3.1 Einleitung

Die Entwicklung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien sowie die fortschreitende Digitalisierung der Arbeitswelt erlauben neue Arbeitsformen, welche größere Zeit- und Ortsflexibilität ermöglichen. Mitarbeitende und Selbstständige arbeiten zunehmend von zu Hause anstatt im Büro. Neben Vorteilen bringt dies jedoch auch einige Herausforderungen mit sich. Im Homeoffice gelingt die Trennung zwischen Privatem und Beruflichem nicht immer, zudem kann sich ein schleichendes Gefühl von Isolation und Vereinsamung einstellen (Raffaele & Connell, 2016). Mit dem Ziel, diese Herausforderungen zu lösen, wurde 2005 in San Francisco der erste sogenannte Co-Working-Space gegründet: Als Ort, an dem Selbstständige und Mitarbeitende von Unternehmen sich gegen eine monatliche Gebühr Büroräumlichkeiten teilen und gleichzeitig eine Art Gemeinschaft („community“) bilden, die zur gegenseitigen Unterstützung dient (Waters-Lynch & Potts, 2017 S. 6). Co-Working-Spaces verstehen sich somit nicht nur als Arbeitsräume, sondern als Orte mit einem inspirierenden und produktivitätssteigernden Arbeitsklima. Das Streben der Co-Worker nach Flexibilität, dem Austausch und der Entwicklung von Gemeinschaften hat sich daher gemäß Waters-Lynch et al. (2016, S. 3) zu einem Lebensstil gewandelt. Daneben führt Josef (2017) aus, dass Co-Working-Spaces auch Unternehmen Vorteile bieten können, denn eine freie Wahl des Arbeitsortes kann zu höherer Flexibilität und somit höherer Zufriedenheit bei den Mitarbeitenden führen sowie kostspielige Mieten in Ballungszentren reduzieren.

Seit den Anfängen ist die Popularität von Co-Working stetig angestiegen. So geht eine Schätzung von Deskmag davon aus, dass bis Ende 2020 weltweit rund 26.300 Spaces mit 2,7 Millionen Mitgliedern existierten (Baidac, 2020). Der Trend wird zudem durch einen Wertewandel begünstigt, bei dem veränderte Mobilitätspräferenzen und der Wunsch nach Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Vordergrund stehen (Zukunftsinstitut, 2020). Schätzungen gehen deshalb davon aus, dass das rasante Wachstum von Co-Working-Spaces noch lange nicht vorbei ist und sich diese Nutzungsform von Büroflächen in manchen Regionen von aktuell einem auf zehn Prozent steigern könnte (O’Dea, 2019).

3.1.1 Ausgangslage

Mit der Verbreitung von Co-Working nimmt jedoch auch der Konkurrenzdruck bei den Anbietern zu, und der Markt diversifiziert sich zunehmend. So decken Startup Accelerator und Maker Spaces beispielsweise die spezifischen Anforderungen neu gegründeter Unternehmen ab, während andere geografisch ausweichen, indem sie Co-Working-Spaces in ländlichen Gebieten eröffnen. Die Branche hat sich zudem professionalisiert, und längst sind die auf Community basierenden Gemeinschaftsbüros keine vorübergehenden Provisorien mehr, sondern oftmals modernste Büroräumlichhkeiten zu interessanten Preisen.

Co-Working-Spaces können grob als gemeinsame Arbeitsorte mit temporär nutzbaren, flexiblen Strukturen für Selbstständige und Angestellte aus unterschiedlichen Unternehmen (Pohler, 2011) definiert werden, bei denen der Aufbau einer Community und die Idee der Vernetzung und gemeinsamer Unterstützung zentral ist. Durch Co-Working versprechen sich die Nutzer daher auch insbesondere eine Vernetzung über Firmengrenzen hinweg sowie eine verbesserte Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, was besonders für Berufstätige mit Kindern und Pendler attraktiv ist (Josef & Back, 2019, S. 787).

Parallel zur Entwicklung von Co-Working-Spaces wächst aber auch ein Angebot, welches die Idee der Co-Working-Spaces hinsichtlich des Designs und des Angebots imitiert, aber in seiner Ausrichtung stärker auf die Vermietung von flexiblen Arbeitsplätzen für Mitarbeitende von Unternehmen fokussiert. Bei diesen Angeboten steht die Optimierung im Vordergrund und weniger der Aufbau einer Community. Ein weiterer Trend ist, dass Unternehmen einen Co-Working-Space als Ergänzung zum Kerngeschäft anbieten. Ein Beispiel hierfür sind Möbelgeschäfte, welche den Showroom mit Co-Workern beleben und diesen dadurch doppelt nutzen (Josef & Back, 2019, S. 784). So kommt Hediger (2019, S. 12) zum Schluss, dass der Markt immer kompetitiver wird und keine großen Gewinne mehr zulässt. Daher soll mit dieser Studie untersucht werden, mit welchen Geschäftsmodellinnovationen Schweizer Co-Working-Spaces auf die zunehmende Konkurrenz reagieren und ihre Resilienz und Existenz nachhaltig sichern.

3.2 Grundlagen

Das Geschäft mit flexiblen Büroarbeitsplätzen hat eine lange Tradition. Seit den 1960er-Jahren existieren verschiedene Angebote, in welchen Arbeitsplätze gegen monatliche Gebühren gemietet werden können. Diese meist prestigeträchtigen Immobilien wurden in der Vergangenheit unter den Bezeichnungen Servicebüro, Geschäftszentrum, Executive Suite oder Telezentrum vermarktet (Kojo & Nenonen, 2014). Dabei werden durch die Bündelung von Auslagen wie der Miete, Instandhaltung, Strom oder Büromobiliar die Gesamtkosten reduziert, wodurch die einzelnen Büros zu attraktiven Preisen angeboten werden können. Dies ermöglicht den einzelnen Nutzern die für sie ansonsten unerschwinglichen Büros zu mieten (Waters-Lynch & Potts, 2017). Das grundsätzliche Geschäftsmodell von Co-Working ist somit nichts Neues. Hingegen gibt es wesentliche Unterschiede in Bezug auf die sozialen Aspekte zwischen Servicebüros und Co-Working-Spaces. So unterscheiden sich Co-Working-Spaces und Excecutive-Büros vor allem hinsichtlich dreier Merkmale.

