Schlagworte

Einleitung

In den kommenden Jahren werden in Österreich Menschen aus geburtenstarken Jahrgängen (1956–1969), die sogenannten „Baby-Boomer“ (Wolf et al., 2015), in Pension gehen. Schätzungen zufolge betrifft dies bis zum Jahr 2034 ca. 750.000 Personen (Rapolter, 2015). Viele von ihnen werden in der Pension ihren Hobbies nachgehen und sich dabei auch körperlich betätigen. Diese Freizeitaktivitäten kompensieren jedoch oft nicht die berufsbedingte physische Aktivität (Barnett et al., 2014; Slingerland et al., 2007).

Mit zunehmendem Alter wirkt sich physische Inaktivität stärker auf die Gesundheit aus: körperliche Einschränkungen, Depressionen oder Gedächtnisverlust nehmen zu (Gomes et al., 2017). So zeigen Auswertungen des SHAREFootnote 1 Datensatzes für Österreich, dass 75 % der Befragten zwischen 50 und 64 Jahren ihre Gesundheit als gut bis ausgezeichnet einschätzen. Bei den über 65-Jährigen geht dieser Prozentsatz jedoch auf 56 % zurück (Halmdienst, 2019). Es ist daher damit zu rechnen, dass mit dem Pensionseintritt der „Baby-Boomer“ Generation in den nächsten Jahren nicht nur unser Pensionssystem, sondern in den Folgejahren auch unsere Gesundheits- und Langzeitpflegesysteme mit einer erhöhten Inanspruchnahme von Leistungen rechnen müssen (Famira-Mühlberger et al., 2017).

Um die Leistungsfähigkeit der Systeme zu sichern, sind eine Reihe von Interventionen auf politischer, gesellschaftlicher und individueller Ebene erforderlich. Mit Präventionsmaßnahmen kann Einfluss auf den Lebensstil genommen und die Anzahl an gesunden Lebensjahren verlängert werden (Hardt et al., 2019; Pott, 2016). Durch regelmäßige körperliche Aktivität lässt sich beispielsweise die Ausprägung von Diabetes Typ 2, Herzkreislauferkrankungen und Muskelschwäche im Alter verringern (Hardt et al., 2019).

In Zeiten von Fitness- und Gesundheits-Apps sind Informations- und Kommunikationstechnologien (kurz: IKT) zur Präventionsförderung nicht neu. Entwickelt werden diese Apps jedoch derzeit vorwiegend für die Zielgruppe der jüngeren und technikaffinen Menschen. Für ältere Menschen finden sich nur wenige auf sie zugeschnittene Fitness-Apps in den digitalen Vertriebsplattformen. Vereinzelt werden in kooperativen Forschungsprojekten entsprechende Fitness Apps entwickelt, wie beispielsweise CareInMovement (Schneider et al., 2020), ZentrAAL (Schneider et al., 2018), AgeWell (Schmied et al., 2020) oder Train&Win (Oppenauer-Meerskraut et al., 2017).

Mit dem Älterwerden der Baby-Boomer rückt eine neue Generation älterer Menschen nach, deren Arbeitsleben von Technologisierung geprägt war bzw. ist (Oertel, 2014), sodass mittlerweile fast 90 % der 50- bis 64 Jährigen über ein Smartphone verfügen (Bitkom, 2017). Es bieten sich daher neue Möglichkeiten, diese technikvertrautere Generation für die Nutzung unterstützender alters- bzw. bedarfsgerechter Technologien zu gewinnen. Diese sogenannten Active & Assisted Living (kurz: AAL) Technologien können dazu beitragen, positiv auf den Lebensstil Einfluss zu nehmen. Im Idealfall baut eine solche technische Lösung zielgruppengerecht auf bekannten Technologien, wie Smartphones, Tablets oder Sensoren auf und lässt sich entsprechend der Anforderungen im Alter ausbauen.

Vor diesem Hintergrund wurde die AAL-Testregion „Fit in einen neuen Lebensabschnitt mit neuen Technologien – AAL Testregion Salzburg/Wien (kurz: fit4AAL)“ initiiert, die das Thema IKT-gestützte Prävention und Gesundheitsförderung für technikvertrautere Generationen aufgreift. Ziel des Projektes war es, eine erweiterbare und leistbare Plug & Play AAL-Lösung für Menschen im Alter von 65+ umzusetzen, mit deren Hilfe einerseits der Nutzen von unterstützenden Technologien in gesunden Lebensjahren bzw. beim Übertritt in eine neue Lebensphase erfahren werden kann, und andererseits ein gesunder Lebensstil gefördert wird. Damit soll dazu beigetragen werden, ein möglichst langes und autonomes Leben in den eigenen vier Wänden zu ermöglichen.

Das technisch-unterstützte Bewegungsprogramm „Fit-mit-ILSE“, wurde über einen Zeitraum von 15 Monaten zusammen mit potenziellen und tatsächlichen Nutzer*innen entwickelt. „Fit-mit-ILSE“ bestand aus einer Fitness-App, die sowohl am Tablet als auch über den Fernseher genutzt werden konnte, und mit einem begleitenden persönlichen Fitness-Coaching kombiniert wurde. Zudem wurden auch einfache Smart Home Komponenten integriert, um sowohl das Training als auch die Entspannung nach dem Training zu unterstützen. Zu Projektstart war jedoch nur die Idee auf dem Papier vorhanden; bis zur Feldtestfähigkeit des Prototyps waren daher zahlreiche richtungsweisende Entscheidungen zu treffen.

