Seit den Anfängen der Erforschung des Lehrens und Lernens suchen Wissenschaftler Antworten auf die Frage, inwieweit Transfer des Gelernten möglich ist. Hoffnungen, umfassende Antworten auf diese Frage gefunden zu haben, werden jedoch bis heute mit jedem neuen Experiment oder Reformprogramm enttäuscht (vgl. Prenzel & Mandl, 1992), weshalb Resnick (1989, S. 8) sogar so weit ging diese Forschungsbemühungen mit der Suche nach dem heiligen Gral gleichzusetzen. Die Suche nach Erklärungen für Transfer, Transfermechanismen, transferförderliche Instruktionsmethoden sowie Erklärungen für das Ausbleiben von Transfer brachte eine Vielzahl von Theorien hervor, die Transfer aus zum Teil sehr unterschiedlichen epistemologischen Perspektiven beschreiben. Für eine theoretische Rahmung dieser Arbeit werden in diesem Kapitel verschiedene Transfertheorien und die mit ihnen verbundenen zentralen empirischen Befunde unter drei Paradigmen diskutiert:

Kognitionspsychologische Theorien :

argumentieren auf Grundlage von Informationsverarbeitungsmodellen und beschreiben Transfer als den Abruf von Vorwissensstrukturen, die als Schemata im Langzeitgedächtnis abgelegt sind. Entscheidend für ihre Aktivierung sind zum einen Gemeinsamkeiten in elementaren Eigenschaften sowie Ähnlichkeiten in der Oberflächen- und Tiefenstruktur von Lern- und Anforderungssituation.

Aus Perspektive der Situierten Kognition :

wird Lernen als ein aktiver Sozialisationsprozess beschrieben, in dem Wissen in bereichs- und situationsspezifischen Aushandlungen mit der Umwelt entsteht und somit an diese gebunden ist. Durch aktives Handeln entwickeln Lernende situative Handlungsmodelle als Werkzeuge zum mentalen Operieren, die eine Aktivierung in funktional ähnlichen Anforderungssituationen ermöglichen.

Integrierende Theorien vom Transfer beim Mathematiklernen :

beschreiben Transfer als individuelle Konstruktion von Zusammenhängen durch Lernende. Mathematisches Wissen wird nicht als statische Entität, sondern auf Grundlage dynamischer mentaler Repräsentationen beschrieben, die stetig neu strukturiert werden und auf individuellen Interpretationen sowie individuellen Generalisierungen der Lernenden beruhen.

Obgleich man aus einer sprachlichen Sicht mit dem Begriff Transfer in erster Linie eine Übertragung versteht, werden bei der Darstellung der verschiedenen Transferperspektiven teils beträchtliche Begriffsunterschiede und -verwendungen deutlich. Aus diesem Grund erfolgt zu Beginn dieses Kapitels eine Übersicht zu verschiedenen Transferbegriffen.

Es soll an dieser Stelle erwähnt werden, dass die Darstellung in diesem Kapitel nicht vollständig ist, sondern eine Auswahl hinsichtlich ihrer Relevanz für diese Arbeit und ihrer Anwendbarkeit auf schulisches Lernen getroffen wurde.

1.1 Transferbegriffe

In seinem lateinischen Ursprung bedeutet „Transfer“ so viel wie „übertragen“. In der frühen deutschen Psychologie des 19. und 20. Jahrhunderts wurde vermehrt von Effekten der „Mitübung“ oder „Übertragungsübung“ gesprochen (Klauer, 2011, S. 16). Hierbei versuchte man zu erklären, dass in einem Übertragungsprozess auch immer etwas mitgeübt wird, was nicht im Zentrum des Lehrgangs oder allgemeiner der Instruktion stand. Gleichwohl implizierte der Begriff der Übertragungsübung, dass „Übung nicht nur auf das Geübte wirkt, sondern dass sie auch auf etwas anderes übertragen wird“ (Klauer, 2011, S. 16). Von dieser Idee ausgehend wurde insbesondere im vergangenen Jahrhundert der Begriff „Lerntransfer“ entwickelt und etabliert. Dieser Begriff wurde häufig synonym mit dem Begriff „Wissenstransfer“ gebraucht, obgleich die beiden Begriffe unterschiedliche Übertragungen zum Ausdruck bringen. Wohingegen der Begriff „Wissenstransfer“ ein Übertragen bestehenden Wissens beschreibt, benennt der Begriff „Lerntransfer“ die Übertragung von Prozessen des Lernens. Auch in der englischsprachigen Literatur wird nur selten explizit zwischen „transfer of learning“ und „knowledge transfer“ unterschieden, obgleich sie unterschiedliche Aspekte des Transfers betonen.

Im Verlauf des 20. Jahrhunderts gehörte der Transferbegriff zu einem der meist diskutierten Themen der sich rasant entwickelnden Lern- und Instruktionspsychologie (vgl. Lobato, 1996; Mähler & Stern, 2010; Klauer, 2011). Nicht zuletzt besteht seit jeher ein wesentliches Ziel schulischen Lernens im Aufbau von tragfähigem, flexiblem und bereichsunabhängig anwendbarem Wissen. Lernen dient keinem Selbstzweck, sondern soll in alle Bereiche des Lebens wirken. Aufgrund dieser hohen Bedeutungszuschreibung wurden in den verschiedenen lernpsychologischen Disziplinen zahlreiche Erklärungsversuche des Transferphänomens (vgl. Dettermann, 1993) unternommen. Die Transferforschung entwickelte sich zu einem vielschichtigen Forschungsfeld, aus dem eine Vielzahl an zum Teil sehr speziellen und domänenspezifischen Begriffsdefinitionen und -Unterscheidungen hervorgingen: „[...] every conceptualization of transfer reflects its own time and the concept of learning related to it“ (Tuomi-Gröhn & Engeström, 2003, S. 33).

In seinen pädagogisch psychologischen Ursprüngen ist Transfer im Lernen zu verorten und bezeichnet eine spezielle Art von Lernprozessen. So definiert Klauer Lerntransfer als einen „nichttriviale[n] Lerneffekt, d. h. ein[en] Lerneffekt bei Aufgaben, die in dem fraglichen Prozess weder gelernt noch geübt wurden“ (Klauer, 2011, S. 17). Dabei unterscheidet er zwischen trivialen und nichttrivialen Lernprozessen, wobei triviale Lernprozesse Effekte bezeichnen, die konkret in den Aufgaben auftreten, mit denen gelernt oder geübt wurde. Hingegen bezeichnet er „Lern- oder Übungseffekte, [die] bei Aufgaben auftreten, die überhaupt nicht gelernt oder geübt wurden“ (Klauer, 2011, S. 17) als nichttriviale Lerneffekte. Eine ähnliche Darstellung findet sich auch bei Larkin:

„Transfer means applying old knowledge in a setting sufficiently novel that it also requires new knowledge. If there were no transfer, then solving problems in a new domain would require totally mastering a set of necessary new knowledge. To the extent that transfer occurs, some of this necessary knowledge is transferred from earlier experience and need not be learned. Because necessary knowledge is transferred from earlier experience and need not be learned, the usual measure of transfer is the difference in time required to learn a new task for learners with certain prior experience as opposed to other learners who lack this experience“. (Larkin, 1989, S. 283 f.)

Ähnlich definieren auch Mähler und Stern Transfer als „die erfolgreiche Anwendung angeeigneten Wissens bzw. erworbener Fertigkeiten im Rahmen einer neuen, in der Situation nicht vorgekommenen Anforderung“ (Mähler & Stern, 2010, S. 859). Sie fügen hinzu, dass wenn „eine Intervention in einem Anforderungsbereich (A) das Lernen in einem unabhängigen Anforderungsbereich (B) [erleichtert], wird dies als Produkt des Transfers angesehen“ (Mähler & Stern, 2010, S. 859). Diese Definitionen von Transfer haben zwei zentrale Elemente gemeinsam: Erstens findet ein Transfer zwischen zwei Anforderungssituationen statt, d. h. es gibt eine Lern- und eine Transfersituation. Dabei wird in einer Lernsituation Wissen erworben und in einer zweiten von der Lernsituation unabhängigen Situation angewendet. Die erforderliche Transferwirkung ist dabei besonders von der Qualität des Vorwissens abhängig: „Dort, wo etwas nicht solide gelernt und eingeübt wurde, gibt es auch nichts zu transferieren“ (Steiner, 2006, S. 193). Zweitens findet eine Interaktion zwischen den beiden Situationen statt, die von einer Anforderungssituation A auf eine zweite Anforderungssituation B wirkt. Transfer hat somit eine Wirkungsrichtung.

Proaktiver und retroaktiver Transfer:

Transfer, der auf eine neue Situation wirkt, wird als proaktiver Transfer bezeichnet (vgl. Hasselhorn & Gold, 2013, S. 146 f.). Als Beispiel für einen proaktiven Transfer kann die Übertragung des schriftlichen Additionsverfahrens von den natürlichen Zahlen auf die schriftliche Addition von Dezimalzahlen angeführt werden. Die proaktive bzw. in der Zeit vorwärts wirkende Transferrichtung ist für die meisten Unterscheidungen von Transferbegriffen und -wirkungen charakteristisch: „Gäbe es diesen Lerntransfer nicht, müssten wir unendlich viele hochspezifische Verhaltensweisen im Einzelnen erlernen“ (Hasselhorn & Gold, 2013, S. 147).

