Zusammenfassung
Hannah Arendt eignet sich auf den ersten Blick nicht als Gewährsfrau für das politische und theoretische Projekt des Feminismus. Für die republikanische Denkerin war die Frauenfrage sui generis keine politische Frage, sondern eine Frage der sozialen Gleichheit, die nicht im öffentlichen Raum der politischen Angelegenheiten verhandelt werden sollte. Der Beitrag stellt zunächst die politischen und theoretischen Kontexte dar, in denen Arendt ihre umstrittene Unterscheidung zwischen privat, gesellschaftlich und öffentlich-politisch einführt. Anschließend werden ausgewählte feministische Rezeptionen von Arendts performativer Theorie des Politischen vorgestellt, die diese Grenzziehungen zwar vehement kritisieren, aber zugleich emanzipativ umdeuten.
Abstract
Prima facie, Hannah Arendt would not appear to be a suitable representative of the political and theoretical project that is feminism. For her, as a republican thinker, the question of women’s rights was not a political question sui generis, but one of social equality which should not be negotiated in the public space of political affairs. This paper firstly presents the political and theoretical context in which Arendt introduces her contentious differentiation between the private, social, and public/political spheres. Secondly, it presents select feminist receptions of Arendt’s performative theory of the political, which vehemently criticise these delineations whilst, at the same time, reinterpreting them in emancipatory ways.
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Notes
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Dazu gehören etwa Autorinnen wie Adrienne Rich, Mary O’Brien, Hanna Pitkin oder Wendy Brown, die „Arendt in einer ersten Welle der Rezeption vorwarfen, ‚wie ein Mann zu denken‘ und die Welt der Öffentlichkeit als männlich-heroische Welt großer Taten zu glorifizieren“ (Hark 2011, S. 361).
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Zum Hintergrund des Falles „Little Rock“ siehe die Anmerkungen zu „Little Rock“ (Arendt 1989a, S. 191–193).
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Ralph Ellison im Interview mit Robert Penn Warren, in: Who speaks for the Negro?, hier zitiert nach Young-Bruehl (1991, S. 436).
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Die Verbindlichkeit von Versprechen diskutiert Arendt exemplarisch anhand der US-amerikanischen Verfassungsgebung und hier vor allem im fünften Kapitel von Über die Revolution (Arendt 1994a, S. 232–276).
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Arendt entwickelt ihre Überlegungen zu Autorität am Beispiel der US-amerikanischen Ordnung. In dieser institutionell zwischen Autorität und Macht unterscheidenden Ordnung verfügen der Oberste Gerichtshof und die Verfassungsrichter nicht über Macht, sondern über Autorität (vgl. Straßenberger 2018a, S. 72–77).
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Eine frühe Abgrenzung autoritärer Autorität von autoritativer Autorität hat Carl Joachim Friedrich vorgenommen, um die herrschaftliche Praxis zentralisierter Autorität in totalitären Diktaturen von politischer Autorität in demokratischen Verfassungsstaaten zu unterscheiden (vgl. Friedrich 1960).
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Zu den Kippbewegungen politischer Autorität ins Autoritäre und dem grundsätzlich prekären Status demokratischer Autorität (vgl. Michael und Straßenberger 2018).
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Straßenberger, G. (2022). Privat – gesellschaftlich – öffentlich-politisch: Hannah Arendts Unterscheidungen in der feministischen Kritik. In: Burkart, G., Cichecki, D., Degele, N., Kahlert, H. (eds) Privat – öffentlich – politisch: Gesellschaftstheorien in feministischer Perspektive. Gesellschaftstheorien und Gender. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-35401-5_3
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