5.1 Einleitung

Gemeinschaftliches Handeln und individuelle Mitgestaltung sind zentrale Pfeiler einer Gesellschaft. Sie äußern sich in der Partizipation und Co-Produktion der Bürger*innen in zivilgesellschaftlichen Initiativen. Durch diese Form der Mitgestaltung sehen sich Menschen nicht nur als Nutzer beziehungsweise Empfänger von Veränderungen, sondern auch als Initiatoren und aktive Gestalter ihrer Lebenswelt (Bornstein et al., 2014). In der Corona-Pandemie haben zivilgesellschaftliche Initiativen an Bedeutung gewonnen, beispielsweise in Form von nachbarschaftlicher Hilfe. Solche zivilgesellschaftlichen Initiativen, die neue Lösungen für soziale Probleme entwickeln und umsetzen, bezeichnen wir auch als soziale Innovation (in Anlehnung an (Van Wijk et al., 2019). Gesellschaften können so in Zeiten der Krise innovativ agieren und soziale Innovationen wichtige Leistungen für die Gesellschaft erbringen. Soziale Innovation können somit zur Resilienz einer Gesellschaft beitragen, indem sie dort sozialen Mehrwert generieren, wo er in Zeiten von Krisen benötigt wird und nicht durch andere Institutionen gedeckt werden kann.

Der Beitrag beschäftigt sich mit sozialen Innovationen, die das primäre Ziel haben, physische Begegnungen von Menschen zu ermöglichen und zu unterstützen. Soziale Interaktionen beeinflussen das Wohlbefinden von Menschen maßgeblich; sind jedoch in der pandemischen Lage besonders eingeschränkt. Auch die Digitalisierung an sich verändert stetig, wie sich Menschen begegnen. Innovative Lösungen, die die wohltuende soziale Interaktion fördern, sind somit entscheidende Resilienztreiber einer gesunden Gesellschaft.

Das Beispiel „Nachbarschaft Bern“ zeigt auf, wie mittels sozialer Innovationen auf kostenneutrale Art ein gesellschaftlicher Mehrwert erbracht werden kann. Im Rahmen dieser sozialen Innovation werden Dienstleitungen angeboten, welche es älteren Menschen ermöglichen, länger im vertrauten Zuhause zu bleiben. Gleichzeitig wird die Begegnung zwischen Jung und Alt gefördert (Direktion für Bildung, Soziales und Sport et al., 2019, S. 4 ff.). Gemäß einer Studie aus Deutschland gewinnt die bedarfsgerechte Versorgung und Unterstützung von älteren Menschen im eigenen Quartier an Bedeutung. Dabei sollen die verschiedenen Akteure der Bereiche Dienstleistung, Freiwilligenarbeit und Gemeindeverwaltung vernetzt werden, um die älteren Menschen im Quartier mit altersassoziierten Beeinträchtigungen zu unterstützen, damit diese noch möglichst lange in der vertrauten Umgebung wohnen können (Fachinger et al., 2018, S. 65).

Soziale Innovationen bieten einen Mehrwert für die Gesellschaft; brauchen jedoch aufgrund ihrer oft auf Freiwilligenarbeit basierter Struktur eine besondere Förderung. Dieser Beitrag untersucht deshalb die Erfolgsfaktoren und Barrieren für soziale Innovationen im Raum Bern und stellt heraus, wie konkret zur Förderung von sozialen Innovationen beigetragen werden kann. Dazu wurden 20 Interviews mit relevanten Akteuren aus dem Bereich soziale Innovationen im Raum Bern geführt. Die empirische Analyse konzentriert sich somit auf die Fragestellung:

Welchen Erfolgsfaktoren und Barrieren sehen sich soziale Innovationen im Raum Bern gegenüber, und wie müssen (staatliche) Maßnahmen ausgestaltet werden, um soziale Innovationen zu fördern?