Im Gegensatz zu proaktivem Transfer wird ein Transfer, der rückwirkend auf bereits bekannte Situationen wirkt, als retroaktiver Transfer bezeichnet (Hasselhorn & Gold, 2013, S. 147). Hohensee (2014, S. 136) beschreibt rückwirkenden Transfer als den Einfluss neu erworbenen Wissens auf die Verarbeitung und Weiterentwicklung von bestehendem konzeptuellem Wissen:

„I define backward transfer as the influence that constructing and subsequently generalizing new knowledge has on one’s ways of reasoning about related mathematical concepts that one has encountered previously.“ (Hohensee, 2014, S. 136)

Als Beispiel für rückwirkenden Transfer können die Ergebnisse von Hohensee (2014) angeführt werden, der positive Effekte einer Intervention in Form der Einführung von quadratischen Funktionen auf das Verständnis der Probanden von linearen Funktionen und proportionalen Zusammenhängen berichtet. In 16 Unterrichtseinheiten wurden die Probanden zu quadratischen Funktionen unterrichtet. In den Unterrichtseinheiten wurden insbesondere auch proportionale Wertveränderungen zur Kontrastierung von quadratischen Funktionen behandelt. In den an die Unterrichtsphase anschließenden Interviews zeigten fünf der sieben Probanden ein wesentlich umfassenderes Verständnis von proportionalen Mengenveränderungen und den elementaren Eigenschaften linearer Gleichungen:

„Results showed that students’ ways of reasoning about essential properties of linear functions were productively influenced. Furthermore, conceptual connections were identified linking changes in students’ ways of reasoning about linear functions to what they learned during the quadratics unit.“ (Hohensee, 2014, S. 135)

Auf Grundlage seiner Beobachtungen formuliert Hohensee (2014, S. 164 f.) drei Charakteristika rückwirkenden Transfers:

  • Rückwirkender Transfer ist kein zufälliger Prozess, sondern resultiert in systematischen Einflüssen auf das Vorwissen der Lernenden, d. h. obwohl es individuelle Unterschiede zwischen den Lernenden gibt, so lässt sich doch eine übergreifende Richtung der Vorwissensveränderung identifizieren.

  • Rückwirkender Transfer kann positive und negative Effekte haben, die sich aber nicht zwingend in einer normativen Testbeurteilung widerspiegeln, d. h. die Wirkung von neuem Wissen kann auch zu neuen Schwierigkeiten führen, die zuvor nicht bestanden. Zudem kann es sein, dass die Effekte nur in einer deskriptiven Rekonstruktion des Lernprozesses sichtbar werden und sich der normativen Perspektive verschließen.

  • Rückwirkende Transfereffekte sind nicht linear gerichtet, sondern wirken auf vielfältige Weise über verschiedene Handlungsfelder, d. h. auch in Inhalts- und Aufgabenbereichen, die nicht im Zentrum des Lernprozesses stehen, können Effekte rückwirkenden Transfers identifiziert werden.

Hohensee berichtet, dass die Probanden im Anschluss an die Intervention vor allem andere konzeptuelle Beziehungen und Eigenschaften von linearen Funktionen wahrgenommen haben als in den Interviews vor Beginn der Unterrichtseinheit.

Positiver und Negativer Transfer:

Proaktive Transferdefinitionen beschreiben zumeist eine positive Wirkung. Zum Beispiel beschreibt Steiner Transfer als „die Nutzung von früher erworbenem Wissen im Hinblick auf neue Inhalte oder neue Situationen“, wodurch sich die „Leichtigkeit des Lernens oder Problemlösens“ erhöht und der „zeitliche Aufwand reduziert wird“ (Steiner, 2006, S. 193). Wenn „neues Lernen oder Problemlösen durch vorangegangenes Lernen erleichtert wird, spricht man von positivem Transfer“ (Hasselhorn & Gold, 2013, 148, Hervorhebung im Original; vgl. auch Mähler & Stern, 2010). Wird zum Beispiel das schriftliche Additionsverfahren, das im Zahlbereich der natürlichen Zahlen erarbeitet wurde, angewendet um Dezimalzahlen schriftlich miteinander zu addieren, handelt es sich um einen positiven Transfer.

Im Gegensatz zu einer Erleichterung des Lernens kann bestehendes Wissen jedoch auch neues Lernen beeinträchtigen. In diesem Fall spricht man von negativem Transfer (Hasselhorn & Gold, 2013, S. 148) oder dem Auftreten von „Interferenzen“ (vgl.Singley & Anderson, 1989; Pennington & Rehder, 1995). Negativer Transfer ist in der mathematikdidaktischen Forschung häufig dokumentiert. Insbesondere in Studien zum Aufbau des Bruchzahlbegriffs ist eine der häufigsten Ursachen für die Entwicklung von fehlerhaften Vorstellungen und Fehlermustern, dass Eigenschaften und Operationsstrukturen vom Rechnen mit natürlichen Zahlen auf den Umgang mit Bruchzahlen übertragen werden (vgl. Wartha, 2007, 2009; Eichelmann, Narciss, Schnaubert & Melis, 2012). So kann zum Beispiel die Übertragung der Vorgänger-Nachfolger-Beziehung natürlicher Zahlen auf die Bruchzahlen als negativer Transfer bezeichnet werden.

Novick (1988, S. 512) weist in ihrer Studie zum Transfer beim Lösen von analogen Problemen darauf hin, dass ein Ausbleiben von Transfer („transfer failure“) von negativem Transfer zu unterscheiden sei. Auf der einen Seite werden überhaupt keine Informationen aus einem Basisproblem auf ein Transferproblem übertragen (ausbleibender Transfer) und auf der anderen Seite werden Informationen aus einem Basisproblem auf ein Transferproblem übertragen, in dem sie zu einer falschen Lösung führen oder sind allgemein nicht in diesem anwendbar (negativer Transfer).

Bewusster und Automatischer Transfer:

In einem Literaturreview über die Ausdifferenzierung verschiedener Transfermechanismen beleuchten Salomon und Perkins (1989) den bewussten kognitiven Aufwand bzw. das Bemühen, das eine Person in Transferleistungen investiert. Zur Ordnung von unterschiedlichen Qualitäten von Transfer trennen sie zunächst voneinander „wie“ etwas transferiert wird, d. h. die Mechanismen, die zu einem Transfer führen, und „was“ transferiert wird, d. h. die Arten von Wissensstrukturen und Fertigkeiten, die in einem Transfer übertragen werden. Zudem unterscheiden sie weiterhin „in welchem Umfang“ und „mit welcher Distanz“ etwas transferiert wird (Salomon & Perkins, 1989, S. 115 ff.).

Als Ergebnis ihrer Diskussion beschreiben sie zwei Arten von Transfer: „Low-Road“ und „High-Road“ Transfer:

„Low- road transfer primarily reflects extended practice; distance of transfer depends on [the] amount of practice and variability of contexts in which the practice has occured. High-road transfer, on the other hand, depends on the mindful abstracting of knowledge from a context.“ (Salomon & Perkins, 1989, S. 115)

Der Schlüsselaspekt von Low-Road Transfer ist das Üben in einer Vielzahl unterschiedlicher Kontexte. Durch wiederholte Übung in verschiedenen Anwendungsbereichen wird die Informationsverarbeitung bzw. das Verhalten der Lernenden schneller, müheloser und uneingeschränkt in Bezug auf die kognitiven Kapazitäten der Lernenden. Low-Road Transfer bedarf in der Folge keiner bewussten Aufmerksamkeit oder Anstrengung und vorhandene Fertigkeiten bzw. vorhandene Wissenselemente werden quasi automatisch auf neue Anforderungen übertragen, weshalb in der Literatur auch häufig die Bezeichnung automatischer Transfer genutzt wird (vgl. Hasselhorn & Gold, 2013, S. 150). Übertragen werden immer nur ganze Bündel von Fertigkeiten oder Wissensstrukturen und der Transfer von einzelnen Fragmenten oder Teilfertigkeiten sei nicht zu erwarten (Salomon & Perkins, 1989, S. 123).

Während Low-Road Transfer als automatischer Prozess beschrieben wird, der von bestimmten Stimuli ausgelöst und durch umfangreiche Übung unterstützt wird, ist die zentrale Eigenschaft von High-Road Transfer die bewusste und systematische Dekontextualisierung oder Abstraktion von kognitiven Elementen. Dabei verstehen Salomon und Perkins unter einer Abstraktion sowohl ein Produkt als auch einen Prozess der mentalen Repräsentation:

„An abstraction is a representation of some sort that is more general, less specified, than another representation to which it is compared. [...] A process of abstraction is any process that achieves abstraction by a variety of information-processing maneuvers“. (Salomon & Perkins, 1989, S. 124 f.)

Abstraktionen beinhalten sowohl die Loslösung von einem Kontext als auch eine kontextbefreite Repräsentation von Informationen in allgemeiner Form sowie Zusammenfassungen von mehreren Fällen. Diese haben die Form von Regeln, Prinzipien, Begriffen, schematischen Mustern oder Kategorien: „This makes clear how abstraction leads to transfer: It yields a re-presentation that subsumes a greater range of cases“ (Salomon & Perkins, 1989, S. 125). Da diese Abstraktionsprozesse nicht von selbst bzw. automatisch ablaufen und vom Lernenden aktiv und bewusst sowie zum Teil unter großen Anstrengungen erarbeitet werden müssen, wird High-Road Transfer auch häufig als bewusster Transfer bezeichnet (vgl. Hasselhorn & Gold, 2013, S. 150).

Naher und Weiter Transfer – Das Problem der Transferdistanz:

Die Vielfalt der im vorigen dargestellten Transferbegriffe und Begriffsunterscheidungen kann einerseits auf den Versuch zurückgeführt werden, verschiedene Qualitäten von Transfer in unterschiedlichen Wissensdomänen zu unterscheiden und zu charakterisieren. Andererseits wird in der Vielfalt der Begriffe deutlich, dass es keine gemeinschaftlich akzeptierte Definition davon gibt, was überhaupt ein „Übertragen“, einen neuen „Kontext“ oder eine neue „Situation“ konstituiert.