Ziel dieses Beitrags ist es, den Bogen „von der Idee zum Prototyp“ zu spannen. Dabei wird zuerst auf die Zielgruppe eingegangen und im Anschluss daran der evidenzbasierte und nutzer*innenzentrierte Innovationsprozess (ENIP) vorgestellt, der zur Entwicklung des technisch-unterstützten Bewegungsprogramms „Fit-mit-ILSE“ führte. Zudem soll der Prototyp „Fit-mit-ILSE“ präsentiert und im Hinblick auf das Innovationspotenzial beschrieben werden.

Fit in einen neuen Lebensabschnitt mit neuen Technologien – AAL Testregion Salzburg/Wien (fit4AAL): die Zielgruppe

In der Testregion „fit4AAL“ wurde ein AAL-System für die Generation der Baby-Boomer umgesetzt, um diese Zielgruppe zu unterstützen, mehr Bewegung in ihren Alltag zu integrieren. Das „Lebensereignis“ der Pensionierung wurde genutzt, um den lebensabschnittsbezogenen „Neustart“ für die Auseinandersetzung mit neuen AAL-Technologien zu nutzen. Lebensereignisse sind Ereignisse, die zeitlich lokalisierbar und für die betroffene Person subjektiv bedeutsam sind. So kann die positive Bewältigung des Lebensereignisses der Pensionierung eine persönliche Weiterentwicklung bewirken (Hübner, 2017).

Mit Bezug auf das Kennenlernen von AAL-Technologien gilt es dabei jedoch zu berücksichtigen, dass nach der Pensionierung bei vielen zunächst die Freude und die Motivation überwiegt, unterschiedliche Aktivitäten, die im Laufe des Erwerbslebens aufgeschoben wurden, in Angriff zu nehmen. Diese Zeitspanne, die sogenannte „Honeymoon-Phase“ (Atchley & Barusch, 2004), galt es abzuwarten. Danach, unmittelbar vor dem Eintreten in die Phase der „Ruhestandsroutine“, wurde in der Zielgruppe mehr Aufnahmekapazität vermutet, sich auch mit neuen Technologien im Rahmen von Forschungs- und Entwicklungsprojekten vertraut zu machen.

Das app-basierte Bewegungsprogramm „Fit-mit-ILSE“ sollte daher in den Testregionen Salzburg und Wien die Zielgruppe der Pensionist*innen nach der „Honeymoon-Phase“ ansprechen, um ihnen Erfahrungen mit unterstützender Technologie in gesunden Lebensjahren zu ermöglichen. Für eine detailliertere Beschreibung der Rekrutierung und des Studiendesigns siehe Trukeschitz et al., 2019.

Auf dem Weg zu „Fit-mit-ILSE“:Evidenzbasierter und nutzer*innenzentrierter Innovationsprozess (ENIP)

Konzeption des ENIP Innovationsprozesses

Als Reaktion auf den demografischen Wandel wurden in den letzten Jahren viele AAL-Projekte mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Zielgruppen, sowohl national als auch international, durchgeführt (AAL Europe, 2020b; Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft, 2020). Für unterschiedliche Frage- bzw. Problemstellungen wurden bereits umfangreiche Anforderungsanalysen durchgeführt sowie Lösungsmöglichkeiten und Herausforderungen aufgezeigt, wodurch nun auf bestehendes Wissen (AAL Europe, 2020a) zurückgegriffen bzw. darauf aufgebaut werden kann. Um diese mittlerweile vorhandene Evidenz in der Projektentwicklung bzw. -abwicklung entsprechend zu berücksichtigen, wurde für die Konzeption des app-basierten Bewegungsprogramms „Fit-mit-ILSE“ der nutzer*innenzentrierte Basisinnovationsprozess für AAL-Projekte (Nedopil et al., 2013) weiterentwickelt. Der nutzer*innenzentrierte Innovationsprozess wurde zu einem „evidenzbasierten und nutzer*innenzentrierten Innovationsprozess (ENIP)“ ausgebaut.

Statt der „Phase 1: Verstehen“ des Basisinnovationsprozesses, in der es um das generelle Verständnis der Bedürfnisse der Zielgruppe sowie des Stands der Technik geht, greift „Phase 1: Ideenentwicklung“ des ENIP bestehendes Wissen aus Vorprojekten auf. Dabei wird die Übertragbarkeit der Ergebnisse aus Vorprojekten für eine bestimmte (vorher festzulegende) Zielgruppe überprüft. Darauf aufbauend werden neue Ideen zur Bedürfnisbefriedigung entwickelt und Anwendungsfälle definiert (vgl. Abb. 1). Zeigt sich in dieser Phase, dass wichtige (Basis-) Erkenntnisse fehlen, wird auf den Basisinnovationsprozess für AAL-Projekte zurückgegriffen und dort mit Phase 1 (Verstehen) fortgesetzt.

Abb. 1
figure 1

(eigene Darstellung)

ENIP – Evidenzbasierter und nutzer*innenzentrierter Innovationsprozess für AAL Projekte.

In Phase 2 (Co-Creation/Co-Design) werden die Ideen und Anwendungsfälle aus Phase 1 mit Endnutzer*innen diskutiert und danach entsprechend angepasst. Die sich daraus ergebenden inhaltlichen Konzepte und technischen Lösungen werden dann (wiederholt) unter Einbeziehung der Endnutzer*innen im Rahmen von Co-Creation und Co-Design Workshops adaptiert und weiterentwickelt.