5.2 Soziale Innovation und deren Erfolgsfaktoren

Innovationen spielen in der Marktwirtschaft eine wichtige Rolle, denn sie stehen für Wachstum, Fortschritt und Wohlstand. Als Innovation werden in der Regel Veränderungen an neuartigen Produkten, Technologien und Dienstleistungen mit wertschöpfendem Charakter bezeichnet (Bornstein et al., 2014, S. 19 f.). Aufgrund der hohen Bedeutung von Innovation ist der Staat ein wichtiger Förderer, allerdings hauptsächlich im Bereich der Spitzentechnologie. In der Vergangenheit wurde jedoch immer deutlicher, dass die einseitig geförderten technologischen Innovationen die großen gesellschaftlichen Probleme nicht allein lösen können (Howaldt, 2019, S. 15). Im Gegensatz zur Produktivität von technischen Innovationen hängt die Produktivität von sozialen Innovationen von der menschlichen Kreativität und von symbolischen Ressourcen ab (Zapf, 1994). Mit den Initiativen entstehen Lösungsansätze für gesellschaftliche Probleme der Wachstumsökonomie, wie beispielsweise unmündige und abhängige Konsument*innen oder Energie- und Ressourcenverschwendung (Jaeger-Erben et al., 2017, S. 9).

Im Jahr 1980 prägte Peter Drucker den Begriff soziale Innovation. Dabei vertrat er die Überzeugung, dass soziale Werte und Gewohnheiten wichtig für erfolgreiche Innovationen sind (Bornstein et al., 2014, S. 30). Im Wort soziale Innovation steht allerdings heute weniger das „Soziale“ im Vordergrund, sondern vielmehr das Wort „Gesellschaft“. Aus diesem Grund ist das Hauptziel einer Innovation den Mehrwert oder der Mehrnutzen einer ganzen Gesellschaft (Rammert, 2010, S. 25 f.).

Soziale Innovationen erfahren immer größere Beachtung durch die Zivilgesellschaft und durch andere Entscheidungsträger wie beispielsweise die Politik. So gründete die amerikanische Regierung im Jahr 2009 das „Office of Social Innovation and Civic Participation“, welches sich dafür einsetzt, Probleme mit dem Wissen der Gemeinschaften zu lösen. Hierbei spielen die Akteure Non-Profit-Organisationen, Stiftungen, Wohltätigkeitsorganisationen, öffentliche Verwaltung und der Privatsektor eine zentrale Rolle. Solche Initiativen sind ein wichtiger Schritt, um den Herausforderungen wie der wachsenden Bevölkerung, regionalen Konflikte oder der Schere zwischen Arm und Reich zu begegnen. Zudem bestätigen Wirtschaftskrisen die Grenzen von wachstums- und profitorientierten Gesellschaften. Soziale Innovationen können dazu beitragen, die Lücke schließen, weil sie den primären Anspruch haben, der Gesellschaft einen Mehrwert zu geben.

Trotzdem fehlt in der Wissenschaft ein allgemeingültiges Verständnis für den Begriff soziale Innovation. Die Forschung ist sich zudem nicht einig, was genau die gesellschaftliche und wirtschaftliche Bedeutung von sozialer Innovation ist und auch, welche Voraussetzungen zur Entstehung, praktischen Entwicklung und Verbreitung notwendig sind. Dennoch kann festgehalten werden, dass der Begriff soziale Innovation ein Teil der Alltagssprache geworden ist und sich rasant und global verbreitet (Bornstein et al., 2014, S. 19–29). In diesem Artikel beschreibt der Begriff die Entwicklung und Umsetzung von neuen Lösungen für soziale Probleme (Van Wijk et al., 2019), insbesondere solche, die die physische soziale Begegnung zwischen Menschen fördern.

Tab. 5.1 gewährt eine zusammenfassende Übersicht über einige Erkenntnisse aus der Literaturrecherche. Diese berücksichtigte eine breite Auswahl bestehender Erkenntnisse in der Erfolgsfaktorenforschung bei sozialen Innovationen und geschah ohne geografische Abgrenzung der Literatur.

Tab. 5.1 Erfolgsfaktoren und Barrieren aus ausgewählter Literatur (eigene Darstellung)

Auffallend ist, dass die Relevanz der Kooperation mehrerer Akteur*innen aus verschiedenen Sektoren wie Staat, Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft in unterschiedlichen Beiträgen genannt wird. Dabei wird nicht nur die Vernetzung zwischen verschiedenen Arten von Akteur*innen, sondern auch innerhalb derselben Akteur*innengruppe wie z. B. verschiedenen Anbietern (Direktion für Bildung, Soziales und Sport et al., 2019, S. 11 f.), erwähnt. Zusätzlich werden politische beziehungsweise gesetzliche Voraussetzungen und Rahmenbedingung sowohl aufseiten der Erfolgsfaktoren als auch der Barrieren genannt. Die Literaturanalyse gewährt somit einen ersten Einblick in potenzielle Erfolgsfaktoren und Barrieren von sozialen Innovationen.