In Hinsicht auf eine Verallgemeinerung der in den verschiedenen Transferbegriffen konzeptualisierten Qualitätsunterschiede und Differenzierungen hat sich der Begriff der Transferdistanz herauskristallisiert, der die Qualität von Transferleistungen auf einem räumlichen Kontinuum ordnet und veranschaulicht, auf dem zwischen nahem und weitem Transfer unterschieden wird:

Naher Transfer findet statt, wenn Lern- und Transfermaterial einander ähnlich sind, sich stark überschneiden. [...] Ist jedoch die inhaltliche Überschneidung gering oder gar zu vernachlässigen, handelt es sich um weiten Transfer.“ (Klauer, 2011, 29, Hervorhebung des Autors)

Hinter der Unterscheidung zwischen nahem und weitem Transfer steht die Grundannahme, dass

„es ein Kontinuum von Bewährungssituationen bzw. Leistungsanforderungen gibt, mit zunehmender Unähnlichkeit von der ursprünglichen Lernsituation bzw. Lernanforderung, und dass eine Transferwirkung umso erstaunlicher ist, je weiter man sich auf diesem Kontinuum von der ursprünglichen Lernsituation (Situationstransfer) bzw. von der ursprünglichen Lernanforderung (Anforderungstransfer) entfernt.“ (Hasselhorn & Gold, 2013, S. 149)

Obgleich diese Unterscheidung weitgehend theorieneutral ist, bleibt eine vergleichbare Einordnung von Transferdistanzen auf dem Distanzkontinuum problematisch, da es ohne präzise inhaltsspezifische Festlegungen nicht möglich ist, bedeutsame Unterschiede zwischen Transfereffekten und -Leistungen zu beurteilen. Ungeachtet dessen werden im Folgenden zwei Taxonomien als Versuch der Ordnung von Transferdistanzen und -Qualitäten vorgestellt:

Haskell (2001, S. 29 f.) unterscheidet sechs Stufen von Transfer auf Grundlage einer subjektiven Ähnlichkeit von Ausgangs- und Zielsituation:

„Level 1: Nonspecific transfer :

Nonspecific transfer implies that all learning essentially is transfer of learning because all learning is contingent upon being connected to past learning. This level of transfer, though true and thoroughly necessary, is perhaps trivial in light of daily experiences of transfer.

Level 2: Application transfer: :

Application transfer refers to the application of what we have learned to specific situations. For example, after having learned about computer programming, we are then able to genuinely apply this knowledge to actually program a computer.

Level 3: Context transfer: :

Context transfer, in contrast, refers to the application of what we have learned under slightly different situations. A lack of transfer may occur if the context changes, even if the learned task itself does not change. We experience this type of transfer when „place learning“ plays a central role in learning because learning may be retrieved due to cues being provided by the physical place itself. For example, some of us have failed to recognize someone even though they may be staring at us.

Level 4: Near transfer: :

Near transfer occurs when we transfer previous knowledge to new situations closely similar to, yet not identical to, initial situations. Transferring our experiences associated with driving a car with a manual transmission to driving a truck with a manual transmission reflects an example of near procedural transfer.

Level 5: Far transfer: :

Far transfer entails the application of learning to situations entirely dissimilar to the initial learning. This level of transfer of learning reflects analogical reasoning. For example, learning about logarithms in algebra and applying this knowledge in assessing the growth of bacteria in microbiology.

Level 6: Displacement or creative transfer: :

Displacement or creative transfer results in the creation of a new concept because of the interaction of the newly perceived similarity between the new and the old. This type of transfer of learning involves more than the mere insight that something is similar to something else. For example, the effects of the downward pull of the earth’s uniform gravitational field that we experience while standing on earth is equivalent to the effects that we experience while standing in an elevator that is accelerating upwards at precisely the right rate. This transfer of learning, that acceleration and gravity is actually the same thing, refers to the Principle of Equivalence–a basic postulate of Einstein’s Theory of General Relativity. (Haskell, 2001, S. 29 f.)

Der Grad der Ähnlichkeit zwischen Lernsituationen, der dieser Hierarchie unterliegt, ist in hohem Maße subjektiv und es ist in vielen Fällen nicht eindeutig, wie nah oder fern sich verschiedene Lernsituationen oder Informationsstrukturen sind. Daher bedarf die Unterscheidung von Transferdistanzen einer bereichsspezifischen und differenzierten Definition. Zudem hängt die Wahrnehmung von Ähnlichkeit stark vom individuellen Vorwissen der Lernenden ab. So kann ein naher Transfer für unerfahrene Lernende sehr weit und ein weiter Transfer für sehr erfahrene Lernende sehr nah sein. Haskell (2001, S. 30) erklärt, dass die beiden ersten Stufen seiner Transfertaxonomie weniger echte („proper“) Fälle von Transfer sind, sondern im Grunde als einfache („simple“) Lernprozesse zu verstehen sind. Die erste Stufe, auf der wirklich von einem Transfer zu sprechen sei, sei Stufe 4, die in Bezug auf eine zunehmende Unähnlichkeit der Situation und Informationsverarbeitungsprozesse auf den Stufen 5 und 6 erweitert werde. Im Gegensatz zu den Stufen 1–3 erfordern die Stufen 4–6 neue Lernprozesse, damit es zu einem Transfer kommen kann. Nach Haskell (2001, S. 30) ist die Erforderlichkeit neuen Lernens das ausschlaggebende Kriterium für Transfer, da in allen anderen Fällen lediglich bestehendes Wissen zur Anwendung komme.

Einen anderen Zugang zur Unterscheidung von Transferdistanzen und zur Ordnung von Transferqualitäten beschreiben Barnett und Ceci (2002). Für eine Metaanalyse von Transferstudien aus verschiedenen Disziplinen entwickeln sie ein Rahmenmodell für eine vergleichende Beurteilung der Transferdistanz. Sie stellen fest, dass die Frage, welche Art von Transfer in einer Studie berichtet wird, komplexer ist als die Begriffe „nah“ und „weit“ implizieren:

Near and far can mean many different things, and researchers are not consistent in their usage. Second, it suggests that the memory demands of the task–the manner in which use of transferred knowledge is tested– may affect transfer success and thus may need to be explicitly considered. Third, it cautions that the issue of whether the skill to be transferred is specific or general should not be confounded with discussions of whether the task constitutes near or far transfer.“ (Barnett & Ceci, 2002, 621, Hervorhebungen im Original)

Aus diesem Grund unterscheiden sie zwischen zwei EbenenFootnote 1 von Transfer (Barnett & Ceci, 2002, S. 621): Der inhaltlichen Ebene („What is transferred?“) und der Ebene des Kontexts („When and where learning is transferred from and to?“). Diese Ebenen unterteilen sie jeweils in mehrere Unterkategorien bzw. Dimensionen, auf denen sie ein Kontinuum von Transferdistanzen spezifizieren.

Die Inhaltskomponente brechen sie auf drei Dimensionen herunter: „(a) the specificity–generality of the learned skill, (b) the nature of the performance change assessed, and (c) the memory demands of the transfer task“ (Barnett & Ceci, 2002, S. 621).

Abbildung 1.1
figure 1

Inhalts- und Kontextebene der Transfertaxonomie von Barnett und Ceci (2002, S. 621)

Auf der Dimension der Spezifität-Generalität der erlernten Fähigkeit unterscheiden Barnett und Ceci (2002 S. 621 f.) zwischen der Übertragung von Faktenwissen, spezifischen und eng umschriebenen Prozeduren, Repräsentationsformen oder allgemeinen Problemlösestrategien und Prinzipien. Dabei verstehen sie unter einer spezifischen Prozedur das Durchlaufen einer bestimmten Schrittfolge im Sinne eines Algorithmus (z. B. schriftliche Rechenverfahren). Demgegenüber setzt der Transfer eines Prinzips ein wesentlich tieferes, strukturelles und kausales Verständnis voraus, wie zum Beispiel die Interpretation einer Statistik vor dem Hintergrund des empirischen Gesetzes der großen Zahlen. Unter dem Transfer einer Repräsentation verstehen sie die Nutzung einer bestimmten Darstellungsweise für einen inhaltlichen Zusammenhang, wie z. B. die Darstellung von Wahrscheinlichkeiten in einem Baumdiagramm oder die Matrizenschreibweise von Parametern. Barnett und Ceci (2002, S. 621) merken an, dass die Unterscheidung einer spezifischen und allgemeinen Fähigkeit direkt vom Lernstand bzw. vom Vorwissen der Lernenden abhängt, womit es unabdingbar sei den Kenntnisstand der Lernenden im Vorhinein zu erheben. Auf den weiteren Inhaltsdimensionen unterscheiden sie die Art der Leistungsveränderung durch einen Transfer, wobei sie zwischen Veränderungen der Geschwindigkeit, der Qualität und dem Zugang der Bearbeitung unterscheiden, sowie den Anforderungen an die Informationsverarbeitung, wobei das Unterscheidungskontinuum von einem bloßen Ausführen einer Handlung bis hin zum Abwägen und Entscheiden zwischen unterschiedlichen Handlungsalternativen reicht.

Ähnlich der Auffächerung der inhaltlichen Ebene unterteilen Barnett und Ceci (2002, S. 623 f.) auch die Kontextebene in mehrere Dimensionen, innerhalb derer jeweils ein Kontinuum von nahen bis weitem Transfer anhand von dimensionsspezifischen Beispielen aufgespannt wird (vgl. Abb. 1.1). Hier unterscheiden sie zwischen dem Inhaltsbereich („Knowledge domain“), aus dem das übertragene Wissen bzw. die übertragene Fähigkeit stammt, dem physischen Kontext als räumliche Distanz zwischen Lern- und Transfersituation, dem zeitlichen Kontext zum Vergleich des zeitlichen Abstands zwischen Lern- und Transferanforderung, dem funktionalen Kontext, in dem zwischen unterschiedlichen Formalitäten von Lern- und Transfersituation unterschieden wird, dem sozialen Kontext und der Modalität von Lern- und Transferanforderung.

