FormalPara Hintergrund

Ende 2017 lebten in Deutschland ca. 818.000 Senior*innen in 14.480 Pflegeeinrichtungen (DESTATIS, 2018). Mit dem Einzug in eine stationäre Pflegeeinrichtung tritt für viele Bewohnende die letzte Lebensphase ein (Dasch et al., 2015). Selbstständigkeit und die Fähigkeit, selbstbestimmte Entscheidungen zu treffen, können durch Hochaltrigkeit und Multimorbidität dieser Personengruppe (BMFSFJ, 2017) beeinflusst werden. Die Vorausplanung der medizinisch-pflegerischen Versorgung für die letzte Lebensphase in diesem Setting wird, u. a. aufgrund der oftmals kurzen Zeitspanne zwischen dem Einzug in eine Pflegeeinrichtung und dem Versterben der Bewohnenden, relevant (Moore et al., 2019). Das Ermitteln und Erfassen individueller Wünsche und Bedürfnisse, deren Verbalisierung und schließlich deren Dokumentation, für den Fall der situativen oder langfristigen Unfähigkeit sich mitzuteilen, bilden die Grundlage für am Patientenwillen orientierte Behandlungsmaßnahmen.

Das Bedürfnis nach Kommunikation über die eigene Lebenssituation und Versorgung hängt unter anderem von kognitiven und physischen Beeinträchtigungen, dem kulturellen Hintergrund und soziodemografischen Faktoren wie etwa dem Alter ab (Bagchus et al., 2014; De Vries et al., 2019; Gadebusch-Bondio et al., 2018). Bewohnende stationärer Pflegeeinrichtungen bringen im Hinblick auf die Vorausplanung für das Lebensende ihren Angehörigen und den begleitenden Ärzt*innen grundsätzlich ein hohes Maß an Vertrauen entgegen und verlassen sich darauf, dass jene Personen die richtigen Entscheidungen für sie in der letzten Lebensphase treffen und ihre persönlichen Wünsche kennen (Gjerberg et al., 2015). Bisher bekannte zentrale Bedürfnisse für die letzte Lebensphase der Bewohnenden umfassen u. a. den Wunsch, nicht alleine zu sein, Maßnahmen zur Schmerzvermeidung und Schmerzlinderung sowie den Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen (Bollig et al., 2016; Fan et al., 2019).

Ausgehend von der Zielvorstellung, gesundheitliche Vorausplanungsprozesse umfassend und dynamisch zu gestalten, hat sich das sogenannte Advance Care Planning (ACP) mit im Detail unterschiedlichen Konzepten entwickelt (Cornally et al., 2015; MacKenzie et al., 2018). Gemeinsam ist den ACP-Konzepten im Wesentlichen, dass sie die Entscheidungsbildung einer Person hinsichtlich ihrer Vorausplanung für das Lebensende durch einen dialogischen und sich über eine längere Zeit erstreckenden Gesprächsprozess fördern wollen (vgl. Sudore et al., 2017). Durch ACP sollen die Entscheidungslast bei Angehörigen und Nahestehenden reduziert und Familienkonflikte vermieden werden (Lovell & Yates, 2014; Petri et al., 2018). In Deutschland haben ACP-Ansätze vor allem erst in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Inzwischen bestehen über die gesetzlichen Krankenkassen finanzielle Anreize, solche Gesprächsprozesse für die letzte Lebensphase u. a. in stationären Pflegeeinrichtungen zu initiieren (§ 132g SGB V). In der Praxis sind durchaus unterschiedliche ACP-Konzepte, u. a. hinsichtlich Zielgruppen und konkreter Maßnahmen, anzutreffen (u. a. In der Schmitten et al., 2014). Bislang konnte noch kein Konzept eine flächendeckende Akzeptanz erreichen. Kritisiert wird u. a. eine zu starke Fokussierung auf das Erstellen von (neuen) Vorsorgedokumenten (Neitzke, 2015; Riedel, 2015).