  • die Profile der ursprünglichen Benutzer,

  • die Bedeutung der sozialen Interaktion unter den Mitgliedern (Community) und

  • die Werte, die sich in der ästhetischen Gestaltung der Räumlichkeiten widergespiegeln (z. B. Holz und bunte Farben), die Offenheit, Wärme und Fröhlichkeit versprühen, versus Glas und schwarze Bürostühle, die eher Professionalität und Distanz vermitteln (Waters-Lynch & Potts, 2017).

Es ist aber zu beachten, dass die Unterschiede zwischen Co-Working-Spaces und Servicebüros keineswegs starr sind und viele Überschneidungen bestehen. Mit dem Boom der Co-Working-Spaces haben diese Überschneidungen in den letzten Jahren sogar noch zugenommen, indem zum einen Anbieter von Servicebüros, wie beispielsweise Regus oder Servcorp, begonnen haben, ihr Angebot als Co-Working zu vermarkten. Andererseits haben aber auch Co-Working-Unternehmen wie WeWork und Next Space begonnen, neue Standorte nach rein wirtschaftlichen Aspekten mit standardisierten Designs aufzubauen, und fokussieren sich verstärkt auf Konzerne sowie der Vermietung von Privatbüros. Diese Überschneidungen sind auch der Grund, weshalb die Definition des Begriffs Co-Working eine zunehmende Herausforderung darstellt (Waters-Lynch & Potts, 2017, S. 12).

Insbesondere das Segment der Teamoffices ist stark gewachsen und hat sich international gesehen von 2017 auf 2018 um 50 % gesteigert (Förtsch, 2018b). Diese Entwicklung wurde zusätzlich begünstigt, indem Co-Working-Spaces auch bei Großunternehmen an Popularität gewonnen haben. So werden die Spaces von diesen zunehmend als Alternative für Zweigniederlassungen an verkehrstechnisch gut gelegenen Standorten genutzt sowie für die Aufbauphase von neuen Geschäftsbereichen mit volatilem Personalbestand.

Co-Worker, welche für Konzerne tätig sind, haben durch diese Entwicklung Start-ups und Selbstständige inzwischen als wichtigste Kundengruppe abgelöst und machen gemäß einer Studie des Maklerhauses Collier International in Deutschland bereits zwei Drittel der Co-Worker aus (Streit, 2018). Diese neuen Mitglieder nutzen Co-Working als dritte Alternative zwischen Homeoffice und dem Büroarbeitsplatz. Allerdings kamen Josef und Back (2019, S. 788) in ihrer Studie zu dem Schluss, dass insbesondere in den schwach frequentierten Co-Working-Spaces auf dem Land die Hoffnungen dieser Nutzer auf inspirierende neue Kontakte nicht erfüllten wurden. Dies hat dazu geführt, dass einige Unternehmen ihre Mitarbeitenden lieber im Homeoffice unterstützen als ihnen das Arbeiten im Co-Working-Space zu ermöglichen. Um ein breiteres Kundenspektrum ansprechen zu können und ihre Existenzgrundlage nachhaltig zu sichern, sind daher Co-Working-Spaces gezwungen, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Besonders wichtig scheint dafür eine gelungene Kombination zwischen fokussierter Einzelarbeit und einer Möglichkeit zur Vernetzung (Josef & Back, 2019, S. 793).

Wie für alle Unternehmen gilt auch für Co-Working-Spaces, dass die Erwirtschaftung eines Gewinns, bzw. des kostendeckenden Betriebs bei nicht gewinnorientierten Spaces, das zentrale Unternehmensziel darstellt. Die Herausforderung liegt darin, mit der potenziell stark schwankenden Nachfrage umgehen zu können und ein konstantes Einkommen zu generieren. Beispielsweise weist die Branche eine hohe Fluktuation auf, sodass ständig neue Co-Worker gewonnen werden müssen. Die Studie von Förtsch (2018a) kommt daher zu dem Schluss, dass die Gewinnung neuer Mitglieder und der Aufbau eines festen Kunden- bzw. Nutzerstamms die größte Herausforderung für Co-Working-Spaces darstellt, noch vor Problemen wie beispielsweise steigenden Immobilienpreisen und dem zunehmenden Wettbewerb. Um in diesem Markt bestehen zu können, haben sich dabei folgende drei Strategien etabliert:

  • Differenzierung des Co-Working Geschäfts mit anderen Geschäftszweigen.

  • Fokussierung auf Team- und Einzelbüros anstatt Open Space.

  • Nutzung von Co-Working in Ergänzung zu einem anderen Kerngeschäft, wodurch der Co-Working-Space nicht zwingend einen Profit erwirtschaftet muss.

3.2.1 Geschäftsmodelle

Ein Geschäftsmodell definiert, wie der Mehrwert und Nutzen für Kunden oder Partner gestiftet wird (Lingenhel et al., 2016, S. 52). In der Diskussion rund um Geschäftsmodelle gibt es unterschiedliche Ansätze. Der bekannteste ist dabei das Business Model Canvas von Alexander Osterwalder und Yves Pigneur (2011, S. 19). Dieses Schema unterteilt Geschäftsmodelle in neun Bausteine, welche die vier wichtigsten Aspekte eines Unternehmens abdecken, nämlich Kunden, Angebot, Infrastruktur und finanzielle Resilienz bzw. Überlebensfähigkeit (Osterwalder & Pigneur, 2011, S. 19). Durch die Visualisierung dieser Aspekte wird die Idee eines ganzheitlichen Konzepts für neue Geschäftsideen begreif- und erklärbar. Der holistische Ansatz des Business Model Canvas eignet sich jedoch weniger gut, um Unterschiede zwischen Geschäftsmodellen zu ermitteln. Um im vorliegenden Fall die Unterschiede in den Geschäftsmodellen von Co-Working-Spaces miteinander zu vergleichen, wird stattdessen auf die Methodik von Gassmann et al. (2013, S. 5 f.) zurückgegriffen. Im Rahmen ihrer Forschung konnten die Autoren zeigen, dass sich 90 % aller Geschäftsmodelle durch eine Kombination von vier Aspekten (Kundensegment, Produkt, Leistungserstellung und Ertragsrealisierung) erklären und zu 55 unterschiedlichen „Mustern“ kombinieren lassen. Geschäftsmodelle sind entsprechend den Analysen von Gassmann et al. (2013, S. 17) oftmals nicht etwas radikal Neues, sondern oft nur eine Variation von etwas, das bereits zuvor existierte, sei es in anderen Industrien, in anderen Märkten oder in einem anderen Kontext. Die Abbildung von Geschäftsmustern erlaubt es, dominante Branchenlogiken herauszuarbeiten, ohne sich in Details zu verlieren.

