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1 Ausgangssituation und Problemstellung

Mit der „LEIPZIG CHARTA zur nachhaltigen europäischen Stadt“ verabschiedeten die für Stadtentwicklung zuständigen Minister*innen der Europäischen Union 2007 ein gemeinsames Bekenntnis, in dem die europäische Stadt „[…] als ein wertvolles und unersetzbares Wirtschafts-, Sozial- und Kulturgut“ (BMUB 2007, S. 1) bezeichnet wird. Während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft 2020 wurde mit der „Neuen Leipzig Charta“ u. a. der Grundsatz verabschiedet, wonach Kommunen „[…] im Interesse der Allgemeinheit handeln und dementsprechend gemeinwohlorientierte Dienstleistungen und Infrastrukturen zur Verfügung stellen […]“ sollten (BMI 2020, S. 8).

Für diesen Ansatz bieten zivilgesellschaftlich getragene Quartiers- und Dorfprojekte, die soziale und kulturelle Nutzungen sicherstellen, lokale Infrastrukturen erhalten und bezahlbaren Wohnraum schaffen, eine ideale Ergänzung zu den kommunalen Angeboten und sind wesentlich für den Erhalt lebendiger und lebenswerter Städte und Regionen. Gemeinschaftliches und gemeinwohlorientiertes Wohnen ist oft ein grundlegender Bestandteil dieser Projekte. Denn wo gewohnt wird, wird gelebt, und wo gemeinschaftlich gelebt wird, entsteht immer Gutes für die Gruppe, oft auch für die Nachbarschaft oder das Quartier und die Gesamtstadt.

Den Ausgangspunkt für die kooperative Entwicklung lebendiger Orte und Quartiere bilden stets Menschen, die mit Gleichgesinnten gemeinsame Ziele definieren. Die Menschen vor Ort wissen selbst am besten, an was es der eigenen Nachbarschaft und dem Stadtteil fehlt: bezahlbarer Wohnraum, lokale Infrastruktur und Gewerbe, soziale und kulturelle Angebote und Einrichtungen, Räume für Begegnung und Gestaltung von Miteinander und Gemeinschaft, etc. Weder die öffentliche Hand noch die Wirtschaft stecken ausreichend Ressourcen in die Entwicklung sogenannter Dritter Orte. Vielerorts bieten bspw. Träger der Kirchen soziale Angebote in festen Strukturen für spezifische Zielgruppen, wie ältere Menschen, Jugendliche und Migranten, an (Sammet 2019). An offenen und flexiblen Angeboten, die sich an alle Menschen im Quartier richten und in welchen sich Menschen unabhängig von Gruppenzugehörigkeiten, wie Alter, Geschlecht oder sozialer und geografischer Herkunft, niederschwellig treffen, fehlt es jedoch häufig. „Dritte Orte“ sind (halb)öffentliche Orte, die neben dem Erstort „Zuhause“ und dem Zweitort „Arbeit“ kulturelle und soziale Infrastrukturen im ländlichen und urbanen Raum schaffen und gleichzeitig neue Möglichkeiten für Begegnung und gesellschaftlichen Zusammenhalt eröffnen (MKW NRW 2021). Sie wirken positiv in die Nachbarschaft und sind wesentlicher Bestandteil lebendiger, lebenswerter und krisenfester Quartiere.

Den Bedarf erleben und erkennen vor allem die Menschen vor Ort und werden vermehrt selbst aktiv – oft zunächst aus Eigenantrieb für sich und ihr soziales Umfeld, gleichzeitig dadurch aber auch für die Nachbarschaft und die Mitmenschen im Quartier. Die zivilgesellschaftlichen Akteur*innen agieren entweder ehrenamtlich in eher privatem Umfeld oder als unternehmerisch handelnde Projektmacher*innen. Sie eignen sich beispielsweise leerstehende Immobilien an, mieten diese zunächst oder kaufen sie zu einem späteren Zeitpunkt und entwickeln sie für die Nachbarschaft (vgl. Stiftung trias 2013). Mit geeigneten Rechtsformen schaffen sich Projektmacher*innen den notwendigen Rahmen, um ihre Vorstellungen mit wirtschaftlich tragfähigen Geschäftsmodellen und Finanzierungskonzepten in die Realität umzusetzen. Genossenschaften und Vereine, mitunter auch (gemeinnützige) GmbHs, sind hier sicher klassische Rechtsformen, unter deren Dach gemeinwohlorientierte Nutzungen realisiert und Immobilien entwickelt werden. Häufig stellt sich für Projektmacher*innen früher oder später auch die Frage nach Eigentum und dessen Finanzierung. Als Alternative zu Miete oder Kauf gelangt hier das Erbbaurecht zunehmend in die Wahrnehmung von zivilgesellschaftlichen Stadtmacher*innen und -unternehmer*innen. Das Erbbaurecht hat zwei wesentliche Vorteile: Durch die Übernahme eines Erbbaurechtes werden Immobilien zum einen aufgrund des Liquiditätsvorteils zum Zeitpunkt des Kaufes vor allem in Agglomerationslagen oftmals erst finanzierbar. Zum anderen können die gemeinwohlorientierten Nutzungen des Projektes über die aktuelle Projektgeneration hinaus abgesichert werden. So ermöglichen zum Beispiel die Stiftung trias, aber auch andere Stiftungen sowie kommunale und private am Gemeinwohl orientierte Erbbaurechtsgeber durch die Zwecksicherung im Erbbaurechtsvertrag den langfristigen Erhalt der ideellen und gemeinwohlorientierten Ziele. Das Erbbaurechtsmodell wird am Beispiel des Vorgehens der Stiftung trias und des Sondervermögens Bürgerfonds, eines bürgerschaftlich getragenen Entscheidungs- und Finanzierungsmodells für Innenentwicklung und Stadtumbau in schrumpfenden kleinen und mittleren Städten, in Kap. 3 dieses Beitrags vorgestellt.

Mittlerweile erhalten in der politischen und gesellschaftlichen Debatte Projekte einige Aufmerksamkeit, die zum einen auf Quartiersebene zivilgesellschaftlich getragene soziale und kulturelle Angebote bereitstellen und zum anderen bezahlbaren Wohnraum mit neuen Wohnkonzepten schaffen. Das kann beispielsweise gemeinschaftliches oder Mehr-Generationen-Wohnen sein. Diese „Dritten Orte“ oder „Immovielien“ (Immobilien von Vielen für Viele), wie sie mitunter auch bezeichnet werden, helfen, strukturelle Defizite zu beheben, schaffen Arbeitsplätze und leisten Beiträge zu lebendigen und lebenswerten Städten, Stadtteilen und Dörfern. Solche zivilgesellschaftlich organisierten Quartiersmittelpunkte existieren nicht nur in den größeren Städten und Ballungsregionen, sondern längst auch in Klein- und Mittelstädten sowie ländlichen Regionen (vgl. Netzwerk immovielien 2021). Beispielhaft vorgestellt seien hier zwei Projekte aus Berlin und Brandenburg, die Projektakteur*innen gemeinsam mit der Stiftung trias und der Berliner Mietergenossenschaft SelbstBau eG realisiert haben.

