Dieser Beitrag beschäftigt sich mit den Herausforderungen und Maßnahmen zur Arbeitskräftesicherung im Bereich der professionellen Pflege in Japan. Dabei wird auch auf die Beteiligung älterer Menschen – den potentiellen Pflegekräften der Zukunft – sowie auf die politische Diskussion rund um den Einsatz ausländischer Arbeitnehmer:innen in der Pflege eingegangen.

1 Ausbau der japanischen Pflegeversicherung

Die japanische Pflegeversicherung wurde im April 2000 eingeführt. Seither sind mehr als zwanzig Jahre vergangen. In diesem Zeitraum ist nicht nur die Zahl der Versicherten im Alter von 65 Jahren und älter sprunghaft angestiegen, sondern auch die Zahl der als pflegebedürftig anerkannten Personen sowie der Nutzer:innen von Pflegedienstleistungen.

Tab. 1 Veränderungen in 20 Jahren Pflegeversicherung

Wie aus Tab. 1 ersichtlich, betrug die Zahl der Versicherten in der Altersgruppe 65 + Ende April 2020 35,58 Mio. Im Zuge der fortschreitenden Alterung der Gesellschaft hat sich diese Zahl seit Einführung der Pflegeversicherung um das 1,6-fache erhöht. Die Zahl der als pflegebedürftig anerkannten bzw. als hilfebedürftig eingestuften Personen lag Ende April 2020 mit 6,69 Mio. 3,1 mal so hoch. Dass die Zahl der Betroffenen stärker angewachsen ist als die der Versicherten, zeigt, dass die Pflegeversicherung inzwischen ein fester Bestandteil des Lebens älterer Menschen geworden und es heute allgemein üblich ist, eine Anerkennung als pflegebedürftig bei der KommuneFootnote 1 zu beantragen, wenn Pflegeleistungen notwendig werden .

Auch die Zahl der tatsächlichen Nutzer:innen von Pflegedienstleistungen stieg von 1,49 Mio. im April 2000 auf 4,74 Mio. im April 2020 und damit auf das 3,2-fache. Insbesondere die Zahl der Nutzer:innen von häuslichen Diensten erhöhte sich von 970.000 im April 2000 um 2,87 Mio. auf das 4,0-fache, d. h. auf 3,84 Mio. im April 2020. Parallel dazu hat auch die Zahl der ambulanten Pflegedienste und -einrichtungen rapide zugenommen. Laut einer „Untersuchung über Pflegeeinrichtungen und -betriebe“ (Survey of Institutions and Establishments for Long-term Care) des Ministeriums für Gesundheit, Arbeit und Wohlfahrt (Ministry of Health Labor and Welfare; im Folgenden: MHLW) gab es Stand 1. Oktober 2019 34.825 ambulante und 24.035 teilstationäre Pflegedienste, 11.580 ambulante Behandlungspflegedienste sowie 40.118 häusliche Pflegeunterstützungsdienste (Care-Management-Einrichtungen). Die stationäre Pflege wird im Wesentlichen in den 8234 Altenpflegeheimen, 4337 geriatrischen Pflegeeinrichtungen und 13.384 Gruppenwohnheimen für Demenzkranke erbracht.Footnote 2 Darüber hinaus gab es Kapazitäten für 510.000 Personen in privatwirtschaftlich betriebenen Altenheimen (fee-based homes for the elderly,) und für 240.000 Personen in Wohnungen mit Service für Senioren (Stand: 2018).

Im Zuge des Ausbaus an Pflegediensten und -einrichtungen hat auch die Zahl der dort beschäftigten Pflegekräfte zugenommen. Einer aktuellen Umfrage des MHLW zufolge hat sich ihre Zahl von 550.000 im Geschäftsjahr 2000 um 1,32 Mio. auf 1,87 Mio. im Geschäftsjahr 2017 erhöht (MHLW, 2019a). Wie in Deutschland so zählt auch in Japan der Pflegesektor zu den Branchen, die einen Anstieg der Erwerbstätigen verzeichnen. Schätzungen zufolge arbeiten von den 1,87 Mio. Pflegekräften 960.000 in stationären Pflegeeinrichtungen und 510.000 in der ambulanten Pflege. Als erforderliche Zugangsqualifikation dafür gibt es staatlich anerkannte „zertifizierte Pfleger:innen“. Daneben wird empfohlen, eine vom MHLW vorgegebene Schulung für Berufseinsteiger:innen zu absolviere.Footnote 3 Für die Pflegetätigkeit in Pflegeeinrichtungen oder in der häuslichen Pflege ist eine explizite pflegebezogene Qualifikation nicht unbedingt erforderlich. Das MHLW weist Pflegedienstbetreiber jedoch an, Mitarbeiter:innen einzusetzen, die die Qualifikation der zertifizierten Pfleger:innen erworben oder Schulungen wie die o.g. Schulung für Berufseinsteiger:innen abgeschlossen haben.

Nach Schätzungen – basierend auf den Pflegekosten – lag der Gesamtwert der Pflegedienstleistungen im Geschäftsjahr 2000, dem Einführungsjahr der Pflegeversicherung, bei 3,6 Billionen Yen und stieg bis 2020 um den Faktor 3,5 auf 12,6 Billionen Yen an (MHLW, 2020, S. 161). In dieser Größenordnung bewegen sich auch die von der Pflegeversicherung übernommenen Kosten. Sie umfassen neben den Betriebskosten und Gewinnen der Pflegedienstleister insbesondere die Entgelte für die Pflegekräfte.

2 Probleme der Deckung des Pflegepersonalbedarfs

2.1 Arbeitskräftemangel

Während einerseits die Nachfrage nach Pflegepersonal aufgrund der steigenden Zahl von Pflegebetrieben und -einrichtungen zunimmt, tritt andererseits der Arbeitskräftemangel in der Pflege immer deutlicher zu Tage, zumal auch seit der Konjunkturerholung nach 2010 die Pflegebranche mit anderen Wirtschaftszweigen um Fachkräfte konkurriert. Ein Indikator für den Mangel an Pflegekräften ist das Verhältnis von Stellenangeboten zu Arbeitssuchenden. Im Geschäftsjahr 2018 lag der Durchschnittswert für alle Berufe bei 1,46, in den Pflegeberufen aber mit 3,95 erheblich darüber. Das bedeutet, dass auf einen Arbeitssuchenden in der Pflege vier Stellenangebote kommen. 2010 hatte der Wert noch bei 1,33 gelegen und ist somit in weniger als einer Dekade etwa auf das Dreifache angestiegen (MHLW, 2019a). Bei genauerer Betrachtung zeigen sich jedoch große regionale Unterschiede. Z.B. lag im April 2019 das Verhältnis von Stellenangeboten zu Arbeitssuchenden in der Präfektur Okinawa bei 2,27, während Tokyo mit 6,05 dagegen einen deutlich höheren Wert verzeichnete. Hier kamen also auf einen Arbeitssuchenden sechs Stellenangebote.

Unter den Gründen für die Schwierigkeiten, den Arbeitskräftebedarf in der professionellen Pflege zu decken, sind zunächst die Arbeitsbedingungen zu nennen, insbesondere die zu niedrige Entlohnung. Daten aus 2013 belegen, dass das Gehaltsniveau in der Pflege im Branchenvergleich gering ist. Dies galt auch für das Anfangsgehalt von Pflegekräften in Sozialeinrichtungen, sowohl bei Absolvent:innen von Oberschulen als auch von Universitäten (MHLW, 2013). Auch die Fluktuationsrate in den Pflegeberufen lag insgesamt eher über dem Durchschnitt aller Branchen (MHLW, 2015).Footnote 4 Ein weiterer Grund ist das schlechte Image der Arbeit in der Pflege. Die Pflege gilt als „3 K-Arbeit“ – die drei „K“ stehen für die japanischen Worte für „schmutzig“, „anstrengend“ und „gefährlich“.Footnote 5 Neben dem vergleichsweise niedrigeren Gehaltsniveau hat dies dazu geführt, dass die Schülerzahlen in den Ausbildungseinrichtungen für zertifizierte Pflegekräfte in den letzten Jahren stark zurückgegangen sind und kaum noch junge Arbeitskräfte den Pflegeberuf aufnehmen wollen.

War es in Zeiten der Rezession wegen der schwachen Nachfrage in anderen Branchen bisher noch verhältnismäßig einfach, Mitarbeiter:innen für den Sektor der sozialen Wohlfahrtspflege wie etwa Pfleger:innen zu rekrutieren, entscheiden sich bei wirtschaftlichem Aufschwung und steigender Arbeitskraftnachfrage die Arbeitssuchenden wieder vermehrt für andere Wirtschaftszweige. Z.B. liegt der durchschnittliche Stundenlohn für nicht festangestellte Pflegekräfte in der häuslichen Pflege landesweit bei etwa 1100 Yen. Diesen erhält man aber auch in Tokyo für einen Nebenjob in einem Supermarkt oder Convenience-Store. Es gab sogar Fälle, in denen im städtischen Raum Altenpflegeheime gebaut wurden, weil für sie eine hohe Nachfrage besteht. Bei Eröffnung zeigte sich jedoch, dass aus Personalmangel nur ein Teil der Zimmer belegt werden konnte.

Selbst wenn Stellen ausgeschrieben oder Arbeitsämter eingeschaltet werden, gibt es zu wenig Bewerber:innen. Aus diesem Grund greifen die Pflegeanbieter zunehmend auf Leiharbeitsunternehmen und Personalvermittlungsagenturen zurück. Nach einem Artikel der Zeitung Asahi Shimbun vom 7. Februar 2020 wurden im medizinischen Bereich 78,7 % der examinierten Krankenpfleger:innen und der praktisch ausgebildeten nicht-examinierten Krankenpfleger:innenFootnote 6 sowie 41,5 % der Pflegekräfte über Personalvermittlungsagenturen rekrutiert. Eine Vermittlung von examinierten Krankenpfleger:innen kostet im Durchschnitt 920.000 Yen. Bei nicht-examinierten ausgebildete Krankenpfleger:innen liegt die Vermittlungsgebühr bei durchschnittlich 500.000 Yen. Selbst wenn es gelingt, so Mitarbeiter:innen zu rekrutieren, ist es nicht selten, dass diese schnell wieder aufhören. Vor allem beim Einsatz von Zeitarbeitskräften gibt es nicht selten Qualifikationsmängel sowie Kommunikationsschwierigkeiten mit der Stammbelegschaft. Auch belasten die hohen Vermittlungs- und Überlassungsgebühren die Betriebe oftmals finanziell. Wird der vorgeschriebene Personalschlüssel von Pflegekräften und Krankenpfleger:innen nicht erreicht, so wird die Pflegevergütung um 30 % reduziert. Die Betreiber sind dann letztendlich gezwungen, erneut auf Personalvermittlungsagenturen und Leiharbeiter zurückzugreifen.

2.2 Insolvenzen von Altenpflegeeinrichtungen

2019 gingen insgesamt 96 Betreiber von Altenheimen oder Pflegeeinrichtungen in Konkurs. Das waren 13 mehr als 2018 und damit die bisher höchste Zahl an Insolvenzen in einem Jahr überhaupt (Asahi Shimbun, vom 27. Januar 2020). Differenziert nach Pflegeformen entfiel die Mehrheit mit 51 Fällen auf ambulante Pflegedienste, gefolgt von teilstationären Pflegediensten (24), Altenheimen (10) und Senioren-Wohnungen (6).

Der Anstieg der Insolvenzen ist darauf zurückzuführen, dass zwar einerseits die Zahl der Nutzer:innen von Pflegediensten steigt, sich andererseits aber der Wettbewerb unter den Anbietern verschärft und ein Mangel an home helpernFootnote 7 und anderem Pflegepersonal herrscht. Häufig sind es kleinere Unternehmen, die insolvent werden. Das liegt daran, dass es für diese insbesondere bei allgemeinem Personalmangel besonders schwierig ist, gegenüber den Großen attraktivere Arbeitsbedingungen anzubieten, was ihre Rekrutierungsbemühungen noch zusätzlich erschwert. Darüber hinaus treibt der Arbeitskräftemangel die Personalnebenkosten in die Höhe, z. B. für Rekrutierung und Förderung von Personal. Nach dem vom MHLW im Dezember 2019 veröffentlichten „Überblick über die Ergebnisse der Studie zur wirtschaftlichen Lage im Pflegebereich“ (Briefing Survey on Economic Conditions in Long-term Care) lag die durchschnittliche RentabilitätFootnote 8 aller Pflegedienstleistungen – ermittelt anhand der Geschäftsabschlüsse des Geschäftsjahres 2018 – bei 3,1 %. Bis zur Revision der Pflegevergütung im Geschäftsjahr 2015 hatte der Wert bei etwa 8 % gelegen. Die stark gesunkene Rentabilität wird vor allem auf den steigenden Anteil der Personal- und Outsourcing-Kosten zurückgeführt.

3 Umfassende Maßnahmen zur Deckung des Pflegepersonalbedarfs

3.1 Bedarf an Pflegekräften im Geschäftsjahr 2025

Das MHLW schätzt, dass zum Ende des Geschäftsjahres 2020 ca. 2,16 Mio. und zum Geschäftsjahresende 2025 ca. 2,45 Mio. Arbeitskräfte in der Pflege benötigt werden (MHLW, 2019a). Ausgehend von den rund 1,9 Mio. Beschäftigten im Geschäftsjahr 2016 werden bis zum Geschäftsjahresende 2020 ca. 260.000 und bis zum Geschäftsjahresende 2025 ca. 550.000 zusätzliche Pflegekräfte benötigt. Pro Jahr müssen also etwa 60.000 neue Pflegekräfte zusätzlich rekrutiert werden. Angesichts des derzeitigen Arbeitskräftemangels gestaltet sich die Rekrutierung von Pflegepersonal jedoch schwierig, darum ist mit weiteren Personalengpässen im Pflegebereich zu rechnen. Sofern sich die Arbeitsmarktlage nicht verbessert, ist davon auszugehen, dass im Geschäftsjahr 2025 etwa 300.000 Pflegekräfte fehlen werden (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Pflegepersonalbedarf bis 2025

Besonders gravierend ist die Lage bei den home helpern, – die als „Kern“ der häuslichen Pflege gelten. Am 12. Februar 2020 berichtete die Zeitung Asahi Shimbun, dass zu diesem Zeitpunkt etwa 430.000 home helper Hilfen im Alltag und bei der Grundpflege erbringen. Davon sind ca. 70 % nicht festangestellte, sogenannte „registered helper“, die meisten davon Frauen. Laut einer Studie des Nationalen Gewerkschaftsbundes Zenrōren aus dem Jahr 2019 beträgt ihr Durchschnittsalter etwa 59 Jahre, mehr als die Hälfte sind 60 Jahre oder älter. Wenn diese home helper aus Altersgründen einmal ihre Tätigkeit aufgeben müssen und keine jungen Arbeitskräfte nachrücken, wird sich der Personalmangel in der Pflege weiter verschärfen. Tatsächlich ist das Verhältnis von Stellenangeboten zu Arbeitssuchenden im Bereich der häuslichen Pflege mit 13,1 (Geschäftsjahr 2018) extrem hoch – auf 13,1 offene Stellen bei Pflegebetrieben kommt ein Arbeitssuchender (MHLW, 2019a). Der Mangel an Pflegekräften in der häuslichen Pflege lässt befürchten, dass der vom MHLW bis 2025 angestrebte Ausbau von gemeindebasierten integrierten Versorgungssystemen (Community-based Integrated Care System)Footnote 9 nur schwer realisierbar sein dürfte. Dieses System soll eine umfassende Unterstützung der Pflegebedürftigen gewährleisten, damit diese sorgenfrei in ihrer vertrauten Wohnumgebung leben können (Hatano, Y. et al., 2017).

3.2 Staatliche Maßnahmen

Zur Sicherung von Pflegepersonal ergreift die Regierung, d. h. das MHLW, Maßnahmen auf folgenden Handlungsfeldern:

– Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Pflegekräften –

Da das Gehaltsniveau von Pflegekräften unter dem Gesamtdurchschnitt aller Branchen liegt, sollen Zuschüsse an die Leistungserbringer und zu den Pflegevergütungen die Gehälter anheben. Im Mai 2008 wurde auf Initiative von Parlamentsabgeordneten ein Gesetz verabschiedet mit dem Ziel, eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen des Pflegepersonals zu prüfen. Im April 2009 führte diese Initiative zu einer Erhöhung der Pflegevergütung sowie in einem „Zuschuss zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Pflegekräften“. Dabei handelt es sich um staatliche Subventionen in Höhe von insgesamt ca. 400 Mrd. Yen an die Leistungserbringer mit dem Ziel, bis März 2022 das monatliche Gehalt pro Pflegekraft um 15.000 Yen anzuheben. Damit konnte das monatliche Entgelt von Pflegekräften bis zum Geschäftsjahr 2020 um durchschnittlich 75.000 Yen pro Pflegekraft erhöht werden.

– Sicherung und Ausbildung vielfältiger Humanressourcen –

Hier geht es zum einen um zinslose Kredite an Auszubildende, die den Beruf des bzw. der zertifizierte:n Pfleger:in anstreben, sowie andererseits um zinslose und unter bestimmten Bedingungen rückzahlungsfreie Kredite zur Finanzierung der Vorbereitung des Wiedereinstiegs in den Pflegeberuf für ehemalige Pflegekräfte. Darüber hinaus wird auch ein umfassendes Förderprogramm für Interessierte mittleren und höheren Alters ohne Erfahrung in der Pflege angeboten, angefangen von einführenden Schulungen bis hin zu Jobbörsen nach Abschluss der Schulung.

– Vermeidung von Fluktuation, Förderung von Berufsbindung und Steigerung der Produktivität –

Hier geht es um die Förderung des Einsatzes von Pflegerobotern und Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) im Pflegealltag, den Ausbau von Kinderbetreuungsstätten in Pflegeeinrichtungen und –betrieben für das hier tätige Personal, die Unterstützung von Pflegekräften, die an beruflichen Aufstiegsschulungen teilnehmen sowie um die Entlastung des Pflegepersonals bei „berufsfremden“ Aufgaben, z. B. durch Verringerung des Dokumentationsaufwands etc. Künftig sollen weitere Maßnahmen folgen mit dem Ziel, den Einsatz von Pflegerobotern und IKT zu beschleunigen und Leitlinien zur Steigerung der Produktivität zu umzusetzen.

– Steigerung der Attraktivität der Pflegeberufe –

Hier zielen entsprechende Initiativen darauf, bei Schüler:innen und Auszubildenden, deren Eltern sowie den Berufsberater:innen an Schulen und Ausbildungsstätten das Interesse an der Pflegearbeit zu wecken. Ferner werden Schnupperveranstaltungen organisiert, um einen Einblick in die praktische Pflege zu vermitteln. Daneben soll künftig bei Jugendlichen, jungen Eltern und rüstigen Senioren für die Attraktivität des Pflegeberufs geworben werden.

– Förderung der Aufnahme ausländischer Arbeitskräfte –

Derzeit sind Vorbereitungen im Gange, die Beteiligung ausländischer Arbeitnehmer an der Pflege zu fördern (MHLW, 2019a).

4 Mitarbeit älterer Menschen in der praktischen Pflegearbeit

4.1 Werbung um rüstige Senior:innen

Japan verzeichnet derzeit bereits einen Rückgang der Gesamtbevölkerung, und auch die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter ist seit der zweiten Hälfte der 1990er Jahre rückläufig. Angesichts dieser Situation setzt man auf nicht-berufstätige Frauen mittleren Alters (sogenannte Vollzeit-Hausfrauen) und/oder auf rüstige Senior:innen als potentielle Pflegekräfte der Zukunft.

Zunächst sind Maßnahmen zur Verlängerung der Beschäftigungsdauer älterer Arbeitnehmer:innen in der Pflege zu nennen. Das derzeitige „Gesetz zur Stabilisierung der Beschäftigung älterer Menschen“ (Kōreisha koyō anteihō) verpflichtet Unternehmen, durch Anhebung oder Abschaffung der Altersgrenze oder durch Wiedereinstellung nach Erreichen der Altersgrenze Mitarbeiter:innen die Möglichkeit zu geben, bis zum Alter von 65 Jahren zu arbeiten. 2020 wurde es dahin gehend reformiert, dass Unternehmen auferlegt wurde, ihren Mitarbeiter:innen bis zum Alter von 70 Jahren eine Beschäftigungsmöglichkeit bereitzustellen. Tatsächlich ist die Arbeitsmotivation bei älteren Menschen in Japan hoch (MIC, 2020). Ein Blick in die häusliche Pflege oder in Pflegeeinrichtungen zeigt, dass es durchaus üblich ist, auch nach Erreichen der Altersgrenze weiter zu arbeiten. In japanischen Pflegeeinrichtungen waren 2018 17 % der Arbeitskräfte 60 bis 69 Jahre und 5 % 70 bis 79 Jahre alt (Center for Care Labor Safety, 2021). Jede fünfte Arbeitskraft war damit älter als 60 Jahre. Der Anteil ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen.

Große Erwartungen gelten der Beteiligung rüstiger Senior:innen an den „Umfassenden Maßnahmen zur Pflegeprävention und Unterstützung im Alltagsleben“ (Sōgō jigyō), die die Kommunen als Träger der Pflegeversicherung durchführen. Konkret geht es um die Mitwirkung Älterer bei häuslichen und teilstationären Dienstleistungen und/oder bei der Alltagsunterstützung, z. B. bei Essenszustellung, Hausmüllentsorgung oder regelmäßigen Besuchen. Darüber hinaus hofft man auf die Mitwirkung älterer Menschen in ehrenamtlichen Aktivitäten im lokalen Nahraum. Diese Ansätze werden hauptsächlich unter Federführung von Kommunen, sozialen Wohlfahrtskommissionen (Council for Social Welfare) oder lokalen nicht gewinnorientierten Organisationen (NPOs) entwickelt und durchgeführt.

4.2 Ältere Menschen als Pflegehelfer:innen

„Pflegehelfer:innen“ sind nicht festangestellte Personen, die die fest angestellten Pflegefachkräfte einer Einrichtung in ihrer Arbeit unterstützen. Ihre ursprünglichen Aufgaben waren sehr umfassend: neben ihren Hauptaufgaben – der eigentlichen Pflege und der Pflegedokumentation – oblag ihnen auch die Reinigung der Räume, das Bettenmachen, die Zubereitung der Mahlzeiten, das Aufräumen, regelmäßige Kontaktaufnahme zur Überwachung des Wohlbefindens und die Rolle eines oder einer Gesprächspartnerin. Durch die Übernahme dieser vielfach „pflegefremden“ Tätigkeiten durch Pflegehelfer:innen sollen die Pflegekräfte entlastet und ihre Professionalisierung gefördert werden.

Die Tätigkeiten der Pflegehelfer:innen lassen sich nach Qualifikationsanforderungen wie folgt unterteilen:

  • Verhältnismäßig anspruchsvolle Tätigkeiten, die ein gewisses Fachwissen und Erfahrung erfordern (z. B. regelmäßige Besuche zur Überwachung des Wohlbefindens, Gesprächspartner:innen für Demenzkranke, Unterstützung bei Hobbyaktivitäten).

  • Tätigkeiten, die Fachkenntnisse und Fertigkeiten erfordern, die im Rahmen von kurzen Schulungen erworben werden können (z. B. Bettenmachen, Essensausgabe, Flüssigkeitszufuhr)

  • Tätigkeiten, die auch mit geringen Fachkenntnissen und Fertigkeiten ausgeführt werden können (z. B. Reinigen und Aufräumen von Wohnräumen, Vorbereiten von Hilfsmitteln und anderen Gegenständen).

Eingesetzt wurden Senioren-Pflegehelfer:innen erstmals im Rahmen einer Kooperation mehrerer geriatrischer Pflegeeinrichtungen in der Präfektur Mie, darunter auch die Einrichtung des Vorsitzenden der Japan Association of Geriatric Health Services Facilities. Auf die dabei ausgeschriebenen Stellen für gesunde ältere Menschen im Alter von 60 bis etwa 75 Jahren gingen dreimal so viele Bewerbungen ein wie es Stellen gab. Einrichtungen, die Pflegehelfer:innen beschäftigten, berichteten, dass sich viele ehemalige Angestellte oder Lehrer:innen beworben hatten. Die Bewerber:innen wurden nach ihren Wünschen bezüglich der Arbeitszeiten gefragt, diese wurden dann mit den Wünschen der am Projekt beteiligten Einrichtungen abgeglichen. Dabei zeigte sich, dass die Interessierten ihre Tätigkeit pro Tag auf etwa 3–4 h beschränken, am liebsten Vormittags- oder Nachmittagsschichten haben und pro Woche an nur 3–4 Tagen arbeiten wollten. In einer Befragung gaben Pflegehelfer:innen u. a. folgende Antworten: „Hat mir Auftrieb in meinem Leben gegeben.“ Oder: „Ich habe Selbstvertrauen gewonnen, dass ich auch mit 70 Jahren noch etwas Sinnvolles leisten kann“. Von den Pfleger:innen in den betreffenden Einrichtungen kamen überwiegend positive Rückmeldungen, auch wenn die älteren Helfer für nur wenige Stunden am Tage arbeiten, wie: „Unsere Arbeitsbelastung ist zurückgegangen.“ Oder: „Wir können nun mit mehr Ruhe unserer Arbeit nachgehen“.

Die Ergebnisse des Pflegehelfer:innen-Projektes lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:

  • Linderung des Personalnotstandes: durch die Einstellung gesunder, rüstiger Senior:innen aus dem lokalen Umfeld gewinnt die Pflege neue Akteur:innen hinzu.

  • Entlastung der Pflegekräfte von „pflegefremden Aufgaben“: Die fest angestellten Pflegekräfte können sich wieder verstärkt auf ihre eigentlichen Tätigkeiten konzentrieren.

  • Schaffung von attraktiven Arbeitsplätzen für Senior:innen: Ältere Menschen können nach ihren eigenen Zeitwünschen arbeiten.

  • Pflegeprävention: Wechselseitiger Beitrag zur Erhaltung der Gesundheit älterer Menschen.

Das MHLW hat das System der Pflegehelfer:innen als effektive Maßnahme gegen den Pflegepersonalmangel eingestuft und 2019 an mehreren Standorten Japans entsprechende Pilotprojekte durchgeführt. Seit 2020 führen darüber hinaus Präfekturen und Kommunen im Rahmen des neu aufgelegten Programms „Seminare zur Förderung des Einsatzes agiler Senioren in der Pflege“ Schulungen für interessierte Senior:innen durch. Die Absolvent:innen der Kurse werden danach als Pflegehelfer:innen an Pflegeeinrichtungen und –betriebe vermittelt.

5 Maßnahmen zur Förderung der Aufnahme ausländischer Pflegekräfte

In Anbetracht der Personalknappheit in der Pflege richten sich zunehmend Hoffnungen auf die Anwerbung ausländischer Pflegekräfte. Hierfür stehen derzeit vier Optionen mit unterschiedlichen Voraussetzungen und Förderanreizen zur Verfügung.

– Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (WPA) –

2008 begann Japan mit Indonesien, den Philippinen und Vietnam WPAs abzuschließen, die den bilateralen wirtschaftlichen Austausch und die Zusammenarbeit mit Japan stärken sollen. Die Abkommen sehen auch vor, dass sich Anwärter:innen für Berufe in der Kranken- und Altenpflege nach Japan kommen können, um im Pflegebereich zu arbeiten. Anwärter:innen für die Pflege-Qualifikation können als zertifizierte Pfleger:innen in Japan weiter arbeiten, sofern sie nach einer mindestens dreijährigen Tätigkeit in einer Pflegeeinrichtung in Japan die staatliche Prüfung zum bzw. zur zertifizierten Pfleger:in bestanden haben. Bei Nichtbestehen der Prüfung müssen die Betreffenden in ihr Land zurückkehren.

Diese Maßnahme galt ursprünglich nicht explizit als Instrument, um ausländische Pflegekräfte zu rekrutieren. Nachdem sich jedoch die Personalknappheit im Pflegebereich weiter verschärft hat, hat sie heute auch offiziell diesen Status. Bis 1. Oktober 2019 kamen über diesen Weg insgesamt 5063 Anwärter:innen nach Japan, von denen 985 Personen die Qualifikation als zertifizierte Pfleger:innen erworben haben.

– Aufenthaltstitel Pflege –

Durch eine Reform des Einwanderungsgesetzes können seit September 2017 Personen, die eine Ausbildung an einer Ausbildungsstätte für zertifizierte Pfleger:innen absolviert und die entsprechende Qualifikation erworben haben, den „Aufenthaltstitel Pflege“ erhalten. Wer als ausländische:r Auszubildende:r nach Japan kommt, dort mindestens zwei Jahre eine Ausbildung an einer Pflegeausbildungseinrichtung durchlaufen und die staatliche Prüfung zum zertifizierten Pfleger erfolgreich bestanden hat, kann dann unbegrenzt als zertifizierte:r Pfleger:in in Japan arbeiten.

– Technische Praktika –

Das seit November 2017 im Pflegebereich eingeführte technische Praktikum (Technical Intern Training Program (Ginō jisshū seido)) zielt darauf ab, ausländische Praktikant:innen in Japan so zu qualifizieren, dass sie nach Abschluss ihres Praktikums in ihren Heimatländern mit den erworbenen Qualifikationen arbeiten können. Es geht also um Transfer von praktischem Wissen in das jeweilige Heimatland. Das Programm selbst besteht schon seit 1993. Im Bereich der Pflege können die Praktikant:innen unter Anleitung eines oder einer Ausbilder:in maximal fünf Jahre in einer japanischen Pflegeeinrichtung arbeiten. Danach müssen sie in ihre Heimatländer zurückkehren.

Die Pflege ist jedoch nur ein mögliches Einsatzfeld. Viele im Rahmen des Programms angeworbene Praktikant:innen sind in der Landwirtschaft, Fischerei, Industrie oder in der Bauwirtschaft beschäftigt. Ende 2019 gab es insgesamt ca. 420.000 technische Praktikant:innen in Japan. Seit Längerem wird kritisiert, dass sie häufig an Arbeitsplätzen mit schlechten Arbeitsbedingungen eingesetzt werden, auf die sich junge Japaner:innen nicht bewerben würden wegen zu niedriger Löhne, zu langer Arbeitszeiten und weil nur einfache Tätigkeiten durchgeführt werden, bei denen man nicht von einem „Erwerb von Fähigkeiten“ sprechen kann. Aus diesen Gründen geben viele Praktikant:innen oftmalige vorzeitig ihre Stelle auf.

– Fachkraft mit mittlerer Qualifikation –

Die Option „Qualifizierte Fachkraft“ ist das jüngste, hier behandelte Instrument. Es wurde geschaffen, um die erwähnten Schwachstellen der technischen Praktika zu beheben. Das Programm besteht seit April 2019. Es ermöglicht die Aufnahme von ausländischen Arbeitskräften mit speziellem Fachwissen oder -fertigkeiten und gilt offiziell als eine zeitlich befristete Maßnahme zur Linderung des Personalmangels in Japan. Zu diesem Zweck wurde 2018 das Einwanderungsgesetz novelliert, um die Grundlage für das neue System zu schaffen. Dem allgemeinen Arbeitskräftemangel soll dadurch begegnet werden, indem Ausländer:innen aufgenommen werden, die bereits über spezielle Fachkenntnisse/Fertigkeiten sowie japanische Sprachkenntnisse verfügen. Die Betreffenden erhalten den neu geschaffenen Aufenthaltstitel „Qualifizierte Fachkräfte“ (specified skilled worker) und werden während der Dauer ihrer Anwesenheit genauso behandelt wie japanische Arbeitskräfte. Sofern das fachliche Niveau bestätigt und die Sprachkenntnisse durch Tests nachgewiesen sind, können die betreffenden Personen für maximal fünf Jahre in japanischen Pflegeeinrichtungen arbeiten. Danach müssen sie in ihr Heimatland zurückkehren. Sollten sie aber während ihrer fünfjährigen Arbeitstätigkeit erfolgreich eine Prüfung zum:r zertifizierten Pfleger:in ablegen, können sie nach Ablauf der fünf Jahre als zertifizierte Pfleger:innen weiter in Japan arbeiten

In der Pflege bezieht sich die Aufnahme von ausländischen Arbeitskräften auf den Aufenthaltstitel „Qualifizierte Fachkraft Kategorie I“.Footnote 10 Dabei handelt es sich um Ausländer:innen, die Tätigkeiten ausüben, welche Fähigkeiten erfordern, für die beträchtliche Kenntnisse oder Erfahrungen in bestimmten Industriebereichen erforderlich sind. Zur Stärkung der Initiative wurden zusätzlich „Programme zum Aufbau eines Umfelds für die Aufnahme von ausländischem Pflegepersonal“ gestartet, um einen reibungslosen Übergang in die japanischen Pflegeeinrichtungen zu gewährleisten. Konkret werden in den Entsendeländern Prüfungen zur Beurteilung der Pflegekompetenzen und der pflegebezogenen japanischen Sprachkenntnisse durchgeführt. Des Weiteren gibt es in Japan Gruppenschulungen zur Verbesserung der Pflegekompetenzen und Unterstützungsprogramme zum Erlernen der japanischen Sprache sowie Beratung und Hilfe bei Sorgen im Zusammenhang mit der Pflegetätigkeit.

Ursprünglich ging die Regierung davon aus, dass im ersten Jahr der Einführung (2019) insgesamt bis zu 47.000 und in den fünf Folgejahren bis 2023 bis zu 345.000 qualifizierte Fachkräfte inklusive Pflegekräfte nach Japan kommen. Bis Ende Dezember 2020 hatten aber nur 15.663 Ausländer:innen den Aufenthaltsstatus „Qualifizierte Fachkraft“ erworben. Allein im Bereich der Pflege hatte man mit 60.000 Bewerbern in den ersten fünf Jahren ab 2019 gerechnet, davon 5000 im ersten Jahr. Stand Ende Dezember 2020 betrug die Zahl jedoch lediglich 939. Als Gründe für das Zurückbleiben hinter den Erwartungen wird u. a. auf die mangelnde Attraktivität dieser Maßnahme verwiesen. So seien die Entsendungsländer noch nicht entsprechend aufgestellt, die Aufenthaltsdauer auf maximal fünf Jahre begrenzt und überdies nicht gestattet, Familienmitglieder nachzuholen. In der Praxis ist jedoch das größte Hindernis die seit März 2020 anhaltende Corona-Pandemie. Um die weitere Ausbreitung des Virus in Japan zu vermeiden, wurden Einreisebeschränkungen für Ausländer:innen verhängt und die Aufnahme von neuen Arbeitskräften aus dem Ausland ausgesetzt.

- Unterstützende Maßnahmen durch Regierung und/oder Kommunen -

Die Regierung ergriff darüber hinaus weitere Fördermaßnahmen zur Gewinnung ausländischer Pflegekräfte. So unterstützt Japan beispielsweise in Zusammenhang mit den o. g. Wirtschaftspartnerschaftsabkommen Einrichtungen, die Anwärter für die Qualifikation des zertifizierten Pflegers aufnehmen, indem ein Teil der Kosten für den Japanisch-Unterricht, die Pflegeschulungen und für den Aufbau des Lernumfelds übernommen werden. Im Zusammenhang mit dem o. g. „Aufenthaltstitel Pflege“ werden zinslose Bildungskredite für Auszubildende der Schulungseinrichtungen gewährt.

Auch in einzelnen Kommunen findet man beachtenswerte Ansätze zur Förderung der Aufnahme und Beschäftigung ausländischer Pflegekräfte. Die Stadt Yokohama beispielsweise unterstützt Interessierte mittels E-Learning dabei, sich die für die Pflege in Japan notwendigen Kenntnisse, Fertigkeiten und Sprachkenntnisse anzueignen. Ferner wird ein Tool eingesetzt, mithilfe dessen per Spracheingabe Pflegeberichte erstellt werden können. Die Stadt hat auch Werbevideos über die Arbeit in der Pflege in mehreren Sprachen erstellt. Darüber hinaus wurden diverse Unterstützungsmaßnahmen für die Pflegeeinrichtungen und die ausländischen Auszubildenden auf den Weg gebracht, u. a. Mietzuschüsse für Betreiber von Pflegeeinrichtungen, die Wohnungen für neue Pflegekräfte anmieten, oder Zuschüsse zu Sprachkursen an japanischen Sprachschulen sowie zu den Pflegefachschulgebühren für ausländische Auszubildende, die mit dem Ziel nach Japan kommen, die Qualifikation des zertifizierten Pflegers zu erwerben.

6 Zusammenfassung

Infolge des rapide voranschreitenden demografischen Wandels steigt der Altenquotient in Japan. Die Bevölkerungszahl geht insgesamt bereits zurück. Die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (15 bis 64 Jahre) ist schon länger rückläufig. Es ist damit zu rechnen, dass es künftig noch schwieriger werden wird, genügend Arbeitskräfte auch für den erforderlichen Ausbau der professionellen Pflege zu rekrutieren.

Die hier vorgestellten Maßnahmen der Regierung zur Deckung des Pflegepersonalbedarfs haben zu einer gewissen Besserung der Personalsituation in der Pflege geführt. So zeigen beispielsweise Zahlen von 2017, dass in einigen ländlichen Präfekturen das Gehaltsniveau von Pflegekräften mittlerweile angeglichen werden konnte oder sogar höher ist als das Durchschnittsentgelt aller Branchen der jeweiligen Region (MHLW, 2019a). Auch hinsichtlich der Fluktuationsrate zeichnen sich Verbesserungen ab: 2019 betrug sie in der Pflege etwa 15,4 % und wich damit kaum vom Gesamtdurchschnitt aller Branchen mit 15,6 % ab.Footnote 11 Auch trägt der Einsatz von IKT und Robotern in der Pflege dazu bei, die Arbeitsbelastung des Pflegepersonals zu verringern. So wurde anlässlich der Revision der Pflegevergütung die Einführung von Informations- und Kommunikationstechnologie z. B. zur Überwachung des Wohlbefindens von Pflegebedürftigen oder als Verwaltungssoftware ausdrücklich befürwortet und entsprechende finanzielle Anreize geschaffen (MHLW, 2021).

Im Hinblick auf die Einbeziehung älterer Menschen in die praktische pflegerische Versorgung arbeitet man gegenwärtig erfolgreich an einem System zur „Unterstützung pflegebedürftiger älterer Menschen durch rüstige Senioren“. Dazu gehören u. a. Einführungsseminare für Personen mittleren und höheren Alters ohne Pflegeerfahrung, Programme der Kommunen für „umfassende Maßnahmen zur Pflegeprävention und Unterstützung im Alltagsleben“ (Sōgō jigyō) sowie Ansätze wie der Einsatz von Pflegehelfer:innen.

Die Strategie der Anwerbung und Aufnahme von ausländischem Pflegepersonal gilt mittlerweile auch offiziell als notwendige Ergänzung und wird entsprechend politisch vorangetrieben. Einer Untersuchung aus 2019 zufolge beschäftigen 6,6 % aller Pflegeeinrichtungen ausländische Arbeitskräfte mit steigender Tendenz (Center for Care Labor Safety, 2019). Es ist davon auszugehen, dass vor allem in Regionen mit besonders hohen Bedarfszahlen, also insbesondere in den Städten, die Nachfrage nach ausländischen Pflegekräften steigen wird. Das Beispiel der Stadt Yokohama zeigt, wie Verwaltungsbehörden und die Betreiber von Pflegeeinrichtungen erfolgreich die berufliche wie soziale Integration von ausländischen Pflegekräften unterstützen können. Es ist wünschenswert, auch Arbeitsverhältnisse und -bedingungen für ausländische Arbeitnehmer so auszugestalten, dass die ausländischen Pflegekräfte dauerhaft in Japan bleiben können und wollen. Dies betrifft auch unterstützende Lebensumfeld-, Infrastruktur- und Wohnraummaßnahmen.