Schlagworte

Einleitung

Unser Beitrag stellt im Kontext des körperlich aktiven Alterns das Handeln von Menschen in den Mittelpunkt – und damit ein Phänomen, das wir alle nur zu gut kennen: obwohl wir genau wissen oder davon überzeugt sind, dass ein bestimmtes Verhalten (z. B. regelmäßige körperliche Bewegung) sinnvoll und wichtig ist, schaffen wir es nicht, dieses Verhalten in unseren Alltag zu integrieren. Am Beispiel des IKT-basierten Bewegungsprogramms Fit-mit-ILSE soll aufgezeigt werden, wie die Stärkung von selbstregulativen Kompetenzen dazu beiträgt, Bewegungsverhalten aufzubauen und langfristig zu festigen. Der Fokus soll dabei auf dem BarrieremanagementFootnote 1 liegen.

Bewegung im Alter – wichtig, aber schwer umzusetzen

Körperliche Einschränkungen im Alltag werden von 60 % der Österreicher*innen, die älter als 65 Jahre sind, erlebt (OECD, 2019). Ein Bewegungsausmaß von 150 min pro Woche in moderater bis hoher Intensität würde diesen Einschränkungen entgegenwirken und zur Erhaltung der physischen und psychischen Gesundheit beitragen (U.S. Department of Health & Human Services, 2018).

Wie die Statistiken zu Bewegungsverhalten zeigen, gelingt es jedoch nur einem gewissen Teil der Bevölkerung, ausreichend Bewegung in seinen Alltag einzupflegen und diese Verhaltensweisen auch langfristig aufrechtzuerhalten (Statistik-Austria, 2014). Zahlreiche Studien belegen, dass von vielen Personen die Absicht bekundet wird, sich mehr zu bewegen (wir sprechen von Verhaltensintention)– dass aber die Umsetzung in eine tatsächliche Handlung (z. B. eine Fitnesseinheit zu absolvieren) nur schwer gelingt (Godin & Conner, 2008; Maddux & Dawson, 2014). So berichtet bereits Fuchs (1997), dass der Beitrag der Verhaltensintention („Ich habe die Absicht, Sport zu treiben“) maximal 24 % des tatsächlich ausgeführten Verhaltens (Sportteilnahme) in der Altersgruppe der 41–70 jährigen erklärt. Eine Metaanalyse von McEachan et al. (2011) kommt zu vergleichbaren Ergebnissen in diesen Altersbereichen. Im nächsten Kapitel wird dieses Phänomen genauer betrachtet.

Die Intentions-Verhaltens-Lücke: warum wir nicht tun, was wir eigentlich wollten…

Hermine, 63 Jahre alt und seit zwei Jahren in Rente, hat einen anstrengenden Tag hinter sich. Morgens war sie mit ihrem Mann einkaufen. Danach hat sie wie immer das Mittagessen zubereitet und den Abwasch erledigt. Nachmittags kamen wie jeden Mittwoch die Enkelkinder zu Besuch, die Hermine mit Basteln und Spielen ganz in Anspruch nahmen. Jetzt ist es später Nachmittag. Eigentlich hat sich Hermine vorgenommen, heute noch ihre Fitnessübungen zu machen. Ihre Trainingstherapeutin hat ihr diese vor einem halben Jahr gegen ihre Rückenschmerzen empfohlen. Hermine fühlt sich müde, und gleich beginnt ihre Lieblingsserie im Fernsehen. Das Sofa und ein gemütlicher Fernsehabend locken. Hermine beschließt, ihr Fitnessprogramm auf einen der nächsten Tage zu verschieben…

Das Beispiel von Hermine illustriert das Zusammenspiel von der Absicht (Intention) etwas zu tun, und der Schwierigkeit, diese Absicht in ein tatsächliches Handeln zu überführen. Die Diskrepanz, die sich zwischen Absicht und Handeln auftut, wird als Intentions-Verhaltens-Lücke beschrieben (Sheeran, 2002). Die meisten Menschen können zahlreiche Beispiele aus ihrem Alltag nennen, in denen diese „Lücke“ zur unüberwindbaren Barriere wird.

Aber warum ist das so? Seit vielen Jahrzehnten beschäftigt sich die Psychologie mit der Frage, wie Verhalten entsteht und welche Faktoren dazu beitragen, Verhalten aufzubauen und/oder aufrecht zu erhalten. Insbesondere die sozial-kognitiven Modelle haben einen wesentlichen Beitrag zum Verständnis der Implementierung von Verhalten in die Lebenswelt von Menschen geleistet. Allen gemeinsam ist dabei die Frage, welche Faktoren und/oder Prozesse Verhalten bedingen bzw. entwickeln (für einen Überblick Lippke & Wiedemann, 2007). Die Arbeitsgruppe um Reinhard Fuchs (Fuchs, 1997, 2007, 2013; Göhner & Fuchs, 2007) hat in den letzten Jahren mehrere Modelle entwickelt, die den Aufbau und die Aufrechterhaltung von Verhaltensweisen im Kontext des gesundheitsorientierten Sporttreibens bzw. des körperlich-aktiven Lebensstils erklären sollen. Als zentrale Prämisse dieses Ansatzes kann die Annahme von Frederick H. Kanfer gelten, dass Verhalten auf zwei wesentlichen Informationsverarbeitungsprozessen beruht: automatisierten Prozessen – Fuchs (2013) spricht in diesem Zusammenhang von Gewohnheiten oder habituiertem Verhalten – und kontrollierten Prozessen (oft als intentionales Verhalten bezeichnet) (Kanfer et al., 2012).

Der Aufbau von Gewohnheiten ist in diesem Modell der Schlüssel für eine langfristige Verhaltensänderung. Gewohnheiten erleichtern das alltägliche Handeln, indem sie „kein langes Überlegen“ brauchen, sondern automatisch als Routine ablaufen.

Intentionales oder kontrolliertes Verhalten hingegen verlangt eine hohe Aufmerksamkeit und bewusste Steuerung. Die einzelnen Bewegungsabläufe sind noch wenig geübt und müssen geplant und überwacht, ggf. korrigiert und angepasst werden. Für diese aktiven Informationsprozesse wird deutlich mehr mentale Energie benötigt als für automatisierte Prozesse.

Umgekehrt bedeutet aber das Aufbauen neuer Gewohnheiten auch, dass zeitgleich mit alten Gewohnheiten gebrochen werden muss – und diese sich aufgrund ihrer oft jahrzehntelangen Verankerung im Alltag als sehr änderungsresistent erweisen. Umso bedeutsamer ist es, den Prozess der Verhaltensänderung sinnvoll zu unterstützen und gezielt den Übergang von Intention zu Habituation (und damit auch das Schließen der Intentions-Verhaltenslücke) zu erleichtern.

Führen wir uns noch einmal das Beispiel von Hermine vor Augen: wie könnte sich ihre Entscheidung, das Fitnessprogramm zu verschieben, vor dem Hintergrund der obigen Annahmen erklären? Hermines Alltag ist durch viele Gewohnheiten bestimmt – Einkaufen, Essen zubereiten, Enkelkinder betreuen, Fernsehserie schauen. Es verlangt ihr wenig aktive Regulation und Steuerung ab, diese Tätigkeiten auszuführen – sie sind bekannt, werden von Hermine gut beherrscht, kehren seit vielen Jahren regelmäßig wieder und laufen mittlerweile wie von selbst ab. Die Fitnessübungen hingegen sind erst seit einem halben Jahr in ihrem Verhaltensrepertoire. Hermine hat vielleicht ihre Sportkleidung nicht griffbereit, sie ist bei einigen Übungen noch unsicher und muss sich die Übungsbeschreibungen durchlesen, im Wohnzimmer muss erst der Wäscheständer weggeräumt werden, um Platz zu schaffen… Die aufwendige intentionale Handlung „Fitnessübungen“ trifft in diesem Fall konkret auf das Routinehandeln „Fernsehabend“ – und wird mit großer Wahrscheinlichkeit zugunsten der alten Gewohnheit aufgegeben.

