Schlüsselwörter

1 Einleitung

Menschen sind soziale Wesen, weshalb soziale Kontakte eine wesentliche Rolle für das Wohlbefinden von Menschen spielen (siehe Baumeister und Leary 1995). Durch die Corona-Krise wurde das soziale Leben allerdings maßgeblich beeinflusst. Gerade während der Ausgangsbeschränkungen von Mitte März bis Ende April 2020 wurde das soziale Leben außerhalb des eigenen Hauses bzw. der eigenen Wohnung, in Österreich auf das Minimum heruntergefahren. Auch nach diesem Lockdown gelten weiterhin Abstandsregeln und diverse Vorschriften, um einen weiteren Ausbruch des SARS-CoV-2-Virus zu verhindern. Ziel dieses Beitrages ist es daher, die konkreten Auswirkungen der Corona-Krise auf das soziale Leben der Österreicher*innen zu untersuchen sowie die daraus entstehenden Folgen für das Wohlbefinden zu eruieren. Dafür wird in einem ersten Schritt die theoretische Grundlage für diesen Beitrag dargestellt, warum soziale Kontakte einen entscheidenden Faktor für das Wohlbefinden darstellen, bevor ausgewählte empirische Studien zu diesem Thema vorgestellt werden. Anschließend werden in der Methodik die genutzten Variablen aus dem Austrian Corona Panel Project (siehe Kittel et al. 2020a) vorgestellt, bevor die Ergebnisse berichtet, interpretiert und zusammengefasst werden.

1.1 Soziale Kontakte und Wohlbefinden

In der Lebensqualitätsforschung werden sozialen Kontakten bzw. sozialen Ressourcen eine essenzielle Rolle für das Wohlbefinden zugeschrieben (siehe u. a. Kienle et al. 2006; Harvey und Pauwels 2009; Haslam et al. 2018). Erklärungen dafür, warum soziale Kontakte für Personen wichtig sind, finden sich sowohl auf individueller (psychologischer) Ebene als auch auf gesellschaftlicher (soziologischer) Ebene. Auf der individuellen Ebene argumentieren Baumeister und Leary (1995) in ihrer „Need to belong“-Theorie, dass Menschen evolutionär bedingt soziale Wesen sind, weshalb sie eine fundamentale Motivation für interpersonelle Kontakte zeigen. Nach dieser Theorie werden Menschen von Natur aus als soziale Wesen betrachtet, welche grundsätzlich nach sozialen Kontakten streben. Diese Sichtweise wird auch von Maslow geteilt und in seiner Theorie der Bedürfnispyramide integriert (siehe McLeod 2007). Laut dieser Theorie gibt es fünf grundlegende Bedürfnisse von Menschen, welche nach und nach erfüllt werden müssen, um ein gutes Leben zu erlangen. Freundschaften bzw. intime Beziehungen stellen dabei eines dieser fünf Bedürfnisse dar, welches in den Vordergrund rückt, sobald grundlegende physiologische Bedürfnisse, wie Essen oder Schlafen sowie das Bedürfnis nach Sicherheit (z. B. finanziell), erfüllt sind.

Zahlreiche Studien bestätigen diese theoretischen Annahmen. So berichten u. a. Helliwell und Putnam (2004) von einem positiven Zusammenhang zwischen informellen sozialen Kontakten zu Freund*innen, Nachbarn und Familienmitgliedern mit dem subjektiven Wohlbefinden in der USA und in Kanada. Portela et al. (2013) fand den gleichen Zusammenhang in Europa, während Calvo et al. (2012) einen positiven Zusammenhang zwischen sozialer Unterstützung und Wohlbefinden weltweit fand, basierend auf dem Gallup World Poll, an dem 142 Länder teilnehmen. Neben diesen weltweiten Untersuchungen zeigten Glatz und Bodi-Fernandez (2020) auch in Österreich einen positiven Zusammenhang zwischen sozialen Kontakten und Wohlbefinden basierend auf aktuellen Daten aus dem Jahr 2018.