Das StadtGut Blankenfelde am Rande Berlins setzt sich für Natur-, Landschafts- und Denkmalschutz sowie für ein gemeinschaftliches Zusammenleben und -arbeiten verschiedener Generationen ein. Auf dem mehr als fünf Hektar großen Grundstück vereint es inmitten weitläufiger, landwirtschaftlich genutzter Gartenflächen genossenschaftliches Mehr-Generationen-Wohnen mit Sozialem, Kultur, Bildung und Gewerbe, wie der freien Naturschule Pankow, einem Waldkindergarten, einer Initiative für psychisch kranke Menschen, verschiedenen künstlerischen Einrichtungen, einem Bioladen mit Verkaufsstation für Produkte der solidarischen Landwirtschaft und einem Café mit wechselnden Ausstellungen vor allem zu ökologischen Themen. Der „Kursaal“ kann zudem für Veranstaltungen aller Art gebucht werden – auch von der Nachbarschaft. Das StadtGut schafft mit dieser Mischung aus Wohnen, Lernen, Versorgen, Arbeiten und Begegnung sowohl Angebote für die Bewohner*innen als auch die Umgebung – alles auf einem Erbbaurecht der Stiftung trias (Stiftung trias 2014).

Der Hof Prädikow ist einer der größten noch erhaltenen Vier-Seiten-Höfe Brandenburgs und gehört zur Gemeinde Prötzel nahe Strausberg in der Märkischen Schweiz. Bis zur Wende wurden hier eine Brennerei, eine Schmiede, Tierställe, Scheunen, Landwirtschaft jeglicher Art und Wohngebäude aktiv betrieben (vgl. Abb. 2).

Im Jahr 2016 entwickelte eine Gruppe engagierter Berliner*innen die Vision, den Hof erneut zu einem lebendigen Ort des gemeinschaftlichen Wohnens und vielfältigen Arbeitens zu entwickeln. Gemeinsames essen, entscheiden, arbeiten und leben sollen im Mittelpunkt der Gemeinschaft und ihres Hofs stehen (vgl. Abb. 1). In Zukunft sollen hier eine digitale Arbeitskultur und vielfältiger sozialer Austausch einhergehen mit der Nähe zu Natur und handwerklicher Arbeit. Auf einem Erbbaurecht der Stiftung trias arbeiten die etwa 45 Mitglieder des Vereins Hof Prädikow e. V. gemeinsam mit der Mietergenossenschaft Selbstbau eG an der Umsetzung dieser Vision. In über zehn Gebäuden sollen neben Wohnraum unter anderem kleine Gewerbe, ein Gäste- und Seminarhaus, ein Coworking Space, Werkstätten, Ateliers und ein Hofladen entstehen. Der alte Gutshof war in der Vergangenheit Mittelpunkt des Dorflebens und soll es in Zukunft wieder werden (vgl. Hof Prädikow 2021) Mit der „Dorfscheune“ am Hofeingang entsteht Raum für Vereine, kulturelle Veranstaltungen, Coworking, Café oder Workshops. Hier sucht der Verein bewusst die Gemeinschaft und Interaktion mit den Nachbar*innen des Hofes und wirkt damit in das Dorf, den umgebenden Landkreis Märkisch-Oderland und die gesamte Region hinein.

Abb. 1
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(Quelle: Foto: Peter Ulrich/fotografie.peterulrich.net, 2017)

Hof Prädikow: Rundgang auf dem alten Gutshof 7/12.

Abb. 2
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(Quelle: Foto: Peter Ulrich/fotografie.peterulrich.net, 2017)

Hof Prädikow: Rundgang auf dem alten Gutshof 1/12.

Auch im urbanen Raum sind zivilgesellschaftliche Initiativen wichtige Partner der Entwicklung ihrer unmittelbaren Nachbarschaft, des umliegenden Quartiers oder sogar der ganzen Stadt. Sie übernehmen Verantwortung nicht nur für sich selbst, sondern für die Gesellschaft und das Gemeinwohl. Damit tragen sie ein Stück zur Lösung der gesellschaftlichen, ökologischen, ökonomischen und strukturellen Herausforderungen bei. Gleichzeitig sind sie Bestandteil der Transformation unserer Städte, Regionen und gesellschaftlichen Handlungsmuster, die zu mehr Nachhaltigkeit, Chancengerechtigkeit, Teilhabe, Resilienz und Zukunftsfähigkeit in urbanen und ruralen Orten führen.

Zivilgesellschaftliche Gruppen sind damit die dritte Säule in der Stadtentwicklung neben Bund, Ländern und Kommunen (Staat) sowie Projektentwicklungsgesellschaften, Wohnungsbauunternehmen und anderen Wirtschaftsunternehmen (vgl. Becker et al. 2010). Sie machen gemeinsam mit ihren institutionellen Partnern Stadt und wollen Verantwortung übernehmen, statt beteiligt zu werden. Sie entwickeln wohnungs- und stadtentwicklungspolitisch ebenso bedeutsame Projekte, wie öffentliche Hand und Investoren das für sich beanspruchen. Kommunen tun daher gut daran, die Macher*innen von Wohnprojekten und Immovielien mit geeigneten Instrumenten auf Augenhöhe an den wesentlichen Prozessen und Entscheidungen von Stadtentwicklung, Stadtumbau und Stadtgestaltung zu beteiligen, da sie die Bedarfe und Gegebenheiten der Menschen vor Ort am besten kennen und darauf reagieren. Dieses Potenzial brachliegen zu lassen, wäre verantwortungslos und würde die Zeichen der Zeit verkennen. Einige bekannte, aber auch weniger bekannte Beispiele für gemeinwohlorientierte und zivilgesellschaftlich getragene Stadtentwicklungsprojekte sind ExRotaprint (Berlin) (Crone 2016), utopiastadt (Wuppertal), Platzprojekt (Hannover), Saline34 (Erfurt), Kompott (Chemnitz), Grandhotel Cosmopolis (Augsburg), Schwabehaus (Dessau) und Elsebad (Schwerte). Alle genannten „Koproduktionen“ sind in der Immovieliensammlung des Netzwerk Immovielien in Wort, Bild und Film ausführlich beschrieben (vgl. Netzwerk Immovielien 2021).

Die Rahmenbedingungen für zivilgesellschaftliche Stadtmacher*innen und Koproduzent*innen sind jedoch vielfach alles andere als gut. Anders als „klassische“ Investoren werden sie von Kommunen, Grundstücksverkäufer*innen und Banken aufgrund ihrer oftmals unkonventionellen Geschäftsmodelle und basisdemokratisch geprägten Strukturen häufig nicht als Partner auf Augenhöhe wahr- und ernst genommen. Vor allem aber die Bodenpreise erschweren den Projekt- und Immovielienmacher*innen den Zugriff auf Grundstücke und Immobilien und machen es ihnen fast unmöglich, im Wettbewerb mit finanzstarken Akteuren um Grundstücke mitzuhalten. Während auf der einen Seite also die Bodenpreise vor allem in A-Lagen, vermehrt aber auch an B- und C-Standorten, stetig, zum Teil exponentiell steigen (vgl. Abb. 3), werden bezahlbarer Wohnraum und soziale Nutzungen mehr und mehr verdrängt.