Die abschließende Phase 3 (Testphase) sieht im Gegensatz zum Basisinnovationsprozess einen oder mehrere größer angelegte Feldtests zur Testung und Evaluierung des Gesamtsystems vor. Der übergreifende Block der Geschäftsmodellentwicklung, der Bestandteil dieser Art der Forschungs- und Entwicklungsprojekte ist, bleibt auch in der Weiterentwicklung des Modells unverändert.

Umsetzung des ENIP Innovationsprozesses

Der Fokus dieses Kapitels liegt auf den Phasen 1 und 2 des evidenzbasierten und nutzer*innenzentrierten Innovationsprozesses. Dabei werden die Ideenentwicklung, der Abgleich der Ideen mit der Zielgruppe, die gemeinsame Weiterentwicklung und das daraus resultierende AAL-System beschrieben. Die Umsetzung der ENIP Phase 3 (Testen) steht nicht im Fokus dieses Beitrags. Auf sie wird daher erst im letzten Kapitel „Diskussion und Ausblick“ bezuggenommen.

ENIP Phase 1: Die Ideenentwicklung

Mit der Ideenentwicklung zum app-basierten Bewegungsprogramm wurde vor dem Start der AAL-Testregion begonnen. Dabei wurde auf erste Erfahrungen aus Vorprojekten, in denen auch die Generation der Baby-Boomer eingebunden wurde, zurückgegriffen: Im Projekt ZentrAAL (Trukeschitz et al., 2018), das unterstützende Technologien für Betreutes Wohnen bot, gehörte rund ein Viertel der Teilnehmer*innen dieser Generation an. Bei CareInMovement (Schneider et al., 2020), in dem ein individuelles Bewegungsprogramm für Menschen mit Pflegebedarf entwickelt wurde, waren Baby-Boomer als pflegende Angehörige involviert.

Die Erfahrungen in ZentrAAL haben gezeigt, dass diese nachkommende Generation an Senior*innen relativ rasch und gut ein neues System erlernte. Im Rahmen der Testphase von CareInMovement stellte sich heraus, dass auch die Zielgruppe pflegebedürftiger Menschen mit einer auf ihre Bedürfnisse abgestimmten Fitness-App gut zurechtkam (Schneider et al., 2020; Trukeschitz & Blüher, 2018).

Aus den Erfahrungen dieser beiden AAL-Projekte entstand einerseits die Idee, ein System für eine technikvertrautere Zielgruppe älterer Menschen zu entwickeln und sie so den Nutzen von AAL-Technologien in gesunden Lebensjahren erfahren zu lassen. Andererseits wurde aus den Erfahrungen dieser Projekte der Anwendungsfall Bewegungsförderung zur Verbesserung und Erhaltung der eigenen Fitness abgeleitet. Mithilfe des zu entwickelnden app-basierten Bewegungsprogramms „Fit-mit-ILSE“ sollte Nutzer*innen daher ein abwechslungsreiches und digitales Trainingsprogramm für zu Hause zur Verfügung gestellt werden.

Aufbauend auf der Idee und dem Anwendungsfall wurden Szenarien zur Förderung eines aktiven Lebensstils und der körperlichen Fitness zur Prävention altersbedingter Erkrankungen mit Smart Service Komponenten konzipiert. Diese wurden in der letzten Ausbaustufe auch mit Smart Home Komponenten erweitert. Als Einsatzbereiche für das technisch-unterstützte Bewegungsprogramm wurden der eigene Wohnraum sowie der Bewegungsraum außerhalb der eigenen Wohnung definiert.

Aus bestehenden Erkenntnissen und Vorerfahrungen wurden bereits für den Projektantrag vier mögliche Anwendungsbereiche abgeleitet:

  • „Fit zu Hause“: Individuell an die eigene Fitness angepasste Bewegungsübungen sollen auf einem mobilen Endgerät und über den Fernseher (inkl. Übungsfeedbacksystem) angezeigt werden. Ein Fitness-Coach passt den Trainingsplan an die Fitness der Nutzer*innen an. Diese soll in einem persönlichen Treffen durch funktionelle Fitnesstests ermittelt werden. Smart Home Komponenten sollen das Training durch aktivierendes Licht unterstützen.

  • „Fit durch Wissen“: E-Learning Kurse sollen die Bedienung des Bewegungsprogramms unterstützen. Detaillierte Informationen zu Themen, wie gesunder Lebensstil in der Pension oder neue Technologien, sollen von den Projektpartner*innen erarbeitet und in diese Funktion integriert werden.

  • „Fit durch Entspannung“: Nach einer Trainingseinheit oder einem anstrengenden Tag soll die Wohnumgebung durch Licht- und Temperaturregelung in eine Wohlfühloase verwandelt werden. Entspannungstechniken sollen auf einem mobilen Endgerät abgerufen werden können.

  • „Fit unterwegs“: Mit Hilfe von Wearables soll Bewegung an der frischen Luft mit bestimmten Messgrößen (z. B. zurückgelegte Schritte) erfassbar und damit auch über einen Zeitraum beobachtbar gemacht werden. Zusätzlich sollen Tourenvorschläge Outdoor-Aktivitäten fördern.

ENIP Phase 2: Co-Creation/Co-Design

In dieser Phase wurden die vier potenziellen Anwendungsbereiche mit der Zielgruppe im Rahmen von zwei aufeinander aufbauenden Lead-User Workshops besprochen, mit ihren Wünschen und Bedenken abgeglichen und im Anschluss daran konzeptionell weiterentwickelt. Lead-User werden in den Innovationsprozess einbezogen und sind Nutzer*innen, deren aktuelle Bedürfnisse in absehbarer Zeit am Markt relevant werden (von Hippel, 1986).