Die beiden vorgestellten Theorien basieren auf der Annahme, dass Individuen ein intrinsisches Bedürfnis nach sozialen Kontakten haben. Haslam et al. (2018) gehen in ihrer (weiter)entwickelten „Social Identity“-TheorieFootnote 1 gewissermaßen einen Schritt weiter und behaupten, dass Menschen neben ihrer persönlichen Identität noch eine weitere soziale Identität besitzen, die sie mit ihren jeweiligen Gruppen(Mitgliedern) teilen. Fühlt man sich dementsprechend einer oder mehreren sozialen Gruppen zugehörig, sei es im Arbeitsleben, in der Familie, in der Freizeit etc., in der man so genommen wird, wie man ist, so stellt dies einen maßgeblichen Schutzfaktor für die eigene GesundheitFootnote 2 und das Wohlbefinden dar. Laut dieser Theorie sind nicht nur die sozialen Kontakte ausschlaggebend für Gesundheit und Wohlbefinden, sondern vielmehr die Gruppenzugehörigkeit und das Wissen, jederzeit auf Hilfe bzw. Kontakt zu Freund*innen oder Bekannten zurückgreifen zu können, falls diese benötigt werden.

Basierend auf der Theorie nach Haslam et al. (2018) sind soziale Gruppen eine wichtige Voraussetzung für die individuelle Gesundheit, wie auch das individuelle Wohlbefinden. Aber auch auf gesellschaftlicher Ebene werden den sozialen Beziehungen bzw. Kontakten eine große Rolle zugeschrieben. So appelliert z. B. der Kommunitarismus für eine Abkehr vom individualistisch zentrierten Denken und Handeln, hin zu einem stärkeren Fokus auf die Gruppe und damit auf ein soziales und gerechtes gemeinschaftliches Zusammenleben (vgl. Reese-Schäfer 2001). Dass ein Fokus auf soziale Beziehungen und soziale Kontakte zu einer glücklicheren Gesellschaft führen kann, zeigen u. a. Glatz und Eder (2020) basierend auf aktuellen europäischen Daten.

2 Forschungsfragen

Basierend auf dieser theoretischen Grundlage und der bisherigen Forschung, befasst sich dieses Buchkapitel mit den sozialen Kontakten und dem Wohlbefinden der österreichischen Bevölkerung während der Corona-Krise. Durch das Austria Corona Panel, das als Datenbasis für dieses Buchkapitel genutzt wird, lassen sich soziale Kontakte und Wohlbefinden im Zeitverlauf darstellen, beginnend am 27. März bis Anfang Juli 2020. Durch die coronabedingten sozialen Einschränkungen erwarten wir, dass die physischen Sozialkontakte zu Beginn der Krise und somit im 1. Lockdown relativ gering sind und über die Zeit steigen. Parallel beschäftigen wir uns auch mit nicht-physischen Sozialkontakten via Telefon und Internet, bei denen ein höherer Wert sowie ein Abflachen über die Zeit erwartet wird durch SubstitutionsprozesseFootnote 3. Einhergehend mit dem erwarteten Anstieg der physischen Sozialkontakte über die Zeit erwarten wir eine Steigerung des Wohlbefindens in Österreich. Zusätzlich überprüfen wir, ob ein Anstieg sozialer Kontakte für einzelne Personen zu besserem Wohlbefinden führt. Auch hier erwarten wir, basierend auf der Literatur, einen positiven Zusammenhang. Wie des Weiteren erklärt wird, handelt es sich bei den physischen Sozialkontakten um Kontakte außerhalb des eigenen Wohnraums. Nachdem es allerdings auch physische soziale Kontakte innerhalb eines Wohnraums geben kann, beispielsweise mit dem/der Partner*in oder eigenen Kindern, werden die genannten Fragestellungen zusätzlich getrennt überprüft für alleinlebende Personen sowie Personen, die nicht alleine leben. Somit lassen sich folgende Fragestellungen formulieren, und zwar für 1) alle Österreicher*innen sowie für 2) alleinlebende und 3) nicht-alleinlebende Österreicher*innen.

  • Wie haben sich die sozialen Kontakte sowie das Wohlbefinden in den drei Personengruppen im Zeitraum vom 27. März bis zum 1. Juli entwickelt?

  • Wie war der Zusammenhang zwischen sozialen Kontakten und Wohlbefinden in diesem Zeitraum in den drei Gruppen?

3 Methode

Zur Überprüfung unserer Forschungsfragen nutzen wir die Daten des Austria Corona Panel Projects (ACPP, siehe Kittel et al. 2020b). Der ACPP ist eine Längsschnittumfrage, an der die gleichen Personen über einen längeren Zeitraum an mehreren Erhebungen teilnehmen. Der ACPP startete am 27. März 2020 und wurde bis zum 29. Mai wöchentlich wiederholt (1. bis 10. Welle). Anschließend folgten weitere Erhebungen im 14-Tage-Rhythmus. Zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Buchbeitrages waren 12 Wellen des ACPP verfügbar, welche infolgedessen ausgewertet werden und über das Austrian Social Science Data Archive (AUSSDA) frei verfügbar sind (siehe Kittel et al. 2020a).

