1.1 Grundlagen und Begriffsklärungen

Der Begriff der Resilienz hat in unterschiedlichen Disziplinen der Wissenschaft und auch in der medialen Aufmerksamkeit in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Resilienz bedeutet im lateinischen Wortursprung des „resilire“ so viel wie „abprallen“ bzw. „zurückspringen“ (Wink, 2016, S. 1; Ostheimer, 2018, S. 330). Grundsätzlich kann der Begriff der Resilienz auf die psychosoziale Resilienz sowie die ökologische Resilienz zurückgeführt werden. Später verbreitete sich der Resilienzbegriff über die Ökologie in den Bereich einer sozialökologischen Resilienzforschung. Aufbauend auf der Analyse sozialer Systeme erfolgte eine Übertragung und Forschung in anderen Bereichen der Sozialwissenschaften, wie beispielsweise im Kontext des sozialen Wandels und der Entwicklung (Kemmerling & Bobar, 2018, S. 247–248). Dabei ist der Begriff der Resilienz und dessen Verwendung in der Wissenschaft nicht unumstritten. So ist zu fragen, inwieweit die einzelnen Disziplinen der Wissenschaft von den Ergebnissen ihrer jeweiligen Forschung profitieren und transdisziplinäre Erkenntnisse erzeugen oder nur monodisziplinär betrachtet werden. Dabei lassen sich gleichwohl unterschiedliche Anknüpfungspunkte für eine gesamtheitliche Betrachtung finden (Wink, 2016, S. 1; Weiß et al., 2018, S. 13–16). Über unterschiedliche Disziplinen hinweg kann unter Resilienz im Kern der erfolgreiche Umgang bzw. die Bewältigung (einer zeitlichen Abfolge) von Störungen im Sinne nachteiliger Umstände eines Schocks durch die Anpassungsfähigkeit an sich verändernde Faktoren (zum Beispiel der Umwelt) gesehen werden (Wink, 2016, S. 1–3). Weiß, Hartmann und Högl (Weiß et al., 2018) sprechen von der Fähigkeit von Entitäten, die nach einer Störung in der Lage sind, aus eigener Kraft in einen Gleichgewichtszustand zurückzukehren. Dabei ist anzumerken, dass Resilienz kein Selbstzweck ist. Vielmehr ist dies eine erforderliche relationale und funktionale Eigenschaft sozioökologischer Systeme in der Handhabung veränderter externer Bedingungen. Dabei können als mögliche Strategieparameter einerseits „Widerstand und Anpassungsfähigkeit“ (Reaktivität/Stabilität) und andererseits „Gestaltungsfähigkeit“ (Proaktivität/Transformation) angewendet werden (Ostheimer, 2018, S. 339). Die starke gesellschaftliche Verbreitung des Konzeptes kann mit der Wahrnehmung eines immer schnelleren Wandels und somit des Auftretens von Störungen erklärt werden. In der Culturomics-Analyse wird ersichtlich, dass die Diffusion von Resilienz in Deutschland ab Ende der 1990er-Jahre stark angestiegen ist. Ähnliche Diffusionen sind auch beispielsweise in Großbritannien, USA, Frankreich, Spanien, Italien, Russland und China zu beobachten, wenngleich auch mit unterschiedlichen länderspezifischen Detailausprägungen. Auch für den wissenschaftlichen Kontext zeigen die Artikelzählungen bzw. Zitationsanalysen für unterschiedliche Wissenschaftsdisziplinen (Wirtschafts-, Geistes-, Material-, Geo-, Ingenieurs-, Sozialwissenschaften sowie Biologie, Psychologie, Ökologie und Medizin) einen starken, praktisch exponentiellen Anstieg seit ca. Ende der 1990er- beziehungsweise Anfang der 2000er-Jahre (Weiß et al., 2018, S. 15–24). Die steigende Bedeutung und „Beliebtheit“ des Begriffes der Resilienz könnte darin begründet liegen, dass sich die Wahrnehmung der Anpassungsfähigkeit und Veränderbarkeit von Systemen (Umwelt, Organisation, Mensch) geändert hat. In der Forschung wird zum Beispiel untersucht, inwieweit Systeme mit negativen Veränderungen umgehen können. Der Grad der Anpassungsfähigkeit im Sinne von „tipping points“, sogenannter „Kipp-Punkte“ ist hierbei unter anderem von Bedeutung.

Bei der Resilienz kann grundsätzlich zwischen einem systemischen und einem mechanischen Verständnis differenziert werden. Aus systemischer Sicht werden etwa die Komplexität unterschiedlicher Einflussfaktoren, die Kontextbedingungen und die Wandlungsprozesse im Bereich der Resilienz betrachtet. Mit diesem Ansatz geht eine notwendige, aber diskussionswürdige Reduktion der Komplexität einher. Innerhalb der gesetzten Komplexitätsreduktion kann das mechanistische Verständnis der Resilienz helfen, „optimale“ Wege zur Anpassung innerhalb der komplexitätsreduzierten Grenzen des Systems zu finden.