Abb. 3
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(Quelle: BBSR 2020, S. 18)

Preisindizes für Wohnimmobilien, Bauland, Angebotsmieten und Verbraucherpreise.

Denn: Gemeinwohlorientierte Nutzungen erfordern gemeinwohlorientierte Preise! Daher versuchen manche Kommunen bereits, Gestaltungsmöglichkeiten in der Bodenpolitik zurückzugewinnen, gemeinwohlorientierten Trägern mindestens gleiche Chancen auf dem Bodenmarkt einzuräumen und der scheinbar immanenten Renditeorientierung der Immobilienwirtschaft mit mehr Chancengerechtigkeit entgegenzuwirken. Instrumente hierfür sind u. a. Quotierungen in Baulandbeschlüssen, preislimitierte Vorkaufsrechte, Konzeptvergaben mit Festpreisbindungen und Vergabe von Grundstücken im Erbbaurecht (vgl. Adrian u. a. 2021). Auch nichtstaatliche Akteur*innen sind zuweilen Partner*innen, Pionier*innen und Vorbilder für neue Instrumente einer alternativen und transformativen Bodenordnung. Es gibt sie bereits, die Mut machenden Unternehmer*innen und Unternehmen, die vor allem das Gemeinwohl und weniger das das Anlegerinteresse im Blick haben – aber noch zu wenige. Weitere Akteur*innen sind zivilgesellschaftliche Boden- und Solidarfonds, wie zum Beispiel die Stiftung trias, die mit der Übernahme und Weitergabe von Grund und Boden im Erbbaurecht an zivilgesellschaftliche Akteur*innen seit Jahrzehnten erfolgreich spezifische Projekte ermöglichen, gemeinwohlorientierte Nutzungen langfristig sichern und damit einen Pflock nach dem anderen gegen Bodenspekulation einschlagen. Die Stiftung trias ist nicht nur Vorreiterin in diesem Bereich, sondern hat sicherlich auch die eine oder andere Initiative inspiriert, wie beispielsweise die StadtBoden-Stiftung in Berlin oder das Sondervermögen „Bürgerfonds“ der Arbeitsgemeinschaft Deutsche Fachwerkstädte.

2 Bürgerfonds für Fachwerkstädte – Sondervermögen der Stiftung trias

Das Forschungsvorhaben wurde im Rahmen der Fördermaßnahme „Kommunen innovativ" durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Laufzeit: 01.10.2016–31.03.2020, Förderkennzeichen: 033L175B-C.

Die Stiftung trias fördert zivilgesellschaftliche Initiativen und gemeinschaftliche Wohnprojekte, da sie auf unterschiedliche Weise Fragestellungen aufgreifen und am Gemeinwohl orientierte Lösungen entwickeln. Sie behandeln:

  • sozial gerechten und spekulationsfreien Umgang mit Grund und Boden,

  • ökologisches Bauen, Wohnen und Leben sowie

  • gemeinschaftliches Zusammenleben und Wohnen.

Als gemeinnütziger Bodenträger sichert die Stiftung trias dauerhaft sozial-ökologische Nutzungen über die Vergabe von Erbbaurechten an gemeinschaftliche Wohn- und Gewerbeprojekte. Anders als bei anderen Stiftungen ist bei der Stiftung trias bereits in der Vermögensanlage eine hohe satzungsgetreue Wirksamkeit begründet. Dabei setzt sie auf die „Kraft der Gemeinschaft“: Gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen Gruppen erwirbt sie Grundstücke, um die Gebäude im Erbbaurecht für gemeinschaftliches Wohnen und Projekte, die ein soziales Miteinander und das Gemeinwohl im Blick haben, weiterzugeben. Mithilfe expliziter Regelungen im Erbbaurechtsvertrag, zum Beispiel hinsichtlich der Nutzungen, zum Heimfall oder zu Vorkaufsrechten, durchbricht sie die Marktlogik der Spekulation mit Grund und Boden und ermöglicht die langfristige Sicherung des Grundstücks und der Immobilie für das Projekt und deren Nutzungen. Für die Nutzung des Bodens entrichten die Projekte Erbbauzinsen, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Projekts berücksichtigen. Mit den Erlösen fördert und unterstützt die Stiftung Projekte, Initiativen und Aktivitäten, die im Zusammenhang mit den Kernthemen Boden, Ökologie und Wohnen stehen, und finanziert ihre operativen Aktivitäten. Die „Bodenrente“ der nachhaltigen und bereits auf die Satzungsziele ausgerichteten Vermögensanlage der Stiftung fließt somit über das Stiftungshandeln unmittelbar zurück in die Gesellschaft. Der Weiterverkauf der Grundstücke aus dem Stiftungsvermögen ist ausgeschlossen. Seit der Gründung im Jahr 2002 hat die Stiftung auf diese Weise und über Schenkungen und Erbschaften über 50 Grundstücke in den Vermögensstock der Stiftung übernommen und damit viele Hektar Grund der Bodenspekulation entzogen. So konnte aus anfänglich 70.000 € in den vergangenen 19 Jahren ein Vermögen von mehr als 12 Mio. Euro aufgebaut werden.

Neben Grundstückskäufen, Schenkungen und Erbschaften gehören dazu auch Sondervermögen, die Stifter*innen oder Partner für sehr spezifische Zielstellungen einrichten. Eines davon ist das Sondervermögen „Bürgerfonds für Fachwerkstädte“, das die Arbeitsgemeinschaft Deutsche Fachwerkstädte e. V. bei der Stiftung trias eingerichtet hat. Was es damit auf sich hat, soll im Folgenden erläutert werden.

In beinahe jeder Fußgängerzone, aber auch am Rande der „Prachtstraßen“ vor allem kleiner und mittlerer deutscher Städte sind bauhistorisch wertvolle Gebäude zu finden, die trotz guter Lage und Bausubstanz leer stehen und dem Verfall und Abriss preisgegeben sind. Viele dieser Gebäude sind ortsbildprägend und als „Schandfleck“ bekannt, doch den Kommunen wie auch der lokalen Zivilgesellschaft fehlen oft das Wissen im Umgang mit der historischen Bausubstanz sowie die finanziellen Mittel und die nötigen Instrumente, um für diese Gebäude eine Sanierung durchzuführen und neue Nutzungen zu etablieren. Mit dieser Problematik sah sich nicht zuletzt die Arbeitsgemeinschaft Deutsche Fachwerkstädte e. V. konfrontiert, deren knapp 150 Mitgliedsstädte überwiegend den kleinen und mittleren Städten zugeordnet werden und vielfach durch Schrumpfungstendenzen gekennzeichnet sind. In Gesprächen mit den Bürgermeister*innen und den Menschen, die Projekte zur Sanierung und für den Betrieb von Fachwerkgebäuden initiiert haben, wurde die Arbeitsgemeinschaft auf diese Problematik aufmerksam.

