßnahmen wie z. B. Personalienabgleich bei der Leitstelle, Durchsuchung nach gefährlichen Gegenständen oder Fesselung beim Verbringen zur Wache auf Grundlage polizeilichen Erfahrungswissens über People of Color zu treffen und nicht durch konkrete Umstände zu begründen. Die Differenzierung anhand der Hautfarbe erfolgt hier subtiler, da im Vordergrund nach wie vor die Gefahrverantwortung der Person steht. Gleichwohl ist die Polizei innerhalb ihres Auswahlermessens an Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG gebunden. Werden also die Angaben von Personen eines bestimmten Phänotyps eher als unglaubhaft eingestuft, wird ihnen eher das Mitführen gefährlicher Gegenstände unterstellt oder wird bei ihnen eher ein Widerstand gegen die polizeiliche Maßnahme prognostiziert, dann liegt unabhängig von der Gefahrverantwortung der Person of Color ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG vor.

Zu eng ist es daher, den Bereich der Kontroll- und Fahndungsmaßnahmen im Zusammenhang mit bestimmten Täter:innenbeschreibungen generell aus dem Schutzbereich des Art. 3 Abs. 1 GG auszuschließen.Footnote 20 Zwar wäre eine Maßnahme gegenüber weißen Personen ermessensfehlerhaft, wenn Zeug:innen eine:n Verdächtige:n als Person of Color beschreiben. Daher ist es ausnahmsweise zulässig, anhand des Kriteriums „Hautfarbe“ zu entscheiden, wer nicht von einer polizeilichen Maßnahme adressiert wird. Im Umkehrschluss ergibt sich daraus, dass gegenüber People of Color die erforderlichen Maßnahmen getroffen werden dürfen – solange sich diese auf konkret verdachtsbegründende Verhaltensweisen stützen. Unzulässig bleibt es aber in jedem Fall, eine Maßnahme nur deshalb zu treffen, weil das polizeiliche Gegenüber ein:e Person of Color ist. Ebenfalls unzulässig ist es, gegenüber einer Person of Color zu einer eingriffsintensiven Maßnahme zu greifen, die bei einer weißen Person nicht getroffen worden wäre (z. B. Verbringen zur Wache bei einer Identitätsfeststellung, wenn hingegen bei einer weißen Person die einen Verdacht beseitigenden Angaben für glaubhaft erachtet worden wären).

3.2 Zur Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen „wegen der Rasse“

3.2.1 Grundsätzliche Erwägungen

Für einzelne der in Art. 3 Abs. 3 GG formulierten Gleichheitssätze ist anerkannt, dass diese zwar als grundsätzliches, nicht aber als absolutes Diskriminierungsverbot wirken.Footnote 21 Beispielsweise sind an das Geschlecht anknüpfende Differenzierungen gerechtfertigt, soweit sie zwingend zur Lösung von Problemen erforderlich sind, die ihrer Natur nach nur bei Personen eines bestimmten Geschlechts auftreten können.Footnote 22 Fehlt es an zwingenden Gründen, kann eine Ungleichbehandlung nur über die Abwägung mit kollidierendem Verfassungsrecht legitimiert werden.Footnote 23

Dieser für Ungleichbehandlungen „wegen des Geschlechts“ entwickelte Rechtfertigungsmaßstab lässt sich allerdings nicht ohne weiteres auf Differenzierungen anhand der Hautfarbe übertragen.Footnote 24 Zunächst ist festzuhalten, dass es keine für das hoheitliche Handeln relevanten Unterschiede zwischen Personen aufgrund ihrer Hautfarbe oder bestimmter physiognomischer Merkmale gibt. Daraus folgt für die im vorherigen Abschnitt beschriebene Fallgruppe der finalen Diskriminierung „wegen der Rasse“, dass diese unter keinen Umständen gerechtfertigt werden kann. Eine andere Auffassung wäre verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar, da das Diskriminierungsverbot „wegen der Rasse“ gerade verhindern will, dass über die Hautfarbe unterschiedliche Verhaltensweisen oder Eigenschaften konstruiert werden, die sodann Anlass für hoheitliche Eingriffsmaßnahmen bilden. Dies entspricht im Ergebnis allgemeiner Ansicht, sodass eine polizeiliche Maßnahme unter keinen Umständen zu rechtfertigen ist, wenn sie ausschließlich mittels der Hautfarbe der betroffenen Person begründet wird.Footnote 25