Es zeigen sich auch Anknüpfungspunkte von Resilienzkonzepten an Evolutionstheorien, Pfadabhängigkeiten und Transformationen (Wink, 2016, S. 1–6). Diese Bereiche sind auch im (betriebs-)wirtschaftlichen Kontext von Bedeutung. So können Entwicklungen von Unternehmen sowie wirtschaftspolitische Entwicklungen etwa in Anlehnung an Evolutionstheorien beschrieben werden – dies im Sinne des Konzepts der evolutorischen Ökonomik beziehungsweise Evolutionsökonomik (siehe hierzu exemplarisch Lehmann-Waffenschmidt & Peneder, 2021; Beschorner & Pfriem, 2000; Koch, 1996). Verbunden sind hiermit wirtschaftliche Fragestellungen der Unternehmensentwicklung, Unternehmensgründung und des Unternehmertums, welche zu einem Wandel bestehender Gleichgewichte in der Wirtschaft beziehungsweise Wirtschaftsstruktur durch Innovationen beitragen (siehe hierzu grundlegend Schumpeter, 2006; Penrose, 2011).

Für die Organisations- und Unternehmensentwicklung sind speziell Konzepte der Pfadabhängigkeit von Bedeutung (siehe hierzu beispielhaft Schreyögg et al., 2003; Dievernich, 2007; Schreyögg & Sydow, 2010). Im Bereich der Transformation kommt in der Wirtschaft in den letzten Jahren dem Konzept der digitalen Transformation eine besondere Bedeutung zu. Die Veränderung bestehender oder die Erschaffung neuer Wertschöpfungsketten durch digitale Technologien führt zu neuen Dienstleistungen und Produkten und in der Summe zu neuen Geschäftsmodellen. Gleichermaßen betreffen die Auswirkungen der digitalen Transformation nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Gesellschaft und auch die Natur (siehe Schellinger et al., 2020, S. 2 f.; Tokarski et al., 2021, S. 3 f.). Gleichwohl sind mit Transformationsprozessen auch unterschiedliche Herausforderungen auf der regionalen, nationalen und internationalen Ebene verbunden. Im Kontext der Resilienz regionaler Ökonomien liefern Strambach und Klement (2016) sowie Lukesch (2016) eine differenzierte Analyse des Verständnisses und der Herausforderung der Wirtschaftsgeografie.

Aufgrund der Komplexität vernetzter, sozioökologischer Systeme können zur Unterscheidung unterschiedliche Ordnungen von Resilienz sinnvoll sein. Dies beispielsweise im Sinne spezifischer und allgemeiner Resilienz. Die spezifische Resilienz ist die Fähigkeit eines Systems, aufgrund von Störungen „angemessen“ handeln zu können. Spezifische Resilienzsysteme sind dabei ein Teil übergeordneter allgemeiner Resilienzsysteme, und es findet eine Interaktion und gegenseitige Beeinflussung (zum Beispiel Verstärkung/Abschwächungen von Effekten) statt. Dabei werden Wandelprozesse oft auf einer unteren Ebene initiiert, um eine Stabilität, beziehungsweise Handlungsfähigkeit des allgemeinen Resilienzsystems (Gesamtsystem), zu erzeugen. Grundlegend kann weiters zwischen einfacher Resilienz (Reaktivität) und reflexiver Resilienz (Proaktivität) differenziert werden. Diese begrifflichen Abgrenzungen haben eine Nähe zu Transformationskonzepten. Das Konzept der Resilienz kann dabei als funktional betrachtet werden, da gesellschaftliche Prozesse zu den Diskussionen, was „normal“ oder als Ziel „wünschenswert“ wäre, oft nicht vorkommen beziehungsweise nicht realisiert werden. So werden diese Diskussionen im Kontext der Resilienz weniger respektive selten geführt, dafür aber im Kontext des Diskurses von Transformationen (Ostheimer, 2018, S. 340 f.).

So weisen Schneider und Vogt (2018) darauf hin, dass Resilienz aus praktischer, professionsbezogener und politischer Sicht oftmals nicht kritisch hinterfragt und so zu einem normativen Konzept wird. Es bestehen oft (implizite) Annahmen, dass etwas „erhaltenswert“ ist beziehungsweise „überleben soll“. Dabei ist aber häufig nicht klar, respektive es wird nicht diskutiert, was als erhaltenswert angesehen wird. So können totalitäre Systeme etwa als sehr resiliente Systeme betrachtet werden, aber sind diese erhaltenswert? Allgemein stellt sich die Frage zwischen Bewahrung und Wandel. So kann etwa die Wandlungsfähigkeit als bewahrenswert angesehen werden. Hier besteht mitunter ein Paradoxon (Schneider & Vogt, 2018, S. 104 f.). Übertragen auf die zuvor geführte Argumentation bedeutet dies, dass nicht alle wirtschaftlichen Systeme erhaltenswert sind beziehungsweise eine Diskussion darüber geführt werden müsste, was als erhaltenswert gesehen wird und was einer Transformation unterlegen ist respektive sein sollte.

In den Wirtschaftswissenschaften ist die Transformation eher positiv konnotiert. So sind Innovation und Wandel in der Tradition von Joseph Schumpeter positive Transformatoren der Wirtschaft und Gesellschaft (siehe zur Aufgabe des Unternehmers und der Bedeutung der Innovation: Schumpeter, 2006). Der Umbruch und die Erschaffung von Neuem sind inhärente Elemente des wirtschaftlichen Systems. Die zu Beginn des Kapitels beschriebenen Störungen und Anpassungsfähigkeiten, beziehungsweise der Umgang mit Störungen im Sinne der Resilienz, sind positiv zu bewerten. Diese Störungen werden durch die Systemakteure wie Unternehmer*innen selbst erzeugt. Eine Wirtschaft, die dem Unternehmertum gegenüber positiv eingestellt ist und dieses fördert, könnte als resiliente Wirtschaft beschrieben werden. Dies unter der Annahme, dass bestehende, respektive alte, Gleichgewichte nach Störungen nicht wieder eingenommen werden, sondern dass sich aus den Störungen neue Gleichgewichte ergeben. Je nach verwendeter Definition von Resilienz ergeben sich hier somit unterschiedliche Implikationen und Interpretationen.