Vor diesem Hintergrund wurde 2016 im Rahmen eines gemeinsamen Forschungsvorhabens mit der Stiftung trias unter Begleitung der StadtLand GmbH aus Leipzig der „Bürgerfonds“ initiiert. Mithilfe des durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Forschungsvorhabens wurde ein bürgerschaftlich getragenes Entscheidungs- und Finanzierungsmodell für Innenentwicklung und Stadtumbau in schrumpfenden kleinen und mittleren Städten entwickelt.

Um wirksam tätig werden zu können, setzt der „Bürgerfonds“ auf die Unterstützung der Kommunen und das Engagement der Zivilgesellschaft. Aufgrund der engen Kontakte der Arbeitsgemeinschaft Deutsche Fachwerkstädte in die kommunalen Verwaltungen wurden diese oftmals zu den ersten Ansprechpartner*innen der Projektpartner*innen. Die erbetene Unterstützung erstreckte sich vielfach auf die Einschätzung der lokalen Gruppen und Vereine sowie die Bereitstellung von Grundstücken und Immobilien. Auf Grundlage der langjährigen Erfahrungen der Projektpartner*innen besitzen zivilgesellschaftliche Gruppen vielfach sehr genaue Kenntnisse über die Missstände in ihrer Kommune und verfügen über individuelle und innovative Ansätze, um diesen zu begegnen. Sie sind daher das wesentliche Element zur langfristigen Sicherung eines zivilgesellschaftlich getragenen Projekts. In den ersten Gesprächen mit den potenziellen Bürger*innengruppen wurden daher zunächst ihre Leistungsfähigkeit und ihre Projektidee eingeschätzt. Fiel diese erste Einschätzung positiv aus, wurden sie durch ein entwickeltes Instrumentarium von Beratungs- und Informationsangeboten in die Lage versetzt, selbstständig die wesentlichen Voraussetzungen für eine Realisierung zu erkennen und zu analysieren. Die Arbeitsgemeinschaft Deutsche Fachwerkstädte berät rund um die bautechnischen und denkmalpflegerischen Aspekte. Die Stiftung trias ist Ansprechpartnerin für mögliche Rechtsformen, die Finanzierung und die langfristige Projektsicherung. Im Ergebnis entwickeln die Bürger*innengruppen individuelle Sanierungs- und Nutzungskonzepte für ihre Immobilie. Zudem werden die Bürger*innengruppen bei der Erstellung der notwendigen Dokumentation und der Kommunikation mit Darlehens- und Fördermittelgeber*innen, Behörden und weiteren Akteur*innen unterstützt.

Den Kern des Bürgerfonds-Modells bildet das mehr als einhundert Jahre alte Instrument des Erbbaurechts, welches sich als wirksames Fundament erweist. Es bietet vielfältige Eingriffs- und Steuerungsmöglichkeiten, um Immobilien dauerhaft gegen unerwünschte Nutzungen, Leerstand und Spekulation abzusichern. Damit wird das wesentliche Problem adressiert, welches bislang die Entwicklung einer Vielzahl von Immobilien, nicht nur in den Mitgliedsstädten der Arbeitsgemeinschaft Deutsche Fachwerkstädte, behindert. Der Grund liegt in den mit dem Volleigentum verbundenen umfassenden Rechten, welche Eingriffs- und Steuerungsmöglichkeiten durch die Kommune oder die Zivilgesellschaft weitgehend verhindern. So ist beispielsweise eine Nutzungsänderung nur im Rahmen rechtlicher Bestimmungen möglich, wohingegen im Erbbaurecht die Nutzungsänderungen sowie die sich daraus ergebenden Konsequenzen auf Grundlage einer vertraglichen Vereinbarung sehr präzise formuliert werden können. So können beispielsweise bestimmte Nutzungen untersagt oder erwünschte Nutzungen, wie etwa eine gemeinnützige Nutzung, durch einen geringeren Erbbauzins gezielt gefördert werden. Grobe Verstöße gegen den Erbbaurechtsvertrag können durch die Ausrufung des Heimfalls, also die Aufhebung und die anschließende Neuvergabe des Erbbaurechts, beseitigt werden. Die Stiftung trias übernimmt als Treuhänderin des Sondervermögens mit dieser Begleitung und Überwachung über viele Jahrzehnte eine wichtige Rolle.

Die Vermögenswerte des Bürgerfonds setzen sich ausschließlich aus Grundstücken zusammen, welche den Bürger*innengruppen im Wege des Erbbaurechts zur Verfügung gestellt werden. Durch den Abschluss langfristiger Erbbaurechtsverträge, in der Regel mit einer Laufzeit von 99 Jahren, wird ein langfristig gesicherter Zugang zu den bauhistorisch wertvollen Immobilien ermöglicht. Der für die Nutzung der Grundstücke zu zahlende Erbbauzins generiert zudem zuverlässig und langfristig Erträge für das Sondervermögen.

Die Eigentümerin des Sondervermögens, die Arbeitsgemeinschaft Deutsche Fachwerkstädte e. V., vernetzt die Projekte über regionale Grenzen hinweg und entscheidet über die Verwendung der Erträge. Diese können für den Erwerb weiterer Grundstücke oder als Zuwendungen an gemeinnützige Organisationen für den Erhalt von Baudenkmälern eingesetzt werden. Als optionales Element wurde die Bildung eines Beirats vorgesehen, welcher durch Vertreter*innen der Bürger*innengruppen besetzt wird. Er kann die Verwaltung des Sondervermögens beratend unterstützen. Zudem könnten die Vertreter*innen des Beirats die Entwicklung des Sondervermögens mithilfe der Erfahrungen aus den eigenen Projekten im Rahmen der Erstgespräche mit Interessent*innen unterstützend flankieren (vgl. Abb. 4).

Abb. 4
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(Quelle: Stiftung trias et al. (2019), S. 5)

Funktionsweise des Sondervermögens „Bürgerfonds“ in der Stiftung trias.

Nach ersten Informationen der Arbeitsgemeinschaft Deutsche Fachwerkstädte an ihre Mitglieder wurden zunächst sechs Projekte ausgewählt, die zu Beginn des Jahres 2017 im persönlichen Gespräch über die Aufgaben und Potenziale genauer informiert wurden. Mit Hilfe von „Zukunftswerkstätten“ wurden die Entwicklungsschritte im gemeinsamen Gespräch von Vertreter*innen der Kommune, der Bürger*innengruppen und den Forschungspartnern festgelegt. Nach eingehender Prüfung der Voraussetzungen wurden erste Pilotprojekte ausgewählt. Parallel wurden eingehende Anfragen aus weiteren Städten bearbeitet und ein umfangreiches Informationsangebot, bestehend aus einem Leitfaden, einem Imagefilm, einer Webseite und mehreren Broschüren, aufgebaut.

Die enorme Nachfrage überraschte selbst die erfahrenen Projektpartner: Anfragen aus mehr als 20 Städten im gesamten Bundesgebiet wurden bearbeitet und die Möglichkeiten für eine Kooperation geprüft. Daraus entstanden Pilotprojekte und das von der Arbeitsgemeinschaft Deutsche Fachwerkstädte e. V. gestiftete Sondervermögen, welches auch nach Abschluss des Forschungsvorhabens dauerhaft für die Förderung neuer Projekte zur Verfügung stehen wird.

Im Ergebnis ist das Forschungsvorhaben differenziert zu bewerten. Positiv hervorzuheben ist das große Interesse, welches der Bürgerfonds auslöste und das von Kommunen und den Bürger*innengruppen entgegengebracht wurde. Deutlich erkennbar wurde, dass ein bestehendes Problem adressiert und der Bürgerfonds als relevanter Lösungsansatz wahrgenommen wurde.

Klar benannt werden muss jedoch auch der Umstand, dass es bislang nicht gelungen ist, ein Grundstück in das Sondervermögen aufzunehmen. Hier sind unterschiedliche Gründe zu nennen: Dazu gehören die Lage in den kleinen und mittleren Städten und die damit vergleichsweise geringen Erlöse durch die Vermietung. Hinzu kam vielfach der bedenklich schlechte bauliche Zustand der Gebäude. In Verbindung mit den hohen Kosten für die notwendigen Bau- und Sanierungsmaßnahmen führten die beiden genannten Aspekte die Projekte in einen Spannungsbereich, welcher eine Darlehensvergabe für die Sanierung stark erschwerte. Die Bürger*innengruppen konnten dies trotz großem Engagement und dem Angebot, viele Arbeiten in Eigenleistung zu erbringen, nicht ausgleichen. Weitere Aspekte betrafen die Bürger*innengruppen selbst: Da die Mitglieder der Bürger*innengruppen über ausreichenden persönlichen Wohnraum verfügten, fehlte ein wesentlicher Anreiz für das persönliche Engagement, welches die hohe Motivation vieler Wohnprojektgruppen kennzeichnet. Zudem waren einige Bürger*innengruppen deutlich überaltert, sodass eine Besetzung der Organe und das Engagement durch aktive Mitglieder bereits mittelfristig als nicht gesichert erschienen. Weiterhin war der Aufbau umfassender Kompetenzen notwendig, wie bspw. im Hinblick auf die Hausverwaltung sowie Steuern und Abgaben. Durch die Etablierung einer Dachstruktur, wie bspw. einer Dachgenossenschaft, wäre es möglich, Synergieeffekte zu erzielen, indem die Kompetenzen für mehrere Projekte zentral vorgehalten werden.

Es muss festgehalten werden, dass mit dem Sondervermögen es ermöglicht wurde, das Angebot an Bürger*innengruppen zur Beratung und zur Übernahme von Grundstücken langfristig aufrechtzuerhalten. Es ist ein beständiges Interesse an zivilgesellschaftlichen Lösungen zu verzeichnen, es gibt weiterhin Anfragen aus allen Regionen der Republik.

Zu den wichtigsten Erkenntnissen gehört die Schlussfolgerung, dass es einer zusätzlichen finanziellen Unterstützung bedarf, um die für viele Bürger*innengruppen relevante Finanzierungslücke zu schließen. Dies könnte durch eine verbesserte Ausstattung des Sondervermögens oder durch die Bereitstellung zusätzlicher Mittel für die Bürger*innengruppen erfolgen.

3 Das Erbbaurecht

Zahlreiche Publikationen, die bundesweite Entwicklung der Mietspiegel und nicht zuletzt die weiter hinten geschilderten Erfahrungen rund um das Zentralwerk in Dresden belegen zweifelsfrei: Steigende Bodenpreise treiben nicht nur die Kaufpreise für Grundstücke und Immobilien, sondern vor allem auch die Mieten in die Höhe und treffen damit besonders Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen (vgl. Biallas 2019; BBSR 2020; Adrian u. a. 2021). Als Reaktion auf den zunehmenden finanziellen Druck weichen Menschen – Mieter*innen wie Eigentümer*innen – oftmals in Regionen mit erschwinglicheren Preisen im Umland der Städte aus. Dort beginnt diese Kette erneut, wodurch ungeahnte gesellschaftliche Fliehkräfte freigesetzt werden.

Das Phänomen ist nicht neu. Seit über 100 Jahren, letztlich seit Beginn der Industrialisierung, konkurrieren Nutzungen und Nutzer*innen vor allem um urbanen Boden. Das Resultat sind steigende Bodenpreise und Mieten, die seit jeher vor allem die Bezahlbarkeit von Wohnraum und gemeinwohlorientierten bzw. nicht renditeorientierten Nutzungen betreffen. An diesem Zusammenhang hat sich seit Beginn des 20. Jahrhunderts trotz einiger wohnungs- und bodenpolitischer Steuerungsversuche praktisch nichts geändert – auch, weil ein ökonomischer Grundsatz im wirtschaftlichen und politischen Handeln über die Zeit hinweg konsequent unbeachtet geblieben ist: Grund und Boden ist ein Gemeingut! Schon 1967 hat das Bundesverfassungsgericht geurteilt, dass „(…) der Grund und Boden unvermehrbar und unentbehrlich ist, [und es sich] verbietet, seine Nutzung dem unübersehbaren Spiel der freien Kräfte und dem Belieben des Einzelnen vollständig zu überlassen; eine gerechte Rechts- und Gesellschaftsordnung zwingt vielmehr dazu, die Interessen der Allgemeinheit beim Boden in weit stärkerem Maße zur Geltung zu bringen als bei anderen Vermögensgütern. Der Grund und Boden ist weder volkswirtschaftlich noch in seiner sozialen Bedeutung mit anderen Vermögenswerten ohne weiteres gleichzustellen; er kann im Rechtsverkehr nicht wie eine mobile Ware behandelt werden“ (BVerfG, 12.01.1967–1 BvR 169/6).

Die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichtes hätten eigentlich schon in den 1970er-Jahren einen Paradigmenwechsel in der Bodenordnung zur Folge haben müssen, auf den wir allerdings bis heute warten. Einen Lösungsansatz hat in den 1970er-Jahren der kürzlich verstorbene Münchner Alt-Oberbürgermeister und Bundesminister a. D. Dr. Hans-Jochen Vogel gefordert und seitdem, zuletzt 2019, regelmäßig wiederholt: Die Aufteilung des Eigentums an Grund und Boden (nicht der weiterhin privaten Gebäude) in ein öffentliches (kommunales) „Verfügungseigentum“ und ein befristetes privates „Nutzungseigentum“ (vgl. Vogel 2019). Dieser Grundgedanke liegt auch dem weitaus älteren Erbbaurecht zugrunde. Anfang des 20. Jahrhunderts wollte die damalige „Szene“ der Bodenreformer um Adolf Damaschke das seit römischer Zeit bekannte, seinerzeit jedoch kaum angewendete Instrument „Erbbaurecht“ nutzen, um „(…) die Bodenspekulation zu bekämpfen und weiten Kreisen der Bevölkerung die Möglichkeit zum Erwerb eines Eigenheims (zu) verschaffen“ (Oefele et al. 2012, S. 14). Nach langen Jahren der Vorarbeit wurde 1919, also vor gut 100 Jahren, schließlich mit dem Erlass der Erbbaurechtsverordnung (ErbbauVO) durch den Reichstag die Kodifizierung einer modernen Auffassung dieses Rechtsinstruments erreicht (Thiel 2004). Erklärtes Ziel war der Zugang zu Grund und Boden für breite Bevölkerungsschichten durch eine „Förderung des Wohnungsbaus, insbesondere für die sozial schwächeren Schichten, und gleichzeitig die Schaffung eines Instruments zur Bekämpfung der Bodenspekulation“ (Oefele et al. 2012). Die rechtspolitische Zielsetzung wird dadurch verdeutlicht, dass am gleichen Tag des Jahres 1919 auch eine „Verordnung zur Behebung der dringendsten Wohnungsnot“ erlassen wurde (ebd.). Derzeit erlebt das Erbbaurecht in vielen Kommunen eine Renaissance. Während zahlreiche Liegenschaftsämter aber noch immer eine große Scheu vor dem Erbbaurecht zeigen, gibt es in vielen großen deutschen Städten bereits Ratsbeschlüsse, Baugrundstücke nur noch oder überwiegend im Erbbaurecht zu vergeben. Die Bodeninitiative Basel „Boden behalten – Basel gestalten“ war hier sicherlich „vordenkend“.