Pro Welle des ACPP nehmen 1500 bis 1600 Personen teil. Bis zur Welle 12 haben insgesamt 566 Personen bei jeder Welle teilgenommen. Da einzelne Personen bei manchen Fragen bezüglich sozialer Kontakte und Wohlbefinden (wie noch beschrieben) keine Antwort gegeben haben, verringert sich die Stichprobe für dieses Buchkapitel auf 552 Personen. Da es sich um eine Onlineumfrage handelt, ist kein konkreter Tag zur Beantwortung der Umfrage nötig. Stattdessen hatten die Personen immer ungefähr eine Woche Zeit, um die Umfrage zu bearbeiten (siehe Tab. 3.1). Um die Unterschiede zwischen der Stichprobe sowie der österreichischen Bevölkerung so gut wie möglich zu verringern, wurden die Daten gewichtet, sodass die soziodemografischen Eigenschaften möglichst genau die österreichische Bevölkerung abbilden.

Tab. 3.1 Zeitverlauf von Sozialkontakten, affektivem und kognitivem Wohlbefinden für alle Österreicher*innen während der Zeit des 1. Corona Lockdowns

Zur Erfassung des Wohlbefindens orientiert sich dieser Beitrag an dem verbreiteten Konzept des „subjektiven Wohlbefindens“ nach Ed Diener (siehe z. B. Diener et al. 2002). Subjektives Wohlbefinden setzt sich dabei aus drei Aspekten zusammen, nämlich der Lebenszufriedenheit, dem Glück sowie dem Vorherrschen von positivem und dem Fehlen von negativem Affekt. Die Lebenszufriedenheit kann dabei als kognitive Komponente des subjektiven Wohlbefindens betrachtet werden, da es sich um eine Einschätzung des eigenen Lebens handelt, während Glück und positive bzw. negative Affekte die affektive Komponente des subjektiven Wohlbefindens widerspiegeln als eine stärker situative Einschätzung des momentanen Wohlbefindens (Wie fühle ich mich gerade?). Der ACPP enthält dabei Indikatoren zur Erfassung der Lebenszufriedenheit als Teil der kognitiven Komponente sowie positiver und negativer Affekte als Teil der affektiven Komponente, wie nachfolgend näher beschrieben. Zur Erfassung sozialer Kontakte beinhaltet der ACPP ein Item zur Erfassung der physischen sozialen Kontakte sowie ein Item zur Erfassung sozialer Kontakte über das Internet, welche im Folgenden beschrieben werdenFootnote 4.

3.1 Erhebung von physischen Sozialkontakten

Das ACPP enthält eine Frage über den physischen Kontakt zu Freund*innen und Verwandten, was in weiterer Folge als „physische Sozialkontakte“ bezeichnet wird. Die Frage lautet: „Haben Sie wegen folgender Gründen in der vergangenen Woche Ihr Zuhause verlassen? … um Freunde oder Verwandte zu treffen“. Die Antwortmöglichkeiten waren dabei „Nie“, „An manchen Tagen“, „Mehrmals die Woche“, „Beinahe jeden Tag“ und „Täglich“. Da es sich hier um eine ordinale Skala handelt, wurden die Antwortkategorien zu Dummy-Variablen folgendermaßen zusammengefasst: Die Kategorien „An manchen Tagen“, „Mehrmals die Woche“, „Beinahe jeden Tag“ und „Täglich“ wurden zu „Soziale Kontakte“ zusammengefasst, während „Nie“ zu „Keine sozialen Kontakte“ umkodiert wurde.

3.2 Erhebung von nicht-physischen Sozialkontakten

Neben diesem Item zur Erfassung physischer Sozialkontakte beinhaltet die Umfrage ein Item zur Erfassung sozialer Kontakte über Telekommunikationsmedien. Diese lautet: „Denken Sie an einen typischen Werktag in der letzten Woche. Bitte geben Sie an, wie viel Zeit Sie mit folgenden Tätigkeiten verbracht haben … Chatten/Telefonieren“. Die Antwort wurde in Minuten und Stunden angegeben und wird in diesem Beitrag in Minuten berichtet. Dieses Item zur Erfassung nicht-physischer Sozialkontakte ist im Vergleich zu den restlichen Items, die wöchentlich erhoben wurden, nur in der 2., 5., 8., und 11. Welle enthalten.