Nach Schumpeter (2006) beinhaltet das „kapitalistische“ System inhärent die „schöpferische Zerstörung“. Bedeutsam ist die Durchsetzung beziehungsweise Realisierung immer neuer Faktorkombinationen in Form von neuen Produkten und neuen Qualitäten eines bekannten Gutes (zum Beispiel Dienstleistungen), neuen Produktionsmethoden, der Erschließung neuer Absatzmärkte, neuen Organisationsformen oder neuen Formen der Beschaffung. Die schöpferische Zerstörung kann sich in diesem Sinne sowohl auf Neuerungen einzelner Technologien oder Produkte und Dienstleistungen als auch auf gesamte Märkte oder Branchen beziehen. Die Zerstörung ist als Entwertung technisch funktionsfähiger Produkte oder Dienstleistungen zu sehen, die mit der Einführung neuartiger Produkte und Produktionsverfahren einhergeht. Festgefahrene Marktstrukturen und Wettbewerbspositionen werden aufgebrochen und transformiert. Dieser schöpferischen Zerstörung kommt eine hohe Bedeutung innerhalb einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung zu, da hierdurch (theoretisch) für eine verbesserte Ressourcenallokation und Wettbewerbstätigkeit gesorgt wird. Dabei sind Unternehmer*innen (Entrepreneure) die treibende Kraft in der Durchsetzung und Realisierung immer neuer Faktorkombinationen.

Innovationen entwickeln sich durch die schöpferische Zerstörung der Entrepreneure dynamisch weiter. Als „Lohn“ erzielen diese dabei „Pioniergewinne“ (siehe dazu grundlegend Schumpeter, 2006, 2020; zur aktuellen Diskussion siehe Frambach et al., 2019).

Nun stellt sich nochmals die Frage: Sind diese Systeme resilient? Sie nehmen jedenfalls neue Gleichgewichtszustände ein und passen sich an veränderte Faktoren nach einer Störung an. Sie haben einen „dauerhaften“ Bestand im Sinne einer (kapitalistischen) Wirtschaftsordnung, sind aber nicht beständig, sondern transformieren sich. Hier besteht ein mögliches paradoxes Verhältnis zwischen Bewahrung und Wandel, zumindest aus theoretischer Sicht. In diesem Sinne könnte von resilienten Systemen gesprochen werden. Die normative Dimension, dass das (kapitalistische) Wirtschaftssystem „überleben“ soll, ist auf einer anderen Ebene zu diskutieren. So nehmen Theorie, Modelle und Konzepte einer postkapitalistischen Gesellschaft und Wirtschaftsordnung diese Fragstellungen auf und diskutieren Konstrukte einer neuen Gesellschaft respektive „(Welt)Wirtschaftsordnung“ (siehe zu den letztgenannten Konzepten beispielsweise Druck, 1993; Mason, 2016; kritischer hierzu auch Ostheimer, 2018).

Ostheimer (2018) vertritt die These, dass Resilienz als gesamtheitliche (gesellschaftliche) Kulturaufgabe zu verstehen ist. Dies bedeutet, dass Resilienz als ein Ziel einer gesellschaftlichen Transformation verstanden werden kann, um die Gesellschaft auf die bereits bestehenden Umweltveränderungen vorzubereiten. Erreicht werden kann dies nur, wenn bei Entscheidungen kulturelle Praktiken, Denkweisen, Wahrnehmungen, Gewohnheiten und Machtverteilungen adäquat berücksichtigt werden. Neben der Resilienz sind in diesem Zusammenhang Konzepte der Nachhaltigkeit und Transformation zu betrachten. Dabei sind Konzepte der Resilienz oftmals reaktiver angelegt als Konzepte zur Nachhaltigkeit (wenngleich Ostheimer anmerkt, dass die Grenzen fließend sind). Resilienz wird oft mit der Aufrechterhaltung beziehungsweise Wiederherstellung „gestörter“ Handlungsfähigkeiten verstanden. Dabei steht die Gestaltung nicht immer im Fokus. Nachhaltigkeitskonzepte sind eher präskriptiv. Es werden Vorgaben für Menschen und Gesellschaft zur „Nutzung“ der Natur gemacht (Ostheimer, 2018, S. 327–328, 330–331, 335).

Auch auf der individuellen Ebene des Menschen kommt dem Begriff der Resilienz aktuell eine besondere Bedeutung zu. Im Praxiskontext des Alltags fokussiert die Literatur oftmals auf das Bereitstellen von Ratgebern und Anleitungen, um den Menschen resilienter, etwa im Sinne psychischer Widerstandskraft, und als Ziel, „fitter“ für den Arbeitsmarkt zu machen. Dabei wird die Stärkung des Belastungsempfindens im privaten und beruflichen Bereich oft adressiert. So gilt Resilienz als wünschenswerte Persönlichkeitseigenschaft, welche sich im beruflichen Leben, aber auch im Privatleben „auszahlt“. Daher ist der Begriff der Resilienz in der Berichterstattung auch in populären Medien „etabliert“ (Karidi et al., 2018, S. 2; Weiß et al., 2018, S. 13 f.; Rungius et al., 2018, S. 35; Ostheimer, 2018, S. 330).