Im Forschungsschwerpunkt „Autonomie im Gesundheitswesen (AuGe)“Footnote 1 wird ein zielgruppenorientiertes, ACP-basiertes Konzept zur Vorausplanung für die letzte Lebensphase erarbeitet, implementiert und evaluiert. Dieser Beitrag präsentiert Ergebnisse einer Bewohnenden- und Angehörigenbefragung, basierend auf folgenden Fragestellungen:

  1. 1.

    Welche Wünsche und Bedürfnisse haben Bewohnende stationärer Pflegeeinrichtungen und deren Angehörige hinsichtlich der Vorausplanung für die letzte Lebensphase?

  2. 2.

    Welchen Kenntnisstand haben Angehörige über die Wünsche und Bedürfnisse sowie Einstellungen ihrer Angehörigen?

  3. 3.

    In welcher Art und Weise sollen Kommunikations- sowie ggf. Dokumentationsprozesse über die Vorausplanung für die letzte Lebensphase aus Sicht der benannten Akteure erfolgen?

FormalPara Methodik

Zur Beantwortung der Fragestellungen wurde ein qualitatives, multizentrisches Studiendesign gewählt. Von Oktober 2018 bis Juni 2019 wurden insgesamt 32 leitfadengestützte Interviews mit Bewohnenden stationärer Pflegeeinrichtungen (n = 24 Interviews) und Angehörigen von Bewohnenden (n = 8 Interviews) in sieben Einrichtungen in unterschiedlicher Trägerschaft geführt. Für die Studie liegt ein positives Votum der Ethikkommission der Universität Würzburg vor (2018: AZ: 140/18-sc).

Die Rekrutierung der Interviewten fand in kooperierenden Pflegeeinrichtungen (Pflegeplätze: M = 63; SD = 42; Min: 15; Max: 174) im Untersuchungsgebiet Stadt und Landkreis Würzburg statt. Die Auswahl der Teilnehmenden (Bewohnende sowie Angehörige) erfolgte nach vorab festgelegten Ein- und Ausschlusskriterien (u. a. Aufenthaltsdauer der/des Bewohnenden in der Einrichtung von mindestens drei Monaten bzw. dieser/diesem angehörig, ausreichende physische und kognitive Fähigkeiten für ein Interview nach Einschätzung des Einrichtungspersonals sowie das Vorliegen einer informierten Einwilligung und eines ongoing consent während des Interviews). Die befragten Angehörigen waren nicht zwangsläufig den befragten Bewohnenden angehörig. Die Rekrutierung geschah nach den o. g. Vorgaben durch die Mitarbeitenden der kooperierenden Pflegeeinrichtungen.

Die Interviews fanden in den Räumlichkeiten der jeweiligen Einrichtungen statt, wurden von Projektmitarbeitenden geführt und auditiv aufgezeichnet. Die Interviews mit Bewohnenden dauerten im Schnitt 55 min, die Angehörigeninterviews 25 min. Zur Standardisierung der Interviews wurden Leitfäden eingesetzt.

Die Audioaufnahmen wurden nach feststehenden Transkriptionsregeln (Dressing & Pehl 2015) verschriftlicht. Die Auswertung der Bewohnenden- und Angehörigeninterviews geschah separat, mittels der inhaltlich-strukturierenden Inhaltsanalyse nach Kuckartz (2016) und mithilfe von MaxQDA Version 12 durch einen Projektmitarbeiter. Analytische Kategorien und (Zwischen-)Ergebnisse wurden im Projektteam diskutiert.

FormalPara Ergebnisse

Stichprobe

Die befragten Bewohnenden waren zum Zeitpunkt der Interviews im Durchschnitt 88,5 Jahre, die befragten Angehörigen 56 Jahre alt. Bei 26 der 32 direkt und indirekt (über die Angehörigen) erfassten Bewohnenden lag eine Patientenverfügung vor. Weitere Charakteristika der Stichprobe sind Tab. 6.1 zu entnehmen.

Tab. 6.1 Stichprobe
FormalPara Bewohnendeninterviews

In Anlehnung an die Leitfragen der Interviews wurden die Aussagen der Bewohnenden, durch die Herausbildung der jeweiligen Ober- und Unterkategorien, fünf thematischen Bereichen zugeordnet (vgl. Tab. 6.2).