Gleichzeitig werden durch die Fokussierung auf vier voneinander abhängige Dimensionen die Grundlagen des jeweiligen Geschäftsmodells skizziert. Dieses lässt sich über nachfolgende Schlüsselfragen bestimmen und in einem sogenannten „magischen Dreieck“ darstellen:

  • Kunden – wer sind die Zielkunden?

  • Nutzenversprechen – was wird den Kunden geboten?

  • Wertschöpfungskette – wie wird die Leistung bereitgestellt?

  • Ertragsmechanik – wie wird der Wert erzielt?

Abb. 3.1 veranschaulicht die vier Dimensionen eines Geschäftsmodells gemäß Gassmann et al. (2013, S. 6).

Abb. 3.1
figure 1

Vier Dimensionen eines Geschäftsmodells. (Quelle: Gassmann et al., 2013, S. 6)

Durch die Beantwortung der vier Schlüsselfragen fasst Gassmann et al. (2013, S. 6) zusammen, wer die Kunden sind, was verkauft wird, wie man es herstellt und wie man einen Ertrag realisiert. So erfordert die Optimierung an einem Punkt (beispielsweise Ertragsmechanik) automatisch eine Antwort der beiden anderen Seiten (Nutzungsversprechen oder Wertschöpfungskette). Gassmann et al. (2013, S. 9) kommen zu dem Schluss, dass erst von einer Geschäftsmodellinnovation gesprochen werden kann, wenn sich mindestens zwei der vier Komponenten signifikant vom Branchenstandard unterscheiden.

Bezogen auf Co-Working-Spaces lässt sich feststellen, dass die Geschäftsmodelle in der Regel einem der drei folgenden Geschäftsmuster entsprechen: „Subscription“, „Experience Selling“ sowie „Make more of it“. Der Branchenstandard besteht somit aus Anbietern, deren Einnahmen primär auf zeitlich begrenzten Mieteinnahmen basieren (Subscription) und die Kundenbindung über besondere Erlebnisse wie die Community, das Interior Design oder Veranstaltungen erhöhen (Experience Selling). Oft ist zudem zu beobachten, dass die Räumlichkeiten nicht exklusiv den Mitgliedern zur Verfügung stehen und außerhalb der Betriebszeiten für externe Veranstaltungen genutzt werden (Make more of it).

Die Herausforderung bei der Kombination unterschiedlicher Geschäftsmuster besteht darin, die Komplexität des Geschäftsmodells niedrig zu halten und parallel den Mehrwert für das Kundensegment zu erhöhen sowie eine optimale Ertragsstruktur zu erzielen. Co-Working-Spaces erreichen dies unter anderem, indem sie Seminarräume ihren Kunden als „Add-on“ anbieten und abhängig von der Nutzungsdauer verrechnen.

Das Ziel der nun folgenden empirischen Untersuchung ist es, unter Anwendung des von Gassmann et al. (2013) vorgestellten Business Model Navigators die bestehenden Geschäftsmodelle Schweizer Co-Working-Spaces zu klassifizieren. Dabei stehen die folgenden Forschungsfragen im Mittelpunkt:

  • Welche Kombination von Geschäftsmustern existiert im Schweizer Markt?

  • Welche Geschäftsmuster lassen einen positiven Zusammenhang zur Resilienz und nachhaltigen Existenz der Co-Working-Spaces vermuten?

3.3 Methodisches Vorgehen

Die Datenerhebung erfolgte mittels qualitativer Interviews (Flick, 2009, S.  25). Ziel war es, Informationen zur Beantwortung der Forschungsfrage von möglichst vielen unterschiedlichen Co-Working-Space-Anbietern zu gewinnen. Neben statistischen Angaben sollten dabei die Interviewpartner auch zu ihrer Einschätzung des Co-Working-Marktes und eventueller Trends befragt werden. Die Datenerhebung baute hierfür auf einem leitfadengestützten Experteninterview auf, welches sich in nachfolgende sechs Abschnitte gliederte:

  1. 1.

    Einführung: Die Einführung in das Interview diente in erster Linie zur Aufklärung des Gesprächspartners über die vorgesehene Studie. Dabei wurden kurz der theoretische Hintergrund sowie der Stand der Forschung skizziert. Darüber hinaus wurden mit der Einführung aber auch die Funktion des Gesprächspartners und dessen Branchenerfahrung geklärt sowie der geplante Gesprächsverlauf erörtert. Zudem wurde die vorgesehene Protokollierung und Aufarbeitung des Datenmaterials besprochen (Gläser & Laudel, 2009, S. 144).

  2. 2.

    Kundensegmente: Das Ziel eines Unternehmens ist es, Kunden zu akquirieren, jedoch kann eine Firma nicht allen Kunden alles bieten, weshalb es wichtig ist, sich auf die interessantesten Kundensegmente zu fokussieren. Das Ziel dieses Interviewblocks lag daher darin, das jeweilige Zielkundensegment zu ermitteln, aber auch die Kunden in Erfahrung zu bringen, welche den Co-Working-Space effektiv nutzen.

  3. 3.

    Nutzenversprechen: Das Leistungsversprechen ist das Herzstück eines Unternehmens, welches den Kundennutzen definiert. Gefragt wurde, mit welchem Angebot die Kunden des jeweiligen Co-Working-Space angesprochen werden.

  4. 4.

    Wertschöpfungskette: Dieser Themenblock beleuchtet die Leistungserbringung und soll insbesondere klären, wie das Wertangebot generiert wird, welche speziellen Leistungen angeboten werden und auf welche Partner hierfür zurückgegriffen wird.

  5. 5.

    Ertragsmechanik: Dieser Themenblock beinhaltet Fragestellungen zu finanziellen Aspekten. Dies sollte zum einen die Einnahmequellen und Ausgaben ermitteln und zum anderen eine Abschätzung ermöglichen, wie differenziert das Unternehmen aufgestellt ist.

  6. 6.

    Abschluss des Interviews: Der Abschluss ist analog der Einführung kein Bestandteil der inhaltlichen Auseinandersetzung des Themas, sondern sollte dem Gesprächspartner die Möglichkeit geben, Ergänzungen anzubringen und offene Fragen seinerseits zu klären.

