Schlüsselwörter

1 Einleitung

Die Begriffe Medienjournalismus und Metaberichterstattung bezeichnen im wissenschaftlichen Diskurs die beiden Hauptformen und -konzepte der medialen Selbstthematisierung. Medienjournalismus wird definiert als die journalistische Kommunikation von Medien, die sich inhaltlich mit „Medien oder die Medien betreffende Sachverhalte, Ereignisse, etc.“ (Krüger & Müller-Sachse 1998, S. 16) auseinandersetzt. Er umfasst neben der als „Journalismusjournalismus“ (Malik 2004) benannten, kritischen Auseinandersetzung von Medienorganisationen mit den journalistischen Arbeitsweisen, Leistungen und Strukturen der eigenen oder anderer Redaktionen auch alle anderen Sachverhalte und Ereignisse, in denen Medien über Medienunternehmen, deren Akteure, Produkte, Leistungen und Organisationsbereiche sowie über medienökonomische, medienpolitische und medienethische Themen öffentlich berichten (Beuthner 2005; Arnold 2018). Metaberichterstattung hingegen wird „als Berichterstattung über medialisierte Ereignisse definiert, bei der die Rolle des Nachrichtenjournalismus […] oder der PR/Publicity“ (Esser et al. 2005, S. 314) thematisiert wird. Metaberichterstattung übt folglich nicht nur Selbstbeobachtung aus, sondern trägt auch den Mechanismen sowie der Rolle anderer Akteure, insbesondere PR-Experten, beim Versuch, mediale Öffentlichkeit herzustellen, Rechnung. Sowohl Medienjournalismus als auch Metaberichterstattung lassen sich, was institutioneller Kontext und Ziele betrifft, von anderen Formen der medialen (Selbst-)Thematisierung unterscheiden, wie beispielsweise von Kommunikation durch Medienunternehmen im Rahmen ihrer Public-Relations-Aktivitäten, aber auch von medienkritischen Blogs oder Nutzerkommentaren.

Mittels Selbstthematisierung verfolgen die Medien prinzipiell die Ausübung der gleichen gesellschaftlichen Funktionen wie mittels Journalismus allgemein: Sie wollen unvoreingenommen und objektiv über Ereignisse und Neuigkeiten informieren und Orientierung liefern im Zusammenhang mit Themen und Entwicklungen aus dem Bereich der Medien, Hintergründe recherchieren, Selbstkritik und -kontrolle ausüben, indem sie Transparenz über ihre Arbeitsweise herstellen, Fehlleistungen aufdecken sowie Machtverhältnisse und Mechanismen der Einflussnahme kritisch hinterfragen, öffentliche Diskussionen über die Medien(gesellschaft) anregen, und dazu beitragen, einen freien Meinungsmarkt herzustellen (Jarren 1988; Ruß-Mohl 1999; Malik 2004; Engels 2005; Arnold 2018). In der Praxis gibt es bei dieser Form der selbstreflexiven Berichterstattung aber eine Reihe von Eigenheiten, die im folgenden Kapitel diskutiert werden und aus (kommunikations-)wissenschaftlicher Perspektive eine gesonderte Analyse begründen.

2 Eigenheiten der medialen Selbstthematisierung

Die Selbstthematisierung durch die Medien stellt eine komplexe journalistische Sonderform dar, bei der die im Journalismus „eingebaute Schizophrenie“ (Weischenberg 2004, S. 171) ihre Zuspitzung findet. In modernen Demokratien mit in der Verfassung verankerter Medien- bzw. Pressefreiheit ist die mediale Selbstthematisierung ein bedeutendes Instrument der Medienselbstkontrolle, entsprechend sind die normativen Ansprüche und Erwartungen an sie besonders hoch (Fengler 2016). Der Umstand, dass Medien und JournalistInnen sich dabei sich selbst beobachtend thematisieren, führt aber dazu, dass sie innerhalb mehrerer potenziellen Spannungsfelder operieren und bei dieser Tätigkeit entsprechend rasch an ihre Grenzen stoßen können (Malik 2004; Beuthner & Weichert 2005; Neverla 2019).