5.3 Soziale Innovationen und Resilienz

Die Förderung von sozialen Innovationen ist wichtig, weil diese einen entscheidenden Beitrag zur Resilienz einer Gesellschaft bieten können. Resilienz an sich ist ein Multi-Ebenen-Konzept und kann sowohl auf individueller, organisationaler als auch gesellschaftlicher Ebene konzeptualisiert werden. Auf individueller Ebene bezeichnet Resilienz oft die Fähigkeit, die persönliche Funktionsfähigkeit nach traumatischen Ereignissen wie dem Verlust einer nahestehenden Person aufrechtzuerhalten (Kimhi, 2016). Auf organisationaler Ebene bezeichnet Resilienz die Fähigkeit von Organisationen, potenzielle Risiken zu antizipieren, mit adversen Ereignissen umzugehen und sich geänderten Bedingungen anzupassen (Duchek, 2020), beispielsweise wenn sich Märkte ändern. Auf gesellschaftlicher Ebene hingegen bezeichnet Resilienz die kollektive Fähigkeit von Gemeinden mit Stressoren, wie z. B. einer Pandemie, umzugehen und zu einem alltäglichen gesellschaftlichen Leben zurückzukehren – oft durch Kollaboration und Vernetzung (Aldrich & Meyer, 2015). Die Corona-Pandemie zeigt, dass insbesondere solche Gesellschaften große Herausforderungen haben, die neue Situation zu meistern, die wenig resilient sind. Resilienz umfasst die Fähigkeit, unerwartete Ereignisse in bestehende Strukturen des eigenen Umfeldes zu integrieren. Gesellschaften mit vielfältigen Optionen und Strategien erweisen sich dabei als widerstandsfähiger als andere (Berkes & Ross, 2021). Beispielsweise gilt soziales Kapital und die Partizipation der Zivilgesellschaft als ein wichtiger Erfolgsfaktor in der Krisenbewältigung (Aldrich & Meyer, 2015). Soziale Innovationen können ebenso dazu beitragen, soziales Kapital zu stärken, und eignen sich aus diesem Grund, die gesellschaftliche Resilienz zu stärken. Insbesondere soziale Innovationen, die auf die Vernetzung von Personen und den Aufbau von sozialem Kapital abzielen, können helfen, auf Stressoren zu reagieren und deren Konsequenzen abzufangen. Soziale Innovationen, die sich auf physische Begegnungen zwischen Menschen konzentrieren, können somit einen wichtigen Pfeiler darstellen, um die Resilienz einer Gesellschaft zu fördern.

5.4 Empirische Erhebung und Auswahl der untersuchten Initiativen

Um die Erfolgsfaktoren und Barrieren von sozialen Innovationen im Raum Bern sowie deren Förderung zu untersuchen, haben wir einen qualitativen Forschungsansatz gewählt. Die Datenerhebung geschah mittels Interviews, die Datenauswertung erfolgte auf Basis einer qualitativen Inhaltsanalyse. Im Folgenden werden die Methodik und die Ergebnisse aus der empirischen Erhebung näher vorgestellt.

Bei der empirischen Erhebung lag der Fokus auf der Ergründung genereller Erfolgsfaktoren und Barrieren bei sozialen Innovationen in der Agglomeration und im Raum Bern. Zusätzlich wurden aus den gewonnenen Erkenntnissen mögliche Fördermaßnahmen auf staatlicher Ebene abgeleitet. Basierend auf dem in der Literaturrecherche erarbeiteten Grundverständnis wurde ein Interviewleitfaden erstellt. Bei der Bestimmung des Samples wurde der Schwerpunkt auf soziale Innovationen gelegt, bei denen der Gedanke der physischen sozialen Interaktion im Zentrum stand. Kontakte wurden dabei durch den Verein SIBA (Soziale Innovation Bern Accelerator) sowie durch bestehende Plattformen der Fachhochschule Nordwestschweiz und der Universität Bern geschlossen. Die Interviews wurden semistrukturiert durchgeführt. Somit wurde der Interviewleitfaden im Verlauf der Untersuchung iterativ weiterentwickelt, um die gewünschten Informationen zu erhalten und eventuelle Zwischenerkenntnisse in die Gespräche miteinzubeziehen. Um eine breit abgestützte empirische Evidenz zu erreichen, wurden insgesamt 20 Interviews mit Gründern, Mitarbeitern, Vertretern und Experten sozialer Innovationen geführt. Diese werden in Tab. 5.2 namentlich erwähnt.