Die beiden dargestellten Taxonomien von Haskell (2001) und Barnett und Ceci (2002) haben gemeinsam, dass sie die Distanz eines Transfers auf einem Kontinuum von nah bis weit klassifizieren. Es wird deutlich, dass die Unterscheidung von nahem und weitem Transfer mit einer gewissen Unschärfe behaftet ist. Obgleich bei Haskell die „subjektive Ähnlichkeit“ (Haskell, 2001, S. 29 f.) von Ausgangs- und Transfersituation der Ausgangspunkt für die Unterscheidung verschiedener Transferqualitäten ist, so ist festzustellen, dass die Stufen in Haskells Modell vielmehr die kognitiven Anforderungen eines Transfers repräsentieren, wie sie von Barnett und Ceci (2002) auf der inhaltlichen Ebene formuliert werden.

Während Haskells Unterscheidung von nahem und weitem Transfer im Wesentlichen darin besteht, dass für einen nahen Transfer die Anforderungen einander ähnlich, jedoch nicht identisch sind und für einen weiten Transfer keine Ähnlichkeit aufweisen, differenzieren Barnett und Ceci anhand verschiedener Ebenen und Dimensionen von Ähnlichkeit ein breites Spektrum von Transferdistanzen. Es wird deutlich, dass die beiden Klassifikationsschemata sehr allgemein gehalten und nicht für die inhaltliche Planung von Unterricht vorgesehen sind. Ihr Beitrag liegt vielmehr darin, ein Rahmenmodell für den Vergleich verschiedener Transferanforderungen bzw. – im Fall der Taxonomie von Barnett und Ceci – ein Modell zum Vergleich verschiedener empirischer Untersuchungen anzubieten. Die Frage, was genau ein naher und was ein weiter Transfer ist, wird durch die Klassifikationsschemata nicht beantwortet. Diese Frage kann nur auf einer inhaltlichen Ebene im entsprechenden Inhaltsbereich beantwortet werden. Es kann jedoch festgehalten werden, dass die Unterscheidung zwischen einem nahen und weiten Transfer nicht eindeutig ist, sondern nur auf einem Kontinuum und in einem entsprechenden Referenzrahmen vorgenommen werden kann.

Zusammenfassung

In diesem Abschnitt wurde ein Ausschnitt aus dem breiten Spektrum an Transferbegriffen dargestellt, die in der Literatur zu finden sind. Die verschiedenen Begriffsunterscheidungen gehen auf diverse theoretische Hintergründe und Grundannahmen des Lernens zurück und sind daher nur bedingt im Rahmen einer hier vorgenommen Gegenüberstellung miteinander vergleichbar. Es soll dennoch festgehalten werden, dass mit dem Begriff Transfer in seinem wörtlichen Sinn stets eine Übertragung von Elementen des Wissens oder des Lernens zum Ausdruck gebracht wird. Unter der Annahme, dass Lernen stets in einer Form von Wissen resultiert, wird im Weiteren nicht zwischen diesen Begriffen differenziert, sondern ganz allgemein der Begriff Transfer verwendet.

Das illustrierte Spektrum unterschiedlicher Wirkungsrichtungen und Qualitäten von Transfer ist im Wesentlichen als Ergebnis von Untersuchungen zum Transfer in verschiedenen Wissensdomänen mit unterschiedlichen theoretischen Konzepten von Wissen und Lernen zu interpretieren. Im Hinblick auf den Mathematikunterricht und das Mathematiklernen im Allgemeinen wurde die Darstellung in diesem Abschnitt auf Begriffsunterscheidungen reduziert, die sich auf mathematische Lernprozesse anwenden lassen: Die zeitliche Wirkungsrichtung eines Transfers (proaktiver und retroaktiver bzw. rückwirkender Transfer), die Unterscheidung zwischen lernförderlichem, lernhinderlichem (positiver und negativer) Transfer sowie ausbleibendem Transfer, der kognitiven Bemühung der Lernenden um einen Transfer (automatischer und bewusster Transfer) und zuletzt die Unterscheidung verschiedener Transferdistanzen (naher und weiter Transfer), die als Hilfe für eine inhaltliche Strukturierung von Unterrichtsmaterial von Nutzen sein kann.

Die aufgeführten Begriffsunterscheidungen entstammen zum Teil sehr verschiedenen Forschungstraditionen zu sehr unterschiedlichen Wissensdomänen und sind aus diesem Grund so theorieneutral wie möglich formuliert. In den folgenden Abschnitten werden verschiede Forschungsrichtungen, theoretische Perspektiven, Modelle und empirische Untersuchungen zu Transfer dargestellt und diskutiert, die den theoretischen Hintergrund für diese Arbeit und die Konzeption der empirischen Untersuchung bilden.

1.2 Kognitionspsychologische Theorien von Transfer

Die in diesem Abschnitt diskutierten theoretischen Perspektiven stehen im Kontext der Entwicklung von kognitionspsychologischen Konzeptionen von Lernen.

Einen Ausgangspunkt für diese Entwicklung stellen die frühen systematischen Untersuchungen von Thorndike und Woodworth (1901a; 1901b; 1901c) dar, die in ihren experimentellen Studien eine Gegenposition zu den Annahmen der formalen Bildung formulierten und feststellten, dass eine Schulung universeller geistiger Fähigkeiten keinen Einfluss auf das Erlernen spezifischen Wissens hat. In diesem Zusammenhang entwickelte Thorndike seine Theorie der identischen Elemente.

Als Gegenposition zu Thorndikes Theorie der identischen Elemente wird die Theorie des Transfers durch Erkennen von Prinzipien vorgestellt. Im Gegensatz zu Thorndikes Arbeiten schreiben Judd (1908; 1939) und andere Vertreter der Gestaltpsychologie dem Verstehen von allgemeinen Prinzipien und Regelhaftigkeiten eine größere Bedeutung zu. Sie argumentieren, dass aus praktischer Sicht nicht „Drill und Übung“, sondern verstehenszentrierte Instruktionsmethoden Transfer ermöglichen.

Mit der Entwicklung von kognitiven Architekturen menschlicher Informationsverarbeitung rückten diese in das Zentrum der Erforschung und Erklärung von Lern- und Transferprozessen. Auf dieser Grundlage wurden einerseits frühe Theorien aufgegriffen, anhand von Informationsverarbeitungsprozessen präzisiert und erweitert. Im zweiten Teil dieses Abschnitt erfolgt zunächst eine kurze Beschreibung der Grundannahmen eines zentralen Modells der menschlichen Informationsverarbeitung. Aufbauend auf dieser werden zwei einflussreiche theoretische Transfertheorien bzw. -Paradigmen dargestellt und diskutiert: Die ACT*(-R) Theorie von Anderson und Kollegen sowie Arbeiten zum Transfer durch Analogiebildung.

1.2.1 Frühe systematische Untersuchungen zum Transfer

Thorndikes Theorie der identischen Elemente

Thorndike erklärt in seiner Theorie der identischen Elemente, dass ein Wissenstransfer zwischen zwei Aufgaben nur dann stattfinden kann, wenn für die Bearbeitung beider Aufgaben auf die gleichen Wissenselemente zurückgegriffen werden kann.

Diese theoretische Positionierung stellte zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts einen Gegenpol zu den damals weit verbreiteten Annahmen der formalen Bildung dar. Eine Grundannahme der formalen Bildung war, dass das menschliche Gedächtnis aus einer Ansammlung allgemeiner Fähigkeiten, wie z. B. dem Erinnerungsvermögen, der Wahrnehmung, dem Unterscheidungsvermögen oder dem logischen Denken, besteht und diese auf verschiedene Wissensgebiete und Denkanforderungen übertragen werden. So wurde angenommen, dass etwa ein eingehendes Latein- und Geometriestudium diese allgemeinen Fähigkeiten schulen und somit entscheidend zur Entwicklung einer bereichsunabhängigen Denk- und Lernfähigkeit beitragen würde.

Entgegen dieser weit verbreiteten Sicht auf Lernen und Denken wollte Thorndike durch seine Experimente zeigen, dass es keine allgemeinen Denk- und Lernfähigkeiten gibt, sondern das menschliche Gedächtnis aus einem Konglomerat spezifischer Assoziationen besteht: Bestimmte Reize lösen bestimmte Reaktionen aus. Auf diese Weise sei das menschliche Gedächtnis eine Ansammlung unzähliger spezifischer Reiz-Reaktions-Ketten. Somit sei ein Transfer zwischen zwei Anforderungen nur dann möglich, wenn diese in Teilen identisch sind und auf die gleichen Wissenselemente zurückgegriffen wird:

„One mental function or activity improves others insofar as and because they are in part identical with it, because it contains elements common to them. Addition improves multiplication because multiplication is largely addition; knowledge of Latin gives increased ability to learn French because many of the facts learned in the one case are needed in the other.“ (Thorndike, 1906, S. 243)

In ihren Experimenten bezeichnen Thorndike und Woodworth (1901a) diese spezifischen Assoziationen als mentale Funktionen, die sie als Grundlage für spezifische Handlungen, wie z. B. Buchstabieren, Multiplizieren, das Unterscheiden von Längen, Flächen, Gewichten, oder etwa das Markieren von Buchstaben in einem Text (Thorndike & Woodworth, 1901a, S. 247) betrachten. Funktionen definieren sie dabei spezifisch für eine bestimmte Handlung, wobei es keine Rolle spielt, ob diese Handlung aus verschiedenen Teilhandlungen besteht. Die Grundidee ihrer Experimente war, dass das Training von einer ersten Funktion oder Gruppe von Funktionen sich auf das Training einer zweiten Funktion oder Funktionsgruppe überträgt und diese verbessert.

In einer frühen Studie untersuchten Thorndike und Woodworth unter dieser Annahme, ob die Funktion des Schätzens von Flächeninhalten von Rechtecken die Funktionen des Schätzens von Flächeninhalten anderer Figuren, wie z. B. Kreisen und Dreiecken, verbessert. Zu diesem Zweck schätzten die Probanden zunächst die Flächeninhalte von Rechtecken (Testserie 1) und anderen Formen (Testserie 2). Dabei hatten alle Figuren einen Flächeninhalt zwischen 10 und 100 \(cm^2\) und die Probanden konnten für ihre Schätzungen auf drei Quadrate mit den Flächeninhalten 1, 25 und 100 \(cm^2\) als Referenzgröße zurückgreifen. In einer Übungsphase trainierten die Probanden im Anschluss das Schätzen von Flächeninhalten von Rechtecken mit einer Vielzahl von verschieden großen rechteckigen Papierausschnitten, auf deren Rückseite der genaue Flächeninhalt angegeben war. Nach etwa 1000 bis 2000 Übungen wiederholten die Probanden den Ausgangstest (Testserien 1 und 2).