Tab. 6.2 Kategorien Bewohnendeninterviews

Wünsche und Bedürfnisse in Bezug auf die letzte Lebensphase

Einen hohen Stellenwert hinsichtlich der Wünsche und Bedürfnisse in Bezug auf die letzte Lebensphase nehmen die Wahrung oder Verbesserung des jetzigen Gesundheitszustandes und der Aktivität/Mobilität ein.

„Also Gesundheit ist für mich das Erste und wo ich sage, das ist mir das Allerwichtigste im Leben“ (B24: 2).

„Vor allem möchte ich nicht dement werden. Hier sind viele Demente und das ist schlimm und bettlägerig zu werden ist genauso schlimm“ (B08: 7).

Die Mehrheit der Befragten möchte nur in einem minimalen Umfang lebensverlängernde Maßnahmen in Anspruch nehmen. Primär werden Schmerzbehandlung und Schmerzlinderung gewünscht. Nicht gewünscht wird der Anschluss an eine Herz-Lungen-Maschine oder eine künstliche Ernährung.

„Ich möchte zum Beispiel nicht wiederbelebt werden oder an Infusionen gehängt werden. Solche Sachen halt […] wenn ich jetzt zum Beispiel umfalle und bewusstlos bin, dann soll man warten, bis ich gestorben bin. Ich meine ich bin 90 Jahre alt, was soll das denn noch?“ (B11: 124).

Als relevant wurden ebenfalls soziale Wünsche und Bedürfnisse identifiziert, welche zumeist das Wohlergehen von oder die Beziehung zu Angehörigen und nahestehenden Personen betreffen.

„Ich bin sehr glücklich, dass meine Frau in meiner Nähe ist, dass wir hier nachmittags am Tisch sitzen und eine Tasse Kaffee trinken können. Das ist alles, was ich will“ (B19: 14).

Die Befragten äußerten teilweise einrichtungsbezogene Wünsche, u. a. nach einer zeitintensiveren und persönlicheren Pflege und Betreuung. Vier Personen gaben an, dass sie keine Wünsche oder Bedürfnisse (mehr) haben.

Kommunikationsgestaltung zu Wünschen und Bedürfnissen

Bewohnende kommunizieren ihre Wünsche und Bedürfnisse zumeist gegenüber ihren Angehörigen. Diese werden auch als die präferierten zukünftigen Kommunikationspartner*innen für Themen der Vorausplanung benannt.

„Ich würde mit meinen Kindern sprechen, die kennen mich und meine Situation“ (B13: 199).

Einrichtungsmitarbeitende werden nur unter bestimmten Prämissen als adäquate Kommunikationspartner*innen gesehen. Diese Prämissen werden als Anforderungen bzw. Förderfaktoren einer gelingenden Kommunikationsgestaltung beschrieben. Diese sind u. a. das Vorhandensein von Vertrauen und weiteren Beziehungselementen sowie individuellen Merkmalen wie Empathie und Sympathie der professionellen Akteure.

„Da würde ich sagen: Vertrauen, das ist ganz, ganz wichtig“ (B04: 30).

„Es gibt welche, die haben Einfühlungsvermögen […] das kriegst du so mit, die haben Einfühlungsvermögen für jemand, und es gibt aber welche, die machen ihre Arbeit und damit ist es erledigt“ (B08: 92).

Es konnte eine Vielzahl von hinderlichen Faktoren bzw. Kommunikationsbarrieren identifiziert werden. Diese betreffen beispielsweise das Wählen eines richtigen Zeitpunktes für ein Vorausplanungsgespräch, Sprachbarrieren sowie die Tabuisierung der Thematik oder Angst, über die letzte Lebensphase zu sprechen.

„Die meisten Leute sagen: Oh, sprich nicht über sowas, das ist schrecklich“ (B03: 49).

Einige Bewohnende gaben an, dass sie niemanden belasten oder generell nicht über das Thema reden wollen.

„I: Haben Sie diesen Wunsch beispielsweise auch schon jemandem mitgeteilt?