Der Interviewleitfaden diente der Strukturierung der Gespräche, wobei dieser als vorbereitete Sammlung an Fragen zu verstehen ist, die sicherstellen, dass alle Aspekte des Untersuchungsgegenstandes abgedeckt sind. Walsham (1995, S. 78) betont diesbezüglich, dass der inhaltliche Rahmen bei der Erstellung des Leitfadens nicht zu eng gefasst werden sollte, sodass eventuell relevante Aussagen nicht verhindert werden. Gleichzeitig darf ein Interview nicht zu weit gefasst sein, damit relevante Detailfragen nicht ungeklärt bleiben. In diesem Sinne stellt der verwendete Interviewleitfragen eine gute Balance dar.

3.3.1 Stichprobe

Aus der Literaturrecherche ging gemäß Waters-Lynch und Potts (2017, S. 48) hervor, dass sehr viele unterschiedliche Arten von Co-Working-Spaces existieren. Da sich die Studie aber auf professionell betriebene Co-Working-Spaces beschränkte, wurde zur Ermittlung geeigneter Interviewpartner auf die Datenbank von Coworking Switzerland zurückgegriffen. Diese Plattform umfasst Anbieter, welche sich offiziell zu den Co-Working-Kernwerten Gemeinschaft, Offenheit, Zusammenarbeit, Nachhaltigkeit und Zugänglichkeit bekennen (Burnier & Kurcker, 2020). Von besonderem Interesse waren dabei Anbieter, welche neue Geschäftskonzepte erproben und über ein Angebot verfügen, das nicht ausschließlich temporäre Arbeitsplätze umfasst. Zudem wurde bei der Auswahl auf ein ausgeglichenes Verhältnis von Co-Working-Spaces in urbanen und ländlichen Gebieten geachtet. Die Anbieter der ausgewählten Co-Working-Spaces wurden per E-Mail oder Telefon kontaktiert.

Von den 108 potenziellen Interviewpartnern wurden die 49 favorisierten Co-Working-Spaces kontaktiert, wobei 16 telefonisch nicht erreicht werden konnten beziehungsweise nicht auf die Mailanfrage reagierten. 7 weitere haben daneben aus unterschiedlichen Gründen abgesagt, während sich die restlichen 26 zu einem Interview bereit erklärt haben. 3 weitere sprangen im Verlauf der Erhebung kurzfristig noch ab, sodass schlussendlich 23 Interviews geführt werden konnten. Zur Anonymisierung der Interviewpartner und Co-Working-Spaces wurden diese in der chronologischen Reihenfolge ihrer Durchführung nummeriert. Tab. 3.1 gibt einen Überblick über die Co-Working-Spaces, die in der Stichprobe enthalten sind, und informiert zudem darüber, wie das Interview durchgeführt wurde (telefonisch, online oder persönlich).

Tab. 3.1 Geografische Verteilung der Interviewpartner

Abb. 3.2 gibt einen Überblick über die geografische Verteilung der interviewten Co-Working-Spaces. Die Karte veranschaulicht zudem die Bevölkerungsdichte der Schweiz, indem dichter besiedelte Gebiete dunkler abgebildete sind.

Abb. 3.2
figure 2

Standorte der Interviewpartner. (Quelle: Bundesamt für Statistik, 2020)

Aufgrund der Corona-Pandemie konnten nicht alle Interviews persönlich durchgeführt werden. Ein Großteil der Gespräche wurde daher via MS Teams, Zoom, Google Meet oder telefonisch durchgeführt. Alle Gespräche wurden elektronisch aufgezeichnet und anschließend transkribiert.

Wichtig scheint es zu erwähnen, dass aufgrund der Corona-bedingten Restriktionen die vor Ort besuchten Co-Working-Spaces schlecht ausgelastet waren. Bei den remote durchgeführten Gesprächen war es zudem nicht möglich, die individuelle Atmosphäre der Co-Working-Spaces zu erleben und einen Eindruck der Nutzer zu gewinnen, welche den jeweiligen Co-Working-Space mitprägen. Darüber hinaus erschwerte der Onlinekontakt den für die Ermittlung sensibler Daten (z. B. Finanzkennzahlen) erforderlichen Vertrauensaufbau.

Nachfolgend werden die Ergebnisse der Interviewauswertung detailliert beschrieben. Während alle befragten Spaces offiziell als Co-Working-Space vermarktet werden, zeigten sich in der gelebten Praxis des Co-Working erhebliche Unterschiede. In einem ersten Schritt erfolgt daher eine Segmentierung der Co-Working-Spaces in vier Cluster, die selbstständig auf Basis der gesammelten Informationen vorgenommen wurde. Anschließend wird auf die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Geschäftsmodellen der vier Cluster eingegangen.

3.4 Ergebnisse

Co-Working-Spaces lassen sich relativ einfach hinsichtlich ihrer geografischen Lage in ländliche Regionen oder urbane Zentren und Städte unterteilen. Aber auch eine Unterscheidung hinsichtlich der Größe (Anzahl Arbeitsplätze, Größe des Raums) oder des Angebotsspektrums sind möglich. In Bezug auf die Frage nach den Geschäftsmodelle greifen diese Differenzierungen allerdings zu kurz, da die Geschäftsmodelle nicht von diesen Merkmalen abhängig sind.

3.4.1 Segmentierung in vier Cluster von Co-Working-Spaces

Die Vielfalt der Geschäftsmodelle von Co-Working-Spaces spiegelte sich in den Aussagen der Interviewpartner wider, wenn erwähnt wurde, dass man sich nicht als klassischer Co-Working-Space versteht. Daher wurde entschieden, die Spaces anhand der angewendeten Geschäftsmodelle zu gliedern, wodurch sich vier unterschiedliche Cluster von Anbietern bilden ließen. Diese Aufteilung ermöglicht zudem, den Charakter der verschiedenen Anbieter zu beschreiben, und lässt sich wie folgt zusammenfassen:

  • Co-Working pur – der Community Space umfasst Anbieter, welche ihren Mitgliedern primär Open Spaces Arbeitsplätze zur Verfügung stellen. Ein zentraler Aspekt ist der Aufbau einer Community, welche sich durch gemeinsame Werte auszeichnet, und der aktiv gefördert wird. Ziel dieser Spaces ist die aktive Vernetzung der Mitglieder untereinander, sodass sie nicht nur nebeneinander, sondern auch miteinander arbeiten und sich unterstützen können. Die Mitglieder dieser Spaces bestehen meist aus Freelancern, Selbstständigen und Start-ups, die den Co-Working-Space für den sozialen Austausch und die gegenseitige Unterstützung nutzen, aber auch zur Entwicklung von Geschäftsbeziehungen innerhalb des Netzwerkes. Im Co-Working-Space wird der soziale Teil der Arbeit erledigt. Die Nutzer nehmen oft an Abendveranstaltungen, Networkinganlässen oder gemeinsamen Aktivitäten teil. Zur fokussierten, ruhigen Arbeit nutzen die Mitglieder parallel zusätzlich das Homeoffice.