Selbstregulation: die Intentions-Verhaltens-Lücke überwinden lernen

Übertragen auf die Terminologie der Intentions-Verhaltenslücke bedeutet dies: es sind die alteingesessenen, über Jahre manifestierten Gewohnheiten, die uns immer dann torpedieren, wenn wir neues Verhalten in die Tat umsetzen wollen. Sprichwörtlich könnte man sagen: der „innere Schweinehund“ lauert zwischen Intention und Verhalten und beißt sich mit seinen schlechten Gewohnheiten fest.

Doch wie gelingt es, der alten Gewohnheit ein Schnippchen zu schlagen? Auf Basis der obengenannten Modellansätze ist zu erwarten, dass der Aufbau neuer Gewohnheiten über den „steinigen Weg“ des zunächst intentionalen Verhaltens führt: Wir müssen Bedingungen schaffen, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass das intentionale Verhalten dem gewohnheitsmäßigen Verhalten überlegen ist. Je öfter es gelingt, das neue Verhalten auch tatsächlich zu zeigen, desto mehr wird dieses in Gewohnheit übergeführt: die Abläufe werden vertraut, sie gehen leichter von der Hand und bekommen einen festen Platz im Tagesablauf…

Kanfer et al. (2012) sehenin diesem Prozess den Schlüssel zum Erfolg in der Selbstregulationskompetenz einer Person. Selbstregulation bedeutet hierbei, dass eine Person prinzipiell in der Lage ist, das eigene Verhalten zu beobachten und zu hinterfragen, es zu bewerten und dessen Konsequenzen als Stellgrößen für nachfolgendes Verhalten (also z. B. Wiederholung) heranzuziehen. In Kanfers Modell der Selbstregulation (Kanfer, 1987) sind eine Reihe von Kompetenzen und Techniken benannt, die hierbei zum Tragen kommen.

Immer dann, wenn Gewohnheiten von einer Person hinterfragt und als dysfunktional bewertet werden – also z. B. zu wenig Bewegung im Alltag zu haben – setzen diese Selbstregulationsprozesse ein, um alternative Verhaltensweisen zu eruieren (welche neuen Ziele habe ich?), die Chancen auf eine erfolgreiche Verhaltensänderung (habe ich selbst Einfluss auf dieses Verhalten?) und die Konsequenzen abzustecken (Was habe ich für Kosten und Nutzen?).

Aufbauend auf den Annahmen von Kanfer (1987) entwickelte Fuchs (2013) das Motivations-Volitions-Konzept (MoVo) als Interventionsansatz, der darauf abzielt, „Menschen dabei zu helfen, einen gesundheitsförderlichen Lebensstil aufzubauen und fest in den Alltag zu integrieren (S. 32)“. MoVo stellt dabei nicht nur ein theoretisches Rahmenmodell dar, sondern wird mit MoVo-LISA (Fuchs et al., 2010, 2012), MoVo-Life bzw. M.O.B.I.L.I.S (Goehner & Fuchs, 2004) von mehreren standardisierten Programmen zur Verhaltensänderung flankiert.

Barrieremanagement: eine Kerngröße der Selbstregulation im MoVo-Modell

Das MoVo-Modell (Fuchs, 2007, 2013) unterscheidet zwei Phasen in der Entstehung einer Verhaltensepisode:

Die motivationale Phase bildet Parameter ab, die die Generierung eines Verhaltensziels bzw. der Stärke der Zielintention zum Gegenstand hat. Am Beispiel von Hermine kann dies wie folgt verdeutlicht werden:

  • Wie sehr hat Hermine das Gefühl, dass die Durchführung ihrer Fitnessübungen tatsächlich in ihrer Hand liegt? (Verhaltenskontrolle)

  • Welche Konsequenzen erwartet Hermine von ihrem Tun?

  • Wie sehr empfindet Hermine die Fitnessübungen als Tätigkeit, die zu ihrer Person, ihren Werten und Zielen passt? (Selbstkonkordanz)

Je nach Ausprägung dieser motivationalen Prämissen bildet sich eine Implementierungsintention. Sie beschreibt die Absichtsstärke, mit der Hermine nun zur Umsetzung ihres Bewegungsziels schreitet und legt das was, wann, wo und wie der Handlung fest.

Hier schließt sich die volitionale Phase an. In ihr werden alle Mechanismen gefasst, die unmittelbar auf die Initiierung der Handlung wirken. Dazu zählen neben situativen Auslösern (z. B. Tag und Uhrzeit: es ist Dienstag, 17:55 – Hermine macht sich fertig für ihren Yoga-Kurs) insbesondere die personalen Faktoren der volitionalen Intentionsabschirmung. Sie umfasst die Fähigkeit, Strategien zu entwickeln, um das positiv bewertete Ziel tatsächlich in konkretes Tun zu überführen und gegen konkurrierende Handlungen (z. B. Gewohnheiten) durchzusetzen. Um im Bild der Intentions-Verhaltens-Lücke zu bleiben, sind diese Strategien der „Kitt“, der die Lücke schließen hilft. Fuchs (2007, 2013) spricht in diesem Zusammenhang von Barrieremanagementstrategien. Sie helfen uns, unser erwünschtes Zielverhalten (z. B. den Yoga-Kurs besuchen) gegen konkurrierende Ziele (z. B. Fernsehen) abzuschirmen und Hindernisse (z. B. schlechtes Wetter) aktiv zu überwinden.

Erfolgreiches Barrieremanagement

Für ein erfolgreiches Barrieremanagement ist es zunächst notwendig, mögliche Barrieren zu detektieren und deren individuelle Wirksamkeit zu bestimmen. Unterschieden werden dabei innere und äußere Barrieren.

  • Innere Barrieren beschreiben in der Person selbst liegende Ursachen, die sich oftmals in motivationalen und emotionalen Aspekten ausdrücken. Dazu gehört z. B. Angst (etwa vor Verletzungen) oder der sprichwörtliche innere Schweinehund, der die Lustlosigkeit oder auch Bequemlichkeit verkörpert, sich tatsächlich aufs Rad zu schwingen oder die Laufschuhe zu schnüren.

  • Äußere Barrieren sind Hindernisse, die von außen auf die Person wirken. Dazu zählen etwa organisatorische Hürden (z. B. schlechte Verkehrsverbindungen zur Sportstätte), familiäre Verpflichtungen, Zeitmangel oder schlechtes Wetter.

Für die Bewältigung dieser Barrieren haben sich nach Göhner and Fuchs (2007) verschiedene Strategien als wirksam erwiesen. So kann man z. B.:

  • Sich aktiv motivieren, indem man sich die Vorteile vor Augen führt (z. B. ich weiß, wie gut es sich anfühlt, wenn ich meinen inneren Schweinehund überwunden habe),

  • Sich noch einmal die langfristigen Ziele vergegenwärtigen, die man erreichen möchte (z. B. mehr Beweglichkeit im Alltag oder weniger Rückenschmerzen),

  • Konkret planen (z. B. feste Trainingszeiten festlegen und diese im Kalender vermerken),

  • Bereits erzielte Erfolge als Bestätigung und Anreiz nutzen (z. B. indem man Bewegungsaufzeichnungen macht und Informationen über Umfang, Intensität oder Trainingshäufigkeit im Sinne eines Entwicklungsverlaufs nutzt),

  • „Umdenken“ und Barrieren als Herausforderung sehen (z. B. „jede/r kann bei schönem Wetter laufen gehen – ich schaffe es auch bei schlechtem Wetter“).