B: Nein, nein. Da muss man mit sich selber fertig werden, finde ich. […] Das muss man mit sich selber ausmachen“ (B14: 22–23).

Die befragten Bewohnenden sehen vor allem das Pflegepersonal nicht zwangsläufig als die passenden Gesprächspartner*innen an, da die Befragten dem Personal nicht die notwendigen Kompetenzen zuschreiben. Sollte bei Bewohnenden die Bereitschaft vorhanden sein, mit Einrichtungsmitarbeitenden über Themen der medizinisch-pflegerischen Vorausplanung zu sprechen, wird der Zeit- bzw. Personalmangel in den Einrichtungen häufig als weitere Kommunikationsbarriere beschrieben.

„I: Wie ist es so mit den Pfleger*innen hier? Haben Sie da eine Möglichkeit, mit denen ins Gespräch zu kommen?

B: Ach, sie sind alle so beschäftigt, die haben gar keine Zeit für sowas“ (B03: 53–54).

Größtenteils signalisieren die Befragten jedoch eine grundsätzliche Bereitschaft, über die Vorausplanung ihrer letzten Lebensphase zu sprechen.

„Ja, wenn jemand Einfühlungsvermögen hat und vor allem ein wenig ein Ohr dafür, hätte ich keine Hemmungen darüber zu sprechen“ (B20: 76).

Dokumentation der Wünsche und Bedürfnisse

In Bezug auf die Dokumentation der Wünsche und Bedürfnisse hat die Mehrzahl der Befragten bereits ein Vorsorgedokument erstellt (vgl. Tab. 6.1). Die Angehörigen sowie die Einrichtungen sind laut Aussage der Bewohnenden zumeist über die Existenz der Vorsorgedokumente informiert.

„Die Patientenverfügung liegt auch in meiner [Bewohnenden-]Akte. Das wissen hier auch alle“ (B20: 62).

Das Klären von Verantwortlichkeiten, die Absicherung der eigenen Versorgung und Vorausplanung sowie die Minderung von Entscheidungslast bei Angehörigen waren die genannten Gründe für das Abfassen der entsprechenden Dokumente.

„Man nimmt ihnen [den Angehörigen] die Entscheidung ab, wenn man das bei klarem Verstand schon mitgeteilt hat“ (B16: 129).

Gründe, die aus Sicht der Befragten gegen eine Dokumentation sprachen, waren Verdrängung, Angst vor der Auseinandersetzung mit dem Thema Tod und Sterben, das Abwarten auf einen adäquaten Zeitpunkt sowie die Angst vor Kontrollverlust.

„Was für mich immer entsetzlich war und heute noch ist, ist das Thema Tod. Ich habe richtig Angst davor. Alleine schon darüber nachzudenken“ (B12: 27).

Entscheidungsorientierung und Entscheidungsverhalten

Der Bereich Entscheidungsorientierung und Entscheidungsverhalten wird größtenteils mit der individuellen Sozialisation der Befragten in Verbindung gebracht, häufig im Hinblick auf Erfahrungen mit der Thematik im Familien- und Freundeskreis.

„Mein Vater war Arzt, mein Mann war Arzt, ich bin praktisch bloß in einem Arzt-Haushalt aufgewachsen und da hat man viele Sachen, die auch eben am Lebensende besprochen werden, in der Familie schon mitgekriegt“ (B05: 106).

Professionelle Meinungen oder Beratung werden, wenn diese eingeholt wurden, ebenfalls in Entscheidungen, die Vorausplanung für die letzte Lebensphase betreffend, einbezogen. Als konsultierte Professionen werden hierbei Ärzt*innen und Jurist*innen genannt. Einige Bewohnende nennen außerdem ihren Glauben als Entscheidungsorientierung.

Verständnis von Autonomie und Würde in der letzten Lebensphase

Mit Würde und Autonomie in der letzten Lebensphase wird von den Befragten vor allem ein schnelles und leidensarmes Sterben assoziiert.

„Ich möchte nicht Monate und Jahre leiden und nichts mehr mitbekommen. Für mich wäre ein Tod innerhalb von Sekunden am besten“ (B07: 149).