Diese Spannungsfelder – auch als „blinde Flecken“ (Kreitling 1998) oder „Fallen“ (Beuthner & Weichert 2005) der medialen Selbstbeobachtung bezeichnet – können innerhalb der institutionellen Rahmenbedingungen, in denen JournalistInnen ihrer Arbeit nachgehen, als Folge konkurrierender Rollen(verständnisse), Zugehörigkeiten und Interessen auf der individuellen Ebene (JournalistInnen, BerufskollegInnen) wie auch auf der Organisationsebene (Redaktion, Medienunternehmen, Verlag) entstehen und potenziell einer unvoreingenommenen und objektiven Berichterstattung im Weg stehen. Als BeobachterIn von BerufskollegInnen und somit von redaktionseigenen sowie -fremden journalistischen Leistungen steht ein/e MedienjournalistIn nicht nur potenziell in einer „Rollenkontextfalle“ (Beuthner & Weichert 2005, S. 21), als Mitglied einer Redaktion und eines Medienunternehmens steht sie oder er zudem in einem Angestelltenverhältnis – und damit in einem gewissen Ausmaß auch in einem Loyalitäts- oder Abhängigkeitsverhältnis – und folglich potenziell in einer „Unabhängigkeitsfalle“ (Beuthner & Weichert 2005, S. 21).

Diese mit Fallen gespickte Form der Selbstthematisierung ist dabei nicht nur in die vielschichtige Wettbewerbssituation mit anderen JournalistInnen, Redaktionen und Medienunternehmen um Aufmerksamkeit und hinsichtlich der publizistischen Qualität der Inhalte, des Vertrauens in die Berichterstattung eines Mediums und der Reputation, ökonomischen Interessen und Ziele eines Medienunternehmens eingebettet. Es ist durchaus möglich, dass sie auch innerhalb einer Medienorganisation zu Konfliktsituationen führen kann, wenn beispielsweise journalistische Normen und Pflichten nicht mit Interessen der Marketing- oder PR-Abteilung in Einklang stehen. In diesem Zusammenhang spricht Arnold (2018) von einem „Vertrauensdilemma im Verhältnis zwischen Medien-PR und Medienjournalismus“ (S. 175), wobei das Vertrauen in die Berichterstattung und die Glaubwürdigkeit eines Mediums sowohl aufgrund der Thematisierung eigener Verfehlungen als auch infolge einer Instrumentalisierung der eigenen Kanäle zwecks positiver Darstellung leiden kann.

Dank ihres privilegierten Zugangs zur Öffentlichkeit sind Medienorganisationen in der Lage, die Wahrnehmung von Ereignissen und Themen zu beeinflussen, und zwar nicht nur, wenn sie über Leistungen des eigenen Unternehmens berichten, sondern insbesondere auch im Kontext medienpolitischer Themen, bei welchen Eigeninteressen von Medienunternehmen tangiert sein können (Page 1996; Jarren 1998; McChesney 2008; Donges & Jarren 2017; Ali & Puppis 2018). Medienunternehmen können in solchen Fällen politisch strategisch handelnd versuchen, ihre Kommunikationskanäle dazu einzusetzen, um eine bestimmte Sichtweise eines Themas zu propagieren, indem sie darüber in einer bestimmten Art und Weise berichten (media policy bias), dieses von der politischen Arena fernzuhalten, indem sie nicht darüber berichten (media policy silence), oder sich weigern, bestimmte Optionen zu thematisieren mit dem Ziel, die Diskussion einzuschränken (Freedman 2008, 2010; Ali & Puppis 2018).

Aufgrund einer Reihe potenzieller Rollen-, Interessens-, und Zielkonflikte stellt sich entsprechend die Frage, ob Medienschaffende und -organisationen bei der medialen Selbstthematisierung die journalistischen Normen der Nachrichtenselektion und -vermittlung einhalten und die gleichen Maßstäbe wie bei der Beobachtung und Kritik anderer gesellschaftlicher Teilbereiche oder Systeme anlegen, wenn dabei die eigenen Leistungen kritisch reflektiert oder Eigeninteressen tangiert werden.

3 Trends und Studiendesigns inhaltsanalytischer Untersuchungen zur medialen Selbstthematisierung

Sozialwissenschaftliche Studien, die sich empirisch mit dem Phänomen der medialen Selbstthematisierung beschäftigen, kamen parallel zu Entwicklungen des Mediensystems (Liberalisierung, z. B. duales Rundfunksystem), technologischen Neuerungen (Digitalisierung) sowie einer steigenden Ausdifferenzierung im Bereich der Medienberufe auf, die zu einer zunehmenden gesellschaftlichen Bedeutung von (Massen)Medien führten. Sie liegen vor allem in Form von Befragungen von JournalistInnen (u. a. Turow 1994; Fengler 2002; Malik 2004; seltener ChefredakteurInnen und/oder ManagerInnen von Medienunternehmen, z. B. Winter & Buschow 2014), beispielsweise zum Rollenverständnis oder zu redaktionellen Abläufen und Entscheidungsprozessen im Zusammenhang mit potenziellen Konfliktthemen, sowie in Form von Inhaltsanalysen vor.