Personen, denen es gelingt, die eigenen Barrieren zu erkennen und Strategien zu entwickeln, diese gezielt und wirksam zu überwinden, zeigen eine hohe Selbstregulationskompetenz im Sinne des Barrieremanagements. Befunde aus der Arbeitsgruppe Fuchs (Fuchs et al., 20102012; Goehner & Fuchs, 2004) sprechen explizit die Entwicklung und Schulung des Barrieremanagements an und zeigen, dass hohe Kompetenzen im Barrieremanagement einen förderlichen Effekt auf den Aufbau eines körperlich-aktiven Lebensstils haben (Göhner et al., 20092012). Bislang werden diese Programme vornehmlich in „klassischen“ face-to-face Settings durchgeführt, in denen speziell geschulte MoVo-Instruktor*innen gemeinsam mit den Teilnehmer*innen in Kleingruppen arbeiteten.

Selbstregulation als Bestandteil IKT-basierter Ansätze

In den letzten Jahren wurden vermehrt Informations-Kommunikations-Technologien (IKT) in die Konzeption bzw. Erweiterung bestehender Interventionsprogramme zur Verhaltensänderung eingebettet. Die Nutzung von Apps hat sich dabei insbesondere zur Unterstützung der Aneignung eines gesundheitswirksamen Bewegungsverhaltens etabliert. Erste empirische Befunde zeigen, dass App-User in ihrer Verhaltensänderung, etwa dem Beitritt eines Fitnessstudios, unterstützt werden (Wang et al., 2016). Andererseits werden jedoch auch konträre Effekte berichtet. So finden Herrmann und Kim (2017), dass das mehrmonatige Nutzen einer Fitness-App das Gefühl reduziert, selbst die Kontrolle über das eigene Bewegungsverhalten zu haben, und die Intention für weitere körperliche Aktivität eher verringert. Die Autorinnen argumentieren, dass die sinnvolle Nutzung einer App zur Verhaltensänderung nur gelingen kann, wenn diese vor dem Hintergrund eines theoretischen Rahmenkonzeptes wissenschaftlich fundiert aufgesetzt wurde. Die Überblicksarbeit von Conroy et al. (2014) verdeutlicht und differenziert dieses Defizit. Die Analyse von 167 top-gerankten/top-gereihten „physical activity apps“ ergab zunächst zwei Typen:

  • Apps, die die edukativen Aspekte betonen. Diese verwenden als Strategien der Verhaltensänderung vornehmlich die Instruktion zu richtigem Trainieren (d. h. der korrekten Bewegungsausführung) sowie das modellhafte Demonstrieren (i. d. R. videobasiert).

  • Apps, die die motivationalen Aspekte betonen. Diese greifen Techniken der Selbstregulation und der sozialen Regulation auf, indem sie Feedback über das Erreichte geben und soziale Unterstützung einplanen.

Die Techniken, die den beiden Typen zugeordnet sind, werden in den jeweiligen Apps exklusiv verwendet. Ein „Misch-Typus“, der beide Zugänge vereint oder durch andere Techniken erweitert, wird von der Autorengruppe nicht identifiziert. Insgesamt werden pro App maximal 3–4 verschiedene Aspekte oder Techniken aufgegriffen. Selbstregulationstechniken wie etwa der Umgang mit Barrieren und Rückschlägen (Coping) oder Handlungsplanung werden nur marginal eingesetzt (insgesamt 7 Nennungen; 0.05 % aller genannten Techniken).

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Integration von App-Funktionen zur Förderung der Selbstregulationskompetenzen in IKT-basierte Bewegungsprogramme bislang noch unzureichend gelingt.

ILSE bewegt: Barrieremanagement im Rahmen eines IKT-basierten Bewegungsprogramms

Im Rahmen des Projektes „fit4AAL – Fit in einen neuen Lebensabschnitt mit neuen Technologien – AAL Testregion Salzburg/Wien“, einem von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) geförderten Projektes im Rahmen des Programms AAL (näheres dazu unter https://www.fit-mit-ilse.at/projekt/), wurde dieses Defizit aufgegriffen. Die Entwicklung des IKT-basierten multimodalen Programms „Fit-mit-ILSE“ verbindet dabei unter anderem die Förderung der körperlichen Aktivität, der motorischen Fitness und der Selbstregulationsfähigkeit (Schneider et al., 2022).

Die ILSE-App kann dabei sowohl über ein Tablet (© Samsung A6) als auch über ein Kamerasystem am TV-Gerät (© Orbec Persee) in Kombination mit einem Aktivitätstracker (© Samsung Gear fit 2 pro) genutzt werden. Die App stellt das Kernstück der Intervention dar und beinhaltet drei wesentliche Funktionen:

  • „Fit zu Hause“ dient insbesondere als Plattform für das personalisierte Fitnesstraining,

  • „Fit unterwegs“ ermöglicht das Planen und Aufzeichnen von Bewegung über den Aktivitätstracker, z. B. Anzahl der Schritte oder eine Radtour,

  • „Fit durch Wissen“ ergänzt die beiden „Bewegungsmodule“ durch Kurse, die Wissenswertes rund um das Thema Bewegung, Training, Ernährung, Motivation und Lebensplanung vermittelt.

„Mein zweites Ich“: Selbstregulation und Barrieremanagement mit ILSE

Das Modul „Fit durch Wissen“ wurde genutzt, um das Thema Verhaltensänderung aufzugreifen. Der Kurs „Mein zweites Ich“ thematisiert dabei explizit die Entwicklung und Nutzung von Selbstregulationstechniken. Der Aufbau des Kurses erfolgt in vier Modulen mit jeweils mehreren Kapiteln. Entlang eines Erzählfadens, der die Reise einer Person vom „alten Ich“ (= den alten, unliebsamen Gewohnheiten) hin zu einem „neuen Ich“ (= neuen, wünschenswerten Gewohnheiten) beschreibt, wird das Thema Verhaltensänderung in seinen wesentlichen Aspekten vorgestellt. Vor dem Hintergrund der theoretischen Grundlagen des MoVo-Modells (Fuchs, 2007) wird dabei zunächst Wissen über die Mechanismen, die unserem Verhalten zugrunde liegen, vermittelt. Diese Basis wird dann genutzt, um in Übungen und Aufgaben zu lernen, welche dieser Mechanismen ganz individuell „bei mir“ wirksam werden, wie man sie erkennt und insbesondere, wie man sie sich zu Nutze machen kann, um das gewünschte Verhalten zu regulieren und langfristig zu ändern.

Folgende Kerninhalte werden dabei angesprochen:

  • Motivation – Volition – Gewohnheit – Intention

  • Faktoren, die unser Verhalten beeinflussen, z. B. Soziale Aspekte und Selbstwirksamkeit

  • Schritte auf dem Weg zum neuen Verhalten

  • Meinen eigenen Weg zum „Neuen Ich“ finden

  • Ziele formulieren

  • Pläne machen

  • Barrieren erkennen und bewältigen (Abb. 1).

    Abb. 1
    figure 1

    Screenshot aus der ILSE-App: Kurs „Mein zweites Ich“

Die didaktische Aufbereitung erfolgt dabei so, dass das namensgebende „Zweite Ich“ in Form eines „Gewohnheitstiers“ an unserer Seite steht. Es begleitet uns wie ein Schatten, und wir müssen es erst kennenlernen, um seine Eigenschaften zu nutzen und ein „neues Ich“ zu erlangen (Abb. 2)

Thematisch orientiert sich die „Reise zum neuen Ich“ am Kernziel von ILSE, nämlich der Förderung von körperlicher Aktivität und Bewegung. So wird immer wieder der Bezug zu anderen Elementen der ILSE-App hergestellt, z. B. Fitnessübungen in „Fit zu Hause“ oder die Planung einer Radtour („Fit unterwegs“).