  • Co-Working light – die Bürogemeinschaft zeichnen sich durch eine geringere Fläche aus, dafür aber häufig sehr loyale, regelmäßige Nutzer, die mehrheitlich eher nebeneinander als miteinander arbeiten. Für die meisten Nutzer ist die Bürogemeinschaft ein Ersatz für das Homeoffice. Die Vorteile sind vor allem der soziale Austausch, der kurze Arbeitsweg, aber auch Annehmlichkeiten, wie die Möglichkeit, einen professionellen Meetingraum benutzen zu können. Während man gern gemeinsam einen Kaffee nimmt, steht der Aufbau einer Community hier nicht im Vordergrund, und die Nutzer verwenden keine zusätzliche Zeit im Space. Die Bürogemeinschaft wird bevorzugt von Selbstständigen und Kleinunternehmern zur konzentrierten Arbeit und als Sitzungstreffpunkt genutzt. Nach der Arbeit gehen sie nach Hause.

  • Co-Working professionellder flexible Büroarbeitsplatz. Die Mehrheit der Co-Working-Spaces in der vorliegenden Untersuchung ist der Kategorie der flexiblen Büroarbeitsplätze zuzuordnen. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass ihr Angebot aus einer Vielzahl von Einzel- und Gemeinschaftsbüros besteht. Das typische Kundensegment umfasst lokale Teams von Großunternehmen wie auch Kleinunternehmer, Freelancer und Selbstständige. Von den Nutzern dieser Kategorie wird dabei insbesondere geschätzt, dass ihnen eine Infrastruktur wie in einem Großunternehmen zur Verfügung steht mit Empfangsbereich, Chill-out-Zonen, unterschiedlichsten Meeting- und Verpflegungsmöglichkeiten. Der Aufbau einer Community bildet nicht den Kern des Angebots. Vielmehr bietet es ein sehr professionelles Erscheinungsbild, das sehr flexibel auf die Wünsche der Nutzer reagieren kann und diese bei der Optimierung ihrer Arbeitszeit und Produktivität unterstützt.

  • Co-Working en passantDurchgangsbüros. Zu einer vierten Kategorie fassen wir Räumlichkeiten zusammen, welche mehrheitlich temporär nutzbare und nur in geringem Maße fest buchbare Arbeitsplätze anbieten. In der Regel befinden sich die Arbeitsplätze dabei in einem Großraumbüro oder in einer Begegnungszone und eignen sich dadurch nur schlecht für ein konzentriertes Arbeiten. Das preissensitive Kundensegment dieser Kategorie nutzt die Spaces daher oft nur für einige Stunden, um dem Homeoffice zu entfliehen, für Teamarbeiten oder wenn ein Meetingraum benötigt wird. Die Co-Worker schätzen dabei die gute Erreichbarkeit, Flexibilität sowie die Abwechslung zum primären Arbeitsplatz.

3.4.2 Geschäftsmodelle von Co-Working pur – der Community Space

Co-Working-Spaces sind entstanden, da Selbstständige der Einsamkeit des Homeoffice entgehen wollten und einen Ort suchten, an dem sie zum Arbeiten willkommen sind. Mit dem Erfolg des Konzeptes wich dieser soziale Gedanke aber teilweise einem profitorientierten Geschäftsmodell, welches ein möglichst großes Kundensegment ansprechen sollte. Wie aus dem Manifesto des Impact Hub, den Grundsätzen von Effinger, aber auch den Werten von WeWork hervor geht, zeichnen sich klassische Co-Working-Spaces aber immer noch dadurch aus, dass eine gemeinsame Kultur gepflegt wird, indem sich die Co-Worker gegenseitig unterstützen und dazu beitragen, die globalen Herausforderungen zu lösen (Effinger, 2020; Impact Hub, 2020; WeWork, 2020). Die Grenzen zwischen klassischen Co-Working-Spaces und den anderen Formen sind zwar fließend, doch scheinen die gemeinschaftsbildenden, kulturellen Aspekte einen wesentlichen Unterschied darzustellen.

In Bezug auf die Branchenlogik dieses Segmentes ist festzustellen, dass die Anbieter meist seit vielen Jahren auf dem Markt etabliert sind, aber nur über mittelgroße Spaces verfügen, die jedoch kontinuierlich wachsen. Zudem ist festzuhalten, dass eine Vielfalt von Geschäftsmustern betrieben wird, deren Ursprung in der Offenheit für Experimente, dem hohen Engagement der Mitarbeitenden und der im Verhältnis zum Co-Working-Markt langen Existenzdauer liegt und sich wie folgt zusammenfassen lässt:

  • Mieteinnahmen bzw. „Subscriptions“ sind wichtig, entsprechen aber nur einer von mehreren Einnahmequellen und sind oft nicht maximiert, weil die Spaces neben temporären Arbeitsplätzen aus Begegnungszonen bestehen, welche nur unregelmäßig von den Co-Workern genutzt werden.

  • Den Co-Workern werden als „Add-on“, zusätzlich zu den Arbeitsplätzen kostenpflichtige Dienstleistungen geboten, wie zum Beispiel Domiziladressen, ein Postservice und vor allem Meetingräume, welche vergünstigt benutzt werden können.

  • Neben der internen Nutzung wird mit einem „Make more of it“-Ansatz mit der Infrastruktur oftmals ein relevanter, zusätzlicher Ertrag mit der Vermietung von Meeting-, Seminar- und Eventräumen erzielt.

