1 Grundlegendes und Statistisches

1.1 Kommunen

Unter dem Begriff der Kommune werden in Deutschland die Gemeinden und die Landkreise verstanden. Mehrere Kommunen bilden einen Landkreis. Auch Städte können Gemeinden sein. Dabei ist es möglich, dass die Städte keinem Landkreis angehören; dann werden sie als kreisfreie Städte bezeichnet. Im Einzelnen treffen die 16 Bundesländer die Regelungen hierfür. Wenn in Deutschland von den Aufgaben der Kommunen auf dem Gebiet der Pflege gesprochen wird, so sind damit meist die Landkreise und die kreisfreien Städte gemeint.

Die Anzahl der Gemeinden in Deutschland lag Ende 2019 bei 10.799.Footnote 1 Die Einwohnerzahlen sind dabei sehr unterschiedlich. Am Ende des Jahres 2019 gab es in Deutschland 3827 Gemeinden mit weniger als 1000 Einwohnern, 6891 Gemeinden mit einer Einwohnerzahl zwischen 1000 und 99.999 sowie 81 Gemeinden mit 100.000 und mehr Einwohnern. Die Anzahl der Landkreise betrug Ende 2019 292, die der kreisfreien Städte 108.Footnote 2

1.2 Altenpflege – Langzeitpflege

In Deutschland ist Pflege im Sinne von Langzeitpflege von Krankenpflege abgegrenzt. Sie umfasst rechtlich nicht nur die Altenpflege, sondern wird als Pflege von Menschen aller Altersgruppen verstanden. Das hat damit zu tun, dass der wichtigste Sozialleistungszweig für Leistungen der Langzeitpflege, die Soziale Pflegeversicherung (Elftes Buch Sozialgesetzbuch – SGB XI), Leistungen für pflegebedürftige Menschen aller Altersgruppen vorsieht. Ein Sozialleistungszweig, der Leistungen der Langzeitpflege nur für ältere Menschen vorsieht, existiert nicht.

Auf der politischen Handlungsebene steht aber die Langzeitpflege für ältere Menschen im Vordergrund. Faktisch ist diese Art der Pflege der wichtigste Teil der Langzeitpflege.

Ende 2019 waren in Deutschland 4,1 Millionen Menschen pflegebedürftig im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes (SGB XI).Footnote 3 Davon wurden 80 % (3,3 Mio.) zu Hause versorgt. Die Mehrheit der Pflegebedürftigen war weiblich (62 %). 2,12 Mio. Pflegebedürftige wurden in der Regel allein durch Angehörige gepflegt. Weitere 0,98 Mio. Pflegebedürftige lebten ebenfalls in Privathaushalten, sie wurden jedoch zusammen mit oder vollständig durch ambulante Pflegedienste versorgt. Knapp ein Fünftel (20 % oder 0,82 Mio. Pflegebedürftige) wurde in Pflegeheimen vollstationär betreut.

Mit zunehmendem Alter steigt die Wahrscheinlichkeit pflegebedürftig zu sein. Während bei den 70- bis 74-Jährigen rund 8 % pflegebedürftig waren, wurde für die ab 90-Jährigen die höchste Pflegequote ermittelt: Der Anteil der Pflegebedürftigen an der Bevölkerung in diesem Alter betrug 76 %.

2 Steuerungsdefizite bei der Pflegepolitikgestaltung auf kommunaler Ebene

Seit Einführung der Pflegeversicherung in den Jahren 1994 und 1995 besteht die Besorgnis, dass die Kommunen, d. h. die Landkreise und kreisfreien Städte, nicht über geeignete rechtliche Instrumente zur Gestaltung der Pflege auf ihrer Ebene verfügen. In der Tat werden die Kommunen nicht zentral in das Versorgungsgeschehen der Sozialen Pflegeversicherung (SGB XI) eingebunden. Das ist bis jetzt ein fortwährendes Thema, und viele Experten und Politiker sind sich einig, dass den Kommunen mehr Gestaltungsmöglichkeiten bei der Pflege eingeräumt werden sollten.

Liest man die politischen Stellungnahmen zur Rolle der Kommunen in der Pflege, so lautet der Grundtenor meist „Stärkung der Rolle der Kommunen in der Pflege“. Zuletzt wurde im Zusammenhang mit der Gesetzgebung zur weiteren Entwicklung der Sozialen Pflegeversicherung (Pflegestärkungsgesetz III – PSG III) kritisiert, dass die Erwartungen in Richtung auf eine stärkere kommunale Rolle bei der Organisation von Beratungs-, Pflege- und Betreuungsangeboten nicht erfüllt würden. Auch die unzureichende Einbindung in die Planung, Beratung und Entscheidung wird gerügt. In einer Stellungnahme eines großen Kommunalverbandes (Deutscher Landkreistag) bei der Anhörung zum Pflegestärkungsgesetz III im GesundheitsausschussFootnote 4 heißt es:

„Unzureichende Stärkung der Rolle der Kommunen in der Pflege

Schließlich sollte durch das PSG III die Rolle der Kommunen für eine bessere Pflegeinfrastruktur vor Ort gestärkt werden. Nach wie vor fehlt den Kommunen die für die Steuerung der Pflegeinfrastruktur notwendige gesetzliche Unterstützung, um regulierend in Situationen der Unter- oder Überversorgung eingreifen zu können. In der Bund-Länder-AG zur Stärkung der Rolle der Kommunen in der Pflege waren einige Maßnahmen verabredet worden. Angesichts des Wissensvorsprungs der kommunalen Ebene gegenüber den Pflegekassen über die Pflegestruktur vor Ort halten wir eine stärkere kommunale Pflegeplanung für erforderlich. Ebenso sinnvoll wäre eine stärkere Einbindung der Kommunen in die Beratungsstrukturen. Dies – in Verbindung mit der Anpassung der Sozialräume an die Bedürfnisse einer alternden Gesellschaft – könnte zu einem deutlichen Schub in der Verbesserung der Situation pflegebedürftiger Menschen führen. Auch der Grundsatz „ambulant vor stationär“ könnte so gestärkt werden. In dem PSG III-Entwurf werden dagegen die in der Bund-Länder-AG ohnehin schon abgeschwächten Ansätze weiter zurückgefahren. Insbesondere die überbürokratisierten Vorschläge zu einer modellhaften Beratung durch die Kommunen nach den Vorstellungen des GKV-Spitzenverbandes, der das Modell bekanntlich ablehnt, zeigen dies deutlich.“

Es sind also zwei Rollen der Kommunen, die hier angesprochen werden: die Versorgungssteuerung und die Beratung.

Auch der 7. Altenbericht der Bundesregierung von 2016, der der Sorge und Mitverantwortung in der Kommune gewidmet ist, spricht von der Steuerung und Gestaltung einer wohnortnahen Pflege. So wird etwa der Vorschlag gemacht, dass die Kommunen ein Care- und Casemanagement federführend koordinieren sollen. Hier wird also das Thema der Beratung und Fallgestaltung angesprochen.

In einem Positionspapier des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenversicherung (Anforderungen an die Rolle der Kommunen in der Pflege, 2015), also nicht eines kommunalen Verbandes, wird ebenfalls auf bestimmte Steuerungsdefizite der Kommunen hingewiesen. So ist der GKV-Spitzenverband der Ansicht, dass die Kommunen die Analyse der pflegerischen Angebotsstrukturen federführend übernehmen sollen. Damit ist das Thema der Gestaltung der pflegerischen Versorgungsstruktur angesprochen.

In dem folgenden Beitrag soll den Gründen nachgegangen werden, warum Kommunen in Deutschland bisher keine besondere Rolle in der Pflege spielen. Diese Gründe sind zu einem großen Teil auch rechtlicher Art und hängen damit zusammen, wie sich die organisatorischen Strukturen der sozialen Sicherheit in Deutschland darstellen. Hierbei spielt auch das Verfassungsrecht, insbesondere das Staatsorganisationsrecht, eine tragende Rolle, ebenso wie das Kommunalrecht und wie das Sozialversicherungsrecht. Im Geflecht dieser drei Rechtsgebiete gilt es, sich zurechtzufinden, um die jetzige Situation der Kommunen auf dem Gebiet der Pflege zu verstehen. Gerade für den ausländischen Betrachter ist schwer nachzuvollziehen, wie sehr der Einfluss der Organisation der Kranken- und Pflegeversicherung auch die kommunalen Aufgaben und Befugnisse in der Pflege prägt. Das bedeutet, dass man über die Rolle der Kommunen in der Pflege nur sprechen kann, wenn man über die Pflegeversicherung spricht.

Hinzu kommt, dass es dem Bundesgesetzgeber versagt ist, den Gemeinden und Gemeindeverbänden Aufgaben zu übertragen. Dies ist dem Landesgesetzgeber vorbehalten. In den meisten Landesverfassungen ist geregelt, dass der Landesgesetzgeber den Gemeinden Aufgaben nur übertragen kann, wenn die entsprechende Finanzierung durch das Land gesichert ist.

3 Aufgaben und Befugnisse der Kommunen auf dem Gebiet der Pflege

3.1 Zur Unterscheidung von Aufgaben und Befugnissen

Wenn von der Stärkung der Kommunen gesprochen wird, ist auf eine wichtige Unterscheidung hinweisen: die Unterscheidung zwischen den Aufgaben der Kommunen und den Befugnissen der Kommunen. Die Zuteilung einer Aufgabe und ihrer Wahrnehmung an Kommunen bedeutet nicht automatisch auch die Berechtigung für die Kommunen, in Rechte Dritter einzugreifen, wie es etwa bei Planungen der Fall ist, wenn z. B. entschieden wird, welche Pflegeeinrichtung zu welchen Bedingungen in der Kommune Pflegeleistungen erbringen darf. Nach deutschem Verfassungsrecht bedarf es hierfür einer speziellen gesetzlichen Ermächtigung.

3.2 Aufgaben der Kommunen auf dem Gebiet der Pflege

Die Kommunen haben das verfassungsrechtlich garantierte Recht, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG). Aus dieser breiten Aufgabenzuteilung kann aber nicht gefolgert werden, dass die Gestaltung der Pflege ausschließlich den Kommunen obliegt. „Im Rahmen der Gesetze“ heißt nämlich, dass die bestehenden Gesetze zu beachten sind. Das wichtigste bestehende Gesetz ist das Gesetz über die Soziale Pflegeversicherung, das SGB XI.

Dieses Gesetz enthält eine Aufgabennorm (§ 8 Abs. 2 Satz 1 SGB XI), in der die Rolle der Kommunen im Verhältnis zu anderen Akteuren allgemein bestimmt wird: Danach haben die Länder, die Kommunen, die Pflegeeinrichtungen und die Pflegekassen unter Beteiligung der Medizinischen DiensteFootnote 5 eng zusammenzuwirken, um eine leistungsfähige, regional gegliederte, ortsnahe und aufeinander abgestimmte ambulante und stationäre pflegerische Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten. Der Aufbau und die Weiterentwicklung der notwendigen pflegerischen Versorgungsstruktur und die Unterstützung und Förderung der Bereitschaft zu einer humanen Pflege sind ebenfalls im Sinne einer Aufgabennorm zu verstehen (§ 8 Abs. 2 Satz 2 und 3 SGB XI).

Eine weitere Aufgabennorm für die Kommunen findet sich im Sozialhilferecht (Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch – SGB XII), so die Pflicht zur Koordinierung aller für die wohnortnahe Versorgung und Betreuung in Betracht kommenden Hilfe- und Unterstützungsangebote gemeinsam mit den Beteiligten der Pflegestützpunkte (§ 4 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB XII).

Auch die Länder haben Aufgaben auf dem Gebiet der Pflege. Sie haben die Verantwortung für die Vorhaltung einer leistungsfähigen, zahlenmäßig ausreichenden und wirtschaftlichen pflegerischen Versorgungsstruktur (§ 9 Satz 1 SGB XI), wobei das Nähere zur Planung und zur Förderung der Pflegeeinrichtungen durch die Länder bestimmt wird (§ 9 Satz 2 SGB XI). Die Länder können die Kommunen zur Wahrnehmung von Aufgaben auf diesem Gebiet bestimmen, so wie es z. B. in Nordrhein-Westfalen mit dem Alten- und PflegegesetzFootnote 6 geschehen ist.

Die wichtigste Aufgabennorm betrifft aber nicht die Kommunen und die Länder, sondern die Pflegekassen, die einen Sicherstellungsauftrag für die pflegerische Versorgung haben (§ 12 Abs. 1, § 69 SGB XI). Danach haben die Pflegekassen eine bedarfsgerechte und gleichmäßige, dem allgemein anerkannten Stand medizinisch-pflegerischer Erkenntnisse entsprechende pflegerische Versorgung der Versicherten zu gewährleisten.

Die hier aufgezeigten Vorschriften, die den Kommunen Aufgaben auf dem Gebiet der Pflege zuweisen, sind vor allem dadurch gekennzeichnet, dass die Kommunen als Mitverantwortliche, nicht als ausschließlich Verantwortliche für die Belange der Pflege fungieren. Es handelt sich deshalb um Zusammenarbeits- und Koordinierungsverpflichtungen.

Hingegen ist die Gestaltung der Versorgungsstruktur den Ländern und die Sicherstellung der pflegerischen Versorgung den Pflegekassen als zentralen Akteuren vorbehalten.

3.3 Befugnisse der Kommunen auf dem Gebiet der Pflege

Die Steuerung der Versorgung mit Pflegeeinrichtungen und -diensten wird üblicherweise mit Planungsinstrumenten wahrgenommen. Mit solchen Planungsinstrumenten soll meist eine Über- oder Unterversorgung verhindert bzw. eine den Bedürfnissen der Bevölkerung oder der Versicherten entsprechende Versorgung gesichert werden. Solche Planungsinstrumente sind auf kommunaler Ebene nicht vorgesehen.

Auf der Ebene der Länder ist dies anders: In den Landespflegegesetzen können Instrumente für die Planung der Versorgungsinfrastruktur vorgesehen werden, bei denen die Kommunen eine Rolle spielen. Beispielhaft sei hier auf das Alten- und Pflegegesetz des Landes Nordrhein-WestfalenFootnote 7 eingegangen.

Nordrhein-Westfalen

Nach diesem Gesetz ist die Errichtung eines Landesausschusses Alter und Pflege vorgesehen, in dem neben anderen Akteuren auf dem Gebiet der Pflege auch die Kommunen beteiligt sind (§ 3 APG NRW). Für die Sicherstellung und Koordinierung der dem örtlichen Bedarf entsprechenden Angebotsstruktur sind die Kreise und die kreisfreien Städte zuständig, die die kreisangehörigen Städte und Gemeinden einbeziehen (§ 4 Abs. 1 APG NRW). Die örtliche Planung der Kreise und kreisfreien Städte umfasst die Bestandsaufnahme der Angebote, die Feststellung, ob qualitativ und quantitativ ausreichend Angebote zur Verfügung stehen und die Klärung der Frage, ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen zur Herstellung, Sicherung oder Weiterentwicklung von Angeboten erforderlich sind. Die kreisangehörigen Gemeinden werden in den Planungsprozess eingezogen (§ 7 Abs. 1 und 2 APG NRW). Die von den Kreisen und kreisfreien Städten eingerichteten örtlichen Konferenzen Alter und Pflege wirken bei der Sicherung und Weiterentwicklung der örtlichen Angebote mit. Mitglieder der örtlichen Konferenzen können auch die kreisangehörigen Gemeinden sein (§ 8 AGP NRW). Eine verbindliche Bedarfsplanung ist nur in Richtung auf zusätzliche teil- oder vollstationäre Pflegeeinrichtungen möglich (§ 7 Abs. 6 APG).

Die Länder haben generell die Möglichkeit, einen Landespflegeausschuss zu bilden und dort eine Pflegestrukturplanungsempfehlung zu geben (§ 8a Abs. 4 SGB XI). Den Ländern bleibt es unbenommen, ob und wie sie die Kommunen in diese Verfahren einbeziehen.

Diese Planungsinstrumente haben eher indikativen Charakter, weil sie Bedarfe und Möglichkeiten aufzeigen. Sie können nicht direkt steuernd wirken, etwa in dem Sinn, eine bestimmte Einrichtung von der Versorgung aus- oder in die Versorgung einzuschließen.

Als weiteres Instrument der Einflussnahme auf die pflegerische Versorgungsstruktur kommt die Zulassung von pflegerischen Einrichtungen und Diensten zur Erbringung von Pflegeleistungen infrage.

Diese Möglichkeit besteht aber für die Kommunen nicht. Hierfür sind alleine die Landesverbände der Pflegekassen zuständig (§ 72 SGB XI). Aber auch die Landesverbände der Pflegekassen haben mit der Zulassung der Pflege durch Versorgungsvertrag keine planerischen Möglichkeiten der Versorgungsgestaltung. Jede Pflegeeinrichtung, die die gesetzlichen und sonstigen Voraussetzungen erfüllt, hat einen Anspruch auf Zulassung zur pflegerischen Versorgung, wobei die freigemeinnützigen und privaten Träger einen Vorrang vor den öffentlichen Trägern genießen (§ 72 Abs. 3 SGB XI).

Allerdings bleibt den Ländern die Möglichkeit, eine verbindliche Bedarfsplanung vorzusehen, bei der auch die Kommunen beteiligt sind, wenn diese sich auf zusätzliche teil- oder vollstationäre Pflegeeinrichtungen erstreckt. Das kann von den Ländern so geregelt werden. Nicht alle Länder haben aber von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht.

Weitergehende Planungsinstrumente sind auf kommunaler Ebene nicht gegeben.

Auf dem Gebiet der Pflegeversicherung sind zwei Arten von Beratung zu unterscheiden:

Die Aufklärung und Auskunft über die Pflegeleistungen und ihrer Inanspruchnahme liegt in der Zuständigkeit der Pflegekassen (§ 7 SGB XI). Demgegenüber ist die eigentliche Pflegeberatung mehr auf die Personen konzentriert und auch auf die Erstellung eines individuellen Versorgungsplans gerichtet. Hierzu sollen Pflegeberater:innen eingesetzt werden, die von den Pflegekassen beauftragt werden (§ 7a SGB XI).

Eine zentrale Rolle bei der wohnortnahen Beratung, Versorgung und Betreuung der Versicherten nehmen die Pflegestützpunkte ein, die von den Pflegekassen errichtet werden (§ 7c SGB XI). Diesen Pflegestützpunkten kommen umfassende Beratungsbefugnisse auch bei der Koordinierung aller relevanten Leistungen zu (§ 7c Abs. 2 SGB XI).

Für die Errichtung der Pflegestützpunkte gibt es jetzt ein Initiativrecht der Kommunen (§ 7c Abs. 1a SGB XI).

Seit 2017 können die Kommunen im Rahmen auf fünf Jahre befristeter Modellvorhaben die Beratung von Pflegebedürftigen und deren Angehörigen und das Fallmanagement übernehmen (§ 123 SGB XI). Diese Möglichkeit stellt einen Kompromiss in Richtung auf die Kommunen dar, die die Pflegeberatung insgesamt übernehmen wollten.

Damit kann festgestellt werden, dass den Kommunen auf dem Gebiet der Pflegeberatung und des Fallmanagements Befugnisse nur im Rahmen von befristeten Modellvorhaben zustehen.

Diese Situation wird als unbefriedigend erachtet. Eine Expertenkommission auf Bundesebene, die Kommission zur Erstellung des Altenberichts, hat im 7. Altenbericht (2016)Footnote 8 gefordert, dass die Kommunen ein Care- und Casemanagement federführend koordinieren sollten. Sie sollten wohnortnahe Strukturen der Beratung und des Casemanagements aufbauen. Die Kommission empfiehlt deshalb, den Kommunen Aufgaben der Pflegekassen unter anderem im Bereich des Care- und Casemanagements zu übertragen. Dabei sollte auf die vielfältigen Erfahrungen von Bundesländern, die über regionale und kommunale Infrastrukturen der Koordination, der Planung sowie des Care- und Casemanagements verfügen, zurückgegriffen werden.

Kommunen können auch als Leistungserbringer von Pflegeleistungen auftreten. Sie können selbst als Träger von ambulanten und stationären Diensten und Einrichtungen zur Pflege älterer Menschen auftreten. Allerdings haben freigemeinnützige und private (=in der Regel gewerbliche) Träger Vorrang gegenüber öffentlichen (= in der Regel kommunalen Trägern) (§ 11 Abs. 2 Satz 3 SGB XI). Diese Vorrangklausel wurde mit der Sozialen Pflegeversicherung 1994 eingeführt. Vorher galt ein Vorrang der freigemeinnützigen und der öffentlichen Träger. Mit der neuen Vorrangklausel wurde eine Marktöffnung für private Leistungsanbieter bezweckt. Mittlerweile sind die Kommunen nur noch in geringer Zahl Anbieter von ambulanten Pflegediensten (Ende 2017: 154 kommunale Träger gegenüber 9243 privaten Trägern). Bei den stationären Einrichtungen ist der Anteil der freigemeinnützigen Träger mit 53 % der höchste, gefolgt von privaten Trägern (43 %). Die kommunalen Träger machen mit 5 % den kleinsten Anteil aus.

Es bestehen also begrenzte Befugnisse der Kommunen, als Träger von pflegerischen Einrichtungen und Diensten aufzutreten.

Die wichtigste Rolle der Kommunen ist darin zu sehen, dass sie als Träger der Leistungen der Sozialhilfe fungieren. Bis zur Einführung der Pflegeversicherung 1994/1995 war die Leistung der Hilfe zur Pflege der wichtigste Leistungszweig der Sozialhilfe, weil diese praktisch die einzige Sozialleistung bei Pflegebedürftigkeit war. Heute wird Hilfe zur Pflege fast nur noch als ergänzende Hilfe zu den Leistungen der Pflegeversicherung geleistet.

4 Zusammenfassung und Ausblick

Die Stärkung der kommunalen Ebene auf dem Gebiet der Politik für alte, behinderte und pflegebedürftige Menschen wird seit einiger Zeit als Anliegen formuliert. Auf bundespolitischer Ebene werden diese Anliegen verstärkt wahrgenommen. Trotzdem bleiben staatsorganisatorische Probleme angesichts der Tatsache, dass die Gestalt des Gesundheits- und Pflegewesens und damit die gesundheitliche und pflegerische Versorgung maßgeblich durch das SGB V (Gesetzliche Krankenversicherung) und SGB XI (Soziale Pflegeversicherung) geprägt werden. Diese Sozialleistungsgesetze enthalten nicht nur Vorschriften zu den Leistungen der Versicherten, sondern auch zu der Frage, von wem und wie und in welcher Qualität diese Leistungen erbracht werden (Leistungserbringungsrecht). Man könnte auch sagen: dieses Leistungserbringungsrecht ist das Recht, mit dem die Versorgung auf gesundheitlichem und pflegerischem Gebiet ganz wesentlich gestaltet wird.

Die Verlagerung von bisher bei den Sozialversicherungsträgern liegenden Versorgungs- und Beratungskompetenzen auf die kommunale Ebene erfordert weniger eine neue Aufgabenzuschreibung – diese ist mit der Daseinsvorsorgeverantwortung der Kommunen weitreichend gegeben-, als vielmehr eine neue Befugnisverteilung mit entsprechenden Instrumenten und entsprechender Finanzierung. Damit müssten die Pflegekassen auf diese Befugnisse verzichten.

Neben diesem Problem stellt sich ein weiteres Problem: Es ist bislang nicht klar, ob alle Kommunen in Deutschland überhaupt eine neue Befugnisverteilung wollen. Es ist deshalb sehr schwierig, die Lage in Deutschland einzuschätzen. Diejenigen, die eine Befugnisverteilung wünschen, äußern sich – in der Regel über ihre Verbände – politisch oft lautstark. Diejenigen, die es bei der bisherigen Befugnisverteilung belassen wollen, äußern sich nicht oder nur leise.

Es wird daher von großem Interesse sein, ob und inwieweit die Erfahrungen, die man in Japan bei der Gestaltung der Pflege auf kommunaler Ebene gemacht hat, auch für die Verhältnisse in Deutschland fruchtbar gemacht werden können.