Abb. 2
figure 2

Screenshot aus der ILSE-App: Das Gewohnheitstier als stetiger Begleiter

Die Einbindung von interaktiven Übungsmöglichkeiten, Quizzen etc. ermöglicht zudem den einzelnen Nutzer*innen, ihr individuelles Profil von Gewohnheiten, Stärken und Schwächen kennenzulernen und insbesondere im Kapitel „Barrieren erkennen und bewältigen“ für die Verhaltensänderung zu nutzen.

Insgesamt wurde der Kurs „Mein zweites Ich“ so konzipiert, dass eine enge Anbindung an die anderen Module der ILSE-App gewährleistet ist und die Selbstregulationstechniken zum Aufbau eines körperlich-aktiven Lebensstils, wie sie im MoVo-Ansatz der Arbeitsgruppe um Fuchs (Fuchs, 2007; Göhner & Fuchs, 2007) propagiert werden, für die Zielgruppe aufbereitet wurden.

Evaluierung der Wirksamkeit von Fit-mit-ILSE auf das Barrieremanagement

Um der Forderung von Herrmann und Kim (2017) Rechnung zu tragen, wurde die Fit-mit-ILSE App theoriebasiert vor dem Hintergrund des MoVo-Modells (Fuchs, 2007) entwickelt und im Anschluss auf seine Wirksamkeit untersucht. Schwerpunkt dieses Beitrages ist die Evaluierung der Selbstregulationskompetenz „Barrieremanagement“. Von besonderem Interesse war die Frage, inwieweit sich die ILSE-Testgruppe (TG) hinsichtlich der Art der verwendeten Strategie als auch deren erlebten Wirksamkeit von der Kontrollgruppe (KG) unterscheidet. Insbesondere die Strategie der Bewegungsaufzeichnung, die ein zentraler Bestandteil von Fit-mit-ILSE ist, sollte zu t2 in der Testgruppe deutlich stärker ausgeprägt sein.

Aufgrund der eingeschränkten Seitenzahl folgt eine gekürzte Darstellung der Methode und Ergebnisse. Eine detaillierte Darstellung findet sich unter Würth et al. (2020)

Untersuchungsdesign und Stichprobe

Um die Entwicklung der Selbstregulationskompetenzen mit Fit-mit-ILSE zu prüfen, wurden subjektive Daten der Teilnehmenden mittels Online-Befragungen erhoben. Die Datenerhebung erfolgte zu drei Zeitpunkten über die Software LimeSurvey und wurde durch der Projektpartnerin WU Wien realisiert (siehe auch Schneider et al. (2022):

  • Vier Wochen vor Systemausgabe (= t0),

  • unmittelbar nach Systemausgabe (= t1),

  • und nach der 14 Wochen dauernden Intervention mit Fit-mit-ILSE (= t2).

Das Untersuchungsdesign entspricht einer kontrollierten, prospektiven Längsschnittstudie. Personen der TG und der KG haben dabei an einer mindestens 14-Wochen dauernden Feldtestphase (FT1) teilgenommen (vgl. Neuwirth et al., 2019). Die TG absolviert in diesem Zeitraum das Interventionsprogramm ILSE. Die KG dient als Vergleichs- und Wartegruppe.

Von den Studienteilnehmer*innen haben 204 Personen (TG = 81, KG = 123) die für die vorliegende Auswertung notwendigen Online-Befragungen zu den drei Erhebungszeitpunkten t0, t1 und t2 absolviert. Detaillierte Angaben zur Stichprobe sind dem Bericht von Trukeschitz et al., (2020) zu entnehmen.

Die Analyse von Geschlecht und Alter als markante Merkmale weist signifikante Unterschiede in der Stichprobe nach. So finden sich insgesamt mehr Frauen (n =  158) als Männer (n = 46) in der Studie. Zudem ist die Gruppe der Männer mit einem Durchschnittsalter von 69.63 Jahren (SD = 1.66) signifikant älter als die Gruppe der Frauen (65.42 Jahre; SD = 1.53).

Aufgrund der Unterschiede wurden Geschlecht und Alter als Co-Variablen in die statistischen Analysen mit aufgenommen, um deren Einflüsse auf die Ausprägungen und Veränderungen der Selbstregulationskompetenzen zu detektieren.

Erfassung des Barrieremanagements

Barrieremanagement umschreibt die Fähigkeit, Strategien zu entwickeln, um ein geplantes Verhalten auch dann in die Tat umzusetzen, wenn sich Widerstände oder Barrieren auftun. Diese Fähigkeit wurde auf fünf Inhaltsebenen abgebildet, wobei jeweils die Frage vorangestellt wurde: „Nutzen Sie die folgende Strategie, um Ihre Bewegungsvorsätze umzusetzen? Und wie funktioniert das bei Ihnen?“:

  • Ich halte mir die Vorteile von Bewegung vor Augen (z. B. Steigerung der Fitness und des Wohlbefindens) (Vorteile vor Augen führen),

  • Ich nehme schlechtes Wetter als Herausforderung (Wetter als Herausforderung),

  • Ich erinnere mich, wie gut es sich anfühlt, den „inneren Schweinehund“ zu überwinden (Schweinehund überwunden haben),

  • Ich mache mir einen möglichst konkreten Plan, z. B. hinsichtlich der Auswahl von Übungen, Wanderungen oder Radtouren (Konkreter Plan)

  • Ich mache Aufzeichnungen über mein Bewegungsausmaß (Bewegungsaufzeichnungen machen).

Für die Beantwortung der Fragen waren fünf mögliche Antwortkategorien zur Auswahl:

0 = Ich nutze diese Strategie nicht

1 = Ja, aber das funktioniert eigentlich nie

2 = Ja, aber das funktioniert nur manchmal

3 = Ja, das funktioniert auch meistens

4 = Ja, das funktioniert auch immer

Für die weiteren statistischen Berechnungen wurden folgende Datenaggregationen vorgenommen: Umkodieren der Originalvariablen in folgende Abstufungen

  • Anzahl der verwendeten Barrieremanagementstrategien: Aggregieren der Variablen zu einem Index der angewendeten Strategien – unabhängig von der Qualität der Anwendung. Die Aufsummierung über die fünf möglichen Strategien ergibt eine mögliche Ausprägung von 0 (keine Strategie wird verwendet) bis 5 (alle Strategien finden Verwendung).

  • Erfolgsindex_Barrieremanagement: Mittelwert über alle fünf Variablen für die umkodierten Werte der Originalvariablen (siehe oben.), wobei nur Angaben in die Berechnung einfließen, die die Ausprägung 1 bis 4 haben (Strategie wird auch tatsächlich angewendet)

  • Anwendung und Wirksamkeit jeder einzelnen Strategie über die Zeit: Aufgrund der Skalierung der Originalskalen wurde für die Bestimmung der Wechselwirkungen von Anwendung und Wirksamkeit bei entsprechender Anwendung einer Strategie ein Aggregieren der Daten wie folgt vorgenommen

0 = Ich nutze diese Strategie nicht

1 = Ja, aber das funktioniert eigentlich nie/manchmal

2 = Ja, das funktioniert auch meistens/immer

Durch diese Kategorisierung kann zwischen Nicht-Anwendung, wenig wirksamer und hoch wirksamer Anwendung differenziert werden.

Statistische Auswertung

Die statistische Verarbeitung der Daten erfolgte parametrisch mittels klassischer Methoden des allgemeinen linearen Modells. Die Analysen wurden mittels STATISTICA 13 (TIBCO Software Inc., 2017) vorgenommen.