Ebenso werden hiermit ein möglichst hohes und lange erhaltenes Maß an Freiheit und Selbstbestimmung in Zusammenhang gebracht.

FormalPara Angehörigeninterviews

Ebenfalls in Anlehnung an die Leitfragen der Interviews wurden die Aussagen bzw. identifizierten Kategorien der Angehörigen drei thematischen Bereichen zugeordnet (vgl. Tab. 6.3).

Tab. 6.3 Kategorien Angehörigeninterviews

Wünsche und Bedürfnisse bei der Begleitung ihrer Angehörigen

Bezüglich ihrer Wünsche und Bedürfnisse bei der Begleitung ihrer Angehörigen für deren letzte Lebensphase wurden mehrere Aussagen dem Verständnis der eigenen Rolle der Angehörigen zugeordnet, welche überwiegend als umfängliche, aber größtenteils situativ unterstützende Begleitung der Bewohnenden beschrieben wird.

„Dass ich es ihr halt, wie es in meinen Mitteln steht, ihr halt einfach annehmlich und angenehm mache. Dass ich mich für sie auch einsetze. Dass sie auch ihre Rechte bekommt“ (A05: 49).

Ebenfalls geäußert wurden bestimmte Erwartungen der Angehörigen. Erwartungen an die Einrichtung und Einrichtungsmitarbeitende sowie an behandelnde Ärzt*innen divergieren vor allem in Bezug auf die Einbindung und die Art und Weise von Kommunikations- und Entscheidungsprozessen. Einige Angehörige äußern den Wunsch nach aktiver Einbindung in Entscheidungsprozesse und nach einem transparenten Informationsfluss.

„Ich will natürlich die Entscheidungen so treffen, dass ich später sagen kann: Das hätte die Mutter auch so gewollt. Also z. B. keine lebenserhaltenden Maßnahmen. Darüber haben wir gesprochen“ (A04: 53).

Es gibt ebenfalls Angehörige, die in ihren Erwartungen an die professionelle Seite eher eine Übertragung von Verantwortlichkeiten und Entscheidungen auf diese berichten.

„I: Und würden Sie sich in medizinische und pflegerische Entscheidungen gerne einbringen bei der Versorgung Ihrer Mutter?

A: Nein, weil ich bin kein Mediziner, ich bin keine Pflegekraft. Ich denke, dass die Leute das hier schon können und auch richtig machen“ (A01: 53).

Außerdem werden verschiedene, subjektiv empfundene Belastungen bei den Angehörigen deutlich. Angesprochen werden u. a. Schuldgefühle oder Entscheidungsbelastungen sowie Belastungen in Bezug auf die Gesamtsituation.

„Ich habe immer gedacht, ich könnte sie zu Hause weiter pflegen [Aufnahmeunterbrechung, Befragte fängt an zu weinen], dann ging es irgendwann nicht mehr“ (A06: 17).

„Ja, ich bin berechtigt, die Entscheidungen zu treffen. Ob ich damit zufrieden bin, was ich gemacht habe, weiß ich nicht“ (A06: 19).

„Ich bin durch die ganze Situation ziemlich belastet insgesamt, weil meiner Mutter geht es nicht gut und man muss es halt mit angucken, wie so ein Mensch verfällt. Sowohl körperlich als auch geistig. Das ist eine große Belastung für mich“ (A01: 101).

Kenntnisstand und Formalismen

Der Großteil der Befragten gibt an, die Wünsche und Bedürfnisse sowie (Wert-)Vorstellungen und Einstellungen der Bewohnenden zu kennen. Diese sind nach eigener Aussage nicht immer deckungsgleich mit denjenigen der Angehörigen.

Etwaige Vorsorgedokumente, deren Inhalte und Verbleib sind nach Aussagen der Befragten bekannt. Über den aktuellen Gesundheitszustand sowie die alltagsbezogene Situation der Bewohnenden sind nicht alle Angehörigen detailliert informiert.