Lead-User Workshop 1

Der erste Lead User Workshop wurde von 12 Teilnehmer*innen in Salzburg und sechs in Wien (zehn Frauen und acht Männer) im Alter von durchschnittlich 67 Jahren besucht. Ziel des Workshops war es, aus Sicht der potenziellen Nutzer*innen mehr über die geplanten Anwendungsbereiche Fit zu Hause und Fit unterwegs, Fit durch Wissen und Fit durch Entspannung zu erfahren. Nach einer eingehenden Analyse gängiger Designs und Interaktionsmöglichkeiten von Fitness-Apps (User Interface-Analyse) wurden für den Workshop erste Designentwürfe, sogenannte Mockups, für eine Tablet-Anwendung erstellt. Basierend auf einem Interviewleitfaden und unter Berücksichtigung der Think-Aloud Methode (Jaspers et al., 2004) wurden die Entwürfe mit den Lead-Usern in Zweiergruppen diskutiert. Für die Diskussion der Mockups wurde eine eigene Einstiegsseite mit drei Einstiegspunkten „Bewegungsprogramm“, „Unterhaltsames Lernen“ und Smart Home „HEIMO“ entworfen (siehe Abb. 2). Des Weiteren wurden die Lead-User ersucht, den Entwickler*innen, ihre Eindrücke und Assoziationen zu den Mockups der Bewegungsübersichten (Übungen, Aktivitäten und Schritte) und dem Durchführen von Übungen (siehe Abb. 3) zu schildern.

Abb. 2
figure 2

(Quelle: Design Wittmann/Roider, 2018, Screenshot)

Mockup der Einstiegsseite ins Programm.

Abb. 3
figure 3

(Quelle: Design Wittmann/Roider, 2018, Screenshot)

Mockups (von links oben nach rechts unten) a Übersicht Übungen, b Übersicht Aktivitäten, c Übersicht Schritte und d Übungsdurchführung.

Die generelle Idee des technisch-unterstützten Bewegungsprogramms kam bei den Lead-Usern gut an. Einzig mit dem Thema „Smart Home“ konnten einige Workshop-Teilnehmer*innen wenig anfangen. Sie merkten an, dass sie intuitiv nicht nachvollziehen können, was mit dem Einstiegspunkt „HEIMO“ gemeint war.

Es kam klar heraus, dass vor allem die Themen rund um Bewegung und Lernen im Vordergrund stehen sollten. Der Bereich Smart Home wurde eher als Teilbereich gesehen, der zusätzlich angeboten und integriert werden kann. In Bezug auf die Systemumsetzung war es den Lead-Usern wichtig, dass sie auf einen Blick sehen, worum es geht. Vor allem bei den Diagrammen der Bewegungsübersichten merkten sie Verbesserungsbedarf an. Bei den Designelementen legten sie Wert auf gute Lesbarkeit und grafische Aufbereitung. So wurde bei einigen Designelementen die Schriftgröße der Mockups als zu klein bzw. der Kontrast als zu gering bemängelt. Für die Anwendungsbereiche „Fit zu Hause“ und „Fit unterwegs“ wurden Motivationsmaßnahmen bzw. Ziele, die selbst gesetzt werden können, angeregt. Des Weiteren wurde von mehreren Lead-Usern angemerkt, dass sie, gerade wenn es um Trainingsübungen geht, gerne zusätzlich eine zumindest partielle persönliche und fachkundige Betreuung hätten.

Lead-User Workshop 2

Am zweiten Lead User Workshop nahmen neun Personen in Salzburg und neun Personen in Wien (elf Frauen und sieben Männer) im Alter von durchschnittlich 65 Jahren teil. Die Gruppe setzte sich zusammen aus Personen, die bereits im Lead-User Workshop 1 Erfahrungen gesammelt hatten, und Personen, die neu für den Lead-User Workshop 2 rekrutiert wurden.

Ziel des zweiten Lead-User Workshops war es erstens, Feedback der Teilnehmer*innen zu den drei Fitness-App-Themenbereichen und ihren Unterfunktionen einzuholen. Basierend auf der Rückmeldung des ersten Lead-User Workshops wurden die Mockups zu den Themenbereichen „Fit zu Hause“, „Fit unterwegs“ und „Fit durch Wissen“ sowie die dazugehörigen Unterfunktionen weiterentwickelt (siehe Abb. 4). Das Smart Home System wurde nun als separater Themenbereich geführt. Des Weiteren wurde der Themenbereich „Fit zu Hause“ auch für die Fernsehanwendung aufbereitet. Die Lead-User wurden hierzu in Zweiergruppen aufgeteilt und bekamen Aufgaben, die sie mit den einzelnen Komponenten zu bewältigen hatten.

Zweitens sollten Erkenntnisse zur Installierbarkeit der Smart Home Komponenten und des Systems zur Anzeige und Kontrolle von Übungen am Fernseher (Übungsfeedbacksystem) gewonnen werden.

Drittens sollte auch der Systemname festgelegt werden. Zur Auswahl standen ILSE (individuell lebensfroh Sport erleben) und ALFI (Aktivität-Lebensfreude-Individualität). Die Lead-User wählten ILSE.

Abb. 4
figure 4

(Quelle: Salzburg Research, 2018, ILSE-App, Screenshot)

Mockup der App-Startseite am Tablet.

Im Rahmen des zweiten Workshops zeigte sich, dass die Lead-User die Tablet Mockups gut bedienen konnten. Hier gab es vor allem Verbesserungsvorschläge für die Benennung von Unterfunktionen sowie für die Menüführung (z. B. durchgängige Verwendung des gleichen Symbols für „Zurück“). Sowohl bei den Smart Home Komponenten als auch beim Übungsfeedbacksystem hat sich gezeigt, dass für den Prototyp, der im Feldtest getestet werden sollte, an der Vereinfachung der Installierbarkeit aus Nutzerperspektive noch gearbeitet werden musste.

