In der Einleitung wurde bereits deutlich, dass die Problemlösung durchgängiger Sprachbildung keine isolierte Aufgabe ist, sondern eine übergeordnete gesellschaftspolitische Herausforderung schulischer Bildung. Für diese Unternehmung braucht es nicht nur den Geographieunterricht oder Deutschförderung, sondern multiperspektivische Professionalität. Und vor diesem Hintergrund kann die vorliegende Forschungsarbeit nur ein Teil der Lösung dieser Aufgabe sein. Genau das, also einen Teil zu mehr Bildungsgerechtigkeit durch sprachsensiblen Geographieunterricht zu leisten, ist das Ziel.

Um dieses Ziel zu erreichen, wurde zunächst der Forschungsstand interdisziplinär aufgearbeitet, um daraus Kriterien für sprachsensiblen Geographieunterricht abzuleiten. Die Kriterien dienten als Grundlage für eine sprachsensible Geographieunterrichtsreihe, die im Folgenden zum zentralen Gegenstand der empirischen Untersuchungen wurde. Durch dieses Vorgehen wurde es möglich, die beiden eingangs dargestellten Fragestellungen zu beantworten – und neue zu generieren. Abschließend gebe ich Antworten auf ebendiese eingangs dargestellten Fragestellungen.

  1. (1)

    Welche Design-Kriterien hat sprachsensibler Geographieunterricht?

  2. (2)

    Wie wirksam ist sprachsensibler Geographieunterricht im Vergleich zu Geographieunterricht ohne sprachsensible Ausrichtung hinsichtlich

    • des Erwerbs von Fachwissen und

    • des Erwerbs von Fachsprache?

Die kurze Antwort auf die erste Forschungsfrage lautet wie folgt: Die Design-Kriterien von sprachsensiblem Geographieunterricht sind (1) Guter Geographieunterricht, (2) Sprachliches Scaffolding, (3) Vernetzung (dis)kontinuierlicher Darstellungsformen, (4) Einbezug der Erstsprache. Doch diese Antwort wäre nicht nur kurz, sondern verkürzt. Denn abschließend sei besonders herausgestellt, dass diese Design-Kriterien keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Zum aktuellen Zeitpunkt der Forschung sind diese Kriterien plausibel. Doch sowohl in der Operationalisierung als auch in der Gewichtung sind zahlreiche Varianten möglich, sodass am Ende dieser Arbeit nicht geklärt ist, welches Kriterium wie und in welchem Ausmaß wirkt. Das war allerdings auch nicht der Anspruch dieser Arbeit. Viel eher ging es darum, eine erste Skizze für übertragbare Kriterien von sprachsensiblem Geographieunterricht zu formulieren und diese in einer Variante der Operationalisierung zu beforschen. Wie im vorangegangenen Kapitel dargestellt, muss es in Folgeforschung darum gehen, diese Kriterien weiter kritisch zu beforschen.

Auch auf die zweite Forschungsfrage möchte ich zunächst eine kurze Antwort geben. Sprachsensibler Geographieunterricht zeigt sich hinsichtlich der Variablen Fachwissen und Fachsprache als wirksamer als Geographieunterricht ohne sprachsensible Ausrichtung. In der Arbeit wurden im Prä-Post-Follow-up-Vergleich zwei Gruppen in einer quasi-experimentellen Studie gegenübergestellt und hinsichtlich der Variablen Fachwissen und Fachsprache analysiert. Die Inhalte in beiden Unterrichtsreihen waren identisch, der Grad an Sprachsensibilität variierte allerdings. Die Experimentalgruppe erhielt sprachsensiblen Geographieunterricht, während die Kontrollgruppe kein explizit sprachsensibles Treatment erhielt. Es zeigen sich signifikante Vorteile für die Experimentalgruppe, und zwar sowohl hinsichtlich des Fachwissens als auch der Fachsprache. Diese Erkenntnis ist insofern wertvoll, als eine häufige Entschuldigung für die fehlende Berücksichtigung sprachlicher Aspekte im Fachunterricht der fachliche Inhalt ist, der darunter leiden würde. Die Arbeit zeigt, dass dies nicht der Fall sein muss. Im Gegenteil: Die Gruppe, die explizit auf Fachsprache fokussierte, hatte höhere Fachwissenszuwächse als die Gruppe, die Sprache nicht ausdrücklich zum Lerngegenstand machte.

Bei Betrachtung der Bezugsgruppe Lesekompetenz sind Vorteile für die Experimentalgruppe erkennbar, ebenso stellt es sich bei Betrachtung der Bezugsgruppe Geschlecht dar. Keine analysierte Gruppe profitierte bezüglich der Variablen Fachwissen und Fachsprache in der Kontrollgruppe mehr als in der Experimentalgruppe.

Neben den verschiedenen empirischen Erkenntnissen, die umfänglich erläutert wurden, seien abschließend noch zwei weitere Aspekte in der Zusammenfassung genannt. Einerseits zeigen die theoretischen Darstellungen eindrücklich, wie relevant Sprache für den Geographieunterricht ist, und andererseits, wie vielseitig sie in ihren Funktionen, aber auch in ihren Facetten der Darstellung ist. Insgesamt zeigte sich rückblickend und während des gesamten Forschungsprozesses, dass Design-Based Research für die aufgeworfenen Fragestellungen sehr gut geeignet ist. Die Theorie wird ausführlich dargelegt, aber auch durch die eigenen Erkenntnisse angereichert. Darüber hinaus entsteht praktischer Nutzen durch die unmittelbare Implementierung der praxisnahen empirischen Forschung.

Mit dieser Arbeit wurde ein weiterer Beitrag für die Forschung um sprachsensiblen Geographieunterricht im Speziellen, aber auch um durchgängige Sprachbildung im Allgemeinen vorgestellt. Außerdem ist es der Anspruch der Arbeit, durch die Forschungserkenntnisse ein weiteres Puzzleteil auf dem Weg zu mehr Bildungsgerechtigkeit zu liefern.