Es stellte sich heraus, dass die Probanden Flächeninhalte rechteckiger Flächen nach dem Training wesentlich besser schätzen konnten als vor dem Training, jedoch nur leicht verbesserte Ergebnisse beim Schätzen der Flächeninhalte von Kreisen und Dreiecken zeigten. Thorndike und Woodworth (1901a) schließen aus diesen Ergebnissen, dass die Fähigkeit bzw. die mentale Funktion des Schätzens der Flächeninhalte von Rechtecken nicht auf das Schätzen von Flächeninhalten anderer Figuren übertragen werden konnte. Diese Beobachtung begründen die Autoren mit der Annahme, dass das Schätzen von Flächeninhalten keine isolierte Funktion sei, sondern eine Gruppe von Funktionen, die aus verschiedenen Funktionen zusammengesetzt ist und von diversen Eigenschaften des Schätzobjekts, z. B. Form und Größe, abhängt: „The function of estimating areas is really a function-group, varying according to the data (shape, size, etc.)“ (Thorndike & Woodworth, 1901a, S. 255).

In einem anschließenden Experiment versuchten Thorndike und Woodworth (1901a) diesen Befund noch weiter zu bestärken, indem sie dasselbe Experiment erneut durchführten, die Flächeninhalte der zu schätzenden Figuren jedoch auf 40 bis 50 \(cm^2\) einschränkten. Damit wollten sie zeigen, dass diese wesentlich eingeschränktere Fähigkeit, Flächeninhalte von Figuren mit 40 bis 50 \(cm^2\) zu schätzen, nicht eine isolierte Funktion ist, sondern ebenfalls eine Funktionsgruppe ist. Die Ergebnisse dieses Experiments bestätigten Thorndike und Woodworth in genau dieser Annahme und unterstützten ihre Reiz-Reaktions-Erklärung von Lernen. Sie beobachteten, dass die Probanden z. B. Rechtecke mit einem Flächeninhalt von 42 \(cm^2\) besser schätzten als Rechtecke mit einem Flächeninhalt von 41 \(cm^2\). Die Autoren schlossen aus diesem Experiment, dass die Fähigkeit den Flächeninhalt eines Rechtecks zu schätzen nicht dazu beiträgt, den Flächeninhalt eines unwesentlich größeren Rechtecks zu schätzen. Folglich sei es möglich, dass zwei sehr ähnliche mentale Funktionen unabhängig voneinander und zum Teil sehr unterschiedlich entwickelt sind:

„[...] the ability to judge one magnitude is sometimes demonstrably better than the ability to judge the next magnitude; one function is better developed than its neighbor. The functions of judging nearly equal magnitudes are, sometimes at least, largely separate and independent. A high degree of ability in one sometimes coexists with a low degree of ability in the others.“ (Thorndike & Woodworth, 1901a, S. 261)

In einem anderen Experiment (Thorndike & Woodworth, 1901c) ließen Thorndike und Woodworth die Probanden Wörter in Texten markieren, die bestimme Buchstaben enthalten. Dabei trainierten die Probanden unter anderem Wörter zu finden, die die Buchstaben e und s enthalten. Nach dieser Übung wurden die Fähigkeiten der Probanden getestet Wörter mit den Buchstaben e und r, s und p sowie zwei neuer Buchstaben zu markieren. Die Ergebnisse dieses Experiments zeigten, dass die Probanden im Anschluss an das Training bessere Ergebnisse beim Markieren von Wörtern mit den Buchstaben e und s hatten als beim Markieren von Wörtern mit zwei neuen Buchstaben. Dieses Ergebnis interpretierten die Autoren als eine weitere Bekräftigung ihrer Theorie der identischen Elemente, da lediglich die Fähigkeiten verbessert wurden, die identisch zu den Inhalten des Trainings waren. Es stellte jedoch auch heraus, dass die Ergebnisse der Probanden, die das Training durchlaufen hatten, beim Markieren von Wörtern mit zwei neuen Buchstaben signifikant bessere Ergebnisse zeigten als die Probanden der Kontrollgruppe, die kein Training durchlaufen hatten. Folglich konnte ein Transfer beobachtet werden, der nicht allein durch die Reiz-Reaktions-Theorie erklärt werden konnte.

Ein wesentliches Problem mit Thorndikes Theorie der identischen Elemente war, dass er nicht genau spezifizieren konnte, wann genau zwei Wissenselemente identisch sind. Auch nach einer Vielzahl unterschiedlicher Experimente derart, wie sie hier beschrieben wurden, konnte Thorndike diesen Kern seiner Theorie nicht hinreichend beschreiben:

„By identical elements are meant mental processes which have the same cell action in the brain as their physical correlate. It is of course often not possible to tell just what features of two mental abilities are thus identical.“ (Thorndike, 1914, S. 249)

Zusammenfassend besagt die Theorie der identischen Elemente, dass ein Transfer nur dann stattfindet, wenn in der Anwendungssituation Wissenselemente benötigt werden, die in identischer Weise in der Lernsituation trainiert wurden. Die Theorie orientiert sich an festen Reiz-Reaktions-Verknüpfungen und damit an vermeintlich objektiven Merkmalen der Lernsituation: Ein bestimmter Reiz löst eine bestimmte Handlung bzw. einen Transfer aus. Es bleibt jedoch ungeklärt, was genau identische Wissenselemente sind.

Transfer durch Erkennen von Prinzipien

Eine der ersten Arbeiten, die Thorndikes Theorie der identischen Elemente nachhaltig in Frage gestellt hat, war die von Judd (Judd, 1908). Von der deutschen Gestaltpsychologie beeinflusst argumentierte Judd, dass Transfer im Wesentlichen davon abhängt, inwieweit die Lernenden die kausalen Prinzipien und die Tiefenstruktur der Lern- und Transferanforderung verstanden haben. Sofern die Lernenden das allgemeine Prinzip verstanden haben, sind sie in der Lage die gemeinsamen kausalen Strukturen zweier Situationen zu erkennen und in der Folge das Gelernte zu übertragen.

In seinem klassischen Experiment (Judd, 1908) wurde jungen Schülern die Aufgabe gestellt, Dartpfeile auf ein Ziel unter der Wasseroberfläche eines Teichs zu werfen. Während die Kontrollgruppe ohne jegliche Instruktion Gelegenheit bekam, ihre Zielwürfe zu üben, wurde der Experimentalgruppe in dieser Zeit erklärt, wie Wasser Licht bricht und inwieweit dieses Prinzip dabei helfen kann, das Ziel besser zu treffen. Die Probanden in der Experimentalgruppe hatten währenddessen keine Gelegenheit Würfe zu üben. Im Anschluss an die Lernphase wurden die Ergebnisse beim Wurf auf das unveränderte Ziel erhoben. Die Ergebnisse zeigten dabei keinen signifikanten Unterschied in den Wurfergebnissen der beiden Gruppen. Im Anschluss an diesen ersten Durchlauf wurde der Abstand zwischen dem Ziel und der Wasseroberfläche verändert. Nach diesen Veränderungen zeigte die Experimentalgruppe wesentlich bessere Wurfergebnisse als die Gruppe, die keine Erklärung zur Lichtbrechung durch Wasser erhalten hatte:

„The boys without theory were very much confused. The practice gained with twelve inches of water did not help them with four inches. Their errors were large and persistent. On the other hand, the boys who had the theory, fitted themselves to four inches very rapidly. Their theory evidently helped them to see the reason why they must not apply the twelve-inch habit to four inches of water. Note that theory was not of value until it was backed with practice, but when practice and theory were both present the best adjustment was rapidly worked out.“ (Judd, 1908, S. 37)

Die Ergebnisse dieses Experiments stützen somit Judds Argument, dass durch das Erlernen, Verstehen und Anwenden eines Prinzips Ergebnisse erzielt werden konnten, die allein durch Übung nicht zu erreichen waren.

Ähnliche Ergebnisse berichten auch Katona (1940) und Wertheimer (1959). Sie bezeichnen die Art des Lernens, wie sie Assoziationisten wie Thorndike postulierten, als „senseless learning“ und plädieren für ein „meaningful learning“ bzw. verständiges Lernen, das auf der Organisation von strukturell verbundenen Ideen beruht (Katona, 1940; vgl. auch Singley & Anderson, 1989, S. 9). So unterrichtete Katona (1940) Lernende in Karten- und Streichholzlegetricks. Eine Gruppe wurde dabei mit einer Gedächtnismethode unterrichtet, die andere mit einer Verstehensmethode. Die Lernenden in der Gedächtnisgruppe lernten die sukzessiven Handlungsabläufe eines Tricks auswendig, während bei der Instruktion der Lernenden in der Verständnisgruppe die verständige Erarbeitung des zugrundeliegenden Prinzips im Vordergrund stand. Während die Lernenden der Gedächtnisgruppe bessere Ergebnisse bei der Reproduktion des Tricks zeigten als die Verständnisgruppe, gelang es den Lernenden der Verständnisgruppe wesentlich besser neue Tricks zu erlernen. Katona (1940) folgert aus diesen Ergebnissen, dass durch Auswendiglernen lediglich spezifische Reaktionen ausgebildet würden, deren Anwendbarkeit auf isomorphe Probleme beschränkt sei. Im Gegensatz dazu führe das Lernen durch Verstehen dazu, dass die Lernenden allgemeine Prinzipien und Gesetzmäßigkeiten erkennen, die auf unterschiedliche Problemsituationen angewendet werden können.