Das AAL-System „Fit-mit-ILSE“ im Überblick

In diesem Abschnitt werden die Komponenten und Funktionen des gemeinsam mit Lead-Usern (weiter-)entwickelten AAL-Systems „Fit-mit-ILSE“ präsentiert. Das in der ENIP Phase 3 „Testen“ evaluiert wurde. Außerdem werden die Systemarchitektur und das persönliche Fitness-Coaching von „Fit-mit-ILSE“ vorgestellt.

Die technischen Komponenten von „Fit-mit-ILSE“

Für die Umsetzung von „Fit-mit-ILSE“ kamen folgende Komponenten zum Einsatz:

  • ILSE-App auf einem Android 10“ Tablet (Galaxy Tab A, Samsung Electronics Co., Ltd., Suwon, Südkorea)

  • Aktivitätstracker zum Aufzeichnen von physischen Aktivitäten (Gear Fit2 Pro, Samsung Electronics Co., Ltd., Suwon, Südkorea)

  • ILSE-App auf einem Tiefenbildkamerasystem (Persee, Orbbec 3D Technology International, Inc., Troy, Michigan, USA) als „ILSE-Übungsfeedbacksystem“ angeschlossen am TV-Gerät der Nutzer*innen

  • Smart Home Systemkomponenten – steuerbare Lampe (Zipato Bulb 2, Tri plus grupa d.o.o., Zagreb, Kroatien), Fernbedienung (Octan Z-Wave Plus, Nodon, St Cyr en Val, Frankreich), Strommessstecker (Wall Plug, Fibar Group S.A., Wysogotowo, Polen), Bewegungs- und Temperatursensor (Motion Sensor, Fibar Group S.A., Wysogotowo, Polen).

Die Anwendungsbereiche „Fit zu Hause“, „Fit unterwegs“ und “Fit durch Wissen“ wurden in Form einer Android-App realisiert, die auf einem Tablet vorinstalliert wurde. Für die Testphase (ENIP Phase 3) galt es ein leistbares (EUR 250 bis 300 pro Gerät), in hoher Stückzahl (100 bis 120 Stück) verfügbares, auf Android 6.0 oder höher laufendes 10 Zoll LTE Tablet zu finden.

Um Bewegung an der frischen Luft zu fördern, wurde der Anwendungsbereich „Fit unterwegs“ (enthielt Wander- und Radfahrrouten von outdooractive (outdooractive.com, Outdooractive AG, Immenstadt, Deutschland)) zusätzlich durch einen Aktivitätstracker auf einem Armband ergänzt. Auch für den Aktivitätstracker waren Leistbarkeit (EUR 150 bis 220 pro Gerät) und Verfügbarkeit (100 bis 120 Stück) wichtige Auswahlkriterien. Der Aktivitätstracker musste zudem in der Lage sein, Schritte und Aktivitäten wie Gehen, Laufen oder Radfahren automatisch zu erfassen. Weiters war relevant, dass Daten nicht personalisiert in der Cloud gespeichert wurden, sondern direkt mit dem „Fit-mit-ILSE“-System abgeglichen werden konnten.

Das Übungsfeedbacksystem zum Anwendungsbereich „Fit zu Hause“ wurde mithilfe eines Tiefenbildkamerasystems in Verbindung mit einem TV-Gerät umgesetzt. Die wichtigsten Kriterien für die Wahl des Geräts waren Preis (EUR 250 bis 300 pro Gerät), Einfachheit der Nutzung bzw. Installation sowie eine gute Qualität der Tiefenbilderkennung. Da ein bereits erprobtes System (Kinect V2, Microsoft, Redmond, USA) kurz vor Projektstart vom Markt genommen wurde, musste ein neues System ausgewählt werden. Die Wahl fiel auf Persee (Orbbec 3D Technology International, Inc., Troy, Michigan, USA).

Die Smart Home Systemkomponenten (steuerbare Lampe, Fernbedienung, Strommessstecker, Bewegungs- und Temperatursensor) sollten das Training daheim und die Entspannung unterstützen. Das Smart Home System „HEIMO“ wurde von der Projektpartner*in Salzburg AG eingebracht.

Anwendungsbereiche und Funktionen von „ILSE“

Dieser Abschnitt widmet sich dem AAL-System „Fit-mit-ILSE“ und seinen Funktionen. Die bereits erwähnten, im Rahmen der Co-Creation/Co-Design Phase definierten Funktionen der ILSE-App wurden in fünf Anwendungsbereiche zusammengefasst:

  • „Fit zu Hause“

  • „Fit unterwegs“

  • „Fit durch Wissen“

  • „Erreichtes“

  • „Coach“

  • „Heimo“

Abb. 5
figure 5

(Quelle: eigene Darstellung; Screenshots: Salzburg Research, 2020)

Überblick über die Funktionen der ILSE-App unterteilt nach Endgerät.

Zusätzlich zu den für die Nutzer*innen des app-basierten Bewegungsprogramms entwickelten Anwendungsbereichen wurde ein webbasiertes Trainer*innenportal entwickelt, mit dem die physischen ILSE-Coaches den Teilnehmer*innen Übungen personalisiert zuteilen konnten.

Der Gesamtumfang der Funktionen der ILSE-App wird in Abb. 5 dargestellt.