Aufgrund der Ursachen und Wirkungen der heutigen VUCA-Welt (Volatility/Volatilität, Uncertainty/Unsicherheit, Complexity/Komplexität, Ambiguity/Doppeldeutigkeit) wird Resilienz als ein bedeutendes Konzept sowohl auf der individuellen als auch auf der organisationalen Ebene, insbesondere bei Unternehmen, gesehen. Das VUCA-Konzept, welches ursprünglich aus den sich verändernden Bedingungen und Bewertungen im militärischen Kontext entstanden ist und auf den wirtschaftlichen Kontext übertragen wurde, impliziert schnelle und flexible Anpassungen der Organisationen an sich verändernde Umfeldbedingungen. Dabei können Konzepte wie etwa die Dialogic-Organizational-Development-Theorie (DOD) genutzt werden, um Organisationen und ihre Mitglieder gemeinschaftlich im Sinne des Changemanagements weiterzuentwickeln. Dabei werden in der Organisation unter anderem „dialogische Denkräume“ etabliert. Generell ist es das Ziel, einen Austausch von Personen zu Veränderungen (intern/extern) und eine Diskussion im Sinne von Aushandlungsprozessen zu ermöglichen. Im Kern geht es um die Entdeckung (und spätere Nutzung) von Gelegenheiten (Opportunities), indem „neu gedacht“ und Bestehendes hinterfragt wird. Vor diesem Hintergrund sollen Führungskräfte Resilienz durch eine höhere Überzeugung der Selbstwirksamkeit, einen Vertrauensaufbau in die Selbstorganisation und somit eine Abgabe der Führungsverantwortung aufbauen (Lenz, 2019, S. 51–56 und S. 67; siehe zur DOD- und Containmenttheorie und ihren Grundlagen u. a. Bushe & Marshak, 2009, 2014, 2016).

Die Anforderungen an die Arbeitswelt, wie zum Beispiel verkürzte (Zeit-)Budgets, eine Zunahme und Verdichtung von Aufgaben sowie eine Individualisierung von Produkten und Dienstleistungen, sind gestiegen. Als Auswirkung ergibt sich auf der individuellen Ebene oftmals eine Zunahme des Stresserlebens (Stress, verstanden als negativer Saldo von Anforderungen und zur Verfügung stehenden Ressourcen), was zu psychischen Belastungen oder Burn-out im Sinne von psychischen Krisen führen kann. Resilienten Menschen wird ein „besserer“ Umgang mit Belastungen zugeschrieben, da sie vermeintlich über „bessere“ Copingstrategien (Bewältigungsstrategien) im Umgang mit Stressoren (intern/extern) verfügen. Dabei sollen sogenannte Resilienzschlüssel (zum Beispiel Achtsamkeit, Ungewissheitstoleranz, Veränderungsbereitschaft, Akzeptanz, Optimismus, Selbstwirksamkeit, Eigenverantwortung, Netzwerkorientierung, Lösungsorientierung, Zukunftsorientierung), welche als psychologische Faktoren die Bewältigung der Belastungssituation unterstützen, das Stresserleben senken und zu einem besseren Umgang mit Stress führen (Heller & Gallenmüller, 2019, S. 4–9). Neben den Mitarbeitenden wird Führungskräften oftmals zugeschrieben, dass sie eine erhöhte Resilienz benötigen, um die Veränderungen der Umwelt im Sinne des Wandels unter anderem hin zu neuen Geschäftsmodellen gestalten zu können (Lenz, 2019, S. 50). Dabei sollte der VUCA-Welt mit einer Offenheit begegnet werden, denn ohne die VUCA-Entwicklungen würde es vermutlich keinen Fortschritt, also keine Entwicklung geben. So werden durch VUCA-Auswirkungen selbstorganisierende, offene Systeme beschrieben, zu denen Menschen, Organisationen und Gesellschaften gehören; und: VUCA hat es immer schon gegeben. Es ist Systemen inhärent (Braak & Elle, 2019, S. 70).

Demnach ist nicht nur die individuelle Resilienz im beruflichen Kontext von Bedeutung. Auch Organisationen und ihre Unternehmenskultur sollten resilient ausgestaltet sein. Auf Basis der ISO-Norm 22316:2017 wird organisationale Resilienz durch neun Elemente beschrieben beziehungsweise definiert (Heller & Gallenmüller, 2019, S. 13 f. in der Übersetzung der ISO-Norm):

  • Geteilte Vision und klares Ziel.

  • Umfeld verstehen und beeinflussen.

  • Effektive und ermutigende Führung.

  • Resilienzfördernde Kultur.

  • Information und Wissen teilen.

  • Verfügbarkeit von Ressourcen.

  • Koordinierte Unternehmensbereiche.

  • Kontinuierliche Verbesserungen.

  • Veränderungen antizipieren und managen.

Aus einer organisationspsychologischen Sicht kann eine Organisation als resilient bezeichnet werden, wenn diese entsprechende Rahmenbedingungen für die Organisationsmitglieder schafft sowie Unterstützung des Verhaltens der Organisationsmitglieder (Individuum/Team) leistet. Somit steht im Kern die Generierung von Arbeitsbedingungen, um ein resilientes Verhalten durch organisationale Ressourcen zu ermöglichen, zum Beispiel durch erweiterte Handlungsspielräume, Unterstützungen durch Vorgesetze sowie eine „optimale“ Menge an Aufgaben im Sinne der Arbeitsintensität (Soucek et al., 2019, S. 104). In dieser Betrachtung steht somit das Individuum im Fokus (zu Resilienz im Kontext von Teams siehe exemplarisch Huber, 2019).