Kommunikation und Interaktion

Dies liegt aus Sicht der Angehörigen häufig an der Kommunikations- und Interaktionsgestaltung. Die Kommunikationsgestaltung mit ihren Angehörigen beschreiben die Befragten weitestgehend als zufriedenstellend, sofern dies der physische und kognitive Zustand der Bewohnenden zulässt.

Als optimierbar wird vor allem die Kommunikationsgestaltung mit der Einrichtung und mit Ärzt*innen beschrieben.

„Meine Mutter macht das nicht. Die äußert keine Wünsche. Leider ist das so. Sie ist halt so ein Typ, der macht mit, und was gemacht wird, wird gemacht, und was nicht, dann nicht. Ist auch problematisch teilweise, weil auch die Mitarbeiter*innen hier auch gar nicht manchmal wissen, was sie eigentlich will, bzw. was sie bei uns sagt, kommt da gar nicht an. Ja, es ist schwierig“ (A01: 31).

Als präferierte Kommunikationspartner*innen werden sowohl (Haus-)Ärzt*innen als auch Einrichtungsmitarbeitende genannt.

FormalPara Fazit

Die befragten Bewohnenden äußern vor allem gesundheitsbezogene Wünsche und Bedürfnisse, welche sich größtenteils mit denen aus vergleichbaren Studien, z. B. hinsichtlich der geäußerten Ablehnung von intensiv-medizinischen Maßnahmen, decken (Bollig et al., 2016).

Bewohnende signalisieren grundsätzlich die Bereitschaft, über die Vorausplanung für ihre letzte Lebensphase zu sprechen, jedoch fällt es vielen Bewohnenden schwer, hierfür den richtigen Zeitpunkt und die richtigen Ansprechpartner*innen zu finden. Es konnte ein begrenzter Personenkreis identifiziert werden, mit dem Bewohnende über Themen wie Vorausplanung und Selbstbestimmung sprechen. Dies sind überwiegend Angehörige und nahestehende Personen.

Die Kommunikation mit professionellen Akteuren (z. B. Pflegekräften) wird durch die von Bewohnenden geäußerten Kommunikationsbarrieren (u. a. wahrgenommener Mangel an Zeit und Kompetenz) erschwert. Es ergibt sich der Eindruck, dass Bewohnende den Ärzt*innen das größte Vertrauen entgegenbringen. Einrichtungsmitarbeitende berichten ebenfalls mangelnde zeitliche Ressourcen und fachliche Unsicherheiten als größte Barrieren des Vorausplanungsgeschehens in Pflegeeinrichtungen (Henking et al., 2019; Stone et al., 2014).

Angehörige äußern generell den Wunsch nach (mehr) Kommunikation bzgl. der Versorgungs- und Vorausplanung der Bewohnenden, dies jedoch eher in Bezug auf professionelle Akteure als mit Erstgenannten.

Aus den Ergebnissen können Hinweise für ein zielgruppenorientiertes und settingbezogenes Konzept für Vorausplanungsgespräche im Sinne eines setting- und zielgruppenbezogenen ACP-Ansatzes, welches auf Kommunikationsangeboten basiert, abgeleitet werden. Aus den, vor allem von Bewohnenden beschriebenen, Förderfaktoren sowie aus den geäußerten Kommunikationsbarrieren können Rückschlüsse auf notwendige kommunikative Kompetenzen der potenziellen Kommunikationspartner*innen sowie auf die generelle Kommunikationsgestaltung gezogen werden.

FormalPara Limitationen

Die Generalisierbarkeit der Ergebnisse könnte durch die befragte Stichprobe limitiert sein. Der relativ hohe Bildungsgrad der Bewohnenden und der hohe Anteil an vorhandenen Vorsorgedokumenten sind auffällig. 83 % der Bewohnenden hatten zum Erhebungszeitpunkt eine Patientenverfügung erstellt; dies könnte zu einer Datenverzerrung geführt haben. In einer weiteren Untersuchung in diesem Setting lag die Prävalenzquote von Patientenverfügungen bei Bewohnenden stationärer Pflegeeinrichtungen bei 20,4 % (Klemmt et al., 2020). Diese Überrepräsentativität könnte durch den Rekrutierungsweg der Interviewten bedingt sein.