Die ILSE-App am Tablet beinhaltete alle Anwendungsbereiche und deren Funktionen. Die Anwendung des Übungsfeedbacksystems über die Orbbec Persee am Fernsehgerät beschränkte sich auf den Anwendungsbereich „Fit zu Hause“, welcher um den Bereich „Spiele & Support“ ergänzt wurde. Dieser diente dem spielerischen Erlernen des Umgangs mit dem Tiefenbildkamerasystem Persee und der Steuerung durch das Trainingsprogramm, das am Fernseher angezeigt wurde. Der Fokus lag hier vor allem auf dem Erlernen der Gestensteuerung und der Erklärung der Feedbackfunktionen, wie dem Zählen von Übungswiederholungen.

„Fit zu Hause“ war der Kernanwendungsbereich der ILSE-App. Individuell an das Fitnessniveau angepasste Bewegungsübungen konnten am Tablet aufgerufen werden (siehe Abb. 6). Eine Trainingseinheit wurde über Video, Text oder Sprache angeleitet. Das Trainingserlebnis wurde durch das tiefenbildkameraunterstützte Übungsfeedbacksystem erweitert (siehe Abb. 7). Hier werden Startpositionen erkannt, Übungswiederholungen gezählt und auf Instabilitäten im Bewegungsablauf hingewiesen (s. Kap. 6, Venek & Rieser, 2021). Ein Coach passte den Trainingsplan an die persönliche Fitness der Nutzer*innen an. Diese erfolgte in einem persönlichen Treffen durch funktionelle Fitnesstests (s. Kap. 7, Jungreitmayr, 2021b). Die Wohn- und Trainingsumgebung konnte durch aktivierendes Licht mittels Smart Home Komponenten verändert werden.

Abb. 6
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(Quelle: Salzburg Research, ILSE-App, 2019, Screenshot; Bildrechte: MyBodyCoach)

Angeleitete Bewegungsübung der Funktion „Fit zu Hause“ am Tablet.

Abb. 7
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(Quelle: Salzburg Research, 2019, ILSE- Persee App, Screenshot; Bildrechte: MyBodyCoach & Salzburg Research)

Anzeige der Fitness-Übung (links) und der Feedbackanzeige (rechts) am Fernseher.

Im Anwendungsbereich „Fit unterwegs“ konnten Vorschläge für Fahrrad- und Wandertourenvorschläge gesucht werden. Des Weiteren wurden Aktivitäten die vom Aktivitätstracker aufgezeichnet oder manuell eingegeben wurden in der Aktivitätsübersicht angezeigt (siehe Abb. 8).

Abb. 8
figure 8

(Quelle: Salzburg Research, 2019, ILSE-App, Screenshot)

Aktivitätsübersicht im Anwendungsbereich „Fit unterwegs“.

Der Bereich „Fit durch Wissen umfasste ein breites Angebot an eLearning-Inhalten rund um die Themen Bewegung und Gesundheit (siehe Abb. 9). Die Kurse wurden von den Projektpartner*innen gestaltet und zu unterschiedlichen Zeitpunkten freigeschalten.

Abb. 9
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(Quelle: Salzburg Research, 2019, ILSE-App, Screenshot)

Auswahl der Kurse unter „Fit durch Wissen“.

Neben den drei Hauptanwendungsbereichen „Fit zu Hause“,„ Fit unterwegs“ und „Fit durch Wissen“ verfügte „Fit-mit-ILSE“ noch über drei unterstützende Anwendungsbereiche: „Erreichtes“, „Heimo“ und „Coach“.

Mit „Erreichtes“ konnten Übersichten zu Trainings- und Wissensfortschritten sowie über erreichte Wochenmedaillen aufgerufen werden (siehe Abb. 10).

Abb. 10
figure 10

(Quelle: Salzburg Research, 2019, ILSE-App, Screenshot)

Beispielsübersicht der erreichten Trainingsziele in „Erreichtes“.

Unter dem Menüpunkt “Heimo“ fanden sich die angebundenen Smart Home Komponenten, die über diesen Menüpunkt bedient werden konnten (siehe Abb. 11). Über eine zusätzliche Fernbedienung konnten vier vorkonfigurierte Szenen für Training und Entspannung ausgewählt werden. Die Einbindung von Smart Home Komponenten ermöglichte den Teilnehmer*innen, einen Einblick in die Welt der Smart Home Technologien zu bekommen und deren Nutzen für sich zu bewerten.

Abb. 11
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(Quelle: Salzburg Research, 2019, ILSE-App, Screenshot)

„Heimo – Smart Home”.

Über den Anwendungsbereich „Coach“ konnten Termine mit dem Coach vereinbart und Fragen an den Coach über eine Chat-Funktion gestellt werden (siehe Abb. 12).

Abb. 12
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(Quelle: Salzburg Research, 2019, ILSE-App, Screenshot)

„Coach-Funktion“ zur Terminvereinbarung und zum Nachrichtenaustausch.

Über das „Trainer*innenportal“ konnten die ILSE-Coaches die Fitnessübungen und die Daten der Teilnehmer*innen verwalten. Das Trainer*innenportal war nicht Teil der ILSE-App, sondern wurde als Web-Applikation entwickelt. Diese Web-Applikation wurde entsprechend der technischen Möglichkeiten und auf Basis der Anforderungen der am Projekt beteiligten Fitness-Coaches erstellt. Das Portal ermöglichte es den Fitness-Coaches, einzelne Übungen in eine Übungsbibliothek zu laden, sowie mit Videos und Beschreibungen zu versehen, die dann automatisiert vertont wurden. Um eine automatische Randomisierung der einzelnen Tagestrainingseinheiten zu ermöglichen, konnten Übungen über sogenannte „Tags“ kategorisiert werden. Die Coaches konnten so verschiedene Vorlagen für Trainingseinheiten unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade mit jeweils 10, 20 und 30 min Dauer erstellen (siehe Abb. 13).