Wertheimer (1959) verdeutlichte dies in einem Experiment mit mathematischem Untersuchungsgegenstand: Der Flächenberechnung von Parallelogrammen. In seinem Experiment wurde den Lernenden gezeigt, wie sie über zweimaliges Fällen eines Lots ein Parallelogramm in ein Rechteck transformieren können (vgl. Abb. 1.2), um so die ihnen hinreichend bekannte Formel zum Berechnen des Flächeninhalts eines Rechtecks anwenden zu können. Wertheimer stellte jedoch fest, dass nicht alle Lernenden das Prinzip der Transformation eines Parallelogramms in ein Rechteck erkannt hatten und stattdessen lediglich die Handlung des Fällens der Lote bzw. des Einzeichnens von zwei Senkrechten als Lösungsmethode auswendig gelernt haben. In Folge der Lernphase bearbeiteten die Lernenden Transferaufgaben, bei denen einerseits die Orientierung des Parallelogramms geändert wurde, und andererseits verschiedene Figuren zur Flächenberechnung vorgegeben wurden. Wertheimer beobachtete, dass die Lernenden, die das Prinzip der Transformation von einem Parallelogramm in ein Rechteck erkannt und als Strategie verstanden hatten, diese Lösungsstrategie auch erfolgreich in den Transferaufgaben anwenden konnten. Im Gegensatz dazu übertrugen die Lernenden, die das Prinzip der Transformation nicht erkannt hatten, das Vorgehen aus der Lernaufgabe in fehlerhafter Weise. So ignorierten diese Lernenden etwa die geänderte Orientierung des Parallelogramms und zeichneten dennoch senkrechte Linien auf die vermeintliche Grundfläche des Parallelogramms (siehe (b) in Abb. 1.2) oder übertrugen selbiges Verfahren auf Figuren, in denen keine Anwendung möglich war (siehe (c) in Abb. 1.2). Wertheimer schloss aus seinen Beobachtungen, dass die Lernenden in der gleichen Lernsituation unterschiedlich sinnvolle Strategien entwickeln und dass die Ergebnisse bei der Bearbeitung von Transferaufgaben zeigen, was die Lernenden tatsächlich gelernt haben.

Abbildung 1.2
figure 2

Bestimmen der Flächeninhalte von Parallelogrammen und weiteren Figuren (Wertheimer, 1959; Abbildung nach Singley & Anderson 1989, S. 10)

Ungeachtet dieser und weiterer Befunde von Judd und verschiedenen Gestaltpsychologen blieben sie hinter dem Einfluss der Theorie der identischen Elemente zurück und bestärkten die derzeitige Sicht, dass Transfer ein höchst seltenes Phänomen ist und lediglich dann zu beobachten ist, wenn Lern- und Transferaufgabe einander sehr ähnlich in ihren Oberflächenmerkmalen sind und die Lernenden einen direkten Hinweis für die Möglichkeit des Übertragens von bekannten Problemlösestrategien erhalten. Damit es dann zu diesem Transfer kommen kann, ist es zudem notwendig, dass dieselben allgemeinen Regeln, die für die Lösung der Lernaufgabe bzw. in der Lernsituation erforderlich sind, auch in der Transferaufgabe gelten und zur Lösung genutzt werden können. Die Regeln und Prinzipien, die die Lernenden in der ursprünglichen Lernphase kennengelernt haben, können im Weiteren als Abstraktionen für eine ganze Klasse von Aufgabentypen anwendbar sein. Dadurch hängt der Wert der erarbeiteten Regeln und Prinzipien ganz entscheidend von ihrer Nutzungsflexibilität ab (vgl. Hasselhorn & Gold, 2013, S. 152).

Allgemein impliziert die Theorie des Transfers durch Erkennen von Prinzipien, dass es in praktischer Sicht nicht „Drill und Übung“, sondern verstehenszentrierte Lehr- und Lernmethoden sind, die eine „reflexive kognitive Informationsverarbeitung auslösen“ (vgl. Hasselhorn & Gold, 2013, S. 153) und dadurch Transfer ermöglichen. Entgegen dem Auswendiglernen von Faktenwissen ist es das Abstrahieren von spezifischem Wissen sowie das Generieren von Regelwissen und allgemeinen Prinzipien, was zu einem Lern- und Transfererfolg führt.

1.2.2 Transfer auf Grundlage von Informationsverarbeitungsprozessen

Moderne kognitionspsychologische Transfertheorien beschreiben die Übertragung von Wissen und Lernen auf Grundlage von Informationsverarbeitungsprozessen. Diesen liegt ein Modell der Architektur des menschlichen Gedächtnisses zugrunde, in dem die Verarbeitung und Speicherung von Informationen die Kernprozesse des Lernens darstellen. Im ersten Teil dieses Abschnitts werden zunächst Grundannahmen dieses Modells beschrieben. Im zweiten Teil wird die ACT*(-R) Theorie von Anderson beschrieben, in dessen Rahmen die Kompilierung von Wissen entscheidend für den Transfer von Wissen und Fertigkeiten ist. Obgleich diese Theorie bereits die Bildung von Analogien beschreibt, wurde dieser Transfermechanismus wesentlich umfassender im Bereich des Problemlösens untersucht, sodass im dritten Teil dieses Abschnitts die zentralen Befunde zum Transfer durch Analogiebildung dargestellt werden.

Grundannahmen der menschlichen Informationsverarbeitung

Das Modell der Informationsverarbeitung geht davon aus, dass die kognitive Architektur in drei Gedächtnistypen organisiert ist: Informationen gelangen als Reize zunächst in die sensorischen RegisterFootnote 2 und werden von dort in das Arbeitsgedächtnis (z.T. als Kurzzeitgedächtnis bezeichnet) weitergeleitet. Im Arbeitsgedächtnis werden die Informationen in Interaktion mit dem Langzeitgedächtnis verarbeitet, in dem sie schließlich in Form von Schemata gespeichert werden (vgl. R. C. Atkinson & Shiffrin, 1968; Baddeley, 1997; Anderson, 1983).

Langzeitgedächtnis:

Das Langzeitgedächtnis gilt als zentraler Speicher des kognitiven Systems. In ihm werden Wissen und Fertigkeiten langfristig gespeichert und es enthält alle Informationen, die gegenwärtig nicht benutzt werden, jedoch für das Verstehen benötigt werden (vgl. Bower, 1968; Kirschner, 2002, S. 2). Dadurch bestimmen die im Langzeitgedächtnis gespeicherten Informationen nahezu jegliche kognitive Aktivität (vgl. Sweller, 2005, S. 20). Es wird angenommen, dass das Langzeitgedächtnis eine unbegrenzte Speicherkapazität hat und Informationen permanent gespeichert werden (vgl. Kirschner, 2002, S. 2 f.).

Informationen werden in Form von Schemata im Langzeitgedächtnis gespeichert. Schemata sind kognitive Konstrukte, die Informationselemente entsprechend ihrer Anwendungsmöglichkeiten kategorisieren (vgl. Chi, Glaser & Rees, 1982) und zu Einheiten zusammenfassen. Auf diese Weise werden Begriffe, Prozeduren, etc. hierarchisch organisiert und miteinander verknüpft (vgl. Bartlett, 1932, S. 200; Anderson, 1983, S. 37; Gick & Holyoak, 1983, S. 6; Kirschner, 2002, S. 3). Schemata können große Informationsmengen enthalten und werden dennoch als Einheiten im Arbeitsgedächtnis verarbeitet (vgl. Kirschner, 2002, S. 3). Durch sie können von Lernenden erkannte Muster bereits gespeicherten bzw. erlernten strukturähnlichen Mustern (z. B. im Rahmen von Problemlöseprozessen) zugeordnet werden und auf diese Weise die situationsentsprechenden Reaktionen spezifiziert werden, die mit den bekannten Mustern verknüpft sind (vgl. Sweller & Cooper, 1985, S. 60).

Schemata sind sehr spezifisch. So werden für die Bestimmung von a in den Gleichungen \(ab=c\) und \(a+b=c\) unterschiedliche Schemata benötigt, da sie zu unterschiedlichen Kategorien gehören und unterschiedliche Rechenschritte erfordern (vgl. Sweller & Cooper, 1985, S. 60). Während für das Auflösen nach a in der Gleichung \(ab=c\) aufgrund des in Schemaform organisierten Vorwissens erkannt werden muss, dass ab ein Produkt ist und demnach eine Division durch b benötigt wird, muss für die Gleichung \(a+b=c\) erkannt werden, dass \(a+b\) eine Summe ist und folglich b subtrahiert werden muss. Demnach bedarf es für ein Auflösen der Gleichung \(ab=c\) ein (Problemlöse-) Schema für das Auflösen eines Produkts und für die Gleichung \(a+b=c\) ein Schema zum Auflösen einer Summe.

Lernen bedeutet somit die Bildung, Restrukturierung oder Verknüpfung bereits vorhandener und neu erworbener Schemata. Ein wichtiger Teilprozess dabei ist die Automatisierung von Schemata:

„Automatic detection develops when stimuli are consistently mapped to responses; then the targets develop the ability to attract attention and initiate responses automatically; immediately, and regardless of other inputs or memory load.“ (Schneider & Shiffrin, 1977, S. 51)

Das Aktivieren von neu erworbenen oder neu verknüpften Schemata bedarf bewusster Anstrengung und Konzentration. Mit zunehmender Automatisierung wird ihr Einsatz flexibler und müheloser und es besteht ein breites Spektrum von Automatisierungsgraden zwischen einem nicht entwickelten und einem voll automatisierten Schema (vgl. Kirschner, 2002, S. 3; Sweller, 1994, S. 297).

Die Ausbildung von Schemata erfolgt durch die Verarbeitung von Informationen im Arbeitsgedächtnis der Lernenden.