3.2.2 Personenkontrollen und der Vorwurf des Racial Profiling im Lichte des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG

Uneinheitlich beantwortet wird die Frage, ob die Anknüpfung polizeilicher Maßnahmen an die Hautfarbe gerechtfertigt sein kann, wenn darüber hinaus zumindest ein Gefahrverdacht gegenüber der Person besteht. Adressiert sind mit dieser Frage sämtliche zuvor beschriebenen Fallgestaltungen, bei denen die Hautfarbe innerhalb eines Motivbündels für die Entscheidung darüber herangezogen wird, ob die Polizei tätig wird und wie eingriffsintensiv sie eine Maßnahme ausgestaltet. Innerhalb der Rechtsprechung und Teilen der Literatur wird argumentiert, dass eine Anknüpfung auch an die Hautfarbe als Ergebnis einer Abwägung mit kollidierendem Verfassungsrecht möglich sei.Footnote 26 Denkbar sei dies, wenn die Maßnahme zur Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht für Leib, Leben oder Eigentum erfolgeFootnote 27 oder der Verhinderung und Unterbindung unerlaubter Einreise sowie der damit zusammenhängenden Schleuserkriminalität dieneFootnote 28.

Relevant wird diese Diskussion vor allem bei bestimmten Konstellationen des Racial Profiling, in denen Polizeibeamt:innen die Kontrolle einer Person of Color zwar vorrangig auf deren gefahrverdächtiges Verhalten stützen (z. B. Suchen von Blickkontakt zu Passant:innen in einem als Drogenumschlagplatz bekannten Park), sie eine weiße Person in derselben Situation aber nicht kontrolliert hätten.Footnote 29 Befürworter:innen einer Rechtfertigung wollen eine Anknüpfung an die Hautfarbe zulassen, wenn die Polizei „objektiv fundiert“ weiß, dass an einem bestimmten Ort besonders häufig Personen ohne gültige Aufenthaltserlaubnis anzutreffen seien und aus eben diesem Grund „viele ‚nicht phänotypisch‘ Deutsche“ kontrolliert würden.Footnote 30 Erlaubt sei etwa die gezielte Kontrolle von People of Color zur Abwehr von Straftaten, wenn die Polizei „weiß (…), dass der Drogenhandel im Bahnhofsviertel einer Stadt von Schwarzafrikanern dominiert wird“Footnote 31. Auch dürften Maßnahmen der Schleierfahndung mittels Aussehens und Sprache einer Person eingegrenzt werden, um damit zielgerichtete Kontrollen zur Unterbindung von Verstößen gegen das Aufenthaltsgesetz zu ermöglichen.Footnote 32 Das „Wissen“ über eine erhöhte Gefährlichkeit oder Kriminalitätsbelastung einer durch äußerlich erkennbare Merkmale definierten Personengruppe dürfe dabei jedoch nicht auf bloßen Behauptungen, vagen Eindrücke oder polizeilichem Erfahrungswissen beruhen.Footnote 33 Erforderlich seien polizeiliche Lagebilder oder Statistiken, die eine erhöhte Belastung innerhalb der durch äußerliche Merkmale erkennbaren Personengruppe belegen.Footnote 34

3.3 Ungleichbehandlungen „wegen der Rasse“ sind unter keinen Umständen zu rechtfertigen

Auf den ersten Blick scheint für die vorstehende Ansicht die polizeipraktische Perspektive zu sprechen, aus der heraus bei Kontrollen an bestimmten ÖrtlichkeitenFootnote 35 überdurchschnittlich häufig tatverdächtige Personen mit bestimmten Staatsangehörigkeiten angetroffen werden.Footnote 36 Bei genauerer Betrachtung führt diese Begründung aber nicht zu der zwingenden Schlussfolgerung, bestimmte Täter:innengruppen seien anhand äußerlicher Merkmale erkennbar. Problematisch ist zunächst die Generierung des polizeilichen Wissens über die Belastung bestimmter Täter:innengruppierungen. Polizeiliche Lagebilder und Statistiken trifft der Einwand der Selektivität, da nur Ergebnisse polizeilicher Kontroll- und Ermittlungstätigkeiten abgebildet werden, das Dunkelfeld also außer Acht gelassen wird. Ferner kann angesichts der nicht auf einer Zufallsauswahl gründenden Erfassungsmethoden nicht ausgeschlossen werden, dass eine etwaige erhöhte Belastung bestimmter Täter:innengruppen auf einen erhöhten Kontrolldruck oder unbewusste Stereotypen gerade gegenüber dieser Gruppe zurückzuführen ist.Footnote 37 Schließlich stellt sich die ganz grundsätzliche Frage, wie das Kriterium der „Hautfarbe“ in einer Statistik erfasst werden soll. Wann ist man nicht mehr weiß genug, um in die Kategorie „dunkelhäutig“ eingeordnet zu werden und wer hat hierüber die Entscheidungshoheit? Richtigerweise erübrigt sich jeder Versuch einer Beantwortung dieser Frage, da die präventiven oder repressiven Zwecken dienende Erfassung, Speicherung und Verarbeitung des personenbezogenen Datums „Hautfarbe“ ein Ausdruck der Annahme wäre, mit der Hautfarbe seien für die Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung relevante Eigenschaften oder Verhaltensweisen verbunden – dies wiederum wäre eine zielgerichtete Ungleichbehandlung „wegen der Rasse“ und daher ein unter keinen Umständen zu rechtfertigender Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG.Footnote 38

Ein umfassendes Verständnis von Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG verlangt, dass Personenkontrollen auch auf Grundlage der Hautfarbe einen unter keinen Umständen zu rechtfertigenden Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Diskriminierungsverbot darstellen.Footnote 39 Wenn eine auch an die Hautfarbe der Person anknüpfende polizeiliche Maßnahme zur Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht für Leib, Leben oder EigentumFootnote 40 gerechtfertigt werden könnte, dann brächte dies letztlich die Annahme zum Ausdruck, eine dunkle Hautfarbe gäbe irgendeine Auskunft über kriminelles oder gefahrträchtiges Verhaltens und rechtfertige es, diese Person anders zu behandeln als eine Person mit weißer Hautfarbe. Gerade dies ist wiederum ein rassistisches Begründungsmuster, dessen Anwendung Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG verhindern will. Denn die Hautfarbe einer Person lässt keinen Rückschluss darauf zu, ob von dieser Person eine erhöhte Gefahr für ein polizeiliches Schutzgut ausgeht oder nicht.

Die Anerkennung eines absoluten Verbots der Anknüpfung einer polizeilichen Maßnahme an die Hautfarbe berücksichtigt, dass der allgemeine Gleichheitssatz eine für das gesellschaftliche Zusammenleben relevante objektive Wertentscheidung beinhaltet.Footnote 41 Das Bundesverfassungsgericht betont die stigmatisierende Wirkung sich überwiegend gegen Personen ausländischer Herkunft richtender polizeilicher Maßnahmen, da hiermit stets das Risiko verbunden sei, Vorurteile zu reproduzieren und unbewusste oder bewusste Stereotypen unter Außenstehenden zu bekräftigen.Footnote 42 Ein absolutes Diskriminierungsverbot „wegen der Rasse“ erkennt ferner die freiheitliche Dimension des GleichheitssatzesFootnote 43 an und berücksichtigt, dass Verstöße gegen das Diskriminierungsverbot stets auch die Selbstbestimmung der betroffenen Person beeinträchtigen. Deutlich macht dies ein Vergleich mit Fallkonstellationen, bei denen die Polizei ihre Entscheidung anhand des äußeren Erscheinungsbildes von Personen trifft, ohne an ein von Art. 3 Abs. 3 GG besonders geschütztes Merkmal anzuknüpfen. Wer etwa im Zusammenhang mit Fußballspielen oder Demonstrationen aufgrund des Kleidungsstils zur:zum Adressat:in einer polizeilichen Maßnahme wird, kann das Risiko künftiger Kontrollmaßnahmen durch Anpassung des äußeren Erscheinungsbildes minimieren. Wer allerdings im öffentlichen Raum auch wegen der Hautfarbe kontrolliert wird, kann Freiheit von hoheitlichen Eingriffsmaßnahmen nur durch Verzicht auf Teilhabe am öffentlichen Raum erreichen. Eine derartige Verhaltensanpassung würde nicht nur das Selbstbestimmungsrecht der:des Einzelnen erheblich einschränken, sondern „auch das Gemeinwohl, weil Selbstbestimmung eine elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungs- und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger begründeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens ist“Footnote 44.

Der Gedanke eines absoluten Diskriminierungsverbots steht schließlich auch im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, wonach aus Art. 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) ein umfangreiches Verbot von Personenkontrollen auch aus Anlass der Hautfarbe abzuleiten sei.Footnote 45 Danach sei „eine unterschiedliche Behandlung, die ausschließlich oder wesentlich mit der ethnischen Herkunft einer Person begründet wird, niemals in der demokratischen Gesellschaft, die auf den Grundsätzen des Pluralismus und des Respekts für unterschiedliche Kulturen beruht, gerechtfertigt“Footnote 46.

4 Landesrechtliche Antidiskriminierungsvorschriften

Die Inhalte der verfassungsrechtlichen Diskriminierungsverbote sind 2020 vom Land Berlin in einem Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) konkretisiert worden. Die Vorschriften des LADG Berlin entsprechen weitgehend dem Schutzbereich des verfassungsrechtlichen Diskriminierungsverbots, haben aber ungeachtet dieser Tatsache für rechts- und innenpolitische Kontroversen über die Bedeutung des Gesetzes für die Polizeiarbeit geführt.Footnote 47 Ähnliche Diskussionen sind auch in Baden-Württemberg zu beobachten, wo die Regierungskoalition beabsichtigt, innerhalb der Legislaturperiode 2021–2026 ein Landesantidiskriminierungsgesetz auf den Weg zu bringen.Footnote 48 In den übrigen Bundesländern sind bislang keine vergleichbar weit vorangeschrittenen Bestrebungen der jeweiligen Gesetzgeber zu beobachten. Einzig in Hamburg und Brandenburg sind von der Opposition Entwürfe für ein Landesantidiskriminierungsgesetz in das Parlament eingebracht, dort aber nicht umgesetzt worden.Footnote 49

Die folgenden Abschnitte befassen sich am Beispiel des LADG Berlin mit dem Schutzbereich der landesrechtlichen Antidiskriminierungsvorschriften und ordnen die für Bürger:innen geschaffene Beweiserleichterung bei Diskriminierungsklagen rechtlich ein. In einer zusammenfassenden Bewertung wird ein Ausblick auf die praktischen Folgen der Antidiskriminierungsvorschriften gegeben.

4.1 Diskriminierungsverbot im Landesantidiskriminierungsgesetz Berlin

Kern des LADG Berlin ist das in § 2 formulierte Diskriminierungsverbot, welches die in Art. 3 Abs. 3 GG genannten Diskriminierungsgründe aufgreift und um die Merkmale der chronischen Erkrankung, des Lebensalters, der Sprache, der sexuellen und geschlechtlichen Identität sowie des sozialen Status erweitert. Bezogen auf das Verbot der Diskriminierung „wegen der Rasse“Footnote 50 entspricht das LADG Berlin daher dem Schutzniveau des Grundgesetzes, welches die Anknüpfung hoheitlicher Maßnahmen an die in Art. 3 Abs. 3 GG genannten Merkmale untersagt. Anliegen des Berliner Gesetzgebers war es daher auch nicht, den Schutz vor rassistisch motivierten Diskriminierungen zu erweitern. Ziel war es, bestehende Schutzvorschriften zu konkretisieren und hierdurch für Bürger:innen und Behörden Rechts- und Anwendungssicherheit über Diskriminierungsverbote herzustellen.Footnote 51 Ähnlich formuliert es auch der Koalitionsvertrag des Landes Baden-Württemberg. Neben dem Schutz vor – von Verfassung wegen ohnehin verbotener – Diskriminierung zielen die Gesetzgebungspläne darauf ab, das Vertrauen zwischen Bürger:innen und Staat durch Ausformulierung eines staatlichen Schutzauftrages gegen Diskriminierung zu stärken.Footnote 52

Hinsichtlich des Verbots von Ungleichbehandlungen aufgrund rassistischer Zuschreibungen hat das LADG Berlin daher überwiegend eine klarstellende Funktion. Ein darüber hinaus gehendes Motiv des Gesetzgebers war es auch, den Diskriminierungsschutz des hoheitlichen an denjenigen des zivilrechtlichen Bereichs anzugleichen.Footnote 53 Dort finden sich im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) vergleichbare Regelungen, die allerdings auf das Privatrecht beschränkt sind und daher keine Wirkung im hoheitlichen Verhältnis zwischen Staat und Bürger:innen entfalten.Footnote 54

4.2 Beweiserleichterung beim Vorwurf diskriminierender polizeilicher Maßnahmen

Bei Kontakten zwischen Polizei und Bürger:innen werden typischerweise Maßnahmen getroffen, deren Anlass sich kurzfristig durch Zeitablauf erledigt. Bürger:innen, die sich gegen polizeiliches Handeln zur Wehr setzen möchten, sind daher auf nachträglichen gerichtlichen Rechtsschutz angewiesen. Hierbei stehen sie vor der Schwierigkeit, dass Anlass und Begründung für eine belastende Maßnahme weder zwischen Bürger:in und Beamt:in ausgehandelt werden, noch verpflichtend schriftlich festzuhalten sind. Die Motive für eine polizeiliche Maßnahme liegen damit allein innerhalb der hoheitlichen Sphäre und sind dem Zugriff der:des Adressat:in entzogen. Vor Gericht wären Bürger:innen bei Anwendung herkömmlicher BeweisregelnFootnote 55 daher praktisch nicht in der Lage, den Nachweis für die von ihnen behauptete Tatsache zu erbringen, dass ein diskriminierendes Merkmal zumindest mitursächlich für eine polizeiliche Maßnahme war.

Der Berliner Gesetzgeber hat hierauf mit Schaffung einer Beweiserleichterung reagiert (§ 7 LADG Berlin) und mit dieser Vorschrift hergebrachte Verfahrensgrundsätze übernommen, mit denen Gerichte auf die Beweisnot von Bürger:innen in asymmetrischen Rechtsbeziehungen reagieren. Bei Kontakten zwischen Polizei und Bürger:innen sowie in anderen Lebensbereichen, in denen das Wissen über bestimmte Tatsachen außerhalb der Sphäre der:des Bürger:in liegt, verlangen Gerichte lediglich, dass Tatsachen glaubhaft gemacht werden, die aus objektiver Sicht die Rechtsverletzung überwiegend wahrscheinlich machen.Footnote 56 Dies entspricht dem Gebot effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG und wird von den Gerichten auch bislang schon zwecks Herstellung prozessualer Waffengleichheit so gehandhabt. An diesen etablierten Verfahrensregeln orientiert sich § 7 LADG Berlin. Gelingt es der:dem Bürger:in, eine Ungleichbehandlung etwa wegen der Hautfarbe glaubhaft zu machen, so muss die Polizei den Vorwurf der Diskriminierung entkräften. Die abgeschwächten Anforderungen betreffen also ausschließlich die Beweislast, wohingegen die:den Kläger:in die volle Darlegungslast für die von ihr:ihm behauptete Ungleichbehandlung trifft. Eine ohne nähere Ausführungen vorgetragene Behauptung eines diskriminierenden Verhaltens seitens der Polizei genügt daher nicht, um die Beweiserleichterung auszulösen.

Die Polizei kann den Vorwurf der Ungleichbehandlung entkräften, indem sie nachvollziehbar und transparent darlegt, dass unzulässige Merkmale wie etwa die Hautfarbe bei der polizeilichen Maßnahme keine Rolle spielten. Gelingt dies, gelangen die herkömmlichen Beweisregeln zur Anwendung und die:den Bürger:in trifft die volle Beweislast dafür, dass – entgegen der polizeilichen Entkräftigung des Vorwurfs – die Hautfarbe ein tragendes Entscheidungskriterium gewesen ist. Der Vorteil der Beweislastumkehr entfaltet sich demnach in der Praxis nur in den seltenen Fällen, in denen der Polizeibehörde keine schlüssige Darlegung ihrer Auswahlentscheidung gelingtFootnote 57 oder in denen sie einräumt, dass die Hautfarbe zumindest mitursächlich bei der Durchführung der Maßnahme warFootnote 58. In diesem Fall müsste die Polizeibehörde nämlich den praktisch kaum zu leistenden Nachweis erbringen, dass die unschlüssige bzw. gleichheitswidrige Begründung ausnahmsweise nicht zur Rechtswidrigkeit der Maßnahme geführt hat.Footnote 59

4.3 Praktische Auswirkungen landesrechtlicher Antidiskriminierungsvorschriften

Bei der Bewertung des LADG Berlin und der Gesetzgebungsvorhaben in weiteren Ländern muss man sich zunächst vor Augen führen, dass die Inhalte des Antidiskriminierungsrechts wesentlich durch unions- und verfassungsrechtliche Vorgaben geprägt sind und dem Gesetzgeber daher nur wenig Spielraum verbleibt. Unabhängig von der Existenz landesrechtlicher Vorschriften handelt es sich beim verfassungsrechtlichen Diskriminierungsverbot um unmittelbar geltendes Recht im Sinne des Art. 1 Abs. 3 GG, welches alle Träger:innen hoheitlicher Gewalt dazu verpflichtet, die Schutzbestimmungen des besonderen Gleichheitssatzes einzuhalten und Ungleichbehandlungen unter Anknüpfung an die in Art. 3 Abs. 3 GG genannten Merkmale zu unterlassen.

Im Hinblick auf polizeiliche Ungleichbehandlungen „wegen der Rasse“ erweitert das LADG Berlin daher weder den Diskriminierungsschutz, noch werden neue Beweisregeln etabliert. Vielmehr werden transparente Regelungen geschaffen, an denen jede:r Polizeibeamt:in nachvollziehen kann, wozu sie:er auch bislang schon rechtlich verpflichtet gewesen ist.Footnote 60 Dies ist letztlich auch das Ziel des Gesetzgebers, und zwar sowohl beim Berliner LADG als auch in Baden-Württemberg beim dort geplanten Gesetz. In beiden Ländern geht es darum, die Wirksamkeit des Antidiskriminierungsschutzes zu steigern und die Verwaltung dazu anzuhalten, ihr Handeln nachvollziehbar und transparent auszugestalten.Footnote 61

In der Praxis dürfte der teilweise prognostizierte Anstieg von Klagen gegen polizeiliche Maßnahmen vermutlich nicht eintreten.Footnote 62 Zwar besteht nun in Berlin – und dies ist in der Tat eine Erweiterung des Rechtsschutzes – für anerkannte Antidiskriminierungsverbände die Möglichkeit, Klage gegen polizeiliches und sonstiges Verwaltungshandeln zu erheben (§ 9 LADG Berlin). Einschränkende Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass die behaupteten Verstöße nicht nur im Einzelfall bestehen, sondern Ausdruck struktureller Diskriminierung sind.Footnote 63 Dies stellt eine prozessuale Hürde dar, welche dafür sorgen dürfte, dass die Zahl der Verfahren wegen behaupteter Verstöße gegen das LADG Berlin überschaubar bleibt.Footnote 64 Im Bereich des Individualrechtsschutzes dürfte es sich ähnlich verhalten wie unter dem Anwendungsbereich des AGG. Auch dort ist trotz gewährter Beweiserleichterung die Zahl der Klageverfahren hinter den Erwartungen zurückgeblieben.Footnote 65

Selbst wenn angesichts zunehmender Sensibilisierung gegenüber Diskriminierungsbelangen mit einer vermehrten Inanspruchnahme der Gerichte zu rechnen wäre, dürfte sich die Zahl erfolgreicher Klagen auf dem bislang üblichen niedrigen Niveau bewegen. Die Beweiserleichterung entbindet Kläger:innen zunächst nicht von ihrer Obliegenheit, die behauptete Diskriminierung substantiiert darzulegen. Wird diese Voraussetzung erfüllt, liegt es an der Polizeibehörde, die beanstandete Maßnahme gegenüber dem Gericht nachvollziehbar ohne Rückgriff auf ein diskriminierendes Merkmal zu begründen. Es besteht wenig Anlass zu der Annahme, der Polizei werde dies nicht gelingen. Einen wesentlichen Faktor im Machtungleichgewicht zwischen Bürger:innen und Polizei lässt das LADG Berlin nämlich unangetastet. Polizeiliche Standardmaßnahmen sind in der Regel erst dann schriftlich zu begründen, wenn sich Bürger:innen hiergegen zur Wehr setzen. Sie entstehen also stets unter dem Eindruck einer Verteidigung gegen den Vorwurf rechtswidrigen polizeilichen Verhaltens. Ein unmittelbar nach der polizeilichen Maßnahme und damit in Unkenntnis über etwaige nachträgliche Beschwerde- oder Klageverfahren erstellter Kurzvermerk, in dem der Anlass und die Art und Weise der Durchführung der Maßnahme begründet werden,Footnote 66 steht Bürger:innen und Gerichten demgegenüber nicht zur Verfügung. Auch unter dem LADG Berlin werden sich Bürger:innen bereits dann in einer Aussage-gegen-Aussage-Situation wiederfinden, wenn der Polizeibehörde eine nachträgliche diskriminierungsfreie Begründung der von ihnen getroffenen Maßnahme gelingt. Angesichts der auffallend hohen Glaubwürdigkeit, die Polizeizeugen vor Gericht genießen,Footnote 67 dürfte es Bürger:innen in diesen prozessualen Konstellationen kaum gelingen, Diskriminierungsprozesse zu ihren Gunsten zu entscheiden.

5 Zusammenfassung und Ausblick

Zunehmend wird innerhalb des gesellschaftlichen Diskurses über Rassismus anerkannt, dass eine Diskriminierung nicht zwingend eine zielgerichtete Herabsetzung beinhalten muss, sondern auch in nicht-intendierter Weise auftreten kann. Die Rechtsordnung erkennt dies an und fordert im Verhältnis zwischen Staat und Bürgern einen umfassenden Schutz vor rassistisch geprägter Ungleichbehandlung. Art. 3 Abs. 3 GG verbietet der Polizei daher nicht nur die zielgerichtete Ungleichbehandlung aufgrund rassistisch motivierter Zuschreibungen. Beamt:innen haben es auch zu unterlassen, die Hautfarbe mit anderen Kriterien zu verbinden und auf dieser Grundlage über die Durchführung von Eingriffsmaßnahmen zu entscheiden.

Ob in den letztgenannten Fällen ausnahmsweise eine Rechtfertigung des Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 3 GG in Betracht kommt, ist bislang nicht höchstrichterlich geklärt und innerhalb der Literatur umstritten. Bejaht man dies mit der wohl überwiegenden Auffassung, muss die Polizei mittels methodisch sorgfältig erstellter Statistiken eine erhöhte polizeiliche Auffälligkeit derjenigen Personengruppe belegen, welcher die von der Maßnahme betroffene Person ausweislich ihrer Hautfarbe zugerechnet wird. Nach hier vertretener Auffassung führen die mit diesem Ansatz verbundenen verfassungsrechtlichen Bedenken jedoch dazu, dass polizeiliche Maßnahmen mit Bezug zur Hautfarbe unter keinen Umständen zu rechtfertigen sind.

In der Praxis bleibt abzuwarten, ob die zunehmende Sensibilisierung für Diskriminierungsbelange in einem Anstieg der Beschwerde- und Gerichtsverfahren zum Ausdruck kommt. Bürger:innen wird hier seit jeher eine Beweiserleichterung bei der Darlegung rassistisch geprägter Ungleichbehandlung gewährt. Dass dies nun im LADG Berlin klar zum Ausdruck kommt, mag auf den ersten Blick dafür sprechen, dass Bürger:innen vermehrt gerichtlichen Rechtsschutz ersuchen werden. Ein Anstieg erfolgreicher Klageverfahren dürfte hingegen nicht zu vermuten sein, da sich die Beweiserleichterung in der gerichtlichen Praxis als weitgehend stumpfes Schwert erweist. Der Vorwurf diskriminierenden polizeilichen Handelns gilt nämlich bereits als entkräftet, wenn die Polizei nachvollziehbar einen diskriminierungsfreien Prozess der Entscheidungsfindung darlegt.

Innerhalb der Polizeibehörden wird die Notwendigkeit eines umfassenden Diskriminierungsschutz zunehmend erkannt. Aus rechtlicher Sicht ist die dabei zu beobachtende Abwehrhaltung gegenüber landesrechtlichen Konkretisierungen des Diskriminierungsschutzes nicht nachzuvollziehen, da der Schutz vor rassistisch motivierten Diskriminierungen unter Gewährung prozessualer Beweiserleichterungen ohnehin tief in der Verfassung verankert ist. Wünschenswert ist daher eine konstruktive Diskussion über die Frage, wie die Gründe für polizeiliche Maßnahmen transparent gemacht werden können, um auf diese Weise allen Beteiligten zu verdeutlichen, wo die Grenze zwischen diskriminierenden und diskriminierungsfreien Maßnahmen verläuft. Dieser Prozess liegt sowohl im Interesse der Beamt:innen, die den Diskriminierungsschutz in ihrem Dienstalltag umsetzen, als auch der Bürger:innen, die sich mit der Frage konfrontiert sehen, ob ihre Hautfarbe einen Anlass für eine polizeiliche Maßnahme gegeben hat.