  • Ein „Lock-in“-Mechanismus besteht aus dem Zugang zum Co-Worker-Netzwerk und deren Unterstützungsbereitschaft, welcher nur Mitgliedern zur Verfügung steht und einem zentralen Anreiz für die Mitgliedschaft entspricht.

  • Co-Worker können ihre Services gratis oder kostenpflichtig den anderen Mitgliedern anbieten. Ehrenamtliche Rollen im Sinne eines „Barter“-Geschäftsmusters werden dabei vom Space mit Vergünstigungen entschädigt.

  • Das Ziel vieler klassischen Co-Working-Spaces ist, die Welt ein Stück zu verbessern, wozu soziale und Umweltprojekte gefördert und unterstützt werden. Daher kann diesbezüglich auch von einem „Robin Hood“-Geschäftsmuster gesprochen werden.

  • Durch den genossenschaftlichen Charakter dieses Segments werden Mitglieder bei Entscheidungen des Co-Working-Spaces einbezogen, womit ein „Fractionalized Ownership“ entsteht.

  • Aufgrund der Bekanntheit von klassischen Co-Working-Spaces kann auf Auslagen für „Affiliation“-Geschäfte zur Gewinnung von Neukunden verzichtet werden. Daher spielen Onlineplattformen wie Workplace2go, DeskBird etc. eine untergeordnete Rolle. Hingegen werden die Plattformen für den Vertrieb von Meeting- und Seminarräumen durchaus genutzt.

  • Ein zentraler Unterschied zu anderen Co-Working-Segmenten ist, dass die Mitglieder aktiv dazu ermutigt werden, sich gegenseitig zu unterstützen und Geschäftsbeziehungen aufzubauen, weshalb der Co-Working-Space eine „Peer-to-Peer“-Funktion übernimmt.

  • Die Räume und Begegnungszonen zeichnen sich durch ein modernes Design aus, das eigentliche „Experience Selling“ entsteht aber durch die Community, welche aktiv angespornt wird, miteinander zu interagieren.

Ein klassischer Co-Working-Space der Stichprobe stellt beispielsweise der Gesprächspartner 03 aus der Stadt Bern dar. Dieser Space verfügt über 90 Arbeitsplätze und hat eine bunt gemischte Community von rund 200 Mitgliedern, welche sich aus Kreativen, Start-ups und Freelancern zusammensetzt. Von den Co-Workern wird dabei besonders die Unterstützung in der Community geschätzt, aber auch die Event- und Beratungsservices. Durch die Fokussierung auf Erwerbstätige im sozialen Bereich und der nachhaltigen Kreislaufwirtschaft werden aber nicht alle Kundensegmente angesprochen, welche daher auf andere Co-Working-Spaces ausweichen.

3.4.3 Geschäftsmodelle von Co-Working light – die Bürogemeinschaft

Bürogemeinschaften sind kein neues Phänomen. Mit der Vermarktung als Co-Working-Space haben sie sich jedoch etwas geöffnet und lassen beispielsweise eine deutlich flexiblere Buchung von Arbeitsplätzen zu. Das Kundensegment bleibt aber dasjenige, das sich bisher in traditionellen Bürogemeinschaften mit einem langfristigen Mietvertrag eingemietet hat. In Bezug auf die Branchenlogik lässt sich feststellen, dass die Räume oft nur wenige Arbeitsplätze umfassen. Insgesamt werden von dem Cluster der Bürogemeinschaften nur wenige Geschäftsmuster kombiniert, welche wie folgt zusammengefasst werden können:

  • Mieteinnahmen bzw. „Subscriptions“ entsprechen der wichtigsten Einnahmequelle.

  • Mit Domiziladressen und der separaten Vermietung von Sitzungszimmern an Co-Worker wird oft ein bescheidener Add-on-Ertrag erwirtschaftet.

  • Zusätzlich stehen die Sitzungszimmer nicht selten auch externen Nutzern zur Verfügung. Dieser „Make more of it“-Ansatz erwirtschaftet in der Regel aber keine nennenswerten Erträge.

  • Zur Erhöhung der Onlinepräsenz arbeiten Bürogemeinschaften mit einer Reihe von Onlineplattformen wie Workplace2go, DeskBird etc. zusammen. Die Hoffnung ist, dass aus Gelegenheitsnutzern, für welche eine „Affiliation“-Vermittlungsgebühr bezahlt wird, Stammkunden werden.

Ein typisches Beispiel für eine erfolgreiche Bürogemeinschaft ist Gesprächspartner 20 im Kanton St. Gallen. Dieser Anbieter bietet mit seinem schlichten, aber eleganten Raumdesign ein einmaliges Ambiente, welches zudem nur wenige Meter vom Zürichsee entfernt liegt. Der Co-Working-Space wird dabei als inspirierender Ort empfunden, welcher ein besseres Arbeitsklima bietet als das Homeoffice, was sich in dessen Popularität und den im Verhältnis höheren Mietkosten widerspiegelt.

3.4.4 Geschäftsmodelle von Co-Working professionell – der flexible Büroarbeitsplatz

Anbieter von flexiblen Büroarbeitsplätzen sind meist größere, profitorientierte Co-Working-Spaces, welche sehr professionell auftreten und sich in ihrem Angebot vor allem auf Mitarbeitende von Unternehmen fokussieren. Für Unternehmen stellen die Spaces eine kostengünstige Alternative zu unternehmenseigenen Büroräumlichkeiten dar, da nur die Arbeitsplätze bezahlt werden müssen, welche effektiv belegt sind. Für die Unternehmen löst sich dadurch die Kostenproblematik bei Leerständen genauso wie die Herausforderungen einer Überbelastung bei zu klein gewordenen Büroräumen. Auf diese Weise können sich Teamleiter auf ihre Arbeit konzentrieren, statt sich mit Infrastrukturproblemen befassen zu müssen. Neben den modernen Büroarbeitsplätzen werden den Mitgliedern unterschiedlichste Sitzungszimmer und Begegnungszonen geboten, wodurch ihnen eine Infrastruktur zur Verfügung steht, welche ansonsten Großunternehmen vorbehalten bleibt. Analog zu den Bürogemeinschaften beschränkt sich aber auch bei diesen Anbietern die Kombination von Geschäftsmustern auf einige wenige Kerntypen. Dabei gilt allerdings zu beachten, dass einzelne Anbieter mit weiteren Geschäftsmustern experimentieren, wodurch die nachfolgende Aufzählung nicht vollständig ist:

  • Mieteinnahmen bzw. „Subscriptions“ sind wichtig, wobei durch das Angebot vor allem Teams und Unternehmen als Mitglieder angesprochen werden. 

  • Den Co-Workern werden als „Add-on“, zusätzlich zu den Arbeitsplätzen, kostenpflichtige Dienstleistungen geboten, wie zum Beispiel Domiziladressen, ein Postservice und vor allem Meetingräume, welche vergünstigt benutzt werden können.

  • Neben der internen Nutzung wird mit einem „Make more of it“-Ansatz mit der Infrastruktur oftmals ein relevanter, zusätzlicher Ertrag mit der Vermietung von Meeting-, Seminar- und Eventräumen erzielt.

  • Zusätzliche Geschäftszweige, die als „Cross-Selling“ angeboten werden, umfassen Services wie Restaurants, Cafés oder Consulting. Deren Erträge sind oft noch kein verlässliches finanzielles Standbein, bieten aber eine Differenzierung und dienen zur Imagebildung.

  • „Affiliation“-Geschäfte, welche über Onlineplattformen wie Workplace2go, DeskBird etc. abgewickelt werden, werden eher als Marketingaufwand denn als Ertragszweig gesehen.

  • Das Erlebnis wird vornehmlich über das moderne Interior Design erzeugt, welches unterschiedlichste Arbeitskonzepte und Begegnungszonen umfasst und damit zu einem „Experience Selling“ wird.

Den flexiblen Büroarbeitsplätzen sind 7 der 23 untersuchten Co-Working-Spaces zuzuordnen. Ein besonders erfolgreicher Co-Working-Space wurde dabei mit der Nummer 21 in der Stadt Zürich interviewt, welcher Co-Working, Restaurant und Eventlokal miteinander verbindet. Die Zielkunden sind nicht die Start-ups, welche nach Unterstützung und einem Netzwerk suchen, sondern Mitarbeiter von internationalen Konzernen, die die Infrastruktur eines Großunternehmens schätzen. Die Co-Worker nutzen die Infrastruktur täglich und teilen sich die Meetingräume und Begegnungszonen mit anderen Firmen. Neben den repräsentativen Büros wird besonders geschätzt, dass mit dem Restaurant ein eigener Socializingbereich zur Verfügung steht, den nur die wenigsten Großunternehmen ihren Mitarbeitern bieten können. Einen anderen Ansatz hat hingegen Interviewpartner 18 im Kanton Luzern gewählt. Hier wird der Co-Working-Space anstatt mit einem Restaurant über die externe Vermietung der Infrastruktur als Event- und Seminarraum quersubventioniert. Diese zusätzlichen Einnahmequellen ermöglichten ein modernes Arbeitsumfeld zu einem attraktiven Preis. Beim Arbeitsumfeld wurde zudem darauf geachtet, dass ein ungestörtes Arbeiten möglich ist, wodurch regionale Unternehmen überzeugt werden konnten, ihre eigenen Büros aufzugeben und sich in einem hoch professionalisiertem Co-Working-Space einzumieten.

3.4.5 Geschäftsmodelle von Co-Working en passant – das Durchgangsbüro

Das Cluster der Durchgangsbüros bringt unterschiedliche Konzepte zusammen. Typische Nutzer dieses Segments wollen der Einsamkeit des Homeoffice entfliehen und suchen sich dazu Anbieter in der Nähe, bei welchen sie unkompliziert für einige Stunden allein oder in kleinen Gruppen zusammenarbeiten können. Mit der Verbreitung von Laptops mit Wifi haben sich diese Nutzer zunehmend in Bibliotheken und Cafés niedergelassen und diese zu ihrem Arbeitsort erklärt. Während man jedoch früh aufstehen muss, um einen Platz in der Bibliothek zu ergattern, ist man in vielen Cafés nicht gern gesehen (Strand, 2010; Fluck, 2019). Die Anbieter von Co-Working-en-passant-Arbeitsplätzen decken daher diese Nachfrage nach unverbindlichen Arbeitsplätzen ab.

Typisch für dieses Segment ist, dass die Anzahl der Plätze meist klein und das Co-Working-Geschäft einen Nebenerwerb darstellt, welcher oft einen experimentellen Charakter besitzt. Die Beschränkung auf temporäre Arbeitsplätze erlaubt den Anbietern zudem, die Räume auch für Seminare und sonstige Veranstaltungen zu nutzen. In Bezug auf die Geschäftsmuster lässt sich hingegen sagen, dass sich dieses Segment vor allem auf „Cross Selling“ und „Make more of it“ fokussiert.

  • Mieteinnahmen bzw. „Subscriptions“ decken bei Durchgangsbüros oft nicht die Auslagen, da die Nachfrage zu sehr schwankt und die Spaces häufig nicht ausgelastet sind.

  • Neben der internen Nutzung wird mit einem „Make more of it“-Ansatz mit der Infrastruktur oftmals ein relevanter, zusätzlicher Ertrag mit der Vermietung von Meeting-, Seminar- und Eventräumen erzielt.

  • Das Kerngeschäft dieser Spaces liegt vielfach nicht im Co-Working, sondern in Bereichen wie der Hotellerie, Seminarveranstaltungen oder beispielsweise im Möbelhandel. Die Lokale werden folglich als „Cross-Selling“ betrieben und müssen mit Co-Working nicht zwingend einen Gewinn erzielen.

  • Zur Gewinnung von Neukunden wird mit einer Reihe von „Affiliation“-Onlineplattformen wie Workplace2go, DeskBird etc. zusammengearbeitet. Dieser Ertragszweig ist aber nicht wesentlich für das Geschäft.

  • Generell zeichnet sich das Segment dadurch aus, dass sich überdurchschnittlich viele Spaces an einzigartigen Standorten befinden und dadurch der Besuch zum „Experience Selling“ wird. Ein Beispiel hierfür ist das GALAAXY Bridge in Laax, welches sich in einer Bergstation auf 2252 m. ü. M. befindet und dadurch eine einmalige Arbeitsatmosphäre schafft.

Einer der wenigen Anbieter dieses Segments, dessen Co-Working-Space ausgelastet ist, konnte mit dem Interviewpartner 19 im Kanton Graubünden in einer ländlichen Ferienregion gefunden werden. Zu den Nutzern gehören vor allem Zweitwohnungsbesitzer, die die Möglichkeit sehr schätzen, sich unverbindlich auszutauschen und darüber hinaus Arbeit und Freizeit zu trennen. Der Co-Working-Space ist daher vor allem gegen Ende der Woche gut besucht.