Strukturell kann organisationale Resilienz auch auf der Mikro-, Meso- und Makroebene gesehen werden. Je nach Zuordnung sind diese Aspekte auf den Ebenen des Individuums, der innerbetrieblichen Zusammenarbeit sowie der Interaktion nach außen angesiedelt. Alle drei Ebenen sollten so gestaltet sein, dass Störungen frühzeitig erkannt und rechtzeitig gehandelt werden können (Heller et al., 2019, S. 134). Cronenberg (2020) spricht auf den drei Ebenen von individueller Resilienz (Mikroebene: Individuum), Teamresilienz (Mesoebene: Team) und organisationaler Resilienz (Makroebene: Prozesse und Organisationsstrukturen) mit Wechselwirkungen und Wechselbeziehungen nach außen, beispielsweise in Unternehmensnetzwerke. Die drei Ebenen sind dabei interdependent. Allgemein ist das Mindset (mentale Grundhaltung) und somit die Bereitschaft zum Lernen (handlungsgeleitetes Lernen durch Erfahrungen und Feedbackprozesse) für das Anstreben von Resilienz von besonderer Bedeutung. Dabei kommt unter anderem einer schnellen Wahrnehmung von Veränderungen und der Entwicklung von (kreativen) Lösungen und der Bereitstellung von Ressourcen eine besondere Bedeutung zu. Resilienzfördernde Maßnahmen sind zum Beispiel eine generelle Offenheit für Feedback sowie die Etablierung von Feedbackprozessen auf der organisationalen Ebene. Das Ziel ist eine gesamtheitliche Organisationsentwicklung, welche aus den (weiteren) wechselseitigen Elementen der Unternehmensstrategie, der digitalen Transformation und der organisationalen Resilienz besteht (Cronenberg, 2020, S. 28–35 und 53–55).

Im Rahmen der Organisationsentwicklung können Störungen auftreten. Störungen können dabei organisationale Krisen hervorrufen. Diese organisationalen Krisen stellen Belastungssituationen dar, die keine Normalität sind. Erfahrungen werden hinterfragt, da die Lösungsmuster, das heißt die „gute Praxis der Vergangenheit“, nicht angewendet werden können. Somit ist nach neuen Lösungsmustern zu suchen. Dabei kommt es oft zu einem Vertrauensverlust in das Gelernte und Erlebte aufgrund eines Stabilitätsverlustes. In der Summe kann eine organisationale Krise als Bedrohung der organisationalen Identität verstanden werden (faktische Präsenz als wahrnehmbares Erscheinungsbild; Soziales und Verbindungen als soziale Einbindung; Produkt, Leistung, Produktivität als Leistungsdimension, materielle Ressourcen als materieller Status; operative Werte als Identitätsmarkierung) (Hoffmann, 2016, S. 24–26).

Organisationale Resilienz steht in diesem Zusammenhang für die Interaktion von Ressourcen, Kompetenzen und Performanzen auf der individuellen, intersubjektiven und organisatorischen Ebene. Als Folge werden in der Interaktion mit der Umwelt Resilienzen ausgebildet, da die Interaktionen die organisationale Identität gefährden und so Anpassungen der Organisation vorgenommen werden müssen, welche diese als soziales System absichern und die Organisationsentwicklung ermöglichen (Hoffmann, 2016, S. 27; siehe ausführlicher auch Hoffmann, 2017).

Vor diesem begrifflich-konzeptionellen Hintergrund liefert das vorliegende Herausgeberwerk einen weiteren, vertiefenden Beitrag zum Verständnis von Resilienz durch Organisationsentwicklung in Forschung und Praxis, der an empirischen Erfahrungen und Erkenntnissen ansetzt.

1.2 Anwendungsbeispiele in der Praxis

Adrienne Perucca und Jochen Schellinger liefern im folgenden Beitrag zu Resilienz durch Unternehmenskultur eine Betrachtung von Korruptionsprävention zur Vermeidung von Reputationskrisen (siehe Kap. 2). Das Auftreten von Korruption im Unternehmen kann für das Unternehmen zu unterschiedlichen Risiken wie beispielsweise zu einer Verschlechterung der Reputation, zu Umsatzeinbußen und zu unterschiedlichen Kosten führen. Zur Steigerung der Resilienz kann als Instrument das Risikomanagement zur Korruptionsprävention betrachtet werden. Perruca und Schellinger entwickeln ein integriertes Modell zur Krisenvermeidung, welches dazu beitragen kann, Korruptionsrisiken zu vermindern und in Reputationskrisen den potenziellen Schaden zu begrenzen. Von besonderer Bedeutung im Modell ist dabei die Unternehmenskultur. Es verdeutlicht angenommene Wirkungszusammenhänge im Krisenkontext. Im Rahmen der qualitativen Expert*innenbefragung zeigt sich auch aus praktischer Sicht die hohe Bedeutung der Unternehmenskultur und -kommunikation im Kontext der Korruptionsprävention und der Sicherung der Unternehmensreputation. Dies ist sowohl im Präventionsfall als auch in der Regulierung eines Korruptionsfalls von Bedeutung. Somit trägt eine in der Unternehmenskultur verankerte Korruptionsprävention zur Steigerung der Resilienz bei.