Als Untersuchungsgegenstand der inhaltsanalytischen Studien, die sich mit medienjournalistischen Inhalten auseinandersetzen, dominiert die Berichterstattung zu medienpolitischen und medienökonomischen Einzelereignissen: Darin werden potenziell aus Gesetzesrevisionen resultierende Interessenskonflikte thematisiert, die im Zusammenhang mit der Einführung des privaten Rundfunks (Weiß 1985, 1986), mit Deregulierungsbestrebungen und Wettbewerbsförderung (Pratte & Whiting 1986; Snider & Page 1997; Gilens & Hertzman 2000; Schejter & Obar 2009), mit dem Umfang und der Form der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (Weiß 1988; fög 2015, 2018) und mit der Anpassung des Leistungsauftrags öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten im Onlinebereich (Löblich 2011; Maier & Dogruel 2016) entstehen können. Auch die Berichterstattung zu angrenzenden Gebieten, die für Medienunternehmen aus operativer Sicht relevant sein können, wie z. B. die Forderung nach Mindestlöhnen für Postdienste (Dybski et al. 2010) oder die Neugestaltung des Urheberrechts (Tonndorf 2015), wurde vereinzelt untersucht. Pfetsch (2003) vergleicht die Berichterstattung über Medienpolitik mit anderen Politikfeldern. Einen weiteren Schwerpunkt bilden (versuchte) Übernahmen und Fusionen (Kweon 2000; Beck 2001; Hackett & Uzelman 2003; Müller & Donsbach 2006; Kemner et al. 2008; Lichtenstein 2011). Eine zweite Gruppe bilden Studien, welche die mediale Selbstthematisierung allgemein (Pointner 2010; Eberwein 2010; Wyss et al. 2012), hinsichtlich Unterschiede in der Berichterstattung über private und öffentlich-rechtliche Medien (Uzelman et al. 2005) oder im Zusammenhang mit einem langfristigen Trend wie der Pressekrise (Brüggemann et al. 2016) analysieren. Bei inhaltsanalytischen Studien, die sich mit Metaberichterstattung, also der Thematisierung der Rolle des Journalismus und von PR-Akteuren bei der Herstellung von Öffentlichkeit, auseinandersetzen, dominiert die Berichterstattung im Zusammenhang mit Wahlen (Johnson et al. 1996; Esser et al. 2001; Esser & D’Angelo 2003, 2006; Wise & Brewer 2010) und Krieg (Esser et al. 2005) als Hauptschauplatz. Drentwett (2009) vergleicht Metaberichterstattung im Zusammenhang mit verschiedenen Ereignistypen, nämlich Unfällen, Wahlkampf, Krieg und Anschlägen.

Als Untersuchungsmaterial dominieren journalistische Beiträge in Zeitungen und Zeitschriften. Seltener analysieren Studien ausschließlich TV-Inhalte (Esser & D’Angelo 2006; Schejter & Obar 2009; Wise und Brewer 2010) oder vergleichen Inhalte in Presseerzeugnissen und TV (Johnson et al., 1996; Snider & Page 1997; fög 2015, 2018) respektive in Presse und online (Eberwein 2010; Tonndorf 2015).