Varianzanalysen

Die Auswertung erfolgte generell mittels Varianzanalyse mit Messwiederholung mit der unabhängigen Variablen (UV) „Gruppe“ (TG vs. KG) und den jeweiligen abhängigen Variablen (AV) des Barrieremanagements. Bei der Anwendung multivariater Varianzanalysen wurden univariate Nachfolgetests berechnet. Post-hoc Nachfolgetests wurden mittels Tukey HSD bestimmt. Als Messwiederholungsfaktor „Zeit“ dienten die drei Messzeitpunkte (t0, t1, t2). Die Voraussetzungen für parametrisches Testen wurden jeweils geprüft. Zur Kontrolle des Einflusses von Alter und Geschlecht wurde in die varianzanalytische Auswertung der unabhängige Faktor Geschlecht sowie Alter als stetige Kovariate eingebunden.

Abweichende Details zu den Analysen finden sich in den jeweiligen Ergebniskapiteln.

CHAID Analysen

Zur Bewertung der Fragestellung inwieweit sich die ILSE-TG hinsichtlich der Art und erlebten Wirksamkeit der verwendeten Strategie von der KG unterscheidet wurden CHAID-Analysen herangezogen. Diese erlauben eine komplexe Vernetzung von Chi-Quadrat-Unabhängigkeitstests zur Aufdeckung sogenannter Entscheidungsbäume. Auch die Einbeziehung von stetigen Prädiktoren ist möglich.

Im vorliegenden Fall sollte jeweils die Anwendung/Wirksamkeit der Barrieremanagement-Strategie zu t2 durch folgende Prädiktoren klassifiziert werden:

  • Zugehörigkeit zu TG oder KG

  • Anwendung/Wirksamkeit der Barrieremanagement-Strategie zu t0

  • Anwendung/Wirksamkeit der Barrieremanagement-Strategie zu t1

Da sich gezeigt hat, dass Alter und Geschlecht moderierende Wirkung zeigen, wurden diese Variablen ebenfalls in die Analyse einbezogen. Die CHAID-Analyse wurde auf eine minimale Anzahl von 10 Fällen pro Knoten festgelegt.

Ergebnisse

Die für diesen Beitrag relevanten Ergebnisse werden in gekürzter Form berichtet und können im Detail dem Forschungsbericht von Würth et al. (2020) entnommen werden.

Anzahl der Barrieremanagement-Strategien

Die Deskriptiva in Tab. 1 zeigen, dass im Schnitt zwischen 2 und 3 Strategien pro Gruppe und Zeitpunkt Anwendung finden.

Tab. 1 Deskriptiva für die Variable Anzahl Barrieremanagement (BM), gestuft nach Gruppe und Messzeitpunkt

Die inferenzstatistische Prüfung ergibt einen signifikanten Zeiteffekt (F2,402 = 3.14, p = .04, η2 = .02). Die post-hoc Nachfolgetests mittels Tukey HSD zeigen jedoch, dass dieser Effekt lediglich eine leichte Tendenz widerspiegelt: Zwischen t1 und t2 steigt die Anzahl der verwendeten Strategien an, verfehlt jedoch knapp die Signifikanzgrenze (p = .08) (vgl. Würth et al., 2020).

Die Herauspartialisierung der Variablen Alter und Geschlecht verändert diese Ergebnisse jedoch substantiell.

Es kann festgehalten werden, dass das Alter sowohl den Haupteffekt „Gruppe“ als auch den Interaktionseffekt „Gruppe*Geschlecht“ moderiert (Tab. 2).

Tab. 2 Inferenzstatistische Kennwerte für die Variable Anzahl Barrieremanagement, adjustiert nach Alter und Geschlecht

In Tab. 3 finden sich die relevanten Deskriptiva. Das Herauspartialisieren des Alters führt zu einem statistisch bedeutsamen Gruppeneffekt (Tab. 6).

Tab. 3 Deskriptiva für den Einfluss von Alter und Geschlecht auf den unabhängigen Faktor Gruppe für die Variable Anzahl Barrieremanagement.

Die Testgruppe weist demnach insgesamt mehr Strategien des Barrieremanagement auf als die Kontrollgruppe. Dieser Effekt kann durch die Interaktion zwischen Gruppe und Geschlecht noch präzisiert werden. Er kommt ausschließlich durch die Angaben der männlichen Teilnehmer in der Testgruppe zu Stande, die mit mehr als vier verwendeten Strategien den weitaus höchsten Wert aufweisen (Tab. 3).

Erfolg der Barrieremanagement-Strategien

Mehr noch als die Anzahl der verwendeten Strategien ist die Erfolgswahrscheinlichkeit, mit der eine Strategie zu einer tatsächlichen Durchführung einer Bewegungseinheit beiträgt, relevant.

Die Deskriptiva in Tab. 4 weisen generell auf eine mittlere Erfolgswahrscheinlichkeit hin, die alle Teilnehmer*innen ihren Strategien zuschreiben.

Tab. 4 Deskriptiva für die Variable Erfolg Barrieremanagement (BM), gestuft nach Gruppe und Messzeitpunkt

Die varianzanalytische Prüfung weist lediglich tendenzielle Effekte für den Faktor Zeit (F2,346 = 2.73, p = .07, η2 = .02) sowie die Interaktion Gruppe*Zeit (F2,346 = 2.48, p = .09, η2 = .01) aus. Sie deuten an, dass insbesondere die Testgruppe zu t2 ihren Strategien eine etwas bessere Erfolgsbilanz zuschreibt als die Kontrollgruppe. Eine klare statistische Absicherung ist jedoch nicht gegeben.

Die Herauspartialisierung der Variablen Alter und Geschlecht verändert auch diese Ergebnisse substanziell (Tab. 5 und 6).

Tab. 5 Inferenzstatistische Kennwerte für die Variable Erfolg Barrieremanagement, adjustiert nach Alter und Geschlecht
Tab. 6 Deskriptiva für den Einfluss von Alter und Geschlecht auf den unabhängigen Faktor Gruppe für die Variable Erfolg Barrieremanagement.

Insgesamt verschwindet durch das Herauspartialisieren des Alters der Effekt Gruppe*Geschlecht, der bei den männlichen Teilnehmern der Testgruppe signifikant höhere Werte aufweist als bei den anderen drei Gruppen.

Differenzierte Analyse von Anwendung und Wirksamkeit jeder einzelnen Barrieremanagement-Strategie

Basierend auf den CHAID Analysen ergab sich für jede der erhobenen Strategien folgendes Bild.

Strategie: Bewegungsaufzeichnungen machen

Die CHAID-Analyse zeigt, dass grundsätzlich die Strategie, Bewegungsverhalten aufzuzeichnen, auch zu t2 wenig eingesetzt wird (n = 141 bzw. 69 % geben an, die Strategie nie anzuwenden). Der Entscheidungsbaum weist jedoch nach, dass folgende Personengruppen eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, diese Strategie zu t2 erfolgreich zu nutzen:

  • Personen, die bereits zu t1 angaben, dass sie die Strategie erfolgreich nutzen (Chi2 = 87.87, p < .01).

  • Personen, die zu t1 zwar noch nicht auf diese Strategie zurückgegriffen haben, jedoch der Testgruppe angehören (Chi2 = 13.06, p < .01).

Insgesamt muss jedoch festgehalten werden, dass auch in der Testgruppe noch 71 % und damit der überwiegende Teil jener, die zu t1 die Strategie nicht angewendet haben, dies zu t2 so beibehalten.

Alter, Geschlecht sowie das Verhalten zu t0 zeigen keinen signifikanten Einfluss.