Neue Arbeitsformen können zur Steigerung der Zufriedenheit und zur psychischen Gesundheit im Sinne der Resilienz beitragen. Von besonderer Bedeutung sind hier neue Arbeitsformen des Co-Working, welche in den letzten Jahren an Bedeutung in der Praxis weltweit zugenommen haben. Aber auch das Angebot von Co-Working-Spaces selbst ist resilient zu gestalten. Ramon Guignard und Nada Endrissat liefern in ihrem Beitrag zum Businessmodell Co-Working eine Diskussion von Geschäftsmodellinnovationen zur nachhaltigen Entwicklung Schweizer Co-Working-Spaces. Aktuell erzielen ca. 50 Prozent aller Co-Working-Spaces keinen Gewinn. Daher sind sie auf neue beziehungsweise zusätzliche Einnahmequellen angewiesen. In den letzten Jahren hat sich eine starke Differenzierung und Entwicklung neuer Geschäftsmodelle von Co-Working-Spaces ergeben. Guignard und Endrissat bearbeiten die Frage nach den erfolgversprechendsten Geschäftsmodellen von Co-Working-Spaces zur nachhaltigen Existenzsicherung. Hierzu wurden über 20 Co-Working-Spaces in der Schweiz hinsichtlich ihres Geschäftsmodells analysiert. Es zeigen sich vier unterschiedliche, grundlegende Co-Working-Konzepte: Co-Working pur (Community-Space), Co-Working light (Bürogemeinschaft), Co-Working professionell (flexibler Büroarbeitsplatz) und Co-Working en passant (Durchgangsbüro).

Mögliche Rollen der Energieversorger bei der E-Mobilität werden durch Thomas Steiner und Etienne Rumo diskutiert. Die steigende Elektromobilität ist unter anderem ein Auslöser eines wachsenden Interesses von Energieversorgungsunternehmen hinsichtlich neuartiger Lösungsansätzen zur Bedienung dieses gewinnbringenden Marktes. Aus der Sicht der Resilienz wird der erfolgreiche Transformationsprozess der BKW AG von einem lokalen Energieversorgungsunternehmen zu einem international tätigen Energie- und Infrastrukturunternehmen mit Sitz in Bern veranschaulicht. Das Beispiel zeigt, dass gezielte Organisationsentwicklungsmaßnahmen und eine starke Innovationskraft in einem schnellen und disruptiven Umfeld zu einer Resilienz beitragen. Im Fallbeispiel werden unterschiedliche Erfolgsfaktoren für ein Energieversorgungsunternehmen hinsichtlich der Veränderungen im Bereich der Elektromobilität diskutiert. Von besonderer Bedeutung sind die veränderten Umweltfaktoren, die Organisationsentwicklung durch Corporate Venturing vor dem Hintergrund der Resilienz durch Innovation in großen, etablierten Unternehmen.

Die Autoren und Autorinnen Lukas Steiner, Marc Landolf, Ingrid Kissling-Näf und Nadine Hietschold betrachten die Thematik „Resilienz durch soziale Innovation“. Sie analysieren und diskutieren mögliche Erfolgsfaktoren und Barrieren von sozialen Innovationen in der Stadtregion Bern. Es wird deutlich, dass soziale Innovationen, welche neue Lösungen für soziale Probleme liefern, zur Resilienz einer Gesellschaft beitragen. Damit das Potenzial zielgerichtet genutzt werden kann, ist es wichtig, die Erfolgsfaktoren und Hindernisse bei der Umsetzung von sozialen Innovationen zu verstehen. Im Rahmen einer Interviewstudie werden die Erfolgsfaktoren und Barrieren für soziale Innovationen im Raum Bern herausgearbeitet. So ist es wichtig, eine hohe Abstützung der sozialen Innovation in der Gesellschaft, zum Beispiel in Form von Netzwerken, vorzunehmen. Als Ergebnis werden grundsätzlich vier Erfolgsfaktoren identifiziert: „gesellschaftlicher Mehrwert“, „Ressourcen“, „Kompetenzen“ sowie „Motivation“. Auch konnten vier Barrieren herausgearbeitet werden: „finanzielle Mittel“, „Freiwilligenarbeit & personelle Ressourcen“, „administrativer Aufwand/Organisation“ sowie „gesetzliche Rahmenbedingungen“. Mögliche Fördermaßnahmen bewegen sich in den Bereichen: „Netzwerk“, „Finanzielle Mittel“, „Infrastruktur“, „Coaching“ und „Rahmenbedingungen“.

Elena Mirchevska und Nada Endrissat betrachten den Aspekt der Resilienz durch Innovation. Sie analysieren Fallstricke der Agilität für Innovationen. Um im heutigen hochkomplexen, unsicheren und volatilen Geschäftsumfeld überleben zu können, wird an Unternehmen herangetragen, dass diese agil und innovativ sein müssen, um den anstehenden Herausforderungen begegnen zu können. Um dies zu erreichen, müssen Unternehmen ihren Innovationsprozess auf eine dezentrale Organisation mit agilen Methoden und ein agiles Management umstellen. Diese Umstellung ist jedoch nicht einfach realisierbar. Dies ist insbesondere für Unternehmen der Fall, die gewohnt sind, zentral zu arbeiten. Mirchevska und Endrissat analysieren die Beziehung zwischen Innovation und agilen Methoden. Sie arbeiten die Vorteile, aber auch die Herausforderungen heraus, die sich für Teams ergeben können, wenn sie Agilität einsetzen, um ihre Innovation und letztlich die Resilienz ihrer Organisationseinheit zu steigern. Auf Basis einer empirischen Untersuchung in einem Schweizer Telekommunikationsunternehmen werden die positiven Auswirkungen sowie die Spannungen, die durch konkurrierende Anforderungen entstehen, analysiert. Der Beitrag, der sich mit den praktischen Spannungsfeldern bei der Umsetzung agiler Methoden befasst, weist eine Reihe von Querverbindungen zum späteren Beitrag von Schellinger und Bänziger auf, die den Resilienzaspekt Agilität im Kontext eines betrieblichen Human Resource Managements analysieren.