3.4.6 Zusammenfassung

Die untersuchten Co-Working-Spaces bestehen im Durchschnitt erst seit 4,1 Jahren; die Anbieter der Cluster Co-Working professionell und Co-Working en passant sogar erst seit 2,2 Jahren. Hinsichtlich der Geschäftsmuster ist festzuhalten, dass sich die vier Cluster mit Bezug auf das „Hauptmuster“ unterscheiden und dadurch nur begrenzt miteinander konkurrieren:

  • Co-Working pur – Community Spaces entwickelten sich aus dem Communitygedanken, wodurch diese im Kern ein „Peer-to-Peer“-Netzwerk betreiben.

  • Co-Working light – Bürogemeinschaften basieren durch die Mieteinnahmen primär auf einem Subscriptionmodell.

  • Co-Working professionell – flexible Büroarbeitsplätze fokussieren sich verstärkt auf Subscriptionverträge mit Großunternehmen; mit Zusatzangebot durch das „Make more of it“, indem die Infrastruktur für Events und Seminare doppelt genutzt wird, sowie einem „Add-on“, indem den Co-Workern Sitzungszimmern separat verrechnet werden.

  • Co-Working en passant – Durchgangsbüros betreiben mehrheitlich ein „Cross Selling“, in welchem das Co-Working einen Nebenerwerb zum eigentlichen Kerngeschäft darstellt.

Abb. 3.3 fasst die Erkenntnisse verdichtet zusammen und veranschaulicht, dass die Clusterzuordnung unabhängig ist von Aspekten wie der geografischen Lage (Stadt/Land) oder der Anzahl der Arbeitsplätze, sondern im Kern eine Frage des Geschäftsmodells ist.

Abb. 3.3
figure 3

Co-Working-Space Segmente. (Quelle: Eigene Darstellung)

3.5 Fazit und Ausblick

Unsere Analyse der vier Co-Working-Cluster zeigt, dass diese nicht direkt miteinander konkurrieren, sondern ein für sie jeweils charakteristisches Geschäftsmodell aufweisen. Im Vergleich zum Co-Working pur kann bei den drei weiteren Segmenten durchaus von einer Geschäftsmodellinnovation gesprochen werden, da sie sich in Bezug auf ihr Geschäftsmodell signifikant unterscheiden. Innerhalb der Gruppen lässt sich der Erfolg aber nicht an einer spezifischen Kombination von Geschäftsmustern festmachen. Eine erfolgsversprechende Strategie ist allerdings, wenn ein Segment gewählt wird, für welche ein lokaler Markt besteht. Zudem ist im Rahmen der Studie aufgefallen, dass Co-Working oft mit temporären Arbeitsplätzen gleichgesetzt wird (Officezuerich, 2020). Die Anbieter fühlen sich dadurch dazu verleitet, einen Open-Space-/Communitybereich anzubieten, um sich als Co-Working-Space vermarkten zu können, womit jedoch oftmals eine Positionierungsproblematik entsteht.

Die vorliegende Analyse der Geschäftsmodelle Schweizer Co-Working-Spaces hat gezeigt, dass Co-Working-Spaces von einer zunehmend breiter werdenden Kundengruppe genutzt werden und in vielen Variationen existieren. Dementsprechend rechnet die Branche gemäß Meroni (2019) mit einer jährlichen Wachstumsrate von 30 %. Allein der Branchenprimus IWG plc, mit seinen Marken Regus und Spaces, plant, bis 2025 rund hundert Standorte mit ungefähr 150.000 m2 in der Schweiz zu betreiben (Meroni, 2019). Daneben drängen aber auch Immobilienanbieter auf den Markt, welche mit Self-Service-Spaces ihre Bürogebäude in B- und C-Lagen auslasten möchten (Bürgi, 2020). Es wird folglich ein Angebot entstehen, das nur gedeckt werden kann, wenn sich immer mehr Unternehmen dafür entscheiden, das eigene Büro aufzugeben. Wie die Studie von Congdon, Flynn und Redman (2014) aufzeigt, ist das Arbeiten an immer kleiner werdenden Arbeitsplätzen in Großraumbüros aber nicht förderlich für die Produktivität. Diese Schwäche mögen Begegnungs- und Chill-out-Zonen zwar teilweise entschärfen, doch gerade die Erhöhung der Produktivität ist kein primäres Ziel der großen Co-Working-Spaces, denn für diese ist es vorteilhafter, wenn Co-Worker durch das Arbeitsplatzdesign gezwungen sind, auch Sitzungszimmer und Telefonkabinen zu nutzen. Aus Sicht der Arbeitnehmer bleibt für die Zukunft daher zu hoffen, dass sich nicht nur platzsparende Bürodesigns durchsetzen, sondern auch solche, die ergonomisch sind und wieder ein gewisses Maß an Privatsphäre zulassen.

Abschließend kann gesagt werden, dass trotz der zunehmenden Konkurrenz und schwierigen COVID-19-Situation die Branche insgesamt positiv in die Zukunft blickt. Die Hoffnung besteht, dass die Pandemie zu einer flexibleren Arbeitswelt geführt hat und der Co-Working-Space zukünftig verstärkt die Homeoffices ablösen wird.

Das Co-Working-Geschäftsmodell muss sich darüber hinaus aber nicht zwingend auf Bürojobs beschränken und kann mit Innovationen auf neue Branchen und Berufsgruppen erweitert werden. So betreiben beispielsweise Fuchs & Specht in Burgdorf einen Laden, in welchem die einzelnen Regale gemietet und der Aufwand für die Betreuung des Geschäfts geteilt wird. Neben diesem Co-Selling wird im Specht zudem ein Gastro-Sharing betrieben, wodurch Personen den Traum vom eigenen Restaurant ermöglicht wird, welche dies nicht hauptberuflich machen können oder wollen. Vergleichbar mit einem Start-up-Inkubator kann hier die Selbstständigkeit gemeinsam ausprobiert werden, wobei man von einem gemeinsamen Kundenstamm, Image und der Community profitiert. Es ist daher davon auszugehen, dass sich innovative Geschäftsmodelle für Co-Working-Spaces weiter ausdifferenzieren und zukünftig noch an Relevanz gewinnen werden.