3.3 Erhebung von affektivem Wohlbefinden

Das ACPP beinhaltet eine Fragebatterie zur Erfassung positiver und negativer Affekte als Teil des Wohlbefindens. Diese lautet folgendermaßen: „Wie oft waren Sie in der letzten Woche … (1) … Ruhig und gelassen; (2) … Einsam; (3) … Ärgerlich; (4) … So niedergeschlagen, dass Sie nichts aufheitern konnte; (5) … Glücklich; (6) … Sehr nervös; (7) … Ängstlich; (8) … Bedrückt und traurig; (9) … Voller Energie. Die Antwortmöglichkeiten waren dabei die gleichen wie bei der Frage nach den sozialen Kontakten, ergo „Nie“, „An manchen Tagen“, „Mehrmals die Woche“, „Beinahe jeden Tag“ und „Täglich“. Die Fragen mit den Nummern (1), (5) und (9) bilden dabei den positiven Affekt ab, die Fragen (2), (3), (4), (6), (7) und (8) dagegen den negativen Affekt.“ Eine explorative FaktorenanalyseFootnote 5 zeigte, dass das Vorherrschen positiver Affekte stark mit dem Fehlen negativer Affekte zusammenhängt und dass dadurch von einem eindimensionalen Konstrukt ausgegangen werden kann. Aus diesem Grund wurden die negativ formulierten Items umkodiert und aus der Fragebatterie eine Mittelwertskala gebildet, welche die affektive Komponente des Wohlbefindens (folglich als „affektives Wohlbefinden“ bezeichnet) erfasst. Die Skala reicht dabei von 1 bis 5 wobei höhere Werte für höhere Ausprägungen im affektiven Wohlbefinden stehen.

3.4 Erhebung von kognitivem Wohlbefinden

Zusätzlich enthält der ACPP eine Frage zur Erfassung der Lebenszufriedenheit als Teil der kognitiven Komponente des Wohlbefindens („kognitives Wohlbefinden“), nämlich „Alles in allem betrachtet, wie zufrieden sind Sie derzeit mit Ihrem Leben?“, mit Antwortmöglichkeiten von „0“ (äußerst unzufrieden) bis „10“ (äußerst zufrieden). Zur besseren Darstellung bzw. Vergleichbarkeit mit dem affektiven Wohlbefinden wurde diese ursprüngliche Skala von 0–10 auf eine Skala von 1–5 umkodiert.

3.5 Statistisches Vorgehen

In einem ersten Schritt werden die Sozialkontakte und das Wohlbefinden deskriptiv im Zeitverlauf dargestellt, beginnend mit der 1. Welle des ACPP bis zur 12. Welle, ergo vom 27. März bis zum 1. Juli 2020. Zusätzlich zu dieser Darstellung wird mittels Varianzanalyse mit Messwiederholung überprüft, ob es während dieses Zeitrahmens eine signifikante Steigerung oder Verringerung in den jeweiligen Variablen gegeben hat, sprich, ob sich der Verlauf nicht nur auf die Stichprobe der 552 Personen beschränkt, sondern auf alle Österreicher*innen übertragen lässt. Mittels einfaktoriellen Varianzanalysen wird zusätzlich geprüft, ob sich die Ergebnisse zwischen alleinlebenden und nicht-alleinlebenden Personen unterscheiden. Schlussendlich wird mittels fixed-effects Regressionsanalysen überprüft, ob ein Anstieg an Sozialkontakten über diesen Zeitraum mit einer Erhöhung des Wohlbefindens einhergeht, sowohl für alle Österreicher*innen als auch getrennt für (Nicht-) Alleinlebende. Diese Analyse wird später noch genauer beschrieben.

Bei der Analyse des Verlaufs werden die jeweiligen wichtigen Ereignisse in Österreich berücksichtigt. Als Grundlage dient dafür die Chronologie der Corona-Krise in Österreich, dokumentiert von Pollack et al. (2020a, b) im Corona-Blog des ACPP der Universität Wien. Der Beginn des Lockdowns mit den Ausgangsbeschränkungen begann am 16. März, noch vor der 1. Welle des ACPP. Nach Ostern, am 14. April, kam es zu den ersten Lockerungen, wobei kleinere Geschäfte bis 400 m2 sowie Bau- und Gartenmärkte wieder öffnen durften. In einem zweiten Schritt öffneten am 1. Mai auch größere Geschäfte über 400 m2, Einkaufszentren sowie Friseure. Am 15. Mai folgte die Wiedereröffnung der Gastronomie, wenn auch unter strengen Auflagen wie beispielsweise eine maximale Besucherzahl, Maskenpflicht beim Betreten und Verlassen sowie einer allgemeinen Sperrstunde von 23 Uhr. Ab Ende Mai bzw. Anfang Juni wurden Veranstaltungen bis zu 100 Personen erlaubt, um Beerdigungen und Hochzeiten zu ermöglichen. Zusätzlich gab es in den Oberstufenklassen wieder Präsenzunterricht. Bezüglich Auslandsreisen wurden am 4. Juni die Grenzen zu den Nachbarländern Ungarn, Tschechien und der Slowakei geöffnet; am 16. Juni folgten Grenzöffnungen zu Deutschland, Italien, Kroatien und zahlreichen weiteren Ländern.