Abb. 13
figure 13

(Quelle: MyBodyCoach, 2019, ILSE Trainer*innenportal, Screenshot)

Vorlagenerstellung von Trainingseinheiten für die Trainer*innen.

Die Systemarchitektur von „ILSE“

Um die skizzierten Anwendungsbereiche der Fitness-App ILSE mit den beschriebenen Komponenten zu realisieren, wurde eine Systemarchitektur konzipiert, die bestehende Systeme und notwendige Neuentwicklungen bestmöglich vereint. Dabei beruhte die Systemarchitektur des AAL-Systems „Fit-mit-ILSE“ auf drei Säulen (siehe Abb. 14): i) ILSE Front-End (Anwendungen für die Nutzer*innen), ii) Back-End (Service-Komponenten) und iii) Administration (Anwendungen zur Betreuung und Wartung). Die hellen Boxen in Abb. 14 kennzeichnen bestehende Komponenten, während die dunklen Boxen Neuentwicklungen anzeigen.

Abb. 14
figure 14

(Quelle: eigene Darstellung)

Systemarchitektur „Fit-mit-ILSE“.

ILSE Front-End: Anwendungen für die Nutzer*innen

Bei den „Fit-mit-ILSE“ Nutzer*innen kamen die Komponenten Tablet, Tiefenbildkamera, Aktivitätstracker und Smart Home zum Einsatz. Jede Nutzer*inneninteraktion wurde mithilfe des Logging-Frameworks Matomo (Matomo 3.9.1, InnoCraft, Wellington, Neuseeland) aufgezeichnet. Daten, die nicht durch unmittelbare Systeminteraktion entstanden, z. B. Daten, die über den Aktivitätstracker erfasst wurden, wurden direkt an den ILSE-Server (gehostet von Salzburg Research) übermittelt.

Back-End: Service Komponenten

Das Back-End stellte alle Services, die für den Betrieb des ILSE Front-Ends und der Administration notwendig waren bereit. Die Kernkomponenten waren dabei der für das das System entwickelte ILSE-Server und das Authentifizierungsservice (OAuth2). Am ILSE-Server wurden unter anderem Daten zu Trainingsprogrammen und Fitnessübungen sowie Informationen zu Online-Kursen verarbeitet. Die Schnittstelle für die Anwendungen wurde über GraphQL, einem Framework zur Beschreibung von Web-basierten Schnittstellen, bereitgestellt.

Übungsvideos wurden über einen Medienserver („Video Service“) verwaltet. Für Tourenvorschläge wurden Inhalte von outdooractive zugekauft und eingebunden. Nutzer*innen-Interaktionen wurden für spätere Auswertung über das Logging-Service erfasst. Die Durchführung von Nutzer*innen-Befragungen erfolgten mittels der Online-Befragungs-Software LimeSurvey (Trukeschitz et al., 2020a, b, c).

Administration: Anwendungen zur Betreuung und Wartung

Für die Betreuung und Wartung des ILSE Systems standen für Systemadministrator*innen und Trainer*innen entsprechende Anwendungen zur Verfügung. Details zum Trainer User Interface (Trainer*inneportal) wurden im Abschnitt Anwendungsbereiche und Funktionen von „ILSE“ beschrieben.

„Fit-mit-ILSE“ Fitness-Coaching

Das Coaching im Rahmen von „Fit-mit-ILSE“ wurde als Kombination von persönlichem Kontakt und Fernbetreuung via App (siehe Abb. 15) konzipiert. Der Coaching-Ablauf sah dafür zwei persönliche (vor Ort) Termine vor dem Systemeinsatz und einen persönlichen Termin nach dem Systemeinsatz vor. Des Weiteren wurde die Möglichkeit der Fernbetreuung über das „Fit-mit-ILSE“-System oder das Telefon für den Systemeinsatz vorgesehen (Jungreitmayr, 2021a).

Abb. 15
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(Quelle: eigene Darstellung)

Coaching-Ablauf.

Der erste Termin diente dem persönlichen Kennenlernen zwischen Coach und ILSE-Nutzer*innen. Nach einem standardisierten Eingangsgespräch, bei dem sportliche Vorerfahrungen, Vorlieben und Erwartungen an das Programm wie auch körperliche Einschränkungen besprochen und erfasst wurden, folgten erste Testungen zur Erfassung der funktionalen Fitness. Der Ersttermin hatte einerseits zum Ziel, eine persönliche Bindung zwischen den ILSE-Nutzer*innen und dem Coach herzustellen und andererseits die Nutzer*innen mit den Fitnesstests vertraut zu machen.

Im Rahmen des zweiten Termins wurden die Fitnesstests erneut durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Testungen stellten die Entscheidungsgrundlage für das Zuweisen eines Fitnesslevels (siehe Abb. 16) durch den Coach dar. Dieser wiederum bestimmte den Schwierigkeitsgrad der Übungen für den Anwendungsbereich „Fit zu Hause“ (s. Kap. 7, Jungreitmayr, 2021b).

Abb. 16
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(Quelle: Jungreitmayr, 2021a)

Fitnesslevels für das „Fit-mit-ILSE“ Bewegungsprogramm.