Arbeitsgedächtnis:

Das Arbeitsgedächtnis ist ein Kurzzeitspeicher (vgl. R. C. Atkinson & Shiffrin, 1968), der für alle bewussten Aktivitäten genutzt wird und der direkten Kontrolle des Lernenden untersteht (vgl. Kirschner, 2002, S. 2; Sweller, 2004, S. 12). Wohingegen die Speicherung von Wissen im Langzeitgedächtnis vorgenommen wird, findet die Verarbeitung und Verknüpfung von Wissen im Arbeitsgedächtnis statt. Diese Informationen können sowohl bereits strukturiert und aus dem Langzeitgedächtnis abrufbar sein, als auch neue bisher nicht gespeicherte Informationen sein, die durch die sensorischen Register in das Arbeitsgedächtnis gelangen.

Das Arbeitsgedächtnis hat im Gegensatz zum Langzeitgedächtnis eine sehr geringe Kapazität und es können je nach Bekanntheitsgrad und Vernetzung der Informationen bis zu sieben (vgl. Miller, 1956; Baddeley, 1992) neue Informationen im Arbeitsgedächtnis kurzzeitig aktiviert werden. Sofern diese Informationen miteinander vernetzt oder verarbeitet werden, reduziert sich diese Anzahl auf vier Informationseinheiten (vgl. Cowan, 2000, S. 107), wobei individuelle Dispositionen diese Zahl weiter begrenzen können. Entsprechend ihres Grads an Komplexität können Informationen ohne mündliche Wiederholung bis zu einer Minute lang im Arbeitsgedächtnis abgerufen werden (vgl. Dosher, 2003, S. 570). Für Informationen, die aus dem Langzeitgedächtnis im Arbeitsgedächtnis abgerufen und verarbeitet werden, sind bislang keine Kapazitätsgrenzen bekannt (vgl. Sweller, 2004, S. 13).

Interaktion zwischen Arbeits- und Langzeitgedächtnis:

Zur Ausbildung von Schemata müssen die benötigten Informationen im Arbeitsgedächtnis organisiert werden, bevor sie im Langzeitgedächtnis integriert werden können. Da das Arbeitsgedächtnis aufgrund seiner geringen Speicherkapazität nur wenige Informationen gleichzeitig verarbeiten kann, gilt dieses als „bottleneck“ (Miller, 1956, S. 95) des Informationsverarbeitungsprozesses bzw. als begrenzendes Element im Lernprozess. Verstehen wird auf Grundlage dieses kognitiven Modells als die gleichzeitige Verarbeitung der für ein bestimmtes Ziel benötigten verknüpften Elemente definiert, womit eine Veränderung der Strukturen im Langzeitgedächtnis verbunden ist (vgl. Sweller, 2005, S. 20; Marcus, Cooper & Sweller, 1996, S. 93).

Neben seiner Funktion als Langzeitspeicher für Informationen unterstützt das Langzeitgedächtnis auch den Prozess der Informationsverarbeitung, indem es Schemata zur Bildung von chunks im Arbeitsgedächtnis verfügbar macht (vgl. Miller, 1956, S. 93; Sweller, 1994, S. 299). Chunks bezeichnen Zusammenfassungen von mehreren Informationseinheiten zu einer übergreifenden Einheit, die im Arbeitsgedächtnis als einzelne Information verarbeitet werden kann (Simon, 1974, S. 483):

„A single tree, not thousands of leaves and branches needs to be remembered; a single word, not the individual letters or marks on a piece of paper need be remembered; the number of words on a page may exceed working memory but the number of ideas or concepts may not.“ (Sweller, 1994, S. 299)

Entgegen der begrenzten Anzahl an Informationseinheiten, die im Arbeitsgedächtnis behalten werden können, ermöglichen chunks die Anzahl an Informationen im Arbeitsgedächtnis beträchtlich zu erhöhen, was als eine zentrale Funktion der Schemabildung betrachtet wird (vgl. Sweller, 1994, S. 299).

Sweller und Cooper (1985) konnten in einer Reihe von Experimenten zu Äquivalenzumformungen von algebraischen Gleichungen zeigen, dass ein Verständnis von Umformungsregeln, wie z. B. dem Distributivgesetz \(a(b+c)=ab+bc\), auf der Verknüpfung von verschiedenen Anwendungserfahrungen beruht: „[...] a representation of a rule that allows its errorless use may need to be abstracted from a large number of the schemas that incorporate it“ (Sweller & Cooper, 1985, S. 77 f.). Dadurch ist es den Lernenden möglich eine Struktur in einer Gleichung zu erkennen und zu entscheiden, ob zum Beispiel das Ausklammern in Gleichungen, wie \((a+b) \cdot e = \frac{afg}{a}\) oder \(\frac{a \cdot (a+f)}{a} + b = g\), zur Freistellung der Variable a beiträgt oder nicht. Im Vergleich zu einem Anfänger, der diese Regeln noch nicht automatisiert und abstrahiert hat und aus diesem Grund ineffiziente und fehlerhafte Umformungen vornimmt, können fortgeschrittene Lernende auf ihre vorhandenen Erfahrungen zurückgreifen, machen dadurch weniger Fehler und lösen Gleichungen effizienter in weniger Schritten. Analoge Effekte konnte zuvor de Groot (1965) bei der Rekonstruktion von Brettstellungen im Schachspiel nachweisen.

Wohingegen ein bewusster Einsatz nicht ausreichend automatisierter Schemata zu einer erhöhten kognitiven Belastung führt (vgl. Sweller, 1994, S. 298), können ausreichend automatisierte Schemata, die im Langzeitgedächtnis abgelegt sind, in nahezu unbegrenzter Anzahl ohne kognitive Belastung im Arbeitsgedächtnis geladen werden (vgl. Ericsson & Kintsch, 1995, S. 239; Paas, van Gog & Sweller, 2010, S. 117). Im Vergleich zu neuen Informationen, die nur sehr kurze Zeit im Arbeitsgedächtnis gespeichert werden können, unterliegt die Aktivierung von im Langzeitgedächtnis gespeicherten Schemata keiner zeitlichen Begrenzung (vgl. Kalyuga, 2011, S. 12).

Adaptive Control of Thought (ACT*) und Wissenskompilierung

In der Folge der Entwicklung der ersten kognitiven Architekturen beschrieben Singley und Anderson (1989) eines der ersten Transfermodelle auf Ebene von Informationsverarbeitungsprozessen. Aufbauend auf Andersons (1983; 1987; 1993) ACT-Theorie der Wissensaneignung präzisieren und erweitern Singley und Anderson (1989) Thorndikes Theorie der identischen Elemente, indem sie die Identität von Wissenselementen auf kognitiver Ebene als Produktionsregeln definierten und beschrieben.

Anderson (1982, S. 370; vgl. auch 1983; 1987; 1993) unterscheidet zwei Arten von Informationen, die im Langzeitgedächtnis gespeichert werden: Deklaratives Wissen und prozedurales Wissen. Während deklarative Wissensstrukturen im Sinne eines semantischen Netzwerks Fakten und Annahmen beinhalten, die insbesondere dazu dienen, Informationen zu entschlüsseln und zu interpretieren, beinhalten prozedurale Wissensstrukturen ausschließlich Wissen über die Durchführung spezifischer Verfahren.

Den Erwerb von Wissen beschreiben Singley und Anderson auf zwei Stufen:

„A declarative stage, where a declarative representation of the skill is interpreted by general productions, and a procedural stage, where the skill is directly embodied in domain-specific productions“. (Singley & Anderson, 1989, 31, Hervorhebungen im Original)

Folglich bedarf es zunächst einer Interpretation der neuen Informationen auf Grundlage bereits vorhandener deklarativer Wissensstrukturen, bevor eine neue Fähigkeit als spezifisches Verfahren integriert wird. Wissen wird in diesem Modell in Form von Produktionen bzw. Produktionsregeln gespeichert, die als spezifische Verknüpfungen von Bedingungen mit Handlungen (Wenn-Dann-Regeln) beschrieben werden: „The production has a condition that specifies the circumstances under which the production can apply and an action that specifies what should be done when the production applies“ (Anderson, 1982, S. 370). Diese Produktionen können sehr komplexe Bedingungskonstellationen sowie anspruchsvolle Handlungen umfassen.

Die Ausbildung derartiger Produktionsregeln erfolgt über die Wissenskompilierung, in der deklarative in prozedurale Wissensstrukturen überführt werden (1982, S. 370; 1989, S. 31). Die Kompilierung von Wissen kann als Generalisierung durch die wiederholte analoge Verwendung derselben Wissensstruktur verstanden werden. Über die wiederholte Anwendung in verschiedenen Situationen werden in diesem Kompilierungsprozess charakteristische Merkmale der Anwendungsbedingungen und -Handlungen abstrahiert (vgl. Singley & Anderson, 1989, S. 31). Nach der Kompilierung gelten die Produktionsregeln als hoch gebrauchsspezifisch und ihre Anwendung erfolgt größtenteils automatisch (vgl. Anderson & Fincham, 1994; Pennington, Nicolich & Rahm, 1995): Wenn eine bestimmte Handlungskonstellation eintritt, wird die spezifische Handlungsfolge ausgelöst.

Die Überführung von deklarativem Wissen in prozedurales Wissen beschreibt Anderson (1983; 1987; vgl. auch Renkl, 1996) in drei Stufen:

  1. 1.

    In der ersten Stufe, der interpretative stage, wird deklaratives Wissen über allgemeine (domänenspezifische) Problemlöseprozeduren interpretiert, was mit einer hohen kognitiven Belastung verbunden ist. Bei einer wiederholten Anwendung dieser sogenannten schwachen Prozeduren auf bestimmte deklarative Wissenseinheiten kommt es zur zweiten Stufe.

  2. 2.

    In der zweiten Stufe, der procedural stage, kommt es zur Wissenskompilierung, wobei eine prozedurale Repräsentation einer Fertigkeit generiert wird. Diese Fertigkeit ist in Grenzen unmittelbar anwendbar.

  3. 3.

    Auf der dritten und letzten Stufe erfolgt eine sogenannte Feinabstimmung (tuning) der prozeduralen Wissenseinheit. Diese Feinabstimmung erfolgt über Generalisierungsprozesse, die das Anwendungsfeld einer Prozedur erweitern, Diskriminierungsprozesse, durch die Anwendungsbedingungen begrenzt werden, und Stärkungsprozesse, die erfolgreiche Prozeduren stärken und weniger erfolgreiche Prozeduren schwächen.