Die inhaltsanalytischen Studien zur medialen Selbstthematisierung bedienen sich einer Reihe verschiedener theoretischer Zugänge. Dominant sind Theorien, die reflektieren, wie Medienunternehmen, Redaktionen und JournalistInnen die Berichterstattung instrumentalisieren können, um bestimmte Ziele zu erreichen (z. B. Eigeninteressen durchsetzen, Distinktion zu PR oder Konkurrenz, Imagepflege, usw.). Dies kann beispielsweise dadurch erfolgen, dass sie bestimmte Aspekte von Themen mittels der Verwendung von Frames selektiv hervorheben (Kweon 2000; Esser & D’Angelo 2003, 2006; Esser et al. 2005; Drentwett 2009; Schejter & Obar 2009; Pointner 2010; Lichtenstein 2011; Löblich 2011; Tonndorf 2015; Brüggemann et al. 2016) oder im Sinne von Theorien der Nachrichtenauswahl wie News-Bias über bestimmte Themen je nach Interessenslage unterschiedliche Selektions- und Qualitätskriterien anwenden und bspw. in gesteigerter oder verringerter Intensität berichten bzw. diese gar nicht thematisieren (Gilens & Hertzman 2000; Beck 2001; Hackett & Uzelman 2003; Müller & Donsbach 2006; Kemner et al. 2008; Pointner 2010; Lichtenstein 2011). Seltener werden theoretische Ansätze wie die normative Demokratietheorie (Snider & Page 1997; Schejter & Obar 2009; Dybski et al. 2010) und die Theorie des kommunikativen Handelns (Beck 2001) beigezogen, welche die Rolle und Verantwortung der Medien und ihrer Berichterstattung für Demokratie und Öffentlichkeit zugrunde legen. In Einzelfällen dienen der Neo-Institutionalismus (Esser et al. 2001), der akteurzentrierte Institutionalismus (Maier & Dogruel 2016), Policy-Netzwerke (Pfetsch 2003) und die politische Ökonomie (Uzelman et al. 2005) als theoretische Grundlage für die inhaltsanalytischen Studien.

Was eingesetzte Verfahren und Studiendesigns betrifft, so sind bei der Analyse der medialen Selbstthematisierung quantitative Inhaltsanalysen in der Überzahl. Qualitative Verfahren werden oft ergänzend, beispielsweise zwecks Identifikation von Argumenten oder Frames, eingesetzt (Dybski et al. 2010; Lichtenstein 2011; Tonndorf 2015). Einzelne Studien setzen gänzlich auf das Verfahren der qualitativen Inhaltsanalyse (Beck 2001; Brüggemann et al. 2016; Löblich 2011). Snider und Page (1997) sowie Brüggemann et al. (2016) haben einen Mehrmethodenansatz bestehend aus Inhaltsanalyse, Dokumentenanalyse von Regierungsberichten und Parlamentsprotokollen und Befragung von PolitikerInnen, Mitgliedern der Verwaltung und PolitikexpertInnen bzw. PolitikerInnen und IndustrievertreterInnen gewählt, während Maier und Dogruel (2016) die Inhaltsanalyse mit einer Netzwerkanalyse zur Identifikation von Akteursbeziehungen ergänzt haben. Die grosse Mehrheit der Studien bedient sich eines vergleichenden Analysedesigns und vermutet dabei einen Zusammenhang zwischen Medienstrukturen und -inhalten (Schweizer, 2019). Studien, die sich mit medienjournalistischen Inhalten beschäftigen, tendieren dazu, die Berichterstattung von Medienorganisationen mit unterschiedlicher Distanz zum Gegenstand der Berichterstattung zu vergleichen, wobei die Distanz infolge unterschiedlicher (wirtschaftlicher oder politischer) Eigeninteressen, redaktioneller Linien, Finanzierungsmodellen und/oder organisationaler Zugehörigkeiten von Medien resultieren kann (Beck 2001; Dybski et al. 2010; Gilens & Hertzman 2000; Hackett & Uzelman 2003; Kemner et al. 2008; Lichtenstein 2011; Löblich 2011; Maier & Dogruel 2016; Müller & Donsbach 2006; Pointner 2010; Pratte & Whiting 1986; Schejter & Obar 2009; Snider & Page 1997; Uzelman et al. 2005; Weiß 1985, 1986, 1988). In den Studien zur Metaberichterstattung wird vornehmlich die Berichterstattung zu einzelnen oder mehreren Medienereignissen (z. B. Wahlkampf, Krieg, …) in einem oder mehreren Ländern und/oder Medien(formaten) verglichen (Drentwett 2009; Esser & D’Angelo 2003, 2006; Esser et al. 2001, 2005; Johnson et al. 1996; Wise & Brewer 2010).

4 Zentrale Konstrukte inhaltsanalytischer Studien zur medialen Selbstthematisierung

Inhaltsanalytische Studien zur medialen Selbstthematisierung legen einerseits den Fokus darauf, ob JournalistInnen, Medienunternehmen und Verlage neutrale Vermittler oder strategisch handelnde Akteure sind, die ihren privilegierten Zugang zur Öffentlichkeit dazu nutzen, um Eigeninteressen zu verfolgen oder Imagepflege zu betreiben. Es geht dabei auch um die Frage, ob sie hinsichtlich möglicher Eigeninteressen Transparenz herstellen. Zum anderen gehen sie den Fragen nach, ob, in welchem Umfang und in welcher Weise Medien die eigene Rolle, Funktion und Leistungen in der eigenen Berichterstattung reflektieren.

4.1 Verfolgung von Eigeninteressen (Medienjournalismus)

Die Befunde der inhaltsanalytischen Studien zum Medienjournalismus deuten mehrheitlich darauf hin, dass Medien die Berichterstattung strategisch dazu einsetzen, um Eigeninteressen zu verfolgen – insbesondere, wenn sie über medienpolitische oder medienökonomische Themen und Ereignisse berichten. Indem sie über die Auswahl sowie die Präsentation von Inhalten bestimmen, können sie bestimmten Themen und Ereignissen mehr oder weniger Relevanz zuschreiben oder diese im Extremfall sogar gänzlich zu entziehen versuchen, indem sie nicht darüber berichten.

In diesem Zusammenhang fanden mehrere Studien bei Medien mit unterschiedlicher Interessenslage eine systematische Abweichung hinsichtlich der Häufigkeit (Pratte & Whiting 1986; Uzelman et al. 2005; Kemner et al. 2008; Pointner 2010) und des Umfangs (Beck 2001; Hackett & Uzelman 2003; Kemner et al. 2008) der Berichterstattung. Beispielsweise stellten Kemner et al. (2008) fest, dass die Medien eines Verlags, der die Übernahme eines Konkurrenzverlags anstrebte, diese deutlich seltener und weniger umfangreich thematisierten als vergleichbare Medien von nicht an der Transaktion beteiligten Verlagen. Ihrer Interpretation nach „scheut der Verlag die große Diskussion und bevorzugt eine überschaubare, auf wenige Beiträge begrenzte Diskussion“ (Kemner et al. 2008, S. 72) während die anderen Medien eine breite, öffentliche Diskussion über das umstrittene Vorhaben anstreben. Als weitere Indikatoren für eine versuchte Einflussnahme auf die Relevanzzuschreibung von Ereignissen oder Themen werden auch die vermehrte Platzierung von Beiträgen an prominenten Stellen wie der Titelseite (Beck 2001; Dybski et al. 2010) und die Hervorhebung von Eigeninteressen stützende Aussagen an zentralen Stellen (Müller & Donsbach 2006) gedeutet. Ein einseitiger und verstärkter Einsatz von Kommentaren, zuweilen auch direkt aus der Feder der VerlegerInnen, als das für die Thematisierung gewählte Genre, konnte in einer Reihe von Studien (Weiß 1985, 1986, 1988; Pratte & Whiting 1986; Snider & Page 1997; Beck 2001; fög 2015, 2018) nachgewiesen werden, was eher als öffentliche Form der Positionierung denn als diskreter Versuch der Beeinflussung der Relevanzzuschreibung gewertet werden kann.

Subtiler erfolgt die Verfolgung der Eigeninteressen über inhaltliche Elemente der Berichterstattung. Eine Reihe von Studien (Weiß 1986; Gilens & Hertzman 2000; Kweon 2000; Hackett & Uzelman 2003; Uzelman et al. 2005; Müller & Donsbach 2006; Kemner et al. 2008; Tonndorf 2015; Maier & Dogruel 2016; fög 2015, 2018) konnte in diesem Zusammenhang eine insgesamt unausgewogene Tonalität der Berichterstattung nachweisen, wobei die Medien ihre Position über eine unausgeglichene Verwendung von pro und kontra Argumenten propagierten bzw. eine thematische Fokussierung der Diskussion anstrebten, indem sie die Argumentvielfalt einschränkten. Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangen auch Studien (Schejter & Obar 2009; Pointner 2010; Lichtenstein 2011; Löblich 2011; Brüggemann et al. 2016), die den Einsatz von Frames untersuchten. Beispielsweise erfolgte die Unterlassung der Berichterstattung zu den positiven Folgen einer geplanten Gesetzesänderung laut Löblich (2011) in Einklang mit den unternehmerischen Interessen der publizierenden Verlage und bezweckte eine Einengung des öffentlichen Diskurses. Auch eine Prävalenz opportuner – eine Eigeninteressen unterstützende Position vertretende – Akteure [Actors] und Experten in hoher Anzahl konnte in mehreren Studien (Beck 2001; Kemner et al. 2008; Lichtenstein 2011; Maier & Dogruel 2016; fög 2018) festgestellt werden und wird als Strategie zur Legitimierung und Objektivierung gewertet. Bezüglich der Offenlegung von Eigeninteressen [Disclosure of own interests] im Rahmen der Berichterstattung offenbaren die Studien (Beck 2001; Müller & Donsbach 2006; Kemner et al. 2008) kein einheitliches Bild, das auf eine Verfolgung von Eigeninteressen, beispielsweise durch reduzierte Transparenz, hindeutet: mitunter starke Abweichungen auch innerhalb eines Verlags deuten eher auf unterschiedliche redaktionelle Routinen hin. Letztlich fanden Studien (Snider & Page 1997; Pointner 2010) Hinweise, die auf eine von Eigeninteressen geleitete thematische Selektionslogik hindeuten. Beispielsweise fand Pointner (2010) systematische Abweichungen bezüglich des inhaltlichen Fokus der medienjournalistischen Gesamtberichterstattung, wobei das eigene Unternehmen öfter im Zusammenhang mit erfolgreichen Ereignissen und andere Medienunternehmen vermehrt im Rahmen rechtlicher Auseinandersetzungen thematisiert wurden.

4.2 Reflexion der eigenen Rolle und Leistung (Metaberichterstattung)

Die Ergebnisse der inhaltsanalytischen Studien zur Metaberichterstattung deuten darauf hin, dass die Medien ihre eigene Rolle und Leistung sowie den Einfluss von PR-Akteuren im Zusammenhang mit medialisierten Ereignissen in zunehmendem Ausmaß öffentlich reflektieren. Studien berichten seit den 90er-Jahren eine zunehmende Tendenz im Umfang der medialen Selbstreflexion sowohl in den USA als auch in Großbritannien und Deutschland (Johnson et al. 1996; Esser et al. 2005; Esser & D’Angelo 2006; Eberwein 2010). Diese beläuft sich aber beispielsweise in der Schweiz auf einem niedrigen Niveau (Wyss et al. 2012). Als Ressort dominiert dabei das Politikressort, und zwar selbst wenn bei einem Medium ein Medienressort vorhanden ist (Esser et al. 2005; Drentwett 2009). Dies lässt sich dem Umstand anrechnen, dass Metaberichterstattung insbesondere im Zusammenhang mit Wahlkampf oder kriegerischen Ereignissen erforscht wurde.

Metaberichterstattung nehmen die Medien tendenziell aus der Distanz [Distance] vor. Beobachtung und insbesondere Kritik üben sie verstärkt auf einer intermedialen (z. B. in der Presse liegt der Fokus auf Leistungen in TV und vice versa) oder mediensystemischen Ebene aus und lassen gegenüber dem eigenen Medienhaus eher Zurückhaltung walten (Esser et al. 2005; Drentwett 2009; Eberwein 2010; Wyss et al. 2012). Presse und TV behandeln zwar im Rahmen der Metaberichterstattung die gleichen Themen, dabei fällt aber die Reflexion der Leistung der TV-Berichterstattung kritischer aus (Johnson et al. 1996; Wise & Brewer 2010).

Mittels des Einsatzes von Frames im Rahmen der Metaberichterstattung streben die Medien an, die eigene Unabhängigkeit von PR-ExpertInnen zu demonstrieren und die Relevanz des eigenen Anspruchs auf Objektivität zu unterstreichen (Esser et al. 2001; Wise & Brewer 2010). In der stärker selbstbezüglichen Metaberichterstattung im Rahmen von Wahlkämpfen heben die Medien vor allem die eigene Vermittlungsleistung hervor, während sie im Rahmen der Metaberichterstattung zur Rolle der PR diese als strategisch einordnen und dadurch ein antagonistisches Bild zwischen Medien und PR erzeugen (Esser & D’Angelo 2003, 2006; Esser et al. 2005). Die Metaberichterstattung im Rahmen von kriegerischen Ereignissen unterscheidet sich dadurch, dass die Medien die eigene Leistung als aktiver einordnen, ihre Verantwortung hervorheben aber auch eine ausgeprägtere Personalisierung und Subjektivierung durch die KriegsreporterInnen diskutieren, während bei der PR die Vermittlungsleistung stärker in den Fokus rückt (Esser et al. 2005). Markante Unterschiede bestehen in verschiedenen nationalen Kontexten bezüglich der Diskussion der Rolle von sogenannten Spin-Doctors: Während sie in den USA als kompetente Quelle angesehen werden, gelten sie in Europa eher als Bedrohung für die Pressefreiheit (Esser et al. 2001). Dennoch zeichnet sich insgesamt der Trend ab, dass sich die europäische Metaberichterstattung an die US-amerikanische anpasst (Esser & D’Angelo 2006).

5 Fazit und Forschungsdesiderata

Die Ergebnisse der inhaltsanalytischen Studien zur medialen Selbstthematisierung zeigen, dass die Medien zwar kritische Selbstbeobachtung ausüben, sich aber trotzdem eine gewisse Zurückhaltung auferlegen, wenn es sich um die eigenen Leistungen oder das eigene Unternehmen handelt. Zudem deuten die Ergebnisse darauf hin, dass die Medien strategisch handelnde Akteure sind, die mittels medialer Selbstthematisierung Eigeninteressen zu verfolgen, Imagepflege zu betreiben oder ihre Unabhängigkeit von anderen Akteuren, die auch die Herstellung medialer Öffentlichkeit anstreben, zu demonstrieren.

Inhaltsanalytische Studien, welche die mediale Selbstthematisierung analysiert haben, legen also den Inferenzschluss von den Inhalten und weiterer Aspekte der Berichterstattung auf die Gründe und Motivationen für dieses publizistisches Verhalten nahe. Trotzdem ist in diesem Zusammenhang immer auch zu bedenken, dass die Eigenberichterstattung hinsichtlich Selektion, Produktion und Publikation mit anderen Inhalten konkurriert, und dass auch weitere Gründe für Nicht-Thematisierung denkbar sind als strategisches Handeln zwecks Unterdrückung eines Themas (Malik 2005; Müller & Donsbach 2006). Entsprechend sind weitere Untersuchungen wünschenswert, die sich des Themas mittels einer Kombination aus Inhaltsanalyse und Befragung von (Medien-)JournalistInnen, ChefredakteurInnen, PR- und Marketing-ManagerInnen und VerlegerInnen annehmen, um mehr über redaktionsinterne, sowie auch unternehmensinterne Prozesse zu erfahren und dem Inferenzschluss noch mehr Robustheit zu verleihen. Vielversprechend wäre im Zusammenhang mit medienpolitischen Eigeninteressen auch eine Kombination von Inhaltsanalyse mit Dokumentenanalyse sowie einer Befragung von anderen an medienpolitischen Prozessen beteiligten Akteuren, von welchen man mehr über die Selektionskriterien von JournalistInnen und Medien im Zusammenhang mit „opportunen Zeugen“ (Hagen 1992) oder zu Strategien zur Einengung des Diskurses und zur Verfolgung von Eigeninteressen erfahren könnte.

Weiter fällt bei den bisherigen Studien auf, dass der Fokus fast ausschließlich auf Presseinhalten lag: In diesem Zusammenhang wäre die Untersuchung von medialer Selbstthematisierung durch TV-Sender, die insbesondere im Fall von öffentlich-rechtlichen Anstalten politisch stärker reguliert sind (inkl. Leistungsauftrag und Finanzierung), interessant. Digitalisierung und Konvergenz haben zudem bei einer Vielzahl von Medienverlagen zu einer Diversifizierung ihrer Portfolios geführt, so dass diese z. B. Vermittlungsplattformen (für Jobs, Immobilien, etc.) besitzen, die einer anderen Gesetzgebung als der medienpolitischen unterstehen. Es stellt sich folglich die Frage, ob die Verlage die eigenen Kommunikationskanäle auch dazu nutzen, um solche politischen Prozesse in ihrem Sinne zu beeinflussen. Letztlich hat die Digitalisierung auch zu einer Veränderung der Distribution von Medieninhalten geführt. Analog der Platzierung von Beiträgen an prominenten Stellen zur Steigerung der Relevanzwahrnehmung, lässt sich untersuchen, ob und wie Medien bei der Distribution digitale Möglichkeiten zur Relevanzsteigerung nutzen, um Eigeninteressen zu verfolgen.

Relevante Variablen in DOCA – Database of Variables for Content Analysis

Actors: https://doi.org/10.34778/2zc

Disclosure of own interest: https://doi.org/10.34778/2zd

Distance: https://doi.org/10.34778/2ze