Was Linde mit dem oben aufgeführten Zitat bereits vor einem halben Jahrhundert konstatierte, hat auch bis heute nicht an Gültigkeit verloren. Im Gegenteil: Aufgrund der zunehmenden Technisierung der Gesellschaft gilt es umso vehementer zu fordern, dass sich soziologische Analysen verstärkt mit den technischen und materialen Verhältnissen sozialer Interaktionen und Wissensbildungsprozessen auseinandersetzen. Dies gilt ebenfalls und gerade auch für die Diskurstheorie und -analyse, in deren Rahmen noch erheblicher Nachholbedarf mit Blick auf die technikgetriebene und materialbedingte Konstruktion diskursiven Wissens und dessen wirklichkeitskonstituierenden Effekte besteht. Denn Diskurse sind, wie im Verlauf dieser Arbeit gezeigt wurde, als multimodale Entitäten zu verstehen, die nicht nur sprachliche Elemente, sondern auch nicht-sprachliche Praktiken und Artefakte umfassen. Die diskursive Konstruktion der Wirklichkeit, wie sie an vorliegender Stelle im Anschluss an die Wissenssoziologische Diskursanalyse (WDA) zum Ausgangspunkt gemacht wurde, prozessiert folglich multimodal. Die entsprechende Herstellung und Stabilisierung von Wissen realisiert sich also auf verschiedenen Wegen, in sprachlichen Akten – in mündlicher wie schriftlicher Form –, per körperlichem, nicht-sprachlichem Tun sowie in der Produktion und Handhabe von technischen Artefakten. Letztere wurden im Zuge dessen nicht nur als reine (zweitrangige) Effekte von Diskursen verstanden, sondern als potenziell gleichwertige Partizipanten in Prozessen diskursiver Wissensproduktion.

An die These der Multimodalität des Diskursiven anknüpfend, wurde im ersten Teil dieses Buchs vorgeschlagen, das von Foucault geprägte Dispositivkonzept – im Anschluss an die new sociology of technology insbesondere in der Lesart von Pinch/Bijker (1984) sowie Latour (1996; 2002a) – techniksoziologisch zuzuspitzen und daraus eine materialitätssensible Dispositivanalytik zu entwickeln, die in der Lage ist, die multimodalen Prozesse der dispositiven Konstruktion von Wirklichkeit systematisch zu rekonstruieren. Als Dispositive werden dabei diskursive Zusammenhänge verstanden, in deren Rahmen neben der schriftlichen und mündlichen Sprachpraxis auch nicht-sprachliche körperliche Praxis und Gegenstände eine vermittelnde Rolle spielen. Letztere treten dabei als Mediatoren auf, indem sie bestimmte Tätigkeiten oder Aussagen ermöglichen oder unterdrücken und dadurch diskursives Wissen (mit-)produzieren und machtvolle Wirklichkeitseffekte konstituieren. Auf diese Weise rücken die in Diskursen vermittelnden Artefakte in den analytischen Fokus, was neue empirische wie theoretische Anknüpfungspunkte eröffnet, die letztlich eine gegenstandsadäquatere und tiefenschärfere Analyse von Diskurs(re)produktion ermöglichen.

Entwickelt hat sich die Arbeit an dem Vorschlag einer multimodalen Dispositivanalyse im Rahmen der empirischen Beschäftigung mit Praktiken und Diskursen des Drogentestens, insbesondere mit Bezug auf die Arbeitswelt und den Straßenverkehr, wo die Tests als Sicherheitstechnologien eingesetzt werden. In diesem Sinne ist der in dieser Studie bearbeitete empirische Gegenstand sowohl Ausgangspunkt als auch Beispiel für den im ersten Teil der Arbeit entwickelten Theorievorschlag. Drogentestungen, verstanden als Prozeduren, im Zuge derer Personen auf das Vorhandensein von (molekularen) Indikatoren des Drogenkonsums geprüft werden, sind als soziotechnische Prozesse zu begreifen. Damit werden sie diskurstheoretisch als multimodale Diskursphänomene fassbar, in denen Mensch und Test gleichermaßen wichtige bedeutungsgenerierende Rollen spielen und gemeinsam sowie wechselseitig aufeinander bezogen am Prozess der diskursiven Wissensproduktion beteiligt sind. Der Drogentest wird im Rahmen dessen als Diskursaktant verstanden, der eigenlogische Wirkungen auf sein diskursives Umfeld entfaltet.

Im zweiten Teil der Arbeit sollte diese These per theorie-empirischer Analyse gleichsam mit Leben gefüllt werden. Im Zuge dessen wurde zunächst der auf Sicherheit fokussierende Diskurs von Drogentestpraktiken in der Arbeitswelt, insbesondere mit Bezug auf die verdachtsunabhängigen Testanwendungen, die einer präemptiven Präventionslogik folgen, analysiert. Drogentests fungieren in diesem Kontext als Prä-Mediatoren, da ohne sie die präemptiven Praktiken des Drogentestens nicht stattfinden könnten, weil diese auf spezifische Formen des antizipatorischen Sichtbarmachens durch die Schnelltests angewiesen sind. Dies gilt vornehmlich deshalb, da drogenkonsumierende Arbeitnehmer*innen als äußerlich kaum erkennbar und überdies in ihrem (riskanten) Verhalten als unkalkulierbar gelten. Die Tests stehen damit im epistemischen Zentrum solch präemptiver Praktiken der Drogenkonsumkontrolle, da sie die einzigen Diskursaktanten sind, die ein allgemein durchsetzbares Risikowissen in hinreichend schneller und kostengünstiger Weise zur Verfügung stellen können.

Im Folgekapitel wurde vor diesem Hintergrund mit Rückgriff auf das Konzept des Skripts nach Akrich (1992) und der Technikgeneseforschung nach Pinch/Bijker (1984) verdeutlicht, dass Drogenschnelltests diskursiv aufgeladene Instrumente sind, die aus Gründen der Ökonomie und Praktikabilität gegenüber laborgebundenen Detektionsverfahren deutlich weniger aussagekräftig und zuverlässig sind. Sie stellen mithin drogendetektorische Kompromisslösungen dar, da sie auf Kosten von Genauigkeit und Aussagekraft rasche, unkomplizierte und kostengünstige Vor-Ort-Diagnosen versprechen. Mit Verweis auf ihre Entwicklungs- und Herstellungszusammenhänge sind sie also als Artefakte zu verstehen, mit denen bestimmte, diskursiv vermittelte Wissensbestände und Zielsetzungen aufs Engste verknüpft sind. Drogentests entstehen nicht im luftleeren Raum, sondern werden mit Blick auf spezifische Wünsche und Interessen entwickelt. Sie verfügen mithin über spezifische Skripte, die wiederum ihre Anwendungspraxis präformieren. Freilich hängen damit auch natürliche Detektionsgrenzen zusammen, da die bioanalytischen Methoden gewisse Einschränkungen haben, die nicht beliebig verändert werden können.

Mit den Ausführungen in Kapitel 7, in dem es um die Zuschreibung von Objektivität in Richtung Drogentests geht, wird anknüpfend an das vorherige Kapitel Folgendes deutlich: Es kommt nicht nur darauf an, welche drogenanalytischen Fähigkeiten die genutzten Tests jeweils tatsächlich besitzen, als vielmehr, welche ihnen von den beteiligten Akteur*innen zugeschrieben werden. Und dies ist von Grund auf ein multimodaler diskursiver Zusammenhang, der ganz wesentlich von der Materialität der genutzten Testinstrumente geprägt ist, die bisweilen pauschal mit objektiver Wissensherstellung assoziiert werden. Drogenkontrollen unter der Zuhilfenahme von Drogentests implizieren vor diesem Hintergrund eine Delegation der mit den Konsumkontrollen verknüpften Verantwortlichkeiten. Denn die Tests stellen eine allgemein als rational akzeptierte Basis für die Klassifikation und anschließende Selektion von Personen bereit, die den Rückgriff auf die menschliche Urteilskraft zu umgehen und für gleichermaßen neutrale wie valide Entscheidungen zu bürgen scheint. Die Charakterisierung der Tests als materiale, technowissenschaftliche Instrumente macht somit einen unmittelbaren Unterschied hinsichtlich der Art und Weise, wie mit seinen Resultaten umgegangen wird und wie er die diskursiven Praktiken, in die er eingebettet ist, mitgestaltet.

Dies gilt ähnlich für die in Kapitel 8 herausgestellte Eigenart von Drogenschnelltests, ihre Ergebnisse auf visuellem Wege zu präsentieren, indem sie streifenförmige Einfärbungen für die Ergebnisauslesung zur Verfügung stellen. Sie fungieren demzufolge, so wurde argumentiert, als skopische Mediatoren, da sie für eine „Veränderung der Ausdrucksmaterie“ (Latour 2002a: 227) sorgen, indem sie die Erkenntnis, ob Drogenkonsum vorliegt, in eine visuelle Frage übersetzen. Drogenkonsum und die damit verbundenen Sicherheitsrisiken werden auf diese Weise neuartig zum Gegenstand diskursiver Praktiken, indem der Test neue, zeichenförmige und diskursivierbare Referenzen generiert. Er tut dies aber in komplexitätsreduzierender Weise, wodurch er simplifiziert und handlungsrelevante Ergebnisse auf einen Blick sowie vermeintlich evident erfassbar macht.

In Kapitel 9 wurde schließlich dargelegt, dass per Drogentestung nie Drogenkonsum an sich getestet wird, sondern stets nur gesellschaftlich konstruierte und stabilisierte Indikatoren desselben. Per Drogentest wird allein das Vorhandensein von Konsum-Indizien im Körper der getesteten Person – namentlich drogenspezifische Wirk- oder AbbaustoffeFootnote 1 – kontrolliert und die Zielvariable selbst, das Konsumverhalten, wird nur mittelbar daraus abgeleitet, woraus wiederum ein Sicherheitsrisiko deduziert wird. Damit verbunden ist die Schließung epistemischer Lücken per multimodaler Übersetzungskette, die aus den gefundenen Molekülen eine Ordnungswidrigkeit oder einen Arbeitsplatzverlust entstehen lässt. Auf diejenigen Anwendungskontexte bezogen, in denen Drogentests genutzt werden, um Sicherheitsrisiken vorbeugen zu können, kann somit – in Anknüpfung an de Goede (2017) – von „chain(s) of security“ gesprochen werden, in deren Rahmen dem Test eine überaus prägende Rolle als wirkmächtiger Diskursaktant zukommt.

Mit Blick auf die bisher untergeordnete Stellung von Materialität insgesamt und technischen Artefakten im Besonderen in Diskurstheorie und -analyse, lautet die wichtigste Botschaft der hier dargelegten Analyse von Drogentests und ihrer Anwendung, dass Diskurse des Drogentestens ohne die dezidierte Betrachtung der jeweils angesprochenen und genutzten Testartefakte nicht hinreichend tiefenscharf und gegenstandsadäquat analysierbar sind, da sie zentrale Diskursaktanten darstellen. Eine empirisch fundierte, diskurstheoretisch informierte Analyse von Praktiken des Drogentestens und deren gesellschaftliche Verhandlung ist somit nicht in angemessener Weise möglich, wenn die ebenso eigenlogische wie produktive Rolle der involvierten Drogenschnelltests nicht konsequent berücksichtigt wird. Diese dienen nämlich nicht als neutrale Mittler, sie agieren vielmehr als transformierende epistemische Kräfte, eben als Mediatoren, die Prozesse der diskursiven Wissensgenerierung und damit die dispositive Konstruktion von Wirklichkeit merklich tangieren.

Neben dieser ersten Botschaft, die sich an die diskurstheoretische Debatte um die Stellung von Materialität in Diskursen richtet, ist aus der vorliegenden Analyse noch eine weitere Implikation abzuleiten: Tests sollten als eigenständige soziologische Forschungsobjekte behandelt werden, denn sie spielen eine eminent wichtige Rolle in der modernen Gesellschaft, die es systematisch zu analysieren gilt. Es gibt wohl kaum eine Person, die in ihrem Leben noch nicht getestet wurde und wohl kaum einen gesellschaftlichen Bereich, in dem Tests keine nennenswerte Rolle spielen (vgl. a. Lemke 2004a: 263; Potthast 2017b: 348; Marres/Stark 2020b: 424). Aufgrund der Mannigfaltigkeit der in unterschiedlichen Gesellschaftsbereichen angewendeten Testverfahren und ihrem konsequenzenreichen Eingriff in die dortigen Entscheidungsprozesse und praktischen Routinen, scheint es geboten, nichts weniger als die Entwicklung einer Soziologie des Testens als Ziel auszurufen. In deren Rahmen könnten, im Sinne einer auf Tests und Testpraktiken fokussierten Bindestrichsoziologie, die verschiedenen Testverfahren und deren Anwendungsregeln und -kontexte vergleichend studiert und auf diese Weise die Eigenlogiken und -mächtigkeiten von Tests herausgearbeitet werden (Egbert 2018b: 128; Marres/Stark 2020b: 424 f.).

Die zentrale Rolle, die Tests in der Gesellschaft spielen, hat nicht zuletzt die SARS-CoV-2-Pandemie eindrucksvoll gezeigt (Stark 2020). Nachdem es schon zu Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 geheißen hatte, dass Testen der vielversprechendste Weg aus der pandemischen Situation sei („Testing is our way out“, Romer/Shah 2020) – zu einer Zeit, als man von passenden Impfstoffen gleichsam noch nicht zu träumen wagte –, wurde dessen Relevanz für die Pandemiebekämpfung ab Herbst 2021 wieder größer, da zahlreiche Impfdurchbrüche und -verweigerungen verdeutlicht haben, dass Impfungen allein das Ende der Pandemie nicht einzuläuten vermögen. Eine systematische und zuverlässige Infektionskettennachverfolgung durch ‚Coronatests‘ schien aufgrund erneut stark ansteigender Inzidenzen bei gleichzeitiger Stagnation der Impfquote wichtiger denn je (z. B. Heinze 2021).

Ein zentraler Ausgangspunkt einer Soziologie des Testens könnte dabei treffend die Arbeit des Anthropologen F. Allan Hanson sein, der am bislang systematischsten und umfassensten die gesellschaftliche Stellung von Tests analysiert hat. Seine bereits einige Zeit zurückliegende Arbeit zum Testen wurde zwar nur sehr vereinzelt aufgegriffen, sie hält dennoch zahlreiche Erkenntnisse bereit, die produktiv in die Formulierung einer Soziologie des Testens einzubeziehen sind. Dies gilt insbesondere mit Blick auf das Herausarbeiten einer spezifischen Testlogik, zu dem Hanson bereits wichtige Vorschläge macht. Er definiert Tests im Zuge dessen als „a representational technique applied by an agency to an individual with the intention of gathering information“ (Hanson 1994: 19)Footnote 2 und ordnet ihnen im Zuge dessen vier Kerncharakteristika zu: Sie dienen (1) dazu, Informationen zu erheben; diese Erhebung erfolgt (2) intentional und mithin nicht zufällig; (3) besteht – wie bereits in Kapitel 9 diskutiert – stets eine Differenz zwischen dem Testresultat und der Zielinformation sowie (4) sind es in aller Regel Organisationen, die Tests an Individuen durchführen, um Entscheidungen in Bezug auf die Testsubjekte zu treffen (Hanson 1994: 15 f.). Tests differenziert Hanson (1994: 19 f.) im weiteren Verlauf seiner Argumentation in zwei Grundkategorien: Authentizitätstests und Qualifizierungstests. Während erstere den Status einer Person überprüfen, der zumeist moralische oder legale Relevanz besitzt und in aller Regel von der Person selbst erfragbar wäre – was indes aus Gründen des Misstrauens nicht getan wird und daher an den Tests delegiert wird, messen zweitere die Fähigkeiten von Personen, spezifische Aufgaben durchführen zu können. Zu ersteren zählt Hanson beispielsweise Lügendetektor- wie auch Drogentests (1994: 23–181), zu zweiteren Klausuren in der Schule und Intelligenztests (1994: 185–283).

Mindestens zwei Ergebnisse der Hanson’schen Analyse besitzen das Potenzial, als Ausgangsprämissen einer Soziologie des Testens zu fungieren. Zum einen die Einsicht, dass Tests nie ohne menschliche Zwischenschaltung sinnvolle Ergebnisse erzielen können, sie nie Phänomene an sich testen und somit stets epistemische Lücken existieren, die seitens der Anwender*innen gefüllt werden müssen (vgl. Kapitel 9). Es besteht nämlich immer und unausweichlich eine Differenz zwischen dem, was ein Test prüfen soll (Indikandum) und dem, was tatsächlich getestet wird (Indikator) (Hanson 1994: 18, 42; McNamara 2000: 7–9). Bei SARS-CoV-2-Schnelltests beispielsweise wird auf Indikatoren einer COVID-19-InfektionFootnote 3 getestet, nicht auf selbige an sich. Zum anderen kann Hansons Beobachtung wegweisend sein, dass Tests realitätskonstituierende Effekte besitzen, indem sie das wirklich werden lassen, was sie zu testen vorgeben: „in actuality tests often produce the characteristics they purport to measure“ (Hanson 2000: 68; vgl. a. 1994: 284–304; Lemke 2004a: 267).

Noch zu diskutieren ist im Zuge der Ausrichtung einer Soziologie des Testens, auf welche Testverfahren sie sich fokussieren sollte. Sollten es nur Testverfahren sein – wofür z. B. Egbert (2018b: 128) plädiert –, die an Menschen durchgeführt werden? Oder sollten auch solcher Art Tests integriert werden, die die Überprüfung von Technik bzw. technischen Produktions- und Entwicklungsprozessen zum Ziel haben – wie es z. B. Pinch (1993), ebenfalls unter dem Label „sociology of testing“, inspiriert durch die Arbeiten von MacKenzie (1989), diskutiert.Footnote 4 Dieser Vorschlag, von Potthast (2017a: 116) als Weiterentwicklung des SCOT-Ansatzes gerahmt, hat indes bislang wenig Resonanz erzeugen können und wurde auch von Pinch selbst nicht systematisch weiterverfolgt. Obgleich die bei Pinch fokussierten Testbezüge sehr unterschiedlich zu denen vorliegend und bei Hanson (1994) studierten sind, lässt sein programmatischer Text (Pinch 1993) über Tests von und an Technologien wichtige Parallelen mit Tests an Personen erkennen.Footnote 5 So beschreibt er als unumgänglichen Kern von Tests den Prozess der Projektion (Pinch 1993: 28, 37). Dieser kann sich von der Gegenwart auf die Zukunft beziehen oder von der Gegenwart auf die Vergangenheit sowie von kleinen zu großen Modellen und umgekehrt. Wichtig ist, dass dazu jeweils die Etablierung einer Gleichheitsbeziehung notwendig ist, von der ausgehend konstatiert werden kann, dass die situativen Bedingungen des Tests mit denen vergleichbar sind, die herrschen, wenn die Technologie tatsächlich angewendet wird (Pinch 1993: 29). Ganz ähnlich hat Hanson (1994: 18, 42), wie gezeigt, als eines der Kerncharakteristika von Tests deren Repräsentationsmoment diskutiert, der sich oft auf die Zukunft bezieht, mithin projektiven Charakter haben kann (1994: 267). Auch bei Downer (2007: 7 f.) zeigt sich die Überlappung bei Tests von Technologien und Tests von Menschen. Er merkt nämlich an, mit Blick auf die Testung von Strahlturbinen-Motoren hinsichtlich ihrer Fähigkeit, Vögel einsaugen zu können, ohne beschädigt zu werden, dass auch technische Prüfungen „unavoidly contain irreducible ambiguities that require judgments to bridge“. Damit äußert er einen Gedanken, den es zentral auch bei Hanson (1994: 18) mit Bezug auf Tests von Menschen schon gibt.

Es zeigt sich also, dass es durchaus gute Gründe gibt, die Einsichten über Tests von Technologien ebenfalls systematisch mit in eine Soziologie des Testens zu integrieren. Dies gilt umso mehr, als damit auch die für die Testung von Menschen genutzten Testinstrumente als technische Artefakte in den Fokus rücken, im Prinzip genauso, wie es im Verlauf dieser Arbeit getan wurde. Ähnlich wie in den vorherigen Kapiteln diskutiert, schreibt schon Pinch (1993: 38) in Bezug auf HIV-Tests, dass in diese Tests Annahmen über das herrschende Verständnis von AIDS eingeschrieben sind und diese Tests somit von den sie umgebenden politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen nicht zu trennen sind.Footnote 6

Vor diesem Hintergrund kann die wechselseitige Konfrontation der Literatur über Tests an Menschen und Tests von Technologien wertvolle Impulse für die Entwicklung einer Soziologie des Testens darstellen. Dies gilt insbesondere bei der Frage nach einer genuinen Testlogik, die freilich eng geknüpft ist an die Frage nach der adäquaten soziologischen Definition von Tests selbst. Tests an Menschen und Tests von Technologien scheinen zentrale Übereinstimmungen in dieser Hinsicht zu teilen, die es in Zukunft systematisch und empirisch-vergleichend herauszuarbeiten gilt.

Vor diesem Hintergrund ist meine Hoffnung, dass die vorliegende Studie nicht zuletzt zwei Dinge verdeutlichen konnte: Zum einen, dass gerade in diskurstheoretisch fundierten Arbeiten die Rolle von technischen Artefakten zukünftig verstärkt in den Fokus zu rücken ist, da auf diese Weise zahlreiche Forschungsgegenstände tiefenschärfer analysierbar sind, indem die multimodale Dynamik in Diskursen systematischer und präziser herausgearbeitet werden kann. Zum anderen sollte deutlich werden, dass es sich lohnt, in Zukunft verstärkt auf Tests allgemein und deren gesellschaftliche Rolle zu fokussieren. Denn Tests sind nicht nur ubiquitäre Instrumente in der Gegenwartsgesellschaft, die in vielen verschiedenen Settings und Kontexten Einfluss ausüben, sie sind von Grund auf soziomaterielle Entitäten, deren Entstehungsbedingungen und Auswirkungen zukünftig einer stärkeren soziologischen Analyse bedürfen.