Nach dem zweiten persönlichen Termin wurden den ILSE-Nutzer*innen die entsprechenden Trainingspläne über das ILSE-Trainer*innenportal (Jungreitmayr, 2021a) zugewiesen. Während der Trainings-/Remote-Phase wurden den Teilnehmer*innen alle 30 Tage neue Trainingspläne mit 10-, 20- und 30-minütigen Trainingseinheiten zugeteilt. Zudem wurde für die Teilnehmer*innen die Möglichkeit vorgesehen, direkt mit den ILSE-Coaches in Kontakt zu treten, entweder über das System oder telefonisch zu buchbaren Terminen.

Diskussion und Ausblick

Im Rahmen des Projekts „fit4AAL“ wurde ein evidenzbasierter und nutzer*innenzentrierter Innovationsprozess (ENIP) basierend auf dem Basisinnovationsprozess für AAL-Projekte konzipiert und das erste Mal angewandt. Der ENIP Ansatz ermöglicht es auf Evidenz, die durch den Basisinnovationsprozess in anderen Projekten gewonnen wurde, aufzubauen. Zudem besteht die Möglichkeit, wenn zu wenig Evidenz vorhanden ist, zum Basisinnovationsprozess zurückzukehren.

Die Zielgruppe des Projekts „fit4AAL“ wurde mit der technikvertrauteren Generation der Baby-Boomer festgelegt. Aufbauend auf bestehendem Wissen rund um diese Zielgruppe wurden schon in der Projektbeantragungsphase sehr konkrete Ideen und Anwendungsfälle entwickelt. Dies führte dazu, dass im Gegensatz zu früheren AAL-Projekten, das Ziel zu Projektstart viel klarer definiert war und unmittelbar mit den Arbeiten an der technischen Lösung begonnen werden konnte. Durch die Einbindung von Lead-Usern in der Co-Creation/Co-Design Phase war es möglich, die Ideen und Anwendungsfälle mit potenziellen Nutzer*innen zu diskutieren und auch weiterzuentwickeln. In dieser Phase nahmen vor allem die Anwendungsbereiche „Coach“ und „Erreichtes“ Gestalt an. Es war den Lead-Usern wichtig, dass es neben einer digitalen Trainingsmöglichkeit auch eine zumindest partielle persönliche und fachkundige Betreuung gibt. Des Weiteren legten sie Wert auf Motivationsmaßnahmen und eine übersichtliche Gestaltung des Erreichten. Interessant war auch, dass die Lead-User, nicht wie ursprünglich geplant, die Smart Home Lösung auf einer Ebene mit den Anwendungsbereichen „Fit zu Hause“, „Fit unterwegs“ und „Fit durch Wissen“ sahen, sondern als separaten Themenbereich.

Hinsichtlich der Zielgruppe ist auch anzumerken, dass die Durchführung der Lead-User Workshops sich einfacher mit technikvertrauteren Personen gestaltete, da auf technischen Vorkenntnissen aufgebaut werden konnte. Mit dem zunehmenden Technikverständnis stiegen jedoch auch die Ansprüche der Zielgruppe. Dies war vor allem bei der Diskussion der Designentwürfe ersichtlich. So wurde von den Lead-Usern immer wieder der Vergleich mit anderen Apps selbstständig hergestellt.

Das auf Basis der Phasen 1 und 2 des evidenzbasierten und nutzer*innenzentrierten Innovationsprozesses (ENIP) entwickelte „Fit-mit-ILSE“ System wurde in Phase 3 (Testen) des Innovationsprozesses in einem Randomised Controlled Trial mit 100 + Haushalten in Wien, Stadt und Land Salzburg erprobt (zum Studiendesign siehe Trukeschitz et al., 2019). Durch die begleitende Evaluierung der i) tatsächlichen Nutzung (Neuwirth et al., 2019; Neuwirth et al., 2020), der ii) Nutzungserfahrungen – User Experience – (Trukeschitz et al., 2020a, c, d), und der iii) Wirkungen von „Fit-mit-ILSE“ (Trukeschitz et al., 2020b; Ring-Dimitriou et al., 2020; Würth et al., 2020; Jungreitmayr, 2021a) wurden Aufschlüsse über Marktbarrieren und Markttauglichkeit für eine erfolgreiche Marktüberführung gewonnen.

Finanzierung und Danksagung

Dieser Beitrag ist im Rahmen des Projektes „fit4AAL: Fit in einen neuen Lebensabschnitt mit neuen Technologien – AAL Testregion Salzburg/Wien“ (Projektlaufzeit: 1.1.2018–31.12.2020) entstanden. „fit4AAL“ wurde durch das FFG „benefit“ Programm mit Mitteln des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie sowie Eigenbeiträgen der Konsortialpartner*innen finanziert. Kooperationspartner*innen im Projekt waren Salzburg Research Forschungsgesellschaft m. b. H. (Koordinatorin), MyBodyCoach (Mag. Sonja Jungreitmayr), Wirtschaftsuniversität Wien (Forschungsinstitut für Altersökonomie), SMART ASSETS Development GmbH, Care Consulting (Sonja Schiff, MA), 50plus GmbH, Universität Salzburg, Salzburg AG für Energie, Verkehr und Telekommunikation und bit media e-solutions GmbH. Ein Teil des Eigenmittelanteils des WU Forschungsinstituts für Altersökonomie wurde im Wege der Objektförderung durch den Fonds Soziales Wien (FSW) übernommen.

Wir danken allen Lead-Usern und Teilnehmer*innen der Feldtests des app-basierten Bewegungsprogramms „Fit-mit-ILSE“ für ihr Engagement und die Bereitschaft, ihre Erfahrungen mit uns zu teilen.