Tab. 5.2 Übersicht über befragte Organisationen (eigene Darstellung)

Die aus den semistrukturierten Experteninterviews erhobenen Daten wurden mittels induktiver qualitativer Inhaltsanalyse ausgewertet. Die Interviews wurden dabei zunächst wörtlich transkribiert und danach mithilfe der Software atlas.ti kodiert. Mithilfe der Kodierung haben wir so verschiedene Kategorien von Erfolgsfaktoren, Barrieren und Fördermaßnahmen identifizieren können.

5.5 Ergebnisse

Die Ergebnisse unserer Studie decken sich zu großen Teilen mit den in der Literaturrecherche gewonnenen Erkenntnissen. Es besteht weitgehend Einstimmigkeit bezüglich der Wichtigkeit einer hohen Abstützung der sozialen Innovation in der Gesellschaft. Konkret ist der Aufbau von Netzwerken mit und innerhalb von Organisationen essenziell. Tatsächlich können Partnerschaften mit Interessensverbänden, Plattformen oder sozialen Innovationen in ähnlichen Tätigkeitsfeldern zur Förderung der Bekanntheit und gegenseitigem Erfahrungsaustausch beitragen. Auf diese Weise können Kompetenzen gestärkt und vor allem ergänzt werden, was sich bei den teilweise willkürlich zusammengestellten Teams (bedingt durch die Freiwilligenarbeit) als besonders hilfreich erweist. Ebenso kann der Zugang zu weiteren finanziellen oder nicht-finanziellen Mitteln durch Kontakte zu potenziellen Förder*innen und Gönner*innen erleichtert werden. Die Agglomeration Bern erfüllt dabei aufgrund der kulturellen und politischen Denkart der Gesellschaft die Grundvoraussetzungen, um diesen Austausch zu fördern.

Klassische ökonomische Prinzipien wie Nachfrage und Angebot sind auch bei sozialen Innovationen von Bedeutung und wurden oftmals als essenziell für das Überleben einer Initiative eingeschätzt. Zwar steht die Erschaffung eines gesellschaftlichen Mehrwertes und die Befriedigung gesellschaftlicher Bedürfnisse per Definition im Zentrum, gleichzeitig muss langfristig jedoch eine Nachfrage nach der durch die soziale Innovation angebotene Leistung oder das angebotene Produkt generiert werden. Nachfrage muss dabei nicht zwingend mit Erlös in monetärer Form gleichgesetzt werden, jedoch sollten die angebotenen Leistungen auch in Anspruch genommen werden, damit ein gesellschaftlicher Nutzen geschaffen werden kann und die Projekte nicht als reiner Selbstzweck betrieben werden.

Damit soziale Innovationen bestehen und sich weiterentwickeln können, ist die Abstimmung auf die mit der Initiative angesprochenen Kundengruppe als auch auf sich verändernde Umwelteinflüsse wichtig. Die Bevölkerung in der Agglomeration Bern wird in dieser Hinsicht als offen bezeichnet. Diese Offenheit wie auch Flexibilität und Anpassungsfähigkeit innerhalb der Bevölkerung stellen sich im heutigen Kontext, nicht zuletzt auch aufgrund der Corona-Pandemie, als Erfolgsfaktor heraus. Auf der individuellen und persönlichen Ebene sind eine hohe intrinsische Motivation und Identifikation mit der Organisation der involvierten Personen Voraussetzung, um eine soziale Innovation langfristig und erfolgreich zu betreiben. Dieser Aspekt ist unter Berücksichtigung der Tatsche, das soziale Innovationen oftmals auf Freiwilligenarbeit angewiesen sind, besonders wichtig. Ebenso waren sich die interviewten Personen einig, dass gewisse Kompetenzen wie Fachkenntnisse im jeweiligen Tätigkeitsgebiet, betriebswirtschaftliche Grundkenntnisse sowie Kompetenzen im Bereich Kommunikation und Vermarktung in die Organisation eingebracht werden müssen, um die Bekanntheit der Initiative zu steigern, diese zu entwickeln und bestmöglich finanziell selbsttragend zu gestalten. Dies bestätigt die vorher erwähnte Wichtigkeit von übergeordneten Partnerschaften, welche die Ergänzung eben dieser Kompetenzen ermöglichen.