4 Ergebnisse

Bevor wir uns mit den Ergebnissen bezüglich Sozialkontakten und Wohlbefinden befassen, werfen wir einen ersten Blick auf die Stichprobe, auf die sich diese Ergebnisse beziehen. Wie bereits in der Methodik erwähnt, besteht die Stichprobe aus 552 Personen. Das Durchschnittsalter beträgt 49 Jahre (Standardabweichung: 16 Jahre) und 48,1 % der Personen sind weiblich. 69,5 % haben keinen Maturaabschluss, 18,1 % haben einen Maturaabschluss und 12,1 % haben einen Universitätsabschluss.

Tab. 3.1 zeigt den Verlauf von Wohlbefinden und Sozialkontakten seit dem 27. März für alle Österreicher*innen. Nur ungefähr 9 % aller Österreicher*innen haben während der Zeit des Lockdowns vor den ersten Lockerungen Mitte April angegeben, Freunde oder Verwandte zu treffen. Umgekehrt gaben ca. 91 % der Österreicher*innen während dieser Zeit an, keine Freunde oder Verwandte zu treffen (vgl. Kittel 2021). Die Daten zeigen damit, dass sich der überwiegende Teil der Österreicher*innen an die verordneten Ausgangsbeschränkungen gehalten hat. Seitdem steigt die Zahl der sozialen Kontakte kontinuierlich an, bis Ende April zögerlich und seit Anfang Mai – und somit seit der Wiedereröffnung größerer Geschäfte – dann deutlich. Bereits Anfang/Mitte Mai berichten etwa 50 % der Österreicher*innen, zumindest „an manchen Tagen“ Freunde oder Verwandte zu treffen. Bis Ende Juni/Anfang Juli steigt dieser Prozentsatz auf über 80 %.

Konträr zu dieser Entwicklung der physischen Sozialkontakte zeigt sich ein relativ hoher Wert an nicht-physischen Sozialkontakten, sprich Kontakte via Internet oder Handy am Beginn der Umfrage, wobei dieser Wert im Laufe der Zeit sukzessive abnimmt. Zu Beginn der Umfrage, und somit im 1. Lockdown, verbrachten Österreicher*innen ungefähr eineinhalb Stunden pro Woche, um mittels Internet und/oder Telefon mit Bekannten zu kommunizieren. Bis Mitte Juni sinkt dieser Wert merklich auf ungefähr 70 min Sozialkontakt via Internet und Telefon.

Auch bei dem affektiven Wohlbefinden zeigt sich ein Anstieg über die Zeit, wenn auch deutlich geringer ausgeprägt als der Anstieg der sozialen Kontakte. Während der Mittelwert des affektiven Wohlbefindens in der 1. Erhebung 3,89 beträgt, steigt dieser Wert auf 4,05 in der 12. Erhebung. Das kognitive Wohlbefinden zeigt einen ähnlichen Zuwachs von 3,56 in der 1. Erhebung auf 3,79 in der 12. Erhebung (Skala jeweils 1–5). Ein Vergleich mit Daten des European Social Surveys aus dem Jahr 2018 durch Haindorfer (2020) zeigt, dass das kognitive Wohlbefinden zu Beginn der Corona-Krise generell gesunken ist.

Mittels Varianzanalysen mit Messwiederholung wurde für alle drei Kurven überprüft, ob es einen signifikanten Anstieg bzw. Rückgang im Laufe der Zeit gibt. Diese Analyse zeigt, ob die jeweiligen Anstiege bzw. Rückgänge, die in der Stichprobe beobachtet wurden, auch auf die Grundgesamtheit aller Österreicher*innen übertragen werden kann oder ob es sich lediglich um zufällige Abweichungen handeltFootnote 6. Im Einklang zu den (Beschreibungen der) dargestellten deskriptiven Ergebnisse (Tab. 3.1) zeigt sich ein signifikanter Anstieg der physischen Sozialkontakte (F = 481,1, p < ,00), des affektiven (F = 18,0, p < ,00) und kognitiven Wohlbefindens (F = 8,8, p < ,00) sowie eine signifikante Verringerung der nicht-physischen Sozialkontakte (F = 12,9, p < ,00).