Auf Grundlage dieses Modells kommt es dann zu einem Transfer zwischen zwei Anforderungen, wenn diese mindestens eine Produktionsregel gemeinsam haben, d. h. wenn genau dieselbe Handlung unter den genau gleichen Bedingungskonstellationen gefordert ist: „To the extent that the production sets overlap, transfer would be positive from one task to another“ (Singley & Anderson, 1989, S. 31 f.). Entscheidend für einen Transfer ist somit, dass die Anforderungen eine Handlung gemeinsam haben, die durch dieselben Bedingungen ausgelöst werden.

Auf Grundlage von Überschneidungen von Wissenseinheiten kann das ACT-Modell Transfer auf vier Arten beschreiben (Singley & Anderson, 1989, S. 32 ff.):

Deklarativ-deklarativ: :

Diese Art von Transfer tritt auf, wenn existierende deklarative Wissensstrukturen den Erwerb neuer deklarativer Wissensstrukturen unterstützen oder beeinträchtigen. Der zentrale Befund zu diesem Transfer ist, dass Fakten, sofern sie einmal erlernt wurden, nicht noch einmal gelernt werden müssen, unabhängig vom Kontext oder der Wissensdomäne, in der die bekannten Fakten vorkommen (vgl. Harvey & Anderson, 1996). Thibadeau, Just und Carpenter (1982) konnten zum Beispiel beobachten, dass bereits bekannte Wörter oder Konzepte in einem Text etwa 600 bis 700 ms schneller erkannt werden.

Deklarativ-prozedural: :

Diesen Transfer bezeichnen Singley und Anderson (1989, S. 34) als häufig auftretend, da er im ACT-Modell dem Prozess der Wissenskompilierung entspricht und folglich immer dann auftritt, wenn eine neue Fähigkeit erlernt wird, indem eingekapseltes deklaratives Wissen benutzt wird um ein neues Verfahren zu konstruieren. Beim Lösen von Problemen wird dieser Transfer zumeist durch die Bildung von Analogien mediiert: Durch die Bildung einer Analogie werden die deklarativen Wissensrepresentationen der Lösung eines Problems auf die Lösung eines neuen Problems übertragen (vgl. auch Bovair & Kieras, 1991; Harvey & Anderson, 1996; Singley & Anderson, 1989).

Prozedural-deklarativ: :

Dieser Transfer tritt immer dann auf, wenn kognitive Fähigkeiten den Erwerb neuen deklarativen Wissens unterstützen. Singley und Anderson (1989, S. 34 f.) sehen diesen Transfer insbesondere in der Nutzung elementarer sprachlicher Fähigkeiten, wie Lesen und dem Verstehen von Gesprochenem, ohne die kaum etwas erlernt werden könne. In dem später entwickelten ACT-R Modell (Anderson & Fincham, 1994) wird dieser Transfer auf Situationen beschränkt, wenn eine kompilierte Produktionsregel noch nicht ausreichend ausgeprägt ist.

Prozedural-Prozedural: :

Diese Art von Transfer steht im Zentrum des ACT-Modells und beschreibt die direkte Übertragung einer erlernten Produktionsregel auf eine Transferaufgabe. Im Allgemeinen wurde dieser Typ Transfer in Studien zumeist so operationalisiert, dass die Probanden artifizielle Produktionsregeln in Form von mathematischen Rechenregeln oder Programmierfunktionen (z. B. in der Programmiersprache LISP) lernen und in der Folge die kontrollierte Anwendung dieser Regeln oder Verfahren anhand von vermeintlich einfachem Material und der Umkehrbarkeit dieser Regel getestet wird (vgl. Anderson & Fincham, 1994; Pennington et al. 1995).

Allgemein stellt die ACT-Theorie drei Postulate auf (Singley & Anderson, 1989, S. 223; vgl. auch Klauer, 2011, S. 54):

  1. 1.

    Wenn Lern- und Transferaufgabe identische Elemente haben, findet positiver Transfer statt.

  2. 2.

    Haben die Aufgaben keine gemeinsamen Elemente, findet kein Transfer statt.

  3. 3.

    Es gibt keinen negativen Transfer.

Während Singley und Anderson in ihren Studien in der Programmiersprache LISP zeigen konnten, dass gemeinsame Elemente in Form von gemeinsamen Produktionsregeln einen positiven Transfer fördern (Singley & Anderson, 1989; Bovair, Kieras & Polson, 1990; vgl. auch Katz, 1991), und somit die erste Hypothese stützen, hielten die zweite und dritte Hypothese empirischen Prüfungen nicht stand.

In ihrer Studie mit der gleichen Programmiersprache, mit der auch Singley und Anderson (1989) gearbeitet haben, untersuchten Pennington, Nicholich und Rahm (1995) den Transfer von Produktionsregeln in Form der Generierung und Evaluation von Programmierinstruktionen. Dazu entwickelten die Autoren ein Simulationsmodell auf Basis der ACT-Architektur, mit dessen Hilfe die Übereinstimmungen der Produktionsregeln im Lern- und Transfermaterial berechnet werden konnten (10 % Übereinstimmung bei Generierungsaufgaben, 20 % Übereinstimmung bei Evaluationsaufgaben) und entsprechend Aussagen über den erwarteten Transfer getroffen werden konnten. In der Folge wurden die Probanden in acht Gruppen geteilt, wobei die Teilnehmer der vier Experimentalgruppen in einer Trainingsphase Probleme selber lösten und die Teilnehmer der vier Kontrollgruppen lediglich die Lösungen der Probleme eintippten ohne sie selber gelöst zu haben. In der Bearbeitung der Transferaufgaben zeigten die Probanden der Experimentalgruppen ein bedeutend höheres Maß an Transfer als auf Grundlage des Simulationsmodells zu erwarten gewesen war. Die Autoren bestätigten in ihrem Experiment die erste Hypothese, dass Transfer bei gemeinsamen Inhalten möglich ist, widerlegten aber die Annahme, dass Transfer nur in dem Maße möglich sei, indem sich die Produktionsregeln überlappen. Obgleich lediglich 10 bis 20 Prozent der Produktionsregeln im Lern- und Transfermaterial übereinstimmten, zeigten die Probanden Transfer im Ausmaß von 50 bis 60 Prozent. Die Autoren folgern, dass die Gebrauchsspezifität in der ACT-Theorie überschätzt werde und der Einfluss deklarativen Wissens sowie das Verständnis der Inhalte einen wesentlichen Einfluss auf Transfereffekte habe: „Learning by rote results in transfer to highly similar problems (i.e. procedural transfer) but learning by “understanding” results in transfer to less similar or novel problems as well“ (Pennington et al. 1995, S. 221).

Als zentrales Element aus der ACT-Theorie ist der kognitive Mechanismus der Wissenskompilierung herauszustellen. Renkl (1996, S. 82 f.) beschreibt in einer Übersicht zum Phänomen des trägen WissensFootnote 3 „mangelnde Wissenskompilierung“ als Strukturdefiziterklärung für ausbleibenden Transfer. Renkl (1996, S. 82) argumentiert, dass in instruktionalen Settings, wie z. B. der Schule, vor allem deklaratives Wissen („Wissen, daß“) vermittelt werde, das nicht unmittelbar handlungsleitend sei, sondern über einen Kompilierungsprozess in effektives Handlungswissen (prozedurales Wissen – „Wissen, wie“) überführt werden müsse. Mit Verweis auf Bransford, Goldman und Vye (1991) erläutert Renkl (1996, S. 83), dass beim schulischen Lernen selten die Phase der Feinabstimmung erreicht wird, wodurch Generalisierungs-, Diskriminierungs- und Stärkungsprozesse weitgehend ausbleiben und folglich keine konditionalisierten Wissensstrukturen ausgebildet werden, die für eine spontane Anwendbarkeit vorausgesetzt werden.

In den Beschreibungen der Ausbildungsprozesse von Produktionsregeln und der Wissenskompilierung wird das Bilden von Analogien als ein zentraler Funktionsmechanismus beschrieben. Im folgenden Abschnitt werden die theoretischen Annahmen und empirischen Befunde zum Transfer durch Analogiebildung in einem breiteren Rahmen dargestellt.

Transfer durch Analogiebildung

Ähnlich der Präzisierung und Erweiterung, die Thorndikes Theorie der identischen Elemente in der ACT*-Theorie von Singley und Anderson erfuhr, rückten auch die Kernannahmen Judds Theorie des Transfers durch Erkennen von Prinzipien seit Beginn der 1980er Jahre erneut ins Zentrum des Interesses der psychologischen Lehr- und Lernforschung. Unter dem Paradigma des mathematischen und naturwissenschaftlichen ProblemlösensFootnote 4 wurde umfassend untersucht, welche Bedingungen einen Transfer beim Lösen analoger Probleme ermöglichen und welche kognitiven Prozesse das Bilden von Analogien zwischen strukturähnlichen Problemstellungen maßgeblich beeinflussen.

Eine AnalogieFootnote 5 bezeichnet dabei allgemein eine strukturelle Ähnlichkeit zwischen zwei Gegenstandsbereichen (vgl. Ruppert, 2017, S. 24). Spezieller wird für eine Analogie zwischen dem Ausgangsbereich („source-analog“) und dem Zielbereich („target-analog“) einer Analogie unterschieden (vgl. Gentner, 1983; Gick & Holyoak, 1983; Klauer, 2011; Nokes-Malach, VanLehn, Belenky, Lichtenstein & Cox, 2013; Ruppert, 2017). Zur Bildung einer Analogie ist es erforderlich strukturelle Ähnlichkeiten zwischen dem vertrauten bzw. bekannten Ausgangsbereich und dem weniger bekannten Zielbereich zu identifizieren, um durch die Übertragung dieser Zusammenhänge neue Erkenntnisse in dem Zