Zusammenfassung
In Gelassen in den Widerstand beschäftigen sich Martin Sellner und Walter Spatz als Anhänger der Identitären Bewegung mit dem Philosophen Martin Heidegger, um ihre völkisch-rassistische Ideologie mit dem Denken und den umständlichen Begriffen Heideggers zu verknüpfen. Dabei nutzen sie seine bestehende Reputation, um die eigenen politischen Inhalte als philosophisch fundiert zu inszenieren und vermeintlich aufzuwerten. Die Autoren relativieren das Verhältnis Heideggers zum Nationalsozialismus und ignorieren die aktuellen Forschungsdiskurse, die Heideggers Denken antisemitische und rassistische Prägung nachweisen, um Martin Heideggers als Person eigenhändig zu entnazifizieren. Dies erfolgt aber nur auf einer oberflächlichen Ebene, um zu verschleiern, dass eine versteckte Legitimierung und argumentative Untermauerung des Rassismus der Identitären Bewegung (und Heideggers) vorgenommen wird. Der Zweck dieses Vorgehens besteht darin, die gängigen ‚neurechten‘ Konzepte – wie zum Beispiel den Ethnopluralismus – in ein philosophisches Antlitz zu kleiden, um im Sinne der Metapolitik die eigenen Begriffe in akademische Diskurse einzuschleusen. Aber gerade die von den Autoren forcierte Verknüpfung von Heideggers Denken mit der Idee des Ethnopluralismus lässt eine starke Fixierung des Konzepts auf ein Paradigma von ‚Blut und Boden‘ offenkundig werden. So kann die von Sellner und Spatz vorgenommene philosophische Inszenierung eigener politischer Inhalte nicht darüber hinwegtäuschen, dass dem identitärem Weltbild eine völkisch-rassistische Ideologie zugrunde liegt.
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Notes
- 1.
Auch sein Twitter-, Instagram-, Facebook- und TikTok-Account wurden gesperrt. Eine Auflistung weiterer Plattformen und Zahlungsdienstleister finden sich auf Sellners Website (auch zeitweise vom Host abgeschaltet).
- 2.
Für einen umfassenden Überblick sei auf die Einleitung des von Marion Heinz und Sidonie Kellerer herausgegebenen Sammelbands Martin Heideggers „Schwarze Hefte“: eine philosophisch-politische Debatte verwiesen (vgl. Heinz 2016).
Literatur
Primärquellen
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Sekundärliteratur
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Rogner, L. (2022). Martin Sellner und Walter Spatz: Gelassen in den Widerstand. In: Meiering, D. (eds) Schlüsseltexte der ‚Neuen Rechten‘. Edition Rechtsextremismus. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-36453-3_13
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