Tab. 5.3 gewährt einen Überblick über die identifizierten Erfolgsfaktoren.

Tab. 5.3 Identifikation von Erfolgsfaktoren aus der empirischen Erhebung (eigene Darstellung)

Trotz der starken regionalen Verbundenheit der Bevölkerung stellt sich die Suche nach Geldgebern und finanziellen Mitteln als vielleicht größtes Hindernis dar. Es kann sich jedoch auch schnell eine Abhängigkeit gegenüber Geldgebern entwickeln. So können beispielsweise staatliche Beiträge Sparmaßnahmen zum Opfer fallen und somit mit Unsicherheit belastet sein.

Damit soziale Innovationen effizient geführt werden können, ist administrative Professionalität gefragt, welche wiederum mit Kosten verbunden ist. Indem klare und einfach verständliche gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, kann der administrative bürokratische Aufwand für soziale Organisationen minimiert werden.

Im Gegensatz zur Beschaffung finanzieller Mittel ergeben sich Hindernisse bezüglich personeller Ressourcen nicht notwendigerweise bei der Suche nach der Anzahl genügend Freiwilliger, sondern bei der Zusammenarbeit mit diesen. Die Suche nach passenden Mitarbeitern stellt sich als schwierig heraus. Die Herausforderung bei der Freiwilligenarbeit liegt insbesondere darin, dass praktisch jeder mitmachen kann. Dies ist aus einer sozialen Perspektive betrachtet als positiv einzuschätzen. Auf der anderen Seite ergeben sich so die Teams oft von selbst, und das gezielte Suchen nach bestimmten Kompetenzen gestaltet sich schwierig. Eine weitere Herausforderung in der Zusammenarbeit mit Freiwilligen stellt die Tatsache dar, dass diese oftmals nicht in einem Vertragsverhältnis arbeiten und somit deren Aufgaben und Verpflichtungen nicht klar geregelt sind und vielfach auf Vertrauen basieren.

Tab. 5.4 fasst die identifizierten Barrieren zusammen.

Tab. 5.4 Identifikation von Barrieren aus der empirischen Erhebung (eigene Darstellung)

In diesem Zusammenhang wäre die Einrichtung einer öffentlichen Plattform denkbar, um die Suche nach geeigneten Personen zu erleichtern. Generell ist der Aufbau und die Einführung einer städtischen oder überregionalen Austauschplattform zu prüfen, welche soziale Organisationen aus Stadt und Region miteinander verbindet und in einen Austausch bringt. Diese könnte die vorher angesprochenen Vorteile der Vernetzung stärker fördern und zu einem übergeordneten Austausch von Kompetenzen beitragen. Dabei kann von der Projektinitiierung bis zur Durchführung von Erfahrungen anderer profitiert werden. Gleichzeitig treten ähnliche Initiativen somit nicht zueinander in Konkurrenz, sondern können sich gezielt ergänzen und gegenseitig von Synergien profitieren. Im Optimalfall würden sich die Innovationen auf diese Weise nicht mehr als isolierte Einheiten, sondern als Netzwerk von gesellschaftlichen Nutzenstiftern wiederfinden.

Tab. 5.5 gibt einen Überblick über weitere mögliche Fördermaßnahmen.

Tab. 5.5 Identifikation möglicher Fördermaßnahmen aus der empirischen Erhebung (eigene Darstellung)

Wie Tab. 5.6 aufzeigt, wird die generelle kulturelle und politische Ausrichtung in der Stadt- und Vorstadtbevölkerung von Bern als fördernd für die Entwicklung und den Erfolg sozialer Innovationen eingeschätzt. So werden die tendenziell sozial orientierte politische Ausrichtung eines Großteils der Berner Bevölkerung wie auch die kulturelle Vielfalt als Vorteile genannt, welche einen Nährboden für die Entwicklung sozialer Innovationen darstellen. Dies äußert sich nicht nur in der Bevölkerung, auch die Regierung wird in dieser Hinsicht als sehr offen und fördernd beschrieben. Als Beispiel wird oftmals die umstrittene Berner Reitschule genannt, welche das größte Kulturzentrum in Bern darstellt und in der Berner Bevölkerung Unterstützung findet.