Strategie: Konkreter Plan

Für die Strategie „konkrete Bewegungspläne zu machen“ entscheiden sich zu t2 etwas mehr als die Hälfte aller Teilnehmer*innen. Als erfolgreich bezeichnen knapp ein Drittel diese Strategie (n = 64; 32 %). Der Entscheidungsbaum erweistt sich für diese Variable als sehr differenziert. Personen, die einen Bewegungsplan als Barrieremanagement-Strategie einsetzen, zeigen folgende Charakteristik für eine erfolgreiche Nutzung:

  • Personen, die bereits zu t1 angaben, dass die die Strategie erfolgreich nutzen (Chi2 = 53.25, p < .01).

  • Personen, die zu t1 nicht mehr auf diese Strategie zurückgegriffen haben, die jedoch zu t0 angaben, die Strategie erfolgreich anzuwenden (Chi2 = 22.23, p < .01).

  • Zudem weist im letzten Entscheidungsknoten das Geschlecht einen signifikanten Einfluss auf. Hierbei zeigt sich, dass Frauen, die die Strategie nie verwendet haben (also weder zu t1 noch zu t0) dies mit großer Mehrheit beibehalten. Männer hingegen versuchen sich vermehrt in der Anwendung der Strategie, wobei ihre Erfolgsquote gering ist (Chi2 = 6.80, p = .03).

Zu beachten ist, dass insbesondere die Gruppe der Männer im letzten Entscheidungsknoten mit n = 10 eine geringe Stärke besitzt.

Strategie: Schweinehund überwunden haben

Diese Strategie findet bei den meisten Teilnehmer*innen zu t2 hohen Zuspruch. Mehr als 80 % (n = 165) verwenden die Strategie, und mehr als die Hälfte davon berichten von einer erfolgreichen Anwendung (n = 89).

Die differenzierten Ergebnisse der CHAID-Analyse zeigen folgende Algorithmen: Besonders hohe Erfolgswahrscheinlichkeiten für eine erfolgreiche Anwendung haben:

  • Personen, die bereits zu t1 die Strategie erfolgreich angewandt haben (Chi2 = 76.53, p < .01),

  • Personen der Testgruppe, die zu t1 angeben, die Strategie mit wenig Erfolg genutzt zu haben, die aber zu t0 berichten, bereits erfolgreich gewesen zu sein (Chi2 = 12.29, p < .01),

  • Personen, die zu t0 berichten, erfolgreich die Strategie angewandt zu haben, zu t1 jedoch angeben, dass sie die Strategie aktuell nicht nutzen (Chi2 = 23.92, p < .01).

Alter und Geschlecht haben in dieser Analyse keinen signifikanten Einfluss auf die Klassifizierung.

Strategie: Vorteile vor Augen halten

Diese Strategie wird von der überwiegenden Anzahl der Teilnehmer*innen angewendet (n = 164; 81 %). In der differenzierten Betrachtung ergeben sich folgende Zusammenhänge: Erhöhte Wahrscheinlichkeit dafür, dass das vor Augen Halten von Vorteilen der Bewegungseinheit erfolgreich zur Umsetzung beiträgt, ist dann gegeben, wenn:

  • Personen bereits bei der ersten Datenerhebung zu t0 die Strategie als erfolgreich bewertet haben (Chi2 = 72.74, p < .01),

  • Mitglieder der Testgruppe, die zu t0 die Strategie wenig erfolgreich verwendet haben (Chi2 = 13.98, p < .01).

Auch für diese Strategie bleiben Alter und Geschlecht ohne Einfluss.

Strategie: Wetter als Herausforderung

Schlechtes Wetter gilt als eine der zentralen Barrieren für körperliche Aktivität und Bewegung. Die Strategie, schlechtes Wetter als Herausforderung zu sehen – und nicht als Hinderungsgrund – verwenden immerhin die Hälfte der Teilnehmer*innen am Ende der Fit-mit-ILSE Intervention (n = 103; 51 %). Die CHAID Analyse weist dafür nur einen Prädiktorknoten aus. Dieser zeigt, dass die Angaben zu t1 die Bewertungen zu t2 maßgeblich beeinflussen (Chi2 = 59.05, p < .01). Weder die Zugehörigkeit zu Gruppe, Alter oder Geschlecht erweisen sich als signifikante Einflussfaktoren.

Diskussion

Im Rahmen von Fit-mit-ILSE ist das Erlernen und Anwenden geeigneter Strategien zum Umgang mit Barrieren, die der (täglichen) Bewegungseinheit entgegenstehen, das zentrale Anliegen der sportpsychologischen Begleitung. Das Lernmodul „Mein zweites Ich“ hat sich daher intensiv mit dieser Thematik befasst. Aufbauend auf den Erkenntnissen und Theorien zur Erklärung von Verhalten sowie der Schritte und Kompetenzen, die es braucht, um neue Verhaltensweisen im Leben zu etablieren, wurde am Ende des Kurses explizit das Erkennen und Bewältigen von Barrieren behandelt. Dabei wurde auch auf individuelle Aspekte und Präferenzen eingegangen.

Die Evaluierung der Daten erfolgte zunächst auf der Ebene der quantitativen Nutzung verschiedener Strategien des Barrieremanagements. Abgefragt wurden 5 gängige Strategien, die auch im Rahmen des Lernkurses „Mein zweites Ich“ vorgestellt wurden. Hier zeigt sich, dass sowohl die Mitglieder der TG als auch der KG angeben, im Mittel etwa 2–3 dieser Strategien zu nutzen. Differenzierte Analysen weisen nach, dass tendenziell die Testgruppe am Ende des ILSE-Interventionszeitraumes mehr Strategien zur Anwendung bringt als die KG. Dies bestätigt zunächst die Annahme, dass eine Auseinandersetzung mit Techniken des Barrieremanagement auch die Quantität der subjektiv zur Verfügung stehenden Handlungsoptionen erhöht. Allerdings zeigen die Daten auch, dass eine Besonderheit in einer Substichprobe dieses Ergebnis massiv beeinflusst: Während bei den Frauen (sowohl in TG als auch in KG) und den Männern der KG die Anzahl der verwendeten Strategien zu allen drei Messzeitpunkten positiv korrelieren – je älter also die Teilnehmer*innen, desto mehr Strategien nennen sie ihr Eigen -, zeigt sich bei Männern der Testgruppe ein umgekehrter Effekt. Ein jüngeres Alter in dieser Gruppe geht mit einer Erhöhung der subjektiv verfügbaren Strategien einher. Dies erklärt, dass bei Herauspartialisieren des Alters der TG-Männer eine deutlich höhere Anzahl von Strategien zugeschrieben wird. Inhaltlich ist dieser Befund überraschend. Nachdem die Zuordnung zu TG und KG randomisiert erfolgte, ist ein systematischer Stichproben-Bias unwahrscheinlich. Da die Zusammenhänge zwischen Alter und Anzahl der Strategien zu allen drei Messzeitpunkten gegenläufig zu den Vergleichsgruppen liegen, ist ein spezifischer Interventionseffekt, z. B. dass Männer, die Fit-mit-ILSE nutzen, ganz besonders profitieren – insbesondere, wenn sie noch jünger sind -, ebenfalls auszuschließen. Somit bleibt letztlich spekulativ, welche Faktoren dieses Ergebnis bedingt haben. Nachfolgende Studien mit vergleichbaren Settings sollten Aufschluss geben können, ob es sich um eine zufällige Variation in der ILSE-Stichprobe gehandelt hat.

Neben der verfügbaren Anzahl von Bewältigungsstrategien, die gewissermaßen den Pool der potenziellen Handlungsmöglichkeiten darstellt, ist von entscheidender Bedeutung, ob die zur Verfügung stehenden Techniken auch als sinnvoll und wirksam erlebt werden. Alltagssprachlich formuliert: Was hilft mir ein Arsenal von Handlungsoptionen, wenn sie mich dem Ziel kein Stück näherbringen – weil sie z. B. völlig unpassend für meine Lebensumstände sind oder einfach nicht „zu mir passen“?