Wie ein agiles Mindset zur Resilienz beiträgt, verdeutlichen auch Alexander Hunziker und Carole Steiner in ihrem Beitrag. Sie zeigen auf, wie Initiativen zur Agilitätssteigerung gestaltet sein müssen, um zu einem Gelingen beizutragen. Hierzu wurden fünf erfolgreiche Agilisierungsprojekte untersucht. Die Analyse zeigt, dass die Implementierung agiler Methoden grundsätzlich nicht problematisch ist. Jedoch konnten Verbesserungspotenziale in drei Bereichen identifiziert werden: (1) Ein grundlegender Wandel bedarf eines zielgerichteten Changemanagements und eines guten Changeprojekts. (2) Die Beteiligung der Mitarbeitenden ist neu zu denken. Führungskräfte sind paradox gefordert. Aufgrund der Verunsicherung der Organisationsmitglieder sollten Führungskräfte ihre Führungsrolle explizit wahrnehmen. Gleichermaßen ist aber auch anzuraten, dass sie Führung abgeben, um zu einer Dezentralisierung beizutragen. Sonst besteht das Problem, dass die Selbstorganisation nicht vorangetrieben wird und nicht stattfindet. Dies trägt dann nicht zu einer Agilisierung bei. (3) Die Entwicklung auf individueller Ebene und auf der Ebene der Teamkultur zur Befähigung von Teams („inner work“), um mit den wegfallenden äußeren Strukturen zielführend umzugehen, ist von besonderer Bedeutung.

Roman von Burg und Kim Oliver Tokarski analysieren und diskutieren Resilienz durch kontinuierliche Prozessoptimierung. Sie erarbeiten explorative Erkenntnisse zur Erzeugung widerstandsfähiger Organisationen durch Kaizen und einer kollaborativen Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine. Vor dem Hintergrund der digitalen Transformation werden Maschinen, physische Roboter und Softwareroboter immer stärker im Arbeitsalltag eingesetzt. Bei einer „erfolgreichen“ Nutzung kann dies zu einer Erhöhung der organisatorischen Resilienz im Kontext von Unternehmensprozessen beitragen. Herausforderungen ergeben sich hier im Bereich Kaizen. So stellt sich etwa die Frage, inwieweit die digitale Transformation und die einhergehende Automatisierung mit der Kaizen-Philosophie verbunden werden können. Die empirische Untersuchung zeigt, dass es Limitierungen hinsichtlich der digitalen Anwendung von aktuell eingesetzten Tools und Methoden der Kaizen-Beratung gibt. Des Weiteren wird die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine durch das fehlende Know-how der Menschen über die Funktionsweise von maschinellen Tätigkeiten beeinträchtigt. Die Kaizen-Beratung sollte zukünftig eine Balance zwischen kontinuierlichen kleinen Schritten und der Optimierung ganzer Prozesslandschaften finden.

Eine Korrelation zwischen Growth Mindset und Agilität in Großunternehmen wird durch Marina Dujmovic-Bracak und Deane Harder anhand eines Fallbeispiels einer Schweizer Bank betrachtet. Auch hier wird also ein enger Zusammenhang von Agilität und Resilienz vermutet und zugrunde gelegt. Im Rahmen der Analyse lässt sich feststellen, dass für Agilität ein Growth Mindset notwendig ist. Allgemein wird das Konzept der Agilität als schwer fassbar angesehen. Die Analyse zeigt darüber hinaus, dass das Mindset kontextabhängig ist. Somit besteht einerseits ein Zusammenhang zwischen den Bereichen Growth Mindset und Agilität. Andererseits besteht ein Zusammenhang zwischen Growth Mindset und Arbeitsumfeld. Gleichwohl konnte keine direkte Korrelation zwischen einem Growth Mindset und dem Arbeitsumfeld festgestellt werden. Hieraus wird abgeleitet, dass Agilität oft gefordert wird, dass gleichwohl das Mindset aber zu wenig beachtet wird. Konventionelle (bestehende) Strukturen, beziehungsweise das Arbeitsumfeld, sind zur Förderung von Agilität und Mindset oftmals ungeeignet. Als Ergebnis der Analyse wurden Handlungsempfehlungen in den Bereichen Mensch, Unternehmensstruktur und Flexibilität erarbeitet. Diese sollen Unternehmen dazu dienen, zielgerichteter auf veränderte Arbeitsanforderungen sowie Umwelteinflüsse reagieren zu können und ihre organisatorische Resilienz zu erhöhen.

Der Beitrag von Julian Grimm und Kim Oliver Tokarski beschäftigt sich mit dem Führen in agilen, resilienten Organisationsstrukturen. Betrachtet werden Führungsansätze, Instrumente und die Rolle der Mitarbeitenden in agiler Führung als Ausprägung von Resilienz. Klassische Führungsansätze stoßen oftmals in einer komplexen VUCA-Welt, und den hiermit verbundenen Anforderungen an und Auswirkungen auf resiliente Organisationen sowie Mitarbeitende, vermeintlich an ihre Grenzen. Neue Ansätze und Konzepte im Kontext der Führung sollen zur Unternehmenssicherung und deren Weiterentwicklung beitragen. Dabei kommt dem Konzept der agilen Führung eine besondere Bedeutung zu. So übernehmen Mitarbeitende bei der agilen Führung mehr Verantwortung. Gleichermaßen verändert sich die Rolle der Führungskraft. Auf Basis einer qualitativen Untersuchung werden die Voraussetzungen, Ansätze und Ausprägungen agiler Führung sowie die Auswirkungen auf die Mitarbeitenden aus Praxissicht analysiert. Es wird unter anderem diskutiert, welche Kompetenzen und Fähigkeiten Mitarbeitende benötigen, um agil geführt zu werden.

Jochen Schellinger und Janosch Bänziger befassen sich mit der Ausgestaltung eines agilen Human Resource Management (HRM). Der Beitrag zeigt Konsequenzen agiler Unternehmensstrukturen für das HRM auf. Unternehmen haben den Bedarf nach Flexibilität und (kurzfristiger) Handlungsfähigkeit auf Basis der komplexen Anforderungen der Unternehmensumwelt. Effizienz- und Effektivitätssteigerungen und eine hiermit verbundene gesteigerte Resilienz werden dem Konzept der Agilität zugeschrieben. Agile Methoden und Prinzipien werden aktuell auf die ganze Organisation übertragen, so auch auf das HRM. Mögliche Auswirkungen auf das HRM werden bisher in der Literatur allerdings noch in geringem Maße thematisiert. Der Beitrag von Schellinger und Bänziger diskutiert die Frage, wie beziehungsweise inwieweit das HRM Agilität im Unternehmen unterstützen und sich dabei selbst agil organisieren kann. Aufbauend auf einer konzeptionellen Analyse wird eine qualitative Studie in Form leitfadengestützter Experteninterviews agilitätsaffiner Schweizer Unternehmen realisiert. Die Ergebnisse liefern ein Handlungs- und Wirkungsmodell. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Entwicklung eines agilen Mindsets in der Unternehmenskultur.

Flexible Arbeitsmodelle als Chance für Arbeitgebende zur steigenden Mitarbeitendenbindung werden durch Denise Egli und Margit Geiger analysiert. Für die meisten Unternehmen ist die Rekrutierung und Bindung von qualifizierten Mitarbeitenden ein zentraler Erfolgsfaktor, der durch personelle Qualität und Kontinuität auch dazu beiträgt, die Resilienz eines Unternehmens zu fördern. Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels ist die Rekrutierung von Fach- und Führungskräften, insbesondere im Bauwesen, Handwerk und im Bereich technischer Berufe, herausfordernd. Egli und Geiger verfolgen das Ziel, den aktuellen Einsatzes von flexiblen Arbeitsmodellen, deren Herausforderungen sowie die Zukunftsabsichten in ausgewählten Schweizer Unternehmen zu analysieren. Die Theorie zeigt, dass die arbeitsrechtlichen und sozialversicherungstechnischen Voraussetzungen die Bedürfnisse der aktuellen Arbeitswelt nicht genügend absichern können. Gründe für die Etablierung flexibler Arbeitsmodelle sind unter anderem die steigenden Forderungen nach mehr Flexibilität und das Bedürfnis nach einer gesunden Work-Life-Balance, was im Einklang mit Resilienz steht. Die vorliegende Studie zeigt, dass Teilzeitarbeit das am meisten verbreitete flexible Arbeitsmodell darstellt. Dabei sind die praktizierten Modelle nach aktuellem Stand meist zu wenig reguliert.

Juho Vuojela und Alberto Rascon diskutieren im letzten Beitrag des Bandes das Konzept des „too big to fail“ in der Anwendung auf Nicht-Finanzunternehmen. In diesem Kontext wird davon ausgegangen, dass eine zunehmende Unternehmensgröße in einem erweiterten gesellschaftlichen Kontext auch in höhere Resilienz im Sinne einer finanziellen Krisenresistenz durch eine hohe gesamtgesellschaftliche Relevanz des Unternehmens münden kann. In ihrem Beitrag entwickeln sie eine Bewertungsmethode für Nicht-Finanzunternehmen. Die Methode wird bei drei europäischen Großunternehmen angewendet. So wird analysiert, ob die Unternehmen als „too big to fail“ angesehen werden können (oder nicht). Als Ergebnis zeigt sich, dass der Volkswagen-Konzern strukturell „too big to fail“ ist, da viele Arbeitsplätze in Deutschland (und der Welt) von der Kontinuität der Geschäftstätigkeit abhängen. Royal Dutch Shell ist indirekt „too big to fail“, da ein potenzieller Konkurs die Londoner Börse zum Einsturz bringen könnte. Nach der Analysemethodik wird Anheuser-Busch InBev als nicht „too big to fail“ eingestuft, da das Unternehmen eher eine Ansammlung von Firmen als eine (homogene) Einheit ist.

Alle Beiträge thematisieren das Konzept der Resilienz auf unterschiedlichen Ebenen und Dimensionen. Sie sollen zu einem theoretischen, empirischen und praktischen Erkenntnisgewinn einer handlungsorientierten Resilienzforschung beitragen.