Was aber ist ein Erbbaurecht? Ein Erbbaurecht ist das veräußerliche und vererbliche Recht, ein Bauwerk auf fremden Grund und Boden zu errichten und zu betreiben, ohne dafür Eigentümer*in des Grundstücks sein zu müssen. In einem notariell beglaubigten Vertrag vereinbaren Grundstückseigentümer*innen bzw. Erbbaurechtsgeber*innen mit den als Erbbaurechtsnehmer*innen bezeichneten Nutzer*innen die wesentlichen Rahmenbedingungen. Diese umfassen unter anderem Regelungen zu Art und Umfang der Bebauung, der Nutzung, zu Erbbauzins, Laufzeit und Heimfall. Durch die Eintragung des Erbbaurechts in das Grundbuch wird das Erbbaurecht langfristig abgesichert. Die Erbbaurechtsgeber*innen sind in der Regel bei allen baulichen Veränderungen auf dem Grundstück zustimmungspflichtig. Meist umfasst dies sämtliche baugenehmigungspflichtige Maßnahmen sowie Abrissarbeiten an Gebäuden, die durch die Nutzer*innen durchgeführt werden dürfen. Durch den hohen Autonomiegrad verfügen Erbbaurechtsnehmer*innen, anders als Mieter*innen, über umfassende Gestaltungsmöglichkeiten, ihre Gebäude für ihre Zwecke nutzbar zu machen.

Als Nutzungsentschädigung wird in der Regel ein als Geldzahlung vereinbarter Erbbauzins festgelegt. Er wird meist mit 3–5 % des Bodenrichtwertes bzw. Kaufpreises als jährlich oder halbjährlich zu entrichtender Betrag bemessen. Die über lange Zeit stabilen Erbbauzinsen sind durch die andauernde Niedrigzinsphase zuletzt unter zunehmenden Druck geraten, sodass in den kommenden Jahren bei neu abgeschlossenen Verträgen mit niedrigeren Erbbauzinsen zu rechnen sein wird (vgl. Henger 2019, S. 13 f.). Die durch die gestiegenen Bodenpreise höheren finanziellen Belastungen der Erbbaurechtsnehmer*innen durch den Erbbauzins dürften hierdurch in einem gewissen Maße relativiert werden. Aufgrund der langen Laufzeiten wird der Erbbauzins wertgesichert vereinbart. Dazu wird aktuell überwiegend die Entwicklung des Verbraucherpreisindexes, welcher regelmäßig vom Statistischen Bundesamt ermittelt wird, herangezogen. Eine weniger bekannte Alternative bietet die kapitalisierte Erbbauzinszahlung: Durch die Zahlung des Erbbauzinses für die gesamte Laufzeit zu Vertragsbeginn entfallen für die Erbbaurechtsnehmer*in die Unsicherheit der Zinsentwicklung und die langfristige finanzielle Belastung.

Um (gemeinwohlorientierte) Nutzungen des Grundstücks langfristig abzusichern, verfügen Erbbaurechtsgeber*innen über eine Reihe von Instrumenten: Durch die Festlegung, dass wesentliche Veränderungen des Gebäudebestands der Zustimmung bedürfen, können die Art und der Grad der Bebauung gesteuert werden. Die Zweckbestimmung ermöglicht es den Grundstückseigentümer*innen zudem, die Einhaltung einer vereinbarten Nutzung, bspw. für gemeinwohlorientierte Strukturen, festzulegen. Eine Nutzungsänderung kann versagt oder aber mit Auflagen versehen werden. Somit kann die Zweckbestimmung genutzt werden, um die Erbbaurechtsnehmer*in langfristig an ihre (gemeinwohlorientierten) Ziele zu binden. Eine weitere Option bieten Regelungen zur Gestaltung des Erbbauzinses: Während beispielsweise gemeinnützige Erbbaurechtsnehmer*innen durch Abschläge vom regulären Erbbauzins finanziell entlastet werden, zahlen eigennützige Träger*innen den vollen Erbbauzinssatz. Bei einem Wegfall der ideellen oder gemeinnützigen Ziele könnten die Erbbaurechtsgeber*innen die Mehreinnahmen ihrerseits für gemeinnützige Zwecke einsetzen.

Die Laufzeit eines Erbbaurechts orientiert sich überwiegend an der wirtschaftlichen Nutzungsdauer der Bebauung und der damit im Zusammenhang stehenden Refinanzierungszeiträume. Für Wohnzwecke werden Erbbaurechtsverträge in der Regel mit einer Laufzeit von 99 Jahren abgeschlossen (Sebastian et al. 2019). Für gewerbliche Nutzungen sind Laufzeiten von 50 bis 75 Jahren üblich (Gondring 2013, S. 82). Ein Erbbaurecht kann jedoch auch ohne eine Befristung vereinbart werden. Dies ermöglicht eine zeitlich unbegrenzte Sicherheit für beide Vertragspartner*innen und verhindert wirksam die Spekulation mit Grund und Boden.

Der „Heimfall“ bietet die Möglichkeit, bei fortgesetzten Verstößen gegen den Erbbaurechtsvertrag noch vor dessen zeitlichem Ablauf die Nutzung des Grundstücks neu zu ordnen.

Zustimmungsrecht, Erbbauzins, Laufzeit, Heimfall – gemeinsam bilden diese Instrumente mit ein paar weiteren einen Werkzeugkasten, der bei einem regulären Volleigentum nicht zur Verfügung steht. Der Zugriff und die Neuordnung der Nutzung eines Grundstücks im Volleigentum können in vielen Fällen, abgesehen von einigen ordnungs- und planungsrechtlichen Instrumenten, nur durch die Erlangung des Eigentums erfolgen. Ob und wann sich diese Möglichkeit ergeben wird, ist aus der Perspektive der Stadtentwicklung ein unkalkulierbarer Faktor. Auch wenn die oben angesprochene Renaissance des Erbbaurechts statistisch aufgrund fehlender belastbarer Zahlen zur Vergabe von Erbbaurechten nicht belegt werden kann, so ist doch die politische und gesellschaftliche Debatte um Erbbaurechte durch ein zunehmendes Interesse an diesem Rechtsinstrument geprägt. Viele Kommunen, aber auch zivilgesellschaftliche Akteure schätzen und entdecken das Erbbaurecht als verlässliches Instrument wieder neu (vgl. Nagel 2020; Brahm et al. 2018).

Zusammenfassend lässt sich also eine Reihe von Vorteilen nennen: So können aufgrund des Wegfalls der Kaufpreisbelastung mithilfe des Erbbaurechts günstiger Wohnraum und gemeinwohlorientierte Nutzungen geschaffen werden. Über den Erbbaurechtsvertrag können Erbbaurechtsgeber*innen zudem die Einhaltung ideeller Ziele – beispielsweise die Errichtung und Aufrechterhaltung sozialer, kultureller und ökologischer Nutzungen – oder eine dauerhafte Beschränkung der Miethöhe effektiv und langfristig durch den Zweckparagrafen im Erbbaurechtsvertrag überwachen (Biallas 2019).

Schon immer sind auch nichtstaatliche Akteure, wie Kirchen und Stiftungen, als Erbbaurechtsgeber Partner zivilgesellschaftlicher Initiativen. Dazu gehört nicht zuletzt die Stiftung trias, die seit bald 20 Jahren das Erbbaurecht als Instrument ihrer Vermögensanlage nutzt und darüber hinaus als zivilgesellschaftlicher Boden- und Solidarfonds die Unterstützung von gemeinwohlorientierten Projekten ermöglicht.

4 Zentralwerk Dresden – Gemeinwohlorientierte „Mietnomaden“ auf der Suche nach Räumen

Abschließend sollen die Chancen einer gemeinwohlorientierten Stadtentwicklung an dem konkreten Beispiel des Zentralwerks Dresden veranschaulicht werden. Die Suche nach neuen Räumen war für die seit 2005 im friedrichstadtZentral e. V. organisierten Künstler*innen und Kulturschaffenden beinahe zur Routine geworden. Viele Eigentümer*innen in Dresden waren bis in die erste Hälfte der 2010er-Jahre froh über die Einnahmen, die eine Vermietung an die eher unkonventionellen Nutzer*innen versprach. Die Bausubstanz der Gebäude war meist schlecht, dafür immerhin war die Miethöhe gering. Da die Eigentümer*innen sich nicht langfristig binden wollten, erhielt der Verein stets Mietverträge mit kurzen Laufzeiten. Doch die zunehmende Attraktivität Dresdens hatte sich herumgesprochen, und so war die Entscheidung bereits mehrfach zu Gunsten von Rendite durch Neubau und damit gegen die weitere Nutzung durch die Künstlerinnen und Künstler gefallen, womit der nächste Umzug über den eigenen Kopf hinweg beschlossene Sache war.

Die Entdeckung neuer Räume und Möglichkeiten wurde anfangs noch als „urbanes Abenteuer“ verstanden und nicht zuletzt auch künstlerisch verarbeitet. Mit dem Projekt „KuPaPa“ setzte sich die Gruppe mit den Nutzungs(un)möglichkeiten des urbanen Raums auseinander. Als Kulturparkplatz wurden die Potenziale einer halböffentlichen Parkplatzfläche mit künstlerischen Mitteln ausgelotet (vgl. Zentralwerk 2020). Doch abseits der künstlerischen Prozesse zehrte die immer wiederkehrende Suche nach neuen Räumen zunehmend an den Nerven der Initiative, die sich als Betroffene einer „unsozialen Marktwirtschaft“ mit einer Spur Ironie als Mietnomaden 2.0 bezeichnen können. Die beständig unklare Perspektive kostete immer mehr Kraft und Aufwand. Hinzu kam der Frust darüber, dass bezahlbarer Wohnraum der Renditeorientierung der Immobilienbesitzer*innen – um nicht zu sagen der Gier der Spekulant*innen – weichen musste. Darüber hinaus versperrte die unsichere Situation den Blick auf das Wesentliche – die künstlerische Arbeit.

Auch 2012 hing wieder einmal ein auslaufender Mietvertrag wie ein Damoklesschwert über dem Verein. Es folgte das Unvermeidliche, der Vertrag wurde nicht verlängert, die alte Immobilie sollte abgerissen werden und moderne Wohnbebauung entstehen. Natürlich nicht zum gleichen Quadratmeterpreis wie vorher, aber dafür laut Investor*innen „moderner und mit mehr Wohnwert“. Des einen Glück, des anderen Leid? Für die Menschen, die im wachsenden Dresden nach Wohnraum suchen und sich Mieten rund um oder über dem Mietspiegel leisten können oder wollen, ist diese Entwicklung sicher positiv zu bewerten. Die Mieter*innen von alten, zu Abriss oder Entmietung freigegebenen Immobilien wie die im friedrichstadtZentral e. V. organisierten Künstler*innen und Kulturschaffenden, bewerten die Situation sicher anders. Sie hatten zuvor bereits eine Immobilie auf diese Weise verloren, mussten die gewohnte Umgebung ihres Kiezes verlassen, die Kinder in andere Schulen und Freundeskreise verpflanzen und höhere Wohn- und Gewerbekosten in Kauf nehmen. Es begann erneut eine Phase, die für viele Menschen existenzbedrohend war. Ohne Atelier keine Arbeit und kein Einkommen, ohne günstige Mieten kein existenzsicherndes Auskommen.

Im Stadtteil Pieschen entdeckte die Initiative des friedrichstadtZentral e. V. 2014 einige leerstehende Fabrikgebäude. Das als „Goehle-Werk“ bekannte Areal war nach dem Ersten Weltkrieg entstanden und wurde ursprünglich für die Schreibmaschinenfertigung genutzt. In den 1930er-Jahren wurden die Gebäude für die Rüstungsproduktion umgebaut und um mehrere Hochbunkertürme erweitert. Während des Zweiten Weltkrieges war ein KZ-Außenlager auf dem Gelände untergebracht. Ab 1949 beherbergten die Gebäude einen Betrieb, der zumindest mit seinem Namen den Schrecken des Ortes vergessen machen sollte: Der VEB Grafischer Großbetrieb „Völkerfreundschaft“ Dresden und seine Nachfolgebetriebe nutzten die Gebäude bis 1996 als Druckerei. Ein Teil des Geländes wurde anschließend abgetrennt und – ganz im Stil der 2000er-Jahre – als Gründer- und Gewerbezentrum einer neuen Nutzung zugeführt. Die verbliebenen Gebäude, immerhin noch ca. 7500 m2 Bruttogrundfläche und das Gemeinschaftshaus mit mehr als 3500 m2 Gesamtfläche, darunter ein mehr als 500 m2 großer Saal, weckt der inzwischen zum Zentralwerk e. V. umbenannte Verein 2015 aus dem „Dornröschenschlaf“. Der Verein hatte ein Nutzungs- und Finanzierungskonzept entwickelt, welches die Sanierung und den langfristigen Betrieb des Zentralwerks ermöglichen sollte. Durch viele Gespräche mit teilweise privaten Darlehensgeber*innen, der Stadt Dresden, dem Land Sachsen und dem Bund hatte er Vertrauen und Zuversicht für das Projekt geschaffen, sodass ihm eine breite Unterstützung und Förderung zuteilwurden. Das war nötig, denn die Aufgaben waren gewaltig: Der schlechte Zustand der Bausubstanz, mit zahlreichen Kontaminationen „garniert“, machten umfangreiche Sanierungsarbeiten notwendig. Die entstehenden Atelier- und Wohnflächen sollten nicht nur preisgünstig, sondern auch langfristig für Künstler*innen, Kulturschaffende und kleine Gewerbebetriebe gesichert werden. Für diese Aufgaben mussten neue Strukturen geschaffen werden: Zusätzlich zum bestehenden Verein brauchte es eine Rechtsform, die den Sanierungsprozess umsetzen und die Verwaltung der Gebäude langfristig gewährleisten konnte. Darüber hinaus sollte sie die Verbindung mit weiteren Partner*innen ermöglichen. Ein weiterer Punkt: Das Zentralwerk sollte mit seinen Visionen, Nutzungen und kulturellen Aktivitäten vorausschauend und langfristig abgesichert sein – mit Blick auf vielleicht weniger gemeinwohlorientierte Motivationen von Mitgliedern dieser oder späterer Projektgenerationen.

Durch die Zusammenarbeit mit der Stiftung trias konnte die langfristige Nutzung durch Künstler*innen, Kulturschaffende, Bewohner*innen und Gewerbetreibende bei günstigen Mieten in Verbindung mit der Unverkäuflichkeit des Grundstücks Realität werden: Die Stiftung trias erwarb das Grundstück und bildete ein Erbbaurecht mit 99 Jahren Laufzeit zu Gunsten der neu gegründeten Zentralwerk Kultur- und Wohngenossenschaft Dresden eG. Mit dem Erbbaurechtsvertrag sicherten die damals noch junge Genossenschaftsinitiative und die Stiftung gemeinsam die ideellen und gemeinwohlorientierten Ziele und Nutzungen des Zentralwerks ab. Zudem diente die etablierte Rechtsform der Genossenschaft in Verbindung mit dem Erbbaurecht als Banksicherheit für die notwendige Kreditaufnahme zur nachhaltigen Sanierung und die Betriebsphase. Ab 2015 wurden zunächst die zwei Hochbunkertürme und das sie verbindende Gebäude „B“ denkmalgerecht saniert. In den beiden Türmen entstanden preiswerte Atelierräume, das Gebäude „B“ wurde je zur Hälfte in Wohn- sowie Atelier- und Gewerberäume umgebaut. Trotz ihres Status als Baudenkmal wurden Teile des Gebäudes nach dem strengeren KfW-85-Standard saniert – um die Betriebskosten langfristig niedrig zu halten. Ab 2017 begann die Sanierung des Gemeinschaftshauses. Die Finanzierung wurde mithilfe kreativer Ideen und eines großen Netzwerks von Menschen unterstützt, die mit dem Zentralwerk verbunden sind. So wurde u. a. der Crowdfunding-Aufruf „30 Riesen – nur für heiße Luft?“ gestartet, um den Einbau einer Lüftungsanlage zu ermöglichen (vgl. Klemenz 2018). Für die Künstler*innen und Kulturschaffenden entstanden auf diese Weise Räume mit verlässlich günstigen Mieten und eine kooperative Struktur mit Gleichgesinnten (vgl. Abb. 5). Diese ermöglichen bis heute bezahlbaren Wohn- und Gewerberaum, die Fokussierung auf die künstlerische Arbeit, den Austausch und die Vernetzung untereinander und die Präsentation künstlerischer Arbeiten. Nicht zuletzt durch Kunst- und Kulturveranstaltungen, die oft eine Auseinandersetzung mit dem Ort zum Inhalt haben, sowie die Öffnung des Geländes und die Möglichkeit zur Anmietung des Festsaals ist das Zentralwerk zu einem lebendigen Ort und Begegnungsraum für alle im Stadtteil Pieschen geworden.

Abb. 5
figure 5

(Quelle: „Postkastenindividualismus/post box individualism” by n0core (CC BY 2.0), 2016)

Postkastenindividualismus/post box individualism.

Mit ihren Gebäuden und Flächen wirkt die Genossenschaft damit gemeinsam mit dem Zentralwerk e. V. „über ihre eigenen vier Wände hinaus“ in das Stadtquartier und die Gesamtstadt hinein. Dazu gehört auch die Teilnahme am Tag des offenen Denkmals, welche die Geschichte des Geländes mit wechselnden Schwerpunkten beleuchtet. Das Hauptaugenmerk der offenen Angebote liegt auf einer sehr breiten Palette an Veranstaltungen, die vom jüdisch-arabischen Ball über Konzerte und Lesungen bis hin zu Performances und Ausstellungen reichen. Was fast 100 Jahre lang Werksgelände war – Zutritt für Unbefugte verboten –, ist durch das Zentralwerk nun als „quasiöffentlicher Raum“ zugänglich (vgl. Abb. 6). Die Geschichte des Ortes ist für die gesellschaftliche Auseinandersetzung erlebbar geworden.

Abb. 6
figure 6

(Quelle: Foto: René Jungnickel, 2017)

Eröffnung des Zentralwerks

5 Fazit

Durch das Forschungsvorhaben Bürgerfonds konnte herausgearbeitet werden, dass das Instrument des Bürgerfonds, gekennzeichnet durch die Verbindung von Informations- und Beratungsangeboten für zivilgesellschaftliche Gruppen einerseits mit der Vergabe von Grundstücken im Erbbaurecht andererseits, grundsätzlich erfolgreich umgesetzt werden kann (Henger 2019, S. 24 f.). Die schwierigen Marktverhältnisse und der schlechte Gebäudezustand erforderten jedoch in vielen Fällen eine zusätzliche Finanzierung und Absicherung, die durch die Bürger*innengruppen nicht erbracht werden konnten. „Letztendlich konnte bisher in keiner der sechs Pilotstädte ein Projekt mit Hilfe des Bürgerfonds vertraglich abgeschlossen werden.“ (ebenda, S. 19) Aufgrund der langfristigen Ausgestaltung durch die Etablierung des Sondervermögens ist es jedoch möglich, das entwickelte Angebot bis auf Weiteres aufrechtzuerhalten.

Es ergeben sich verschiedene Forschungsfragen: Wie kann der Informations- und Beratungsbedarf für zivilgesellschaftliche Gruppen effizienter organisiert werden? Welche Förder- und Finanzierungsinstrumente sind geeignet, die Finanzierungslücken, die überwiegend dem schlechten baulichen Zustand der historischen Bausubstanz geschuldet sind, zu schließen? Welche Trägermodelle und Rechtsformen sind geeignet, die Effizienz und Leistungsfähigkeit durch die Zentralisierung von Kompetenzen sowie die Vernetzung der Gruppen zu verbessern?