Aus diesem Grund wurden nicht nur die Strategien als solche abgefragt, sondern auch die Einschätzung der Teilnehmer*innen über deren Wirksamkeit. Der Vergleich der KG und TG über die Mittelwerte aller fünf erfassten Strategien weist lediglich kleine, statistisch allenfalls als Tendenz zu wertende Effekte aus. Sie unterstützen die eingangs formulierte Annahme, dass ein Üben mit Fit-mit-ILSE die Teilnehmer*innen auch darin schult, Barrieren wirksamer zu überwinden. Insgesamt liegt die Einschätzung der Wirksamkeit in einem mittleren Bereich. Auf einer Skala von 1 bis 4 („funktioniert nie“ bis „funktioniert eigentlich immer“) liegen die Mittelwerte zwischen M = 2.46 und M = 2.74. Dies würde einer Antwort „funktioniert meistens“ entsprechen.

Werden diese Ergebnisse an Alter und Geschlecht adjustiert, verschwinden die tendenziellen Gruppen- und Zeiteffekte jedoch. Insgesamt liegen demnach keine substantiellen Hinweise in den Daten vor, dass – über die Gesamtzahl der Strategien gerechnet – die Einschätzung deren Wirksamkeit durch die Fit-mit-ILSE Intervention gesteigert wird.

Barrieremanagementstrategien sprechen sehr unterschiedliche Aspekte des Handelns an. Sie können z. B. im Sinne einer emotionalen Antizipation („Ich stelle mir vor, wir gut es sich anfühlen wird, den Schweinhund überwunden zu haben“), konkreter Planungsstrategien („Ich suche mir eine konkrete Wanderroute über meine App“) oder auch motivationaler Komponenten („Ich zeichne meine Aktivitäten auf und nutze dies als zusätzliche Motivation für das Dabeibleiben“) genutzt werden (vgl. auch Göhner & Fuchs, 2007; Krämer & Fuchs, 2010). Daher wurden in einem zweiten Schritt differenzierte Analysen für jede der 5 Techniken vorgenommen. Mittels CHAID-Analysen wurde insbesondere untersucht, welche typische Charakteristik eine Person aufweist, die am Ende des Interventionszeitraumes eine Strategie als funktional und damit wirksam erlebt.

Diese Analysen zeigen, dass jede der einzelnen Strategien unterschiedlich häufig Anwendung findet und auch in der Wirksamkeit differenziert eingeschätzt wird. Insgesamt kann festgehalten werden, dass der stärkste Prädiktor für die Bewertung einer Bewältigungsstrategie zu t2 die gleiche Bewertung zu t1 oder t0 darstellt. Dies ist nicht weiter überraschend, da davon auszugehen ist, dass die Aussagen der Teilnehmer*innen auf einer jahrelangen oder gar jahrzehntelangen Erfahrung beruhen. Es handelt sich also um habituiertes Verhalten – um Gewohnheiten. Diese sind im Gegensatz zu intentionalem Verhalten sehr veränderungsresistent (Fuchs, 2007). Umso wichtiger war die Frage, ob durch die Fit-mit-ILSE Intervention diese Gewohnheiten stärker aufgebrochen werden konnten. Dieser Effekt konnte tatsächlich für drei der fünf Strategien nachgewiesen werden.

Bewegungsaufzeichnungen machen, um sich das eigene Bewegungsverhalten vor Augen zu führen und als Ansporn zu nutzen, wird generell wenig verwendet – nur etwa 30 % aller Teilnehmer*innen geben an, diese Strategie zu t2 zu verwenden, wobei ca. 18 % die Anwendung als Erfolg versprechend bewerten. Nimmt man jene Personen, die zu Beginn des Fit-mit-ILSE Testzeitraums diese Strategie noch gar nicht verfolgt haben, sind es immerhin ca. 17 % der Testgruppe, die zu t2 die Strategie nicht nur anwenden, sondern auch erfolgreich nutzen. Im Vergleich dazu sind es nur ca. 2 % in der KG. Dieses Ergebnis kann unmittelbar mit der Fit-mit-ILSE Intervention in Verbindung gebracht werden: In den Trainingsmodulen „Fit zu Hause“ und „Fit unterwegs“ werden explizit eine ganze Reihe von Möglichkeiten angeboten, das eigene Bewegungsverhalten aufzuzeichnen und die eigenen Leistungen und Erfolge im Anschluss abzurufen.

Den Schweinehund überwunden haben spiegelt die Technik wider, über die Antizipation einer positiven, emotionalen Konsequenz einer Bewegungseinheit das Verhalten anzustoßen: ich stelle mir vor, wie gut es sich anfühlen wird, wenn ich am Ende meines Trainings stolz darauf bin, dass ich es durchgeführt habe – obwohl ich vielleicht zu Beginn gar keine große Lust verspürt habe. Die Vorwegnahme positiver Handlungsfolge ist nicht nur für die Initiierung von Verhalten nutzbringend, sondern kann auch das Durchhalten im Verlauf einer längerdauernden Tätigkeit unterstützen. Somit spricht sie einen starken volitionalen Aspekt an. Nur 19 % der Gesamtstichprobe gibt an, auf diese Technik zu verzichten. Somit findet diese Technik weitaus mehr Nutzen, als die der Bewegungsaufzeichnung. Knapp die Hälfte (44 %) vermerkt, dass das Antizipieren des angenehmen Gefühls, die eigene Unlust überwunden zu haben, eine sehr erfolgreiche Maßnahme darstellt. Dies betrifft zu t2 insbesondere Personen, die die ILSE-Intervention durchlaufen haben. Wir führen diese Befunde auch auf die intensive Thematisierung des „Schweinehundes“ im Rahmen des Lernkurses „Mein zweites Ich“ zurück. Hier wird der „Schweinehund“ nicht als unbezwingbar dargestellt, sondern als ein Teil von uns selbst als „unser Gewohnheitstier“ adressiert, das viele gute Seiten hat. Insbesondere werden Möglichkeiten aufgezeigt, mit denen wir „unserem Gewohnheitstier“ neue, wünschenswerte Eigenschaften wie etwa regelmäßige körperliche Aktivität schmackhaft machen können.

Die Vorteile von Bewegung vor Augen halten ist schließlich eine weitere Strategie, die offenbar durch Fit-mit-ILSE positiv beeinflusst wird. Sie spricht ähnlich wie die Vorstellung der Überwindung des Schweinehunds eine Technik an, die mit der Visualisierung positiver Handlungsfolgen das gewünschte Verhalten in der Initiierung und Umsetzung unterstützen soll. Diese Technik stellt jedoch nicht die emotional-volitionalen Komponenten des „mich selbst Überwindens“ in den Vordergrund, sondern jene Konsequenzen, die mit der kognitiv-emotionalen Evaluation von Werten und Zielen verknüpft sind. Hier schließt sich auch der Kreis des MoVo-Ansatzes von Konsequenzerfahrungen und Selbstkonkordanz. Nehmen die Folgen eines körperlich-aktiven Lebensstils (z. B. bessere Fitness, mehr Handlungsspielraum im Alltag, Gewichtsverlust, Attraktivität) einen hohen Stellenwert im Leben ein, dann spiegeln sie zum einen hohe Selbstkonkordanz wider. Zum anderen können diese Werthaltungen aktiv als Strategie genutzt werden, sich zu konkreten Bewegungsepisoden zu motivieren. Insbesondere das explizite Formulieren der Vorteile einer Handlung stärkt den Fokus auf die positiven Aspekte und lässt mögliche unerwünschte Begleiterscheinungen leichter tolerieren. Insgesamt zeigt sich auch für diese Strategie, dass ihr zu t2 die Hälfte aller Teilnehmer*innen eine hohe Wirksamkeit in der eigenen Verhaltenssteuerung zuschreiben. Der ILSE-Intervention ist insofern ein Effekt zuzuschreiben, als Personen, die zu t1 von der Funktionalität der Strategie noch nicht überzeugt waren, insbesondere in der TG zu t2 die Technik als sehr wirksam einschätzen (63 %). Demgegenüber ist dies nur bei 19 % der KG der Fall. Es scheint also auch für diese Strategie ein positiver Einfluss der Inhalte und der Gestaltung von Fit-mit-ILSE gegeben zu sein. Hier sind nicht nur die Inhalte des Lernkurses „Das zweite Ich“ zu nennen, sondern auch die weiteren Kurse, die richtiges Trainieren, die positiven Effekte von körperlicher Aktivität auf unsere Gesundheit, Entspannung oder auch Ernährung zum Gegenstand haben.