Für den Vergleich zwischen (nicht-)alleinlebenden Personen wurden diese beiden Gruppen bezüglich Alter, Geschlecht und Bildung abgestimmt, sodass sie sich in diesen Variablen nicht unterscheidenFootnote 7. Nach diesem „Matching“ ergibt sich eine Stichprobe von 173 „Nicht-Alleinlebenden“ und 98 „Alleinlebenden“ mit einem durchschnittlichen Alter von 54 Jahren (Standardabweichung: 13 Jahre) und einem Frauenanteil von 53,9 %. 80,4 % haben keinen Maturaabschluss, 15,4 % einen Maturaabschluss und 4,2 % einen Universitätsabschluss.

Wie in Tab. 3.2 beschrieben und in Abb. 3.1 und 3.2 dargestellt, zeigt sich bei Nicht-Alleinlebenden und Alleinlebenden ein ähnliches Level und ein ähnlicher Verlauf im affektiven- und kognitiven Wohlbefinden. Lediglich in der 3. Umfrage berichten Nicht-Alleinlebende von einem signifikant höheren Wert im kognitiven Wohlbefinden (Welch-Statistik = 5,2, p < ,05Footnote 8). Auch bei den physischen Sozialkontakten sind Level und Verlauf zwischen beiden Gruppen sehr ähnlich. Bis auf die 7. Umfrage, wo Alleinlebende von signifikant mehr physischen Sozialkontakten berichten (Welch-Statistik = 4,8, p < ,05), gibt es auch hier keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen. Bei den nicht-physischen Sozialkontakten zeigt sich dagegen ein klarer Unterschied zwischen beiden Gruppen. Alleinlebende verbrachten während des 1. Lockdowns etwa 122 min pro Woche mit Kontakten via Telefon und Internet, Nicht-Alleinlebende dagegen nur etwa 86 min. Dieser Unterschied verschwindet nach und nach, sodass sich zum letzten Erhebungszeitpunkt der 11. Umfrage kein signifikanter Unterschied mehr zeigt. In den restlichen drei Erhebungszeitpunkten (1., 5., 8. Welle) berichten Alleinlebende von signifikant mehr nicht-physischen Sozialkontakten als Nicht-Alleinlebende (mindestens Welch-Statistik = 6,1, p < ,05). Gleich wie bei der gesamten Stichprobe sind die Steigerungen bei den physischen Sozialkontakten, dem affektiven und kognitiven Wohlbefinden sowie die Verringerung der nicht-physischen Sozialkontakte über die Zeit bei beiden Gruppen signifikant (mindestens F = 1,9, p < ,05).

Tab. 3.2 Zeitverlauf von Sozialkontakten, affektivem und kognitivem Wohlbefinden für alleinlebende sowie nicht-alleinlebende Österreicher*innen während der Zeit des 1. Corona Lockdowns
Abb. 3.1
figure 1

(Quelle: Austrian Corona Panel Project 1.–10. Welle. Gewichtet nach soziodemographischen Merkmalen)

Zeitverlauf des Wohlbefindens für (nicht-)alleinlebende Österreicher*innen im 1. Corona Lockdown. Skala affektives und kognitives Wohlbefinden: 1–5.

Abb. 3.2
figure 2

(Quelle: Austrian Corona Panel Project 1.–10. Welle. Gewichtet nach soziodemografischen Merkmalen)

Zeitverlauf von physischen und nicht-physischen Sozialkontakten für (nicht-)alleinlebende Österreicher*innen im 1. Corona Lockdown. Nicht-physische Sozialkontakte in Minuten pro Woche.