Tab. 5.6 Identifikation standortspezifischer Merkmale in der Agglomeration Bern für den Erfolg sozialer Innovationen (eigene Darstellung)

Nicht zuletzt ist die Existenz von Hochschulen und die Nähe zur Politik in der Agglomeration Bern ein begünstigender Faktor für soziale Innovationen. Sowohl die Universität Bern als auch die Berner Fachhochschule forschen im Bereich sozialer Innovationen und nehmen somit eine wissenschaftliche Perspektive ein. Damit vermitteln sie ein Bewusstsein für soziale Initiativen, welches stärker ausgeprägt ist als in anderen Regionen der Schweiz. Die geografische Nähe zum Bundeshaus und zur Politik in der Bundeshauptstadt Bern begünstigt zudem die Möglichkeit einer politischen Einflussnahme, die soziale Innovation bekannt zu machen und bessere Rahmenbedingungen für diese zu schaffen.

5.6 Fazit und Ausblick

Um die Resilienz einer Gesellschaft zu erhöhen, ist die Partizipation an Gemeinschaftsprojekten grundlegend, da diese unter anderem das soziale Kapital stärken. Soziale Innovationen können hier einen großen Beitrag leisten. Aufgrund verschiedenster Hindernisse können sie jedoch aktuell nicht ihr volles Potenzial entfalten, und deshalb bedarf es deren Unterstützung und Förderung. Im Rahmen unserer Studie haben wir Erfolgsfaktoren, Barrieren und Fördermaßnahmen von sozialen Innovationen, die sich auf die physische Begegnung von Menschen fokussieren, im Raum Bern untersucht.

Initiant*innen von sozialen Innovationen und deren Helfer*innen sind oft gleichzeitig mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert, welche neben allen anderen familiären und beruflichen Verpflichtungen zusätzlich und während der Freizeit zu bewältigen sind. Dies führt zu einer starken Belastung von Initiant*innen und Helfer*innen. Erfolgreiche Initiant*innen können durch diese Erfahrung und den teilweise anspruchsvollen Weg profitieren, sodass sich dies auch positiv auf die individuelle Resilienz auswirken kann. Initiant*innen müssen besonders bei der anspruchsvollen Suche nach geeigneten Unterstützern, welche oft mit vielen Rückschlägen verbunden ist, widerstandsfähig sein. Zu den Herausforderungen der Berner Initiativen gehört der Aufbau eines guten Netzwerks, um die richtigen Leute mit den richtigen Fähigkeiten zu finden, die Bekanntheit der Initiative zu steigern, trotz knappen Mitteln wirtschaftlich stabil zu bleiben und die Bedürfnisse der Gesellschaft zu erkennen, um mit der Idee attraktiv und anerkannt zu bleiben. Barrieren der Berner Initiativen stellen dabei hauptsächlich die stets knappe Finanzierung, die Herausforderung, genügend Mitarbeiter mit hoher Motivation zu finden, und der Durchhaltewille, auch in schwierigen Zeiten die Idee voranzutreiben, dar. Da oftmals die freiwilligen Helfer auch bei anderen gemeinnützigen Initiativen unterstützen und entsprechend von Erfahrung profitieren, kann auch Resilienz auf organisationaler Ebene aufgebaut werden.

Auch wenn soziale Innovationen sich langfristig selbst tragen sollten, kann der Staat durch unterschiedliche Maßnahmen Unterstützung für die sozialen Initiativen leisten. Dabei muss keineswegs nur finanzielle Förderung im Vordergrund stehen, sondern Unterstützung kann auch in den Bereichen der Vernetzung und Kooperation erfolgen (siehe Tab. 5.5). Ebenso braucht es innerhalb des Staats eine klarere Struktur und Zuständigkeit, um die Initiant*innen zu unterstützen. Durch ein Zusammenrücken von allen Akteur*innen, um an sozialen Initiativen teilzuhaben und diese zu fördern, kann eine Gesellschaft ihre Resilienz erhöhen.