Für zwei Strategien lassen sich keine Effekte des ILSE-Programmes im Sinne eines Unterschiedes zwischen TG und KG festhalten. Es sind dies schlechtes Wetter als Herausforderung nehmen sowie einen konkreten Plan machen.

Insbesondere für die Möglichkeit, nicht unmittelbaren Einflussgrößen, wie z. B. dem Wetter, mittels kognitiver Umbewertung die negative Konnotation zu nehmen, scheint einem „Alles-oder-nichts-Prinzip“ zu folgen. Entweder jemand benutzt diese Strategie erfolgreich (was nur Wenige in der Stichprobe betrifft) oder gar nicht. Diese Einschätzung zeigt sich in den drei Erhebungszeitpunkten als vergleichsweise invariant. Dies lässt den Schluss zu, dass es sich um eine stark verfestigte Gewohnheit handelt, die auch zum Beispiel durch eine Intervention wie Fit-mit-ILSE wenig beeinflusst wird. Erklärbar ist das Ergebnis auch durch die spezifische Interventionsform, die das Trainieren zu Hause mittels App beziehungsweise internetbasiertem Videosystem in den Vordergrund stellt. Zwar wurde mit „Fit unterwegs“ auch ein Outdoor-Modul implementiert; dieses hatte jedoch eher ergänzenden Charakter. Insofern wäre in weiteren Studien zu prüfen, ob speziell auf Outdoorbewegung ausgerichtete Interventionen einen entsprechenden Effekt auf diese Barrieremanagementstrategie zeigen.

Einen konkreten Plan zu machen, um eine Aktivität in Gang zu setzen, findet in der untersuchten Stichprobe geteilte Resonanz. Etwa die Hälfte der Teilnehmer*innen gibt am Ende der Studie zu Protokoll, diese Strategie nicht anzuwenden. Knapp ein Drittel erlebt die Anwendung als sehr erfolgreich. Auffallend ist, dass insbesondere Frauen sehr konsequent auf dem Nicht-Nutzen der Strategie beharren. Insgesamt ist auch für diese Strategie die Gewohnheit als stärkster Prädiktor zu attestieren. Die Teilnahme am ILSE-Programm zeigt keinen Einfluss. Dies könnte daran liegen, dass Unterstützung in der konkreten Trainingsplanung, zum Beispiel durch die Implementierung eines Bewegungskalenders und die Möglichkeit, individuelle Erinnerungsmeldungen per App für geplante Kalendereinträge, nicht hinreichend im Programm berücksichtigt wurde. Somit gab es für die Teilnehmer*innen wenig Möglichkeit, sich zum Beispiel einen individuellen Wochenplan für ihr Training mit Fit-mit-ILSE direkt in der App zusammenzustellen.

In der Zusammenschau unterstützen die Daten zum Barrieremanagement, dass Fit-mit-ILSE einen positiven Effekt auf die funktionale Verwendung von Barrieremanagementstrategien aufweist. Insbesondere profitieren die Teilnehmer*innen von jenen Strategien, die auch explizit in Fit-mit-ILSE verfolgt und umgesetzt wurden. Dazu zählt zum einen die Aufzeichnung von Bewegung über verschiedene technologiebasierte Lösungen wie die Bewegungs-App, die Einbindung des Fitnesstrackers oder das Trainieren mit dem internetgestützten Videosystem (siehe Ring-Dimitriou & Pühringer, 2022; Schneider et al., 2022 in diesem Band). Zum anderen werden motivational-volitionale Strategien als wirksamer erlebt, die speziell in den Lernmodulen besprochen wurden.

Insgesamt können die Effekte des ILSE-Programmes auf die Selbstregulation positiv gewertet werden. Die Techniken der Selbstregulation wurden explizit in einem Lernkurs angesprochen. Im Sinne einer edukativen Intervention wurden Kenntnisse und Inhalte vermittelt und im Rahmen kleiner, optionaler Übungen umgesetzt. Die Einbindung elaborierter Feedbacksysteme, die mittels App und videogestütztem Bewegungsmonitoring realisiert wurden, stärkten die motivationalen Aspekte. Somit wurden beide Typen der von Conroy et al. (2014) benannten „behavior change techniques“ berücksichtigt und verknüpft.

Limitationen und Ausblick

Gleichwohl bleibt festzuhalten, dass die Effekte nur in Teilaspekten beobachtbar und zudem trotz ihrer statistischen Signifikanz als niedrig zu bewerten sind. Limitationen, die mit Fit-mit-ILSE und deren Implementierung verbunden sind, können hier gegebenenfalls Einfluss genommen haben.

Der Schwerpunkt von Fit-mit-ILSE war eindeutig der Vermittlung von Kompetenzen im Sinne eines korrekten und gesundheitswirksamen Trainings der funktionalen Fitness gewidmet. Die Einbindung von Programminhalten, die die kognitiven, emotionalen und motivationalen Kompetenzen der Selbstregulation schulen, musste daher reduziert werden.

Damit verbunden war auch die nur eingeschränkt zur Verfügung stehende Möglichkeit, im Rahmen der Online-Evaluierung den Bereich der Selbstregulation vertieft abzubilden. So wären zum Beispiel differenziertere Aussagen zu Konsequenzerwartungen bzw. -erfahrungen der Teilnehmer*innen hilfreich gewesen.

Die Ergebnisse zum Barrieremanagement, die hier dargestellt wurden, zeichnen ein eindrückliches Bild, wie stark Gewohnheiten unser Verhalten steuern (oder zumindest: wie die subjektive Wahrnehmung von Personen ist). Dies gilt auch für die Barrieremanagementstrategien: was schon vor der Intervention wirksam (oder unwirksam) erlebt wurde, wird es mit großer Wahrscheinlichkeit auch nach der Intervention sein. Fit-mit-ILSE umfasste einen Interventionszeitraum von 14 Wochen und konnte zumindest in Teilaspekten die subjektive Wirksamkeit von Strategien zum Barrieremanagement erhöhen. Gleichwohl kann in einem solchen Zeitraum die Implementierung einer neuen Gewohnheit (z. B. sich mehr bewegen) lediglich angestoßen werden. Bis das neue Verhalten zur Routine wird, braucht es gegebenenfalls noch weitere Wochen und Monate. In dieser Zeit müssen funktionale Barrieremanagementstrategien zur Verfügung stehen, um das intentionale Verhalten schrittweise und sukzessive in die neue Gewohnheit zu überführen. Studien über einen längeren Zeitraum (12 Monate und länger) können dann aufzeigen, wie sich der Prozess des Aufbaus habituellen Verhaltens weiterentwickelt, und welche Rolle hierbei Selbstregulationstechniken spielen.