Diese ersten Ergebnisse zeigen, dass sich die physischen Sozialkontakte nach dem 1. Corona-Lockdown erholten, während die nicht-physischen Sozialkontakte während des 1. Lockdowns auf einem hohen Level starteten und sich sukzessive verringerten, speziell bei alleinlebenden Österreicher*innen. Gleichzeitig zeigt sich eine geringfügige Erhöhung des affektiven und kognitiven Wohlbefindens für alle Österreicher*innen über diesen Zeitraum. Es handelt sich hier allerdings um Mittelwerte über die gesamte Stichprobe (bzw. die jeweiligen Gruppen), weshalb wir basierend auf diesen Ergebnissen nicht sagen können, wie wichtig die Sozialkontakte für einzelne Personen sind – sprich, ob eine Zunahme von (nicht-) physischen Sozialkontakten auf individueller Ebene zu höherem affektiven und kognitiven Wohlbefinden führt. Aus diesem Grund werden zusätzlich fixed-effects Regressionsmodelle gerechnet. Damit lässt sich überprüfen, wie sich der Anstieg der (nicht-) physischen Sozialkontakte bei einzelnen Personen im Verlauf der Zeit auf das Wohlbefinden auswirkt.

Die Ergebnisse der fixed-effects Regressionsmodelle sind für alle drei Gruppen (Österreicher*innen gesamt, alleinlebende, nicht-alleinlebende) in Abb. 3.3 dargestellt. Zuerst wurde versucht, mittels der Veränderung der (nicht-)physischen Sozialkontakte mit der Zeit (als unabhängige Variable) das affektive Wohlbefinden (als abhängige Variable) zu erklären. Anschließend dient die Veränderung der (nicht-)physischen Sozialkontakte mit der Zeit als unabhängige Variable und das kognitive Wohlbefinden als abhängige Variable. Da die Erfassung der nicht-physischen Sozialkontakte nicht in allen Wellen erfolgt, werden nur jene Wellen inkludiert, welche dieses Item beinhalten. Die fixed-effects Regressionsanalysen wird daher auf Basis der 1., 5., 8. und 11. Welle durchgeführt. Somit dient jeweils die Veränderung der unabhängigen Variablen zwischen diesen Wellen als Prädiktor zur Erklärung des Wohlbefindens. Eine alternative Berechnung mit allen Wellen, dafür allerdings nur mit physischen Sozialkontakten als unabhängige Variable, zeigt ähnliche Ergebnisse und ist im Anhang A zu finden. Alle Modelle beinhalten zusätzlich Dummy-Variablen für jede einzelne Person, sodass Unterschiede zwischen Personen kontrolliert wurdenFootnote 9.

Abb. 3.3
figure 3

(Quelle: Austrian Corona Panel Project 1.–10. Welle. Gewichtet nach soziodemographischen Merkmalen)

Der Einfluss sozialer Kontakte auf das affektive und kognitive Wohlbefinden bei der gesamten österreichischen Stichprobe sowie bei den Gruppen „Alleinlebend“ und „Nicht-Alleinlebend“ basierend auf fixed-effects Regressionsanalysen. Anmerkungen: Beta-Koeffizienten werden berichtet, *: p < ,05, Alle Modelle kontrolliert für Unterschiede zwischen Personen (ID als Dummy-Variable aufgenommen). Der Anstieg an physischen Sozialkontakten ist signifikant (*) mit dem Anstieg von kognitivem und affektivem Wohlbefinden in der Gesamtbevölkerung assoziiert sowie mit dem Anstieg von affektivem Wohlbefinden bei alleinlebenden sowie nicht-alleinlebenden Österreicher*innen. Stichprobengröße: N Gesamt = 566, N Alleinlebend = 105, N Nicht-alleinlebend = 185.

Über die gesamte Bevölkerung hinweg zeigt sich ein signifikanter Einfluss physischer Sozialkontakte auf das affektive und kognitive Wohlbefinden, wobei nicht-physische Sozialkontakte (via Telefon bzw. Internet) keinen signifikanten Effekt zeigen. Mehr physische Sozialkontakte führen demnach zu einem höheren Wohlbefinden, während nicht-physische Sozialkontakte keinen Einfluss auf das Wohlbefinden ausüben. Durch das physische Treffen von Freund*innen oder Verwandten erhöht sich das affektive Wohlbefinden um durchschnittlich 0,10 Punkte, das kognitive Wohlbefinden dagegen um 0,13 Punkte (jeweils auf einer Skala von 1–5). Es handelt sich dabei um geringe Effekte, was auch aus den standardisierten Beta-Koeffizienten von jeweils β = 0,07 ersichtlich wird (siehe Abb. 3.3). Der Gruppenvergleich zeigt keinen signifikanten Unterschied zwischen alleinlebenden und nicht-alleinlebenden Personen hinsichtlich dieser ZusammenhängeFootnote 10. Der Einfluss physischer Sozialkontakte auf das Wohlbefinden ist daher in beiden Gruppen gleichFootnote 11.

5 Diskussion

Das Ziel dieses Beitrages bestand darin, die konkreten Auswirkungen der Corona-Krise auf das soziale Leben der Österreicher*innen zu untersuchen sowie die daraus entstehenden Folgen für das Wohlbefinden zu eruieren. Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse einen klaren Anstieg an physischen Sozialkontakten zu Freund*innen und Verwandten seit Ende des Corona-Lockdowns, sowie eine etwas schwächer ausgeprägte Steigerung des affektiven und kognitiven Wohlbefindens. Die Ergebnisse bestätigen, dass nicht-physische Sozialkontakte via Telefon und Internet während des Lockdowns relativ beliebt waren (vgl. APA 2020) und somit vermutlich als Substitution für physische Sozialkontakte dienten. Passend dazu zeigt sich, dass mit dem Anstieg der physischen Sozialkontakte nach dem Lockdown die nicht-physischen Sozialkontakte verringert wurden. Bezüglich physischer Sozialkontakte und Wohlbefinden zeigt sich ein ähnliches Niveau bzw. ein ähnlicher Verlauf über die Zeit zwischen alleinlebenden und nicht-alleinlebenden Österreicher*innen. Einzig bei den nicht-physischen Sozialkontakten zeigt sich ein klarer Unterschied. So griffen alleinlebende Personen während des Lockdowns deutlich häufiger auf Kontakte via Telefon und Internet zurück – ein durchaus plausibles Ergebnis, nachdem nicht-alleinlebende Österreicher*innen immer noch auf Sozialkontakte in den eigenen vier Wänden zurückgreifen konnten.

Ab dem 1. Mai und somit der 6. Umfrage sieht man einen sprunghaften Anstieg der physischen Sozialkontakte mit der Wiedereröffnung größerer Geschäfte sowie mit dem Ende der Ausgangsbeschränkungen Ende April bzw. den neuen Lockerungsverordnungen. Das Wohlbefinden steigt dafür gemäßigter und kontinuierlicher über den gesamten Zeitrahmen an. Dieses Ergebnis deutet bereits auf einen positiven Zusammenhang von Sozialkontakten mit Wohlbefinden, was sich in den weiterführenden fixed-effects Regressionsanalysen auch auf der individuellen Ebene erhärtet. Der physische Kontakt mit Freund*innen und Verwandten führt demnach zu einem Anstieg an affektivem und kognitivem Wohlbefinden während der Corona-Krise, wenn auch relativ schwach. Nicht-physische Sozialkontakte zeigen dagegen keinen signifikanten Zusammenhang mit dem Wohlbefinden über die Zeit. Da diese nicht-physischen Kontakte allem Anschein nach als Substitut für physische Sozialkontakte fungierten, erstaunt dieses Ergebnis nicht allzu sehr – der Rückgang an Online-/Telefonkontakten wurde über die Zeit mit physischen Sozialkontakten ausgeglichen, weshalb vermutlich kein direkter Einfluss der nicht-physischen Sozialkontakte auf das Wohlbefinden festzustellen ist. Auch in diesen weiterführenden Analysen zeigt sich kein signifikanter Unterschied zwischen alleinlebenden und nicht-alleinlebenden Österreicher*innen.

Auch wenn sich in unserer Analyse ein positiver Effekt physischer Sozialkontakte auf das Wohlbefinden findet, so ist dieser doch relativ schwach ausgeprägt, obwohl soziale Kontakte einen essenziellen Bestandteil für das Wohlbefinden darstellen (vgl. Baumeister und Leary 1995; McLeod 2007). Eine mögliche Erklärung für diesen schwachen Effekt ist der Zeitrahmen. Trotz der immer noch bestehenden Unsicherheit über den zukünftigen Verlauf der Corona-Krise war es während des 1. Lockdowns absehbar, dass die Phase der sozialen Enthaltsamkeit enden wird. Der Verzicht auf temporäre physische Sozialkontakte bedeutete daher nicht den langfristigen Verlust sozialer Ressourcen. Schließlich bleiben die vorher aufgebauten sozialen Ressourcen, beispielsweise Freundschaften, Bekanntschaften etc. auch nach der Krise bestehen (sprich die sozialen Gruppen bleiben vorhanden, siehe Haslam et al. 2018). Es handelte sich vielmehr um eine Auszeit bzw. Verlagerung der sozialen Kontakte in den virtuellen Raum, wohlwissend, dass diese Kontakte nach der Krise weiterhin gepflegt werden können.