Zusammenfassung
Das Kapitel setzt sich mit den ambivalenten und verwirrenden Entwicklungen auseinander, die Feminismus und Gender Studies betreffen. National und transnational stellen sich heute viele Fragen an das „rally around the flag“ feministischer und queerer Politiken. Die Autorin verdeutlicht dies zunächst anhand von vier medialen Ereignissen, die bisherigen Deutungsmustern zuwiderlaufen, viele Fragen aufwerfen und zum Nachdenken anregen. Daran anknüpfend zeigt sie einige der Wege auf, die begangen werden müssen, um gegenwärtige Paradoxien zu entschlüsseln, mehr noch: als produktive Ansatzpunkte für Veränderungen sowohl emanzipatorischer Wissenschaft wie emanzipatorischer Politiken zu nutzen. Der Blick in die Geschichte feministischer Bewegungen zeigt, dass die historische Frauenbewegung um 1900 erfolgreich war, weil sie erfolgreich Strategien einer ‚politics of identitiy, of influence und of inclusion‘ verfolgt hat. So konnten nachhaltige soziale und kulturelle Veränderungen durchgesetzt werden, die auf einer demokratischen und kosmopolitischen Perspektive beruhten. Die Autorin schlägt vor, den Kanon der politischen Strategien um eine ‚politics of rejection and de-articulation‘ zu erweitern, damit die national-autoritären Ziele und historischen Kontinuitäten jener Öffentlichkeiten, die sich gegen Feminismus und Gender Studies richten, besser analysiert werden können.
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Notes
- 1.
So geschehen in einem privaten Gespräch.
- 2.
https://www.zdf.de/nachrichten/heute-journal/es-gibt-hier-eine-unwucht-ein-ungleichgewicht-100.html [31.05.2019]. Vgl. zu den Reaktionen auf das Interview Prommer und Linke 2019, S. 120–123.
- 3.
https://www.malisa-home.org/ [27.05.2019].
- 4.
Die verwendeten Zitate sind der Videoaufzeichnung des Interviews entnommen (siehe dazu Fußnote 3).
- 5.
Maria von Welser legte 1976 im Auftrag des damaligen Intendanten einen „Bericht zur Lage der weiblichen Mitarbeiter im WDR“ vor. Obwohl die Welser-Studie eine wissenschaftliche Leerstelle füllte, verschwand sie wegen ihrer angeblichen „Unwissenschaftlichkeit“ zunächst in der Schublade und wurde schließlich nur auf Drängen der daran beteiligten Frauen und mit Unterstützung von Gewerkschaft und Personalrat veröffentlicht (Bönninghausen 1990, S. 128–129).
- 6.
Vgl. zur Problematik dieses Begriffes Sebastian Scheele (2016).
- 7.
- 8.
Das Zitat stammt von William Faulkner, der es 1951 in „Requiem für eine Nonne“ einen Protagonisten sagen lässt. Christa Wolf beginnt 1976 ihren Roman „Kindheitsmuster“ mit diesem Satz.
- 9.
Ich erwähne das deshalb, weil heute oft zu lesen ist, dass die soziale Bewegungsforschung solche reaktionären bzw. rechtsextremen Öffentlichkeiten nicht berücksichtigt habe. Auch wenn das in der Tendenz stimmt, gilt das nicht pauschal.
- 10.
Zum Einstieg in die Debatte vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Mikroaggression [31.05.2019].
- 11.
Trotz der Auseinandersetzungen um diesen Beitrag ist dieser m.E. nicht zwingend als Vorwurf an die feministischen Frauenbewegungen zu lesen. Ich würde Fraser nicht darin folgen, dass es sich um in irgendeiner Weise bewusste Koalitionen oder ein „Sich-Vereinnahmen-Lassen“ des liberal-konservativen Flügels des amerikanischen Feminismus handelt. Wichtig erscheint mir aber der Hinweis auf die Notwendigkeit, queer-feministische Forderungen stets mit einer grundlegenden Gesellschaftskritik zu verbinden.
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Klaus, E. (2020). Die Gegenwart mit der Vergangenheit verbinden: Identität, Einflussnahme und Inklusion als Agenden queer_feministischer Öffentlichkeiten. In: Hausbacher, E., Herbst, L., Ostwald, J., Thiele, M. (eds) geschlecht_transkulturell. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-30263-4_2
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