1 Elementarschadenversicherung im Zeitalter des Klimawandels

Für ergänzende Literatur zum Themenkreis Elementarschaden-(Pflicht-)Versicherung siehe auch Flagmeier 2009; Graff 1999; Günther 2016; Kron und Ellenrieder 2009; Kunze 1992; Lamby 1993; Lange 2011; Müller 1999; Nguyen 2007 und Rommel 1995.

Die Versicherung von Elementarschäden gewinnt stetig an Bedeutung. Zum einem wird es aufgrund des Anstiegs der durchschnittlichen Temperatur im Rahmen der globalen Erderwärmung zu einer erhöhten Häufigkeit von Naturkatastrophen kommen. Im Zusammenwirken mit wachsender Erdbevölkerung und der steigenden Wertekonzentration auch in exponierten Lagen kommt es zu einer großen Zunahme von Intensität und Anzahl der durch Naturgefahren verursachten Schäden (vgl. Volland und Engel 2019, 1785). Der Trend zu vermehrten Wetterextremen ist nach allgemeiner naturwissenschaftlicher Auffassung ein Indiz der allmählich eintretenden Auswirkungen des beginnenden Klimawandels. Schwerere Stürme, mehr Starkregen und damit verbunden eine tendenziell höhere Hochwassergefährdung sind auch in Deutschland zu erwarten.Footnote 1

Ferner hat die Versicherungsdichte in der Elementarschadenversicherung spürbar zugenommen, auch wenn diese weiterhin noch deutlich unterhalb zum Beispiel der benannten Gefahr „Feuer“ liegt. Die Versicherungsdichte in der möglicherweise existenzsichernden Elementarschadenversicherung von gegenwärtig 46 Prozent entspricht exakt der Versicherungsdichte in der Rechtsschutzversicherung,Footnote 2 die im Vergleich dazu nur ein geringes wirtschaftliches Risiko abdeckt.

Eine relevante Rolle spielt die Elementarschadenversicherung dabei nicht nur für die einzelne Privatperson oder ein Unternehmen, sondern auch für den Staat. Im Falle von Naturkatastrophen hat der Staat in der Vergangenheit mehrfach die Folgen durch direkte finanzielle und sonstige UnterstützungFootnote 3 abgefangen, zuletzt nach der Hochwasserkatstrophe im Juli 2021 in Teilen von Rheinland-Pfalz, insbesondere im Ahrtal, aber auch in Nordrhein-Westfalen. Darüber hinaus ist der Staat bei Naturkatastrophen von Steuerausfällen betroffen.Footnote 4

Der Starkregen (Tiefdruckgebiet „Bernd“) im Bereich zwischen der Kölner Bucht und der Eifel ab dem 13.07.2021 und die daraus sich entwickelnden Fluten hatten ein historisches Ausmaß. Es war eine der massivsten Naturkatastrophen seit der Hamburger Sturmflut von 1962. Der höchste Niederschlag wurde aber nicht in der am meisten betroffenen Region im Ahrtal gemessen, sondern im oberbergischen Land in Wipperfürth mit 162 Liter/qmFootnote 5 und in Köln mit 169,5 Liter/qm.Footnote 6 Der Pegel Altenahr hatte einen Hochwasserstand von sieben Metern und der Spitzenabfluss wurde 506 m3/s geschätzt, vgl. dazu auch Abb. 14.1 mit den Niederschlagsdaten zu Tief Bernd über Deutschland vom 12.07. bis zum 15.07.2021.

Abb. 14.1
figure 1

Niederschlagsdaten für Tief Bernd vom 12.07. bis 15.07.2021. (Quelle: Deutscher Wetterdienst 2021) (Mit Genehmigung des Deutschen Wetterdienstes gemäß E-Mail vom 24.11.2021, vgl. dazu auch https://www.dwd.de/DE/service/copyright/copyright_node.html: Abbildung 1 zur Niederschlagsanalyse auf Basis von RADOLAN für die Dauerstufe 24 Std. bis 72 Std. bis zum 15.07.2021 05:50 UTC (07:50 MEZ) aus dem Bericht des Deutschen Wetterdienstes zur Hydrometeorologie, FN 7, Seite 2)

a) Bei der Analyse der Statistiken von weltweiten Naturkatastrophenschäden fällt auf, dass nur ein eher geringer Teil der Schäden versichert ist.Footnote 7 Dies liegt einerseits daran, dass bestimmte Fallkonstellationen vertragsgemäß nicht vom Versicherungsschutz umfasst sind. Größtenteils besteht der Grund aber in einer bislang generell geringen Versicherungsdichte bei der Versicherung von Elementarschäden.

Was oft übersehen wird und nicht oder nur zeitweise im Fokus der westlichen Sichtweise steht: Die mit Abstand schlimmsten humanitären Katastrophen ereignen sich in der Regel in Entwicklungs- und Schwellenländern. Nur gemessen an den Schadensummen und den versicherten Schäden treten die finanziell schwerwiegendsten Ereignisse in Europa und in anderen industrialisierten Staaten auf; die Anzahl der unmittelbar betroffenen Personen ist hier eher gering. So waren beispielsweise bei den letzten verheerenden und zyklisch auftretenden Fluten in Bangladesch im Jahr 2017 über 30 Prozent der Landmasse dieses Staates überschwemmt und hierdurch mehr als 5,7 Millionen Menschen unmittelbar betroffen.Footnote 8

b) Durch die Elementarschadenversicherung soll eine kollektive Risikovorsorge gegen Schäden durch Naturgefahren getroffen werden.Footnote 9 Elementarschäden werden danach verstanden als solche, die auf die Wirkung von Naturgewalten zurückgehen.Footnote 10 Der VGH Baden-WürttembergFootnote 11 hatte Elementarereignisse im Sinne des Gesetzes über die Versicherung der Gebäude gegen Unwetter- und andere ElementarschädenFootnote 12 definiert als Ereignisse der unbeherrschten Naturgewalten, die durch ein plötzliches Auftreten und einen zeitlich überschaubaren Geschehensablauf charakterisiert sind. Ob diese Definition zum damaligen Elementarschadengesetz in Baden-Württemberg aus Zeiten der dort existierenden Monopol- und Pflichtversicherung auf die heutigen privatrechtlich ausgestalteten Versicherungsvertragsverhältnisse in allen Einzelheiten übertragbar ist, könnte zweifelhaft sein. Es wird z. T. vertreten, dass ein „plötzliches Auftreten“ nicht mehr notwendigerweise für die Annahme eines Elementarschadens zu fordern sei.Footnote 13

Grundsätzlich kommen als Naturgefahren ihrem Ursprung nach

  • atmosphärische bzw. hydrosphärische Risiken (Sturm, Sturmflut, Überschwemmung, Trockenheit, Hitze-/Kältewelle, Frost, Niederschläge, Blitzschlag, Schneedruck oder Lawinen),

  • geologische Risiken (Erdbeben, Erdsenkung, Erdrutsch oder Vulkanausbruch) bis hin zu

  • kosmischen Risiken (Meteoritenabsturz oder Kollisionen von Himmelskörpern)

in Betracht.Footnote 14 Die „klassischen“ Elementargefahren Sturm und Hagel sind in aller Regel über die private Hausrat- oder Wohngebäudeversicherung bzw. über eine gewerbliche SturmversicherungFootnote 15 abgedeckt. Vergleichbares gilt hinsichtlich der Risiken Blitzschlag und Frost, die im Rahmen der versicherten Gefahren Feuer bzw. Leitungswasser mitversichert werden.

Bei den hier aufgrund der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal im Juli 2021 zu behandelnden Wasserschäden geht es im Rahmen der Elementarschadenversicherung um die versicherte Gefahr „Überschwemmung“ und nur in deutlich geringerem Maße um den Versicherungsfall „Rückstau“ aufgrund des Starkregenereignisses.

2 Entwicklung der Elementarschadenversicherung

a) Nachdem sich die Idee der Gebäudeversicherung infolge von Großbränden im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit entwickelt hatte, wurde diese eigentliche Feuerversicherung im Zuge der Industrialisierung im Verlauf des 18. Jahrhunderts bald auf weitere Gefahren, beispielsweise die Elementargefahren, ausgedehnt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden in sieben Bundesländern sowie in Westberlin insgesamt zwölf öffentlich-rechtliche Monopolversicherungsanstalten gegründet, die Sonderrechte bei der Versicherung des Gebäudebestandes besaßen.Footnote 16 Teilweise bestand eine Pflichtversicherung, die in Baden-Württemberg und in Hamburg auch Elementarschäden mitumfasste. Die Badische Gebäudeversicherungsanstalt in Karlsruhe und die Württembergische Gebäudebrandversicherungsanstalt in Stuttgart führten aufgrund landesgesetzlicher Regelung 1960 die erste umfassende Elementarschadenversicherung ein, welche die Gebäudeversicherung um die Gefahren Erdrutsch, Erdsenkung, Hagel, Lawinen, Schneedruck, Sturm und Überschwemmung erweiterte. 1971 wurde die Gefahr Erdbeben ergänzt. Im Rahmen der Schaffung des europäischen Versicherungsbinnenmarktes waren die Monopolversicherungsanstalten (außer die Sozialversicherung) zum 30.06.1994 aufzulösen und die Verträge in privatrechtliche Form überzuleiten.

Den (privaten) Versicherungsunternehmen war es bis 1991 lediglich möglich, im Rahmen der verbundenen Hausrat- bzw. Wohngebäudeversicherung die Risiken aus den Gefahren Blitzschlag, Frost, Hagel und Sturm zu versichern. Erst 1991 wurde mit Genehmigung des damaligen Bundesaufsichtsamts für Versicherungswesen die Erweiterte Elementarschadenversicherung eingeführt.

b) Während mittlerweile nahezu sämtliche Wohngebäude versicherungstechnisch gegen Sturm und Hagel abgesichert und die Versicherungsdichte mit 94 Prozent sehr hoch ist, beläuft sich der Anteil derer, die zusätzlich noch über eine ergänzende Elementarversicherung für Naturgefahren wie Starkregen oder Hochwässer verfügen, bei gegenwärtig noch nicht einmal 50 Prozent.Footnote 17 Es bestehen dabei immer noch große regionale Unterschiede, vgl. dazu Abb. 14.2 mit dem Anteil der umfassend gegen Naturgefahren versicherten Gebäude.

Abb. 14.2
figure 2

Umfassend gegen Naturgefahren versicherte Gebäude in %. (Quelle: eigene Darstellung; vgl. GDV 2021) (Quelle GDV 2021, Mehrheit der Gebäude in Deutschland nicht richtig gegen Naturgefahren versichert, https://www.gdv.de/de/themen/news/mehrheit-der-gebaeude-in-deutschland-nicht-richtig-gegen-naturgefahren-versichert-12176, Abruf am 06.09.2021)

Aufgrund des versicherungsgeschichtlichen Hintergrunds ist die Verbreitung in Teilen der neuen Bundesländer (Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt)Footnote 18 sowie im Gebiet des Landes Baden-WürttembergFootnote 19 noch heute besonders hoch, während in den übrigen Gebieten (mit Ausnahme Nordrhein-Westfalens und Hessens) deutlich weniger Gebäude elementarversichert sind. Im westlichen Norddeutschland und im Saarland liegt die Versicherungsdichte noch deutlich niedriger.Footnote 20 Höhere Einschlussquoten als bei den privaten und gewerblichen Sachversicherungen bestehen für Elementarrisiken im Bereich der industriellen Elementarschadenversicherung.Footnote 21

Derzeit geht die Versicherungswirtschaft davon aus, dass das bisherige Angebot von Elementarrisikoschutz sowie der bislang zur Verfügung gestellte Deckungsumfang in weiten Teilen mittelfristig auch in Zukunft bereitgestellt werden kann. Laut Mitteilung des GDV sollen 99 Prozent aller Gebäude in Deutschland gegen Hochwasser versicherbar sein.Footnote 22 Allerdings sind je nach Entwicklungsverlauf ggf. Anpassungen in Bezug auf Prämien und Selbstbehalte erforderlich.Footnote 23 Unabhängig davon, ob die vom GDV getätigte Aussage, dass für deutlich über 90 Prozent aller Gebäude eine Elementarschadenversicherung abgeschlossen werden kann, zutrifft oder nicht, ist eines der großen Probleme, dass viele Gebäudeeigentümer eine solche nicht abschließen wollen.

Unabhängig von der immer noch so erstaunlich geringen Nachfrage dürfte sich mittel- und langfristig die Angebotsseite ändern. Die Versicherbarkeit muss in bestimmten Bereichen mit zunehmender Erderwärmung neu überprüft werden. Eine stärkere Rolle als bisher wird dabei die Prävention sowie die Schaffung und Einhaltung bestimmter Schutznormen einnehmen, zum Beispiel

  • Etablierung von (Früh-)Warnsystemen,

  • Verbot des Bauens in hochwassergefährdeten Gebieten,

  • Anpassung von DIN-Normen im Bausektor hinsichtlich der Stabilität und Widerstandsfähigkeit von Gebäuden,

  • Ausweisung von Überschwemmungsgebieten usw.Footnote 24

Ergänzend dürften dabei vorvertragliche Sicherheitsobliegenheiten vermehrt in Verträgen vereinbart werden. Ein erheblich verbesserter Hochwasserschutz sowie effektive Maßnahmen der Schadenminderung haben zum Beispiel beim Elbehochwasser 2013 zu deutlich geringeren Schadenfolgen als noch bei der Elbeflut im Jahr 2002 geführt.Footnote 25

3 Einführung einer Elementarschadenpflichtversicherung

a) Die Einführung einer Elementarschadenpflichtversicherung wird regelmäßig nach schweren Kumulereignissen wie gegenwärtig nach der Hochwasserkatastrophe im Juli 2021 im Ahrtal und zahlreichen anderen Gebieten mit Schwerpunkt in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-WestfalenFootnote 26 kontrovers diskutiert,Footnote 27 wurde bislang jedoch abgelehnt.Footnote 28 Die im Jahr 2003 unter der Federführung des BMJ ins Leben gerufene Bund-Länder-Kommission konnte sich nicht entschließen, eine Elementarpflichtversicherung weiter voranzutreiben − nicht zuletzt aufgrund der unklaren finanziellen Absicherung (ggf. durch eine entsprechende Staatsgarantie)Footnote 29 sowie verfassungs- und europarechtlicher Bedenken.Footnote 30

Auch die als Folge des Elbehochwassers von 2013 geschaffene Arbeitsgruppe der Justizminister der Länder sprach sich noch im Juni 2015 wegen verfassungsrechtlicher und europarechtlicher Bedenken gegen eine Pflichtversicherung aus.Footnote 31 Stattdessen sollte das private Versicherungsengagement zum Beispiel mit Kampagnen vorangebracht werden: So sollte es die staatliche Flutopferhilfe nur für diejenigen geben, die sich um Versicherungsschutz bemühten.Footnote 32 In 2015 befasste sich des Weiteren der Petitionsausschuss des Bundestages mit der Forderung, eine Elementarschadenversicherung verpflichtend zu gestalten, was aus vorgenannten Erwägungen abermals als nicht durchsetzbar eingeschätzt wurde.Footnote 33

Nichtsdestotrotz ist seit den Überschwemmungen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz 2021 wiederum eine breite öffentliche Debatte hinsichtlich einer Elementarschadenpflichtversicherung entbranntFootnote 34

Während in der Bevölkerung eine Pflichtversicherung allgemein auf geringe Resonanz stößt, stehen die Versicherer vor dem bekannten Problem, dass für hoch gefährdete Überschwemmungszonen wirtschaftlich kein Versicherungsschutz angeboten werden kann, während es in weniger gefährdeten Gebieten an der Nachfrage fehlt.

b) Es gibt gute Gründe sowohl für als auch gegen die Einführung einer Elementarschadenversicherung.Footnote 35

Für die Einführung einer Pflichtversicherung spricht:

  • die einzelnen Gebäudeeigentümer werden vor dem wirtschaftlichen Verlust ihres oft wertvollsten Vermögenswertes (zum Beispiel das selbst bewohnte Haus) geschützt;

  • auch die Eigentümer bekommen Deckungen, die sonst aufgrund der hohen Gefährdung ihrer Gebäude keine bekommen würden (beispielsweise bei einem Haus direkt am Fluss, der regelmüßig über die Ufer tritt);

  • der Staat müsste nicht mehr einspringen und das würde die Steuerzahler entlasten;Footnote 36

  • die Hauseigentümer wären nicht mehr bei der Höhe einer staatlichen Beihilfe auf den „good will“ des Staates angewiesen, der bei gleicher Sachlage durchaus unterschiedlich groß ausfallen kann (die Erfahrung zeigt beispielsweise, dass vor wichtigen Wahlen die Beihilfen höher ausfallen);

  • der Druck auf Gebäudeeigentümer und den Staat zu massiven Eingriffen wird abgefedert (zum Beispiel größere Zurückhaltung bei der Ausweisung neuer Bebauungsgebiete in gefährdeten Bereichen, enorme Ausweitung der Finanzmittel für den Hochwasser- und Starkregenschutz usw.);

  • Beispiele im Ausland zeigen, dass Pflichtversicherungslösungen funktionieren (zum Beispiel Schweiz, Frankreich, Spanien oder Belgien).

Gegen eine Elementarschadenpflichtversicherung wird folgendes angeführt:

  • der gemilderte Druck auf Gebäudeeigentümer und den Staat zur Schadenprävention ist aus der rein fiskalischen Betrachtungsweise ein Argument für, aber bei Lichte betrachtet eines der gewichtigsten Gründe gegen eine Elementarschadenpflichtversicherung, weil dadurch notwenige Vorsorgemaßnahmen nicht oder zu spät oder nur halbherzig umgesetzt werden;

  • die zu geringe Versicherungsdichte in der Elementarschadenversicherung beruht zum großen Teil auf der fehlenden Nachfrage der Gebäudeeigentümer; es besteht hier in der Regel ein ausreichendes Angebot an Elementarschadenversicherungen;

  • es widerspreche dem Grundsatz einer Versicherung, da Versicherungsnehmer in weniger gefährdeten Regionen die Versicherungsnehmer in sehr gefährdeten Bereichen „quersubventionieren“;

  • es würde sich um einen intensiven und rechtlich nicht unproblematischen staatlichen Eingriff in die Vertragsfreiheit handeln;

  • es stellt sich die Frage, ob es nicht andere Bereiche gibt, bei denen weitaus eher an eine Pflichtversicherung zu denken wäre, insbesondere wenn es um Drittschäden geht, die in der privaten Haftpflichtversicherung gedeckt wären, viele Bürger aber über keine solche Versicherung verfügenFootnote 37 (wenn es beispielsweise durch gröbste Fahrlässigkeit zu einem schlimmen Personenschaden kommt, das Opfer aber wegen fehlender privater Haftpflichtversicherung keine Entschädigung enthält und der Schaden durch den Verursacher selbst nicht getragen werden kann);

  • auch bei Einführung einer Elementarschadenpflichtversicherung müsste es eine staatliche Unterstützung/Beteiligung (in welcher Form auch immer) geben.

Wie eine Elementarschadenversicherung in concreto auszugestalten wäre, ist gegenwärtig für Deutschland noch nicht hinreichend geklärt. Es stellen sich dabei zahlreiche Fragen, zum Beispiel

  • für welche Sachwerte (nur Gebäude oder auch Inhalt) bzw. für welche Gebäudeeigentümer (nur private oder auch gewerbliche Immobilien) die Pflichtversicherung gelten soll,

  • ob wirklich für alle Lagen in Deutschland (also auch für das Haus direkt am Fluss, wo sich nicht die Frage stellt, ob es überschwemmt wird, sondern nur in welchem „Turnus“) die Versicherung Anwendung finden soll,

  • ob dann nur eine Mindestversicherungssumme oder eine Volldeckung angeboten wird sowie

  • wie die Preisfindung (zum Beispiel völlig ohne Berücksichtigung des konkreten Risikos mit gleichem Prämiensatz für alle) erfolgen soll.

Die von Kritikern angeführten rechtlichen Bedenken gegen die Einführung einer Elementarschadenversicherung dürften wohl nach nationalem (Verfassungs-)Recht als auch nach EU-Recht nicht durchdringen, wobei es aber sehr auf die konkrete Ausgestaltung ankäme.

Gewichtiger sind die inhaltlichen Bedenken gegen die Einführung einer Elementarschadenpflichtversicherung. Gegenwärtig dürften − trotz aller persönlicher Betroffenheit anlässlich der furchtbaren Hochwasserkatastrophe im Juli 2021 gerade im Ahrtal − noch die besseren Gründe gegen die Einführung einer Elementarschadenversicherung sprechen. Besonders wichtig ist der Gesichtspunkt der Eigenverantwortung, die nicht durch einen staatlichen Eingriff ersetzt werden sollte: Denn solange die Versicherungsdichte in der Bundesrepublik Deutschland in der RechtsschutzversicherungFootnote 38 genauso so hoch ist wie in der Elementarschadenversicherung mit ihren (zumindest gegenwärtig) moderaten Prämiensätzen, entsteht der Eindruck, dass die Gewichtung auf der Nachfrageseite nicht stimmig ist. Es drängt sich die Frage auf, warum für so viele Bürger eine Rechtschutz- oder gar Handyversicherung wichtiger ist als eine die wirtschaftliche Existenz schützende Elementarschadenversicherung. Wenn der einzelne Gebäudebesitzer gleichwohl keine Elementarschadenversicherung abschließt, obwohl er eine abschließend kann (jedenfalls in fast allen Konstellationen), bestehen Bedenken, dass solche Schäden ex post sozialisiert werden.

Hinzu kommt, dass die Schutzbedürftigkeit gerade in Fällen von Drittschäden in der Regel deutlich höher ist, sodass zunächst über die Einführung einer Pflichtversicherung im Bereich der allgemeinen Haftpflicht nachgedacht werden sollte.

Sinnvoll wäre eine noch intensivere Bewerbung einer Elementarschadenversicherung, aber auch die Banken sollten diese Versicherung stärker in den Fokus nehmen. So ist es zum Beispiel unverständlich, warum viele Banken bei der Vergabe von Baudarlehen nicht eine Deckung für Elementarschäden verlangen, sondern nur den Abschluss einer „normalen“ Gebäudeversicherung (also zum Beispiel gegen Feuer).

Es erscheint vielmehr eine Lösung sinnvoll, welche die Gebäudeeigentümer in den Blick nimmt, die sich tatsächlich ob der exponierten Lage des Grundstücks nicht versichern können. Hier sollten kreative und individuelle Lösungen gefunden werden, sei es, dass dieses Risiko mit Auflagen zur Schadenprävention doch versichert werden kann, sei es eine Deckung mit einer staatlichen Ergänzung.

4 Überschwemmung aufgrund von Hochwasser und Starkregen

a) Für Hochwasserschäden, aber bislang nicht für Starkregenereignisse, gibt es ein vom GDV entwickeltes Zonierungssystem (ZÜRS).

Es ist ein auf geowissenschaftlicher Grundlage basierendes System zur Einstufung von Gebäuderisiken durch Überschwemmungsgefahr. Es handelt sich im Wesentlichen um ein digitales Abbild der Flurkarte verbunden mit einer Zuordnung von Bestandsadressen bzw. Geokoordinaten in vier verschiedene Gefährdungsklassen und bildet die versicherungsrechtliche Basis der Beitragsberechnung. ZÜRS Geo hat sich grundsätzlich bewährt. In dem onlinebasierten Überschwemmungsrisiko-Tool sind verstärkt geologische und kartografische Elemente abfragbar, hinzu kommt ein Haftpflichtbaustein. Seit 2012 werden mittels ZÜRS Public Teile von ZÜRS Geo der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Privatpersonen, Firmen oder Behörden können sich hier über die lokale Hochwassergefährdung, aber auch über weitere Gefahren wie Starkregen, Blitzschlag/Überspannung, Sturm/Hagel und Erdbeben kostenlos online informieren.Footnote 39 Basis sind amtliche Gefahrenkarten der Länder und der Versicherungswirtschaft.

Maßgebliches Element ist die Eintrittswahrscheinlichkeit von Überschwemmungen an einem bestimmten Standort innerhalb eines bestimmten Zeitraumes. Das Risiko Rückstau wird nicht gesondert ausgewiesen, sondern ist an die Hochwasserproblematik gekoppelt. Obwohl der Name des Zonierungssystems anderes vermuten lässt, besteht hinsichtlich von Starkregen keine gesonderte Risikozonierung. Eine Zuordnung zusammenhängender Flächen zu unterschiedlichen Gefährdungsklassen ist für versicherungstechnische Zwecke nicht gerechtfertigt.Footnote 40

Die statistisch höchste Überschwemmungsgefahr besteht für Flächen der Gefährdungsklasse GK 4 (mehr als einmal alle zehn Jahre) und für GK 3 (mehr als einmal alle 50 Jahre). Flächen der GK 2 sind statistisch häufiger als einmal alle 200 Jahre von Überschwemmungen betroffen. Die restlichen Flächen werden der GK 1 zugeordnet. In der Regel werden die GK 1 bis GK 3 im gleichen Tarif versichert, wobei bei höheren Gefährdungsklassen ggf. eine entsprechende Selbstbeteiligung vereinbart wird. Objekte der GK 4 sind nur individuell versicherbar. Der Anteil von GK 3 und GK 4 liegt insgesamt lediglich bei etwa drei Prozent, sodass schon bislang fast das gesamte Bundesgebiet durch eine Elementarschadenversicherung abgedeckt werden kann,Footnote 41 wobei der GDV (wie zuvor erwähnt) die gesamte Versicherbarkeit auf ca. 99 Prozent einschätzt.

b) Von größter praktischer Bedeutung in der Erweiterten Elementarschadenversicherung ist die Absicherung des Elementarrisikos Überschwemmung.

Überschwemmungen sind in Europa neben den Sturmschäden die am häufigsten auftretenden Schadensereignisse. Die Versicherung erfolgt in der Regel unter Berücksichtigung der Lage des Objektes durch Einstufung in Überschwemmungs-Gefährdungsklassen.

Nach allgemeinem Sprachgebrauch ist eine Überschwemmung eine zeitlich begrenzte Wasserbedeckung von im Normalfall trockenen Landflächen als Folge von Starkniederschlägen oder Ausuferung oberirdischer Gewässer.Footnote 42 Die Begriffe Überschwemmungs- bzw. Hochwasserkatastrophe werden häufig als Synonym verwendet. Dies ist nichtzutreffend, da nur ein teilweiser Überschneidungsbereich besteht. Nach DIN 4049 ist Hochwasser definiert als Zustand in einem oberirdischen Gewässer, bei dem der Wasserstand oder der Durchfluss einen bestimmten Wert (Schwellenwert) erreicht oder überschritten hat. Bei dieser weiten Begriffsfassung fällt auch das regulär zweimal täglich an den Küsten auftretende Tidehochwasser darunter.Footnote 43 Andererseits ist nicht bei jeder Überschwemmung einer Landfläche zugleich Hochwasser gegeben, zum Beispiel bei regional begrenztem Starkregen.

Zur Annahme eines versicherten Schadens muss sich die Gefahr Überschwemmung bedingungsgemäß verwirklicht haben und auf eine der dort aufgeführten Überschwemmungsursachen zurückzuführen sein. Zwischen eingetretenem Schaden und der Überschwemmung muss zumindest adäquate Kausalität vorliegen.Footnote 44

Nach den aktuellen Versicherungsbedingungen ist Überschwemmung „die Überflutung des Grund und Bodens des Versicherungsgrundstücks mit erheblichen Mengen von Oberflächenwasser durch

  • Ausuferung von oberirdischen (stehenden oder fließenden) Gewässern,

  • Witterungsniederschläge sowie

  • Austritt von Grundwasser an die Erdoberfläche infolge eines der beiden o. g. Ereignisse.Footnote 45

c) Charakteristisch für eine Überschwemmung ist die Überflutung des Grund und Bodens, bei der eine Ansammlung von erheblichen Wassermengen auf der Geländeoberfläche auftritt.Footnote 46

Der in den aktuellen Bedingungswerken neu hinzugefügte und auf DietzFootnote 47 zurückgehende Passus der nötigen erheblichen Wassermenge auf der Geländeoberfläche stellt nur das klar, was auch schon zuvor im Wege der Auslegung durch Literatur und Rechtsprechung entwickelt worden war. Dieses Erfordernis hat der BGH übernommen.Footnote 48

Aufstauungen bis in den Oberflächenbereich mit Pfützenbildung und Matschigkeit reichen dabei nicht aus. Im zweiten Falle steht das Wasser nicht „auf“ der Geländeoberfläche und im ersten könnte man eine einzelne Pfützenbildung zwar als „stehendes“ Niederschlagswasser ansehen; es fehlt jedoch an einer erheblichen Wassermenge, zumal aus Sicht des durchschnittlichen und verständigen Versicherungsnehmers dieser in einzelner Pfützenbildung kein Elementarschadenereignis sehen wird.Footnote 49 Es müssen sich daher erhebliche Wassermengen auf der Geländefläche ansammeln, auch wenn diese später im Untergrund versickern.Footnote 50 Unklar ist, was in concreto unter erheblichen Wassermengen zu verstehen ist. Hier bleibt es bei Einzelfallentscheidungen. Feste Vorgaben (zum Beispiel eine bestimmte mm-Regenmenge in einem bestimmten Intervall pro qm) sind nur auf den ersten Blick hilfreich und daher abzulehnen. Es ist auf die einzelnen Örtlichkeiten abzustellen. Dabei können auch eher geringe Wassermengen ausreichen, wenn sie über einen langen Zeitraum einwirken, ebenso große Wassermengen über eine kurze Zeitspanne. Dabei reichen einige Liter sicherlich nicht aus.Footnote 51 In jedem Falle ist zu fordern, dass die entstehende Wasseransammlung nicht mehr erdgebunden ist,Footnote 52 das heißt, das Wasser muss zu irgendeinem Zeitpunkt einmal über die Erdoberfläche hinaustreten oder über sie geleitet werden und sich dort zumindest für einen gewissen Zeitraum sammeln.Footnote 53 Keine Überflutung ist die Anreicherung des Erdbodens mit Niederschlags- oder Grundwasser bis zur Sättigungsgrenze.Footnote 54

Nicht notwendig ist die Überflutung der gesamten (unbebauten) Grundstücksoberfläche.Footnote 55 Den AVB der Elementarschadenversicherung ist das ausdrückliche Erfordernis der vollständigen Wasserüberdeckung der Oberfläche nicht zu entnehmen.Footnote 56 Die in den AVB seit der Fassung des Jahres 2008 formulierte Grenze bildet die (wie auch immer zu definierende) nötige Ansammlung einer erheblichen Wassermenge auf der Geländeoberfläche. Das AG Kiel (bestätigt durch das LG Kiel)Footnote 57 setzt für eine versicherte Überschwemmung voraus, dass sich das Wasser – wenn auch nicht auf der gesamten Geländeoberfläche – aber doch auf einem erheblichen Teil ansammelt.Footnote 58 Dies führt zu der weiteren Frage, wann von einem erheblichen Teil der Geländeoberfläche gesprochen werden kann. Nach AG Kiel/LG Kiel ist dies jedenfalls im Falle von einer Wasseransammlung in einer Höhe von 50–60 cm im Bereich eines Kellerniedergangs nicht gegeben, auch eine Ansammlung auf einer 40 qm großen Terrasse führt nicht dazu.Footnote 59 Anders das LG Nürnberg-Fürth, dem ein Bereich von 1 qm ausreicht. Jedenfalls letzterem ist nicht zu folgen.Footnote 60 Auch wenn es keine starren qm-Grenzen geben kann, muss es sich jedenfalls – bezogen auf das gesamte (unbebaute) Grundstück – um eine signifikante Größe handeln. Als Faustregel erscheint ein Anteil von etwa zehn Prozent als sachgerecht.

Maßgebend für eine bedingungsgemäße Überschwemmung ist die Überflutung des Grund und Bodens des Versicherungsgrundstücks. Unter Wasser stehende Gebäudeflächen sind daher nicht umfasst. Es muss zur Überflutung der unbebauten (nicht versiegelten) Geländeoberfläche kommen.Footnote 61 Bei einer festen Versiegelung des Bodens, sodass das Wasser nicht auf natürlichem Wege abfließen kann, ist dies nicht der Fall. Nicht versichert sind daher Schäden durch Ansammlungen von Wasser auf Gebäudeteilen wie zum Beispiel FlachdächernFootnote 62 oder Balkonen,Footnote 63 aber auch auf einer oberhalb des übrigen Grundstücks liegenden Terrasse.Footnote 64 Eine Anstauung von Wasser auf einer mit einer Mauer umgebenen Terrasse stellt zum Beispiel keine bedingungsgemäße Überschwemmung dar.Footnote 65 Gleiches gilt für den Sonderfall einer Grenzbebauung. Steht das versicherte Gebäude an der Grenze und fließt vom Nachbargrundstück das Wasser in das Gebäude, ohne zuvor auf der unbebauten Grundstücksfläche des Versicherungsgrundstücks gestanden zu haben, fehlt es an der Deckung. Es genügt eben nicht eine Wasseransammlung außerhalb des Versicherungsgrundstücks.Footnote 66

Ebenfalls fehlt es an der Voraussetzung der Überflutung des Grund und Bodens, wenn zum Beispiel der Kellerniedergang, ein LichtschachtFootnote 67 oder gar der Keller selbstFootnote 68 durch einen aufgrund längerer Regenfälle höheren Grundwasserpegels voll Wasser läuft. Des Weiteren mangelt es an einer Überschwemmung eines Kellers, wenn die bloße Überflutung mit eindringendem Grundwasser erfolgt ist, das nicht (auch) auf das sonstige Geländeniveau angestiegen und ausgetreten ist.Footnote 69 Gleichfalls nicht ausreichend ist es, wenn das Wasser von der asphaltierten Straße in den Kellerausgangsbereich fließt, sich dort ansammelt und über einen Gully bzw. die Kelleraußentür in den Kellerraum eindringt.Footnote 70 Ebenfalls nicht ausreichend ist, wenn hochwasserbedingte Beschädigungen eines im Flussbett stehenden Granitwehr entstehen, da nach dem OLG Frankfurt der Schaden durch die erhöhte Fließgeschwindigkeit des Wassers eintrat, aber nicht durch eine „Ausuferung“ des Gewässers über seine natürliche und/oder künstliche Begrenzung hinaus.Footnote 71 Für eine Überflutung des Grund und Bodens ist erforderlich, dass sich das Wasser in erheblichem Umfang auf dem betroffenen Grundstücksbereich außerhalb des bebauten Bereichs ansammelt und dort eine Überschwemmung verursacht.Footnote 72 Wenn jedoch dieses Niederschlagswasser sich erst einmal auf der unbebauten Grundstücksoberfläche ansammelt, um dann in einem zweiten Schritt sich auf „unversicherten“ Gebäudeflächen (wie zum Beispiel einen Lichtschacht oder einer Terrasse) zu ergießen und dieses Wasser dann im dritten Schritt zu Schäden am oder im Gebäude führt, liegt Deckung unzweifelhaft vor.Footnote 73

Die bei einer Überflutung nötige Ansammlung erheblicher Mengen von Oberflächenwasser auf Grund und Boden muss auf eine der in den Bedingungen genannten Ursachen zurückzuführen sein. Dies sind nach den AVB 2010/2016 bedingungseinheitlich:

  • die Ausuferung von oberirdischen (stehenden oder fließenden) Gewässern,

  • Witterungsniederschläge oder

  • der Austritt von Grundwasser an die Erdoberfläche infolge der vorbenannten Ursachen.Footnote 74

In den meisten Fällen wird eine Ausuferung von oberirdischen stehenden Gewässern (zum Beispiel Teiche oder Seen) oder fließenden Gewässern (zum Beispiel Bäche, Flüsse oder Kanäle) vorliegen. Welche Ursache wiederum dazu führt, dass das Gewässer über die Ufer tritt, ist nicht maßgeblich.Footnote 75 In der Regel ist dies die Folge − wie bei der Hochwasserkatastrophe 2021 − von starken Witterungsniederschlägen bzw. eines Hochwassers. Da die Überschwemmungsgefahr infolge von Witterungsniederschlägen – insbesondere durch Starkregen – in sämtlichen Regionen besteht, sind diese gesondert als Ursache für Überflutung erfasst. Für Überschwemmungen liegt keine lokale Bindung an Gewässer vor, sodass eine Elementarschadenversicherung gegen Überschwemmung gerade nicht nur für Gewässeranrainer von Bedeutung ist. Gedeckt ist es aber nicht, wenn nicht das über die Ufer des Gewässers tretende Wasser zu dem Überschwemmungsschaden auf dem Versicherungsgrundstück führt, sondern allein die starke Strömung des Gewässers.Footnote 76

In den Bedingungswerken ab der Fassung des Jahres 2008 ist ausdrücklich der Austritt von Grundwasser an die Erdoberfläche infolge von Ausuferung von oberirdischen (stehenden oder fließenden) Gewässern oder durch Witterungsniederschläge als Überschwemmungsursache erfasst. Grundsätzlich sind Schäden durch Grundwasser nicht versichert, sondern ohne Rücksicht auf mitwirkende Ursachen vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Sofern das ansteigende Grundwasser jedoch über die Erdoberfläche hinaustritt und dies eine Folge von Gewässerausuferung oder Witterungsniederschlägen ist, kann auch Grundwasser eine bedingungsgemäße Überschwemmung verursachen und damit an der Realisierung von Überschwemmungsschäden mitwirken. Diese klarstellende Formulierung geht auf eine BGH-Entscheidung aus dem Jahr 2005 zurück,Footnote 77 nach der für die Prüfung des Vorliegens einer Überschwemmung die Gleichstellung von Grund- und erdgebundenem Wasser bedenklich sei, andererseits jedoch für den (in einem weiteren Schritt nach Bejahung einer Überschwemmung zu prüfenden) Kausalzusammenhang hinsichtlich der eingetretenen Überschwemmungsschäden die Unterscheidung zwischen Oberflächen-, Grund- und erdgebundenem Wasser für die Begründung des Ursachenzusammenhangs nichts hergäbe. Durch die abgestimmte Formulierung des allgemeinen Ausschlusses von Grundwasser wird in den Bedingungen jeweils der enge Anwendungsbereich der grundwasserbedingten Überschwemmung klargestellt. Es bleibt somit auch nach den neuen Bedingungen bei dem Grundsatz, dass Grundwasserschäden nicht gedeckt sind.Footnote 78

Rechtlich nicht anders sind aufgrund des vorgenannten BGH-Urteils die Fälle bei älteren Versicherungsbedingungen zu behandeln. Auch hier sind Schäden durch aufsteigendes Grundwasser vom Versicherungsschutz grundsätzlich nicht erfasst. Diese sind schon begrifflich keine Überschwemmung, sodass es auf einen Ausschlusstatbestand insoweit nicht ankommt. Zu unterscheiden ist je nach Reichweite allerdings, ob in den Versicherungsbedingungen kein ausdrücklicher Ausschluss der Ursache Grundwasser erfolgt (so in der Regel in den Bedingungen zur Elementarschadendeckung vor dem Jahr 2000)Footnote 79 oder ob ein solcher Ausschluss vorhanden ist (zumeist in den AVB seit ca. 2000).Footnote 80

Bei Vorliegen einer bedingungsgemäßen Überschwemmung ist festzustellen, ob diese zu einem Schaden führte. Die ältere Rechtsprechung forderte hier einen unmittelbaren Ursachenzusammenhang zwischen der Überschwemmung und dem Schadeneintritt, so insbesondere das OLG Karlsruhe.Footnote 81 Danach liegt ein Überschwemmungsschaden nur vor, wenn Oberflächenwasser in das Gebäude eindringt, nicht jedoch, wenn das Oberflächenwasser sich auf dem Grundstück (ohne Schäden anzurichten) sammelt, dann im Erdreich versickert und dann dieses erdgebundene (frühere) Oberflächenwasser zu Schäden führt, zum Beispiel indem es durch die Seitenwände in das Gebäude eindringt.Footnote 82 Begründet wurde dies mit dem Wortlaut der entsprechenden Bedingungen in den BEW oder BEH, wonach eine Überschwemmung die Überflutung des Grund und Bodens ist. Mit seinem Grundsatzurteil v. 20.04.2005 folgt der BGH dem zu Recht nicht.Footnote 83 Der BGH lässt mit auf Grundlage des Bedingungswortlautes rechtsdogmatisch zutreffender Begründung genügen, dass das Oberflächenwasser mittelbar zu den Schäden geführt hat. Das Erfordernis einer adäquaten Kausalität der Grundstücksüberflutung für den Schadeneintritt führt dazu, dass auch unmittelbar auf anderen Auslösern beruhende Schäden folglich gedeckt sind, soweit keine Ausschlusstatbestände (wie zum Beispiel der Rückstauausschluss) eingreifen.Footnote 84 Der BGH begründet seine Entscheidung damit, dass diese Elementarschadenbedingungen – anders als zum Beispiel bei der versicherten Gefahr Sturm oder Hagel – keine Beschränkungen enthalten, dass die Schäden in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der versicherten Gefahr „Überschwemmung“ stehen müssen. Durch den anschließenden Eintritt des Überflutungswassers in das Erdreich werde der in den Bedingungen geforderte, lediglich mittelbare Zusammenhang nicht unterbrochen. Dem durchschnittlichen, verständigen Versicherungsnehmer sei aber aus den Versicherungsbedingungen nicht erkennbar, dass Ersatz nur bei unmittelbar oberirdisch eindringendem Oberflächenwasser geleistet werden solle. Auch hier kommt es aber immer auf den Einzelfall an, ob noch adäquate Kausalität vorliegt oder nicht. Dabei stellen sich in der Regel schwierige Abgrenzungsfragen − zum Beispiel zu den nicht gedeckten Fällen, dass durch starke und/oder lang andauernde Niederschläge der Grundwasserspiegel sich erhöht.

5 Rückstauschaden aufgrund von Witterungsniederschlägen

Ein versicherter Rückstau liegt nach den aktuellen AVB vor, wenn Wasser durch Ausuferung von oberirdischen (stehenden oder fließenden) Gewässern oder durch Witterungsniederschläge bestimmungswidrig aus den gebäudeeigenen Ableitungsrohren oder damit verbundenen Einrichtungen in das Gebäude eindringt.Footnote 85

a) Nach dem objektiven Empfängerhorizont umfasst der Begriff des Rückstaus die Fälle, in denen sich ansammelndes Niederschlagswasser in erheblichen Mengen in der Kanalisation sammelt und von dort nicht mehr in der vorgesehenen Weise abgeführt werden kann.Footnote 86

Ein versicherter Rückstau soll nach Auffassung des OLG Stuttgart ebenso vorliegen, wenn sich auf Gebäuden oder Grundstücken ansammelndes Oberflächenwasser nicht mehr über die Kanalisation abgeführt werden kann.Footnote 87 Dieser Auffassung des OLG Stuttgart ist nicht zu folgen. Dabei ist nicht entscheidend, dass diese nur sehr knapp begründete Entscheidung nicht zur Elementarschadenversicherung, sondern zum Ausschluss erging, sodass die Auslegungsgrundsätze nicht identisch sind. Ebenfalls mangelt es an einem versicherten Rückstau, wenn durch einen Hagelschauer eine Dachrinne mit Hagel/Eis gefüllt wird und dadurch Tauwasser nicht von dieser Rinne bis zum Fallrohr sowie von dort weiter abgeführt werden kann, sondern direkt aus der Dachrinne unterhalb der Dachpfannen in das Gebäude eindringt; vielmehr liegt ein unversicherter Hagelschaden vor.Footnote 88 Maßgeblich ist die Formulierung in allen AVB, wonach das Wasser „aus“ den Ableitungsrohren austreten muss.Footnote 89 Dieses ist aber nicht der Fall, wenn das Wasser gar nicht erst in das Rohr hineingelangt.Footnote 90 Der Wortlaut der AVB ist eindeutig. Bedenken gegen dessen Wirksamkeit bestehen nicht, zumal üblicherweise der Rückstau zu einem grundsätzlich versicherten Austritt aus den Rohren führt und schon aus diesem Grunde keine Aushöhlung des Versicherungsschutzes eintritt.Footnote 91 Unzutreffend aufgrund seiner pauschalen Begründung ist daher auch das LG KemptenFootnote 92 (gleichfalls in einem Urteil zu Rückstau als Ausschlusstatbestand), wonach unter dem Begriff „Rückstau“ jegliches Wasser – unabhängig von seiner Herkunft – zu verstehen sei, welches entgegen der eigentlichen Zweckbestimmung eines Gullys das Wasser nicht abfließen, sondern eindringen lässt.Footnote 93

Dagegen ist nach objektiver Auslegung eine natürliche Stauung des Wassers durch undurchlässigen Boden nicht vom Versicherungsschutz umfasst.Footnote 94

Kein versicherter Rückstauschaden soll nach Auffassung des LG Wiesbaden vorliegen, wenn Rückstau auf einem baulichen Mangel des Entwässerungssystems beruht. Andernfalls wäre ungeachtet von Baumängeln jeder (durch vorherige Niederschläge veranlasste) Wasserschaden versichert, auch wenn die maßgebliche Ursache in Baumängeln zu sehen ist.Footnote 95 Dem ist nicht zu folgen. Solche Schäden sind grundsätzlich gedeckt. Das LG Wiesbaden verkennt, dass für die Annahme des Versicherungsfalls Vorschäden in Form von Baumängeln unerheblich sind, solange die versicherte Gefahr zumindest mitursächlich ist, wofür der Versicherungsnehmer allerdings den Strengbeweis des § 286 ZPO führen muss.Footnote 96 Anders wäre es, wenn die Versicherer einen (grundsächlich möglichen) Ausschluss für Baumängel vereinbaren.Footnote 97 Je nach Evidenz und Erkennbarkeit der Baumängel können allerdings subjektive Risikoausschlüsse eingreifen in Form der §§ 23, 26, 28, 81 VVG.

b) Für das Vorliegen eines versicherten Rückstauschadens in der Elementarschadenversicherung muss das Wasser aus den gebäudeeigenen Ableitungsrohren austreten.

Das bedeutet, dass ein bedingungsmäßiger Rückstau nicht vorliegt, wenn Wasser aus anderen Ableitungsrohren oder der öffentlichen Kanalisation austritt und daraufhin am Gebäude oder an versicherten Sachen Schaden verursacht. Auch ist die Regenrinne weder ein Rohr noch eine dem Rohrsystem zugehörige Einrichtung. Unter einem Rohr versteht der durchschnittliche Versicherungsnehmer eine geschlossene Leitung, durch die Flüssigkeit fließen soll.Footnote 98 Eine Leistung der Elementarschadenversicherung wäre dann nur bei gleichzeitigem Vorliegen einer Überschwemmung des Versicherungsgrundstücks möglich, sofern die Voraussetzungen diesbezüglich erfüllt sind. In den Bedingungswerken, in denen Schäden durch Rückstau nicht ausdrücklich ausgeschlossen sind,Footnote 99 ist der Rückstau als Überschwemmungsfolgeschaden mitversichert.Footnote 100

c) Neben den gebäudeeigenen Ableitungsrohren genügt es, wenn das Rückstauwasser aus den „damit verbundenen Einrichtungen in das Gebäude eindringt“.

Der Begriff „Verbindung“ setzt einen festen baulichen Zusammenhang mit dem Gebäude voraus. Eine Drainage um das Haus kann daher nicht genügen. In der Regel ist eine solche Drainage mit dem Gebäude nicht verbunden. Zudem dient eine Drainage nicht dazu, Wasser von dem Gebäude als sonstige Einrichtung ab-, sondern wegzuleiten.Footnote 101 Eine Drainage soll dafür sorgen, dass das Niederschlags- oder Grundwasser gar nicht erst bis zum bzw. in das Gebäude gelangt. Der Versicherungsfall Rückstau kann hingegen vorliegen − eine Verbindung mit dem Gebäude vorausgesetzt − wenn aus einer Drainageleitung, welche die Lichtschächte des Gebäudes entwässert, Wasser austritt; dies ist aber nicht der Fall, wenn Wasser gar nicht erst in die Drainageleitung eintritt.Footnote 102 Ein bekiestes oder begrüntes Flachdach kann, gerade bei einer Auslegung aus Sicht eines durchschnittlichen und verständigen Versicherungsnehmers, nicht als Ganzes als eine mit dem Ableitungsrohr verbundene Einrichtung angesehen werden. Dagegen spricht, dass zwar auf einem solchen Dach eine gewisse Menge Regenwasser steht, damit aber nicht dieses Dach (so ein wenig pointiert das OLG Hamburg) eine „Dachwanne“ wird,Footnote 103 da es die Aufgabe hat, das Gebäude vor Witterungseinflüssen zu schützen und nicht wie Waschbecken oder Badewannen eine Einrichtung zum Zwecke des Wasserdurchlaufes darstellt.

Als Ursachen für die Rückstauung des Wassers kommen die Ausuferung von oberirdischen (stehenden oder fließenden) Gewässern oder Witterungsniederschläge in Betracht. Hinsichtlich der Rückstauschäden ist lediglich adäquate Kausalität gefordert.Footnote 104

6 Schadensersatzansprüche bei Überschwemmungen aufgrund ungenügenden Schutzes oder verspäteter Warnung

Nach der Hochwasserkatastrophe im Juni 2021 in Ahrtal und anderen Regionen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen wurden Vorwürfe gegen staatliche Stellen erhoben, insbesondere der Vorwurf einer zu späten Alarmierung. Bei der Elbe-Flut im Jahre 2002 stand im Fokus die Verletzung einer Deichunterhaltungspflicht bzw. ein sonstiger mangelhafter Hochwasserschutz. Auch wenn die Gemeinde nicht für einen sicheren Abfluss von Niederschlagswasser sorgt, kann dies zur Haftung führen bis hin zur Ausweisung ungeeigneter Bebauungsgebiete.Footnote 105

Es können in diesen Fällen Ansprüche gegen die öffentliche Hand in Betracht kommen.Footnote 106 Hier gibt es eine Reihe von rechtlichen AnsatzpunktenFootnote 107 und zwar insbesondereFootnote 108

  • § 823 Abs. 1 BGB (Verletzung der Unterhaltspflicht),

  • § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG (Amtspflichtverletzung im Bereich der Hochwasserschutzpflicht, insbesondere Wasserhaushaltsgesetz, WHG),

  • Ansprüche wegen enteignendem bzw. enteignungsgleichem Eingriff

  • sowie ggf. aus § 2 Haftpflichtgesetz (HPflG).

a) Die Verletzung von Warn- und Hinweispflichten kann eine Haftung begründen. Mögliche Anspruchsgegner sind Warn- und Alarmdienste für Hochwasser.

Der Hochwasserschutz bei Gewässern erster Ordnung obliegt in zahlreichen Bundesländern dem Land, bei Gewässern zweiter Ordnung der Gemeinde (vgl. zum Beispiel § 99 SächsWG).

Die Gemeinden haben Wasserwehrdienste einzurichten, wenn sie durch Überschwemmungen gefährdet sind (zum Beispiel § 102 SächsWG).Footnote 109 Jeder Betreiber einer Stauanlage, auch der private, kann für die Verletzung der ihm obliegenden Sorgfaltspflichten verantwortlich gemacht werden.Footnote 110 Ein Amtshaftungsanspruch wurde zum Beispiel vom OLG München nach einem Dammbruch um 0:15 Uhr bejaht, da die Gemeinde im vorliegenden Fall spätestens um 1:15 Uhr in der betroffenen Straße mittels Lautsprecherdurchsagen auf den Bruch des Dammes sowie eine in Kürze zu erwartende Flutwelle hinzuweisen gehabt hätte, die erste Warnung aber erst mehr als zwei Stunden später erfolgte.Footnote 111

Dem Katastrophenschutz obliegt es dabei, Alarm- und Einsatzpläne zu erstellen sowie den Katastrophenalarm auszulösen. So wurde vom BGH die Haftung im Fall einer Überschwemmung durch den Fluss Dill bejaht, wenn die Leitstelle des Katastrophenschutzzentrums die Bevölkerung zu spät alarmiert hat. Zur Haftung führt es, wenn unter Verstoß gegen die örtliche Hochwasserdienstordnung die Pegelstände zu spät abgefragt werden, wobei der Einwand einer Überlastung unerheblich ist, da bei nicht ausreichendem Vorhalten von Personal hierin ein Organisationsverschulden liegt.Footnote 112

Ob Wetterdienste in Anspruch genommen werden können, ist zweifelhaft. In einem gleichfalls vom BGH entschiedenen FallFootnote 113 nahm ein Kaskoversicherer eines Verkehrsflugzeugs den Betreiber des Deutschen Wetterdienstes in Anspruch, weil dieser eine Hagelwarnung schuldhaft verspätet erteilt hat. Bei rechtzeitiger Warnung hätte das Flugzeug auf einen anderen Flughafen ausweichen können oder wäre in eine Wartestellung gegangen. Nach Auffassung des BGH besteht jedoch kein Amtshaftungsanspruch, da der Flugzeugeigentümer kein geschützter Dritter i. S. d. § 839 BGB sei, da es an der notwendigen Individualisierbarkeit fehle. Allerdings wäre bei einer privaten Tätigkeit durchaus ein Schadensersatzanspuch möglich.

Bei Sachschäden, die zum Beispiel bei der Hochwasserkatastrophe im Juni 2021 eintraten, wird es aber oft an der Kausalität fehlen, denn auch bei einer früheren Warnung wären wohl fast alle Gebäudeschäden nicht vermeidbar gewesen. Im Bereich der Hausrat- und erst recht in der Kaskoversicherung sieht es dabei anders aus, wenn diese mobilen Sachen bei einer früheren Warnung hätten in Sicherheit gebracht werden können, erst recht bei Personenschäden bis hin zu den zahlreichen Todesopfern. Hier ist eine Haftung aus § 839 BGB (je nach konkretem Sachverhalt) grundsätzlich möglich.

b) Ein ungenügender Hochwasserschutz kann sich aus Verstößen gegen das Wasserhaushaltsgesetz ergeben.

Der Hochwasserschutz obliegt der öffentlichen Hand (§ 1 Abs. 2 WHG). Der Unterhalt der Gewässer (§ 28 WHG) sowie die Verpflichtung zu einem naturnahen Gewässerausbau (§ 31 Abs. 1 WHG) sind drittschützende Normen, nicht jedoch die Festsetzung von Überschwemmungsgebieten(§ 32 WHG).Footnote 114 Es muss grundsätzlich auch der gefahrlose Abfluss eines Hochwassers sichergestellt sein.Footnote 115

Vorkehrungen für ein weit über 100-jähriges Hochwasser müssen jedoch nicht getroffen werden.Footnote 116 Da in manchen Regionen diese statistische Wahrscheinlichkeit übertroffen wurde, wird es in diesen Bereichen oft an einem Anspruch fehlen.

Ein Anspruch aus Amtspflichtverletzung kann im Falle der sogenannten bewussten Flutung bestehen. Daneben kann Anspruchsgrundlage bei einer rechtswidrigen Maßnahme der enteignungsgleiche Eingriff und bei einer rechtmäßigen Maßnahme ein Anspruch aus enteignendem Eingriff sein.Footnote 117

Weitere Voraussetzung ist, dass der Hochwasserschutz rechtlich und wirtschaftlich durchführbar war. Hier ist der zu befürchtende Schaden mit den Kosten der Abwehrmaßnahmen abzuwägen.

Von der Rechtsprechung sind zahlreiche Einzelfälle entschieden worden. Eine Haftung wurde z. B. bei einer Verletzung der Unterhaltungspflicht bejaht, wenn das Bachufer an einer Stelle einige Zentimeter niedriger ist als der Rest und diese geringfügige Absenkung bei einer ordnungsgemäßen Routinekontrolle feststellbar gewesen wäre. Bleibt dann das Hochwasser knapp unterhalb der Uferlinie, aber an der „Schwachstelle“ fließt das Wasser über die Ufer und richtet Schäden an einem 30 m entfernten Wohnhaus an, ist die nach dem Landeswassergesetz unterhaltspflichtige Gemeinde erstattungspflichtig.Footnote 118 Eine Amtspflichtverletzung liegt auch vor, wenn der an einer Straße errichtete Lärmschutzwall mit einem derart unterdimensionierten Durchlass versehen ist, dass bei ergiebigen Regenfällen sich ansammelndes Oberflächenwasser nicht ausreichend abgeführt wird und es durch das entlang des Walls ablaufende Wasser zur Schädigung eines Wohnhauses kommt. Die Nichtbeachtung der wassertechnischen Regeln begründet eine Amtspflichtverletzung des Straßenbaulastpflichtigen.Footnote 119 Ebenso wurde eine (zivilrechtliche) Haftung bejaht wegen Verletzung der Gewässerunterhaltungspflicht bei Rückstau aufgrund der Verlandung eines Rohrdurchlasses.Footnote 120 Dahingegen hatte ein Grundstückseigentümer, der durch wild abfließendes Wasser und Schlamm von unbefestigten Flächen der Gemeinde auf seinem tiefer liegenden Grundstück beeinträchtigt wurde, weder einen staatshaftungsrechtlichen Anspruch aus § 839 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 34 GG wegen unzureichender Entwässerungsplanung bzw. wegen eines enteignungsgleichen Eingriffs noch einen privatrechtlichen Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 S. 2 BGB, da bzgl. des Niederschlagswassers der Abwehranspruch gem. § 1004 BGB gemäß landesrechtlicher Vorschriften der Landeswassergesetze eingeschränkt ist und hinsichtlich des Schlammeintrags wegen des Vorliegens von Natureinwirkungen keine Störer-Eigenschaft der Gemeinde vorlag.Footnote 121

Neben der Pflichtverletzung und dem Verschulden muss auch hier die Kausalität gegeben sein.Footnote 122

c) Eine Haftung kommt ferner in Betracht, wenn keine sichere Ableitung des Oberflächenniederschlagswassers erfolgte.Footnote 123

Von Bedeutung ist die Entscheidung des BGH vom 11.03.2004,Footnote 124 die den Wasseraustritt aus einem offenen Regenrückhaltebecken zum Gegenstand hat. Eine Haftung aus § 2 HPflG wurde zwar verneint, die gleichfalls verschuldensunabhängige Haftung nach den Grundsätzen des enteignenden Eingriffs jedoch bejaht, auch wenn es sich nicht um einen Fall des Hochwasserschutzes handelt. Ebenfalls wurde die Haftung einer Gemeinde angenommen, die im Zuge eines Straßenausbaus die Abflussverhältnisse in einem Hanggebiet zum Nachteil der unterhalb gelegenen Anliegergrundstücke so umgestaltet, dass die neue Trasse quer zum Hang verläuft und der Straßen(seiten)graben auf voller Länge im unmittelbaren Einwirkungsbereich des hangabwärts fließenden Oberflächenwassers liegt. In diesem Fall wurden bei der Planung und Herstellung der Straßenentwässerung die Vorgaben des Art. 63 Abs. 1 Nr. 2 BayWG nicht hinreichend beachtet.Footnote 125

Ob ein sogenanntes Katastrophenregenereignis zum Haftungsausschluss führt, wird vom BGH bzgl. Regenrückhaltebecken dahingehend beantwortet, dass ein Haftungsausschluss wegen der Mitwirkung elementarer Naturkräfte voraussetzt, „dass das Schadenereignis mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch äußerste, nach der Sachlage vernünftigerweise zu erwartenden Sorgfalt“ nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden kann.

Dieser Gesichtspunkt lässt sich in gleicher Weise auf die Ersatzpflicht aus enteignendem Eingriff infolge Überflutung eines Regenrückhaltebeckens übertragen.Footnote 126

Es reicht deswegen in solchen Fällen nicht aus, so der BGH, dass die Gemeinde einen ganz außergewöhnlichen Starkregen vorträgt; sie muss darüber hinaus darlegen und beweisen, dass sie alle technisch möglichen und mit wirtschaftlichen Aufwand realisierbaren Sicherungsmaßnahmen ergriffen hat, um einen Überstau des Regenrückhaltebeckens und eine Überschwemmung der Nachbargrundstücke zu verhindern, oder dass sich der Schaden auch bei derartigen Maßnahmen ereignet hätte.

d) Die Ausweisung eines ungeeigneten Bebauungsgebietes kann gleichfalls zu einer Haftung führen.

Dies ist bspw. der Fall, wenn die Gemeinde im Rahmen der Aufstellung eines Bebauungsplanes das Abtragen eines Erdwalls und eines Grabens oberhalb des geschädigten Hanggrundstücks erlaubtFootnote 127 oder bei der Ausweisung eines Wohngebietes in einem Überschwemmungsbereich ohne ausreichende Maßnahmen zur Abführung von Wasser bei extremen Niederschlägen.Footnote 128

7 Zusammenfassung

Die Klimaerwärmung hat eine unmittelbare und äußerst große Bedeutung in der Elementarschadenversicherung. Diesem Versicherungszweig wird eine immer größere und auch gesamtwirtschaftliche Bedeutung zukommen. Gleichzeitig steigen die Probleme für den Versicherer. Denn aufgrund der zwar langsam, aber stetig wachsenden Versicherungsdichte bei einer aufgrund der Klimaerwärmung gleichzeitig höheren Schadeneintrittswahrscheinlichkeit wegen zunehmender Starkregenereignisse werden die Schadenbelastungen der Versicherungswirtschaft mittelfristig stark anwachsen.

Dabei stellt sich gerade im Bereich der Elementarschadenversicherung und dort insbesondere bei Überschwemmungsschäden eine Fülle von vor Gericht ausgetragenen Rechtsfragen. Zahlreiche Rechtsprobleme sind dabei höchstrichterlich noch nicht entschieden und beschäftigen Wissenschaft und Praxis.

Hochaktuell ist die Diskussion zur Einführung einer Elementarschadenpflichtversicherung, die sehr differenziert zu betrachten ist und bei der sich holzschnitzartige Lösungen verbieten.

Anlässlich der Hochwasserkatastrophe zum Beispiel im Ahrtal im Juli 2021 stellen sich aber auch Überlegungen, ob eine Haftung des Staates für die Schäden in Betracht kommt, zum Beispiel aufgrund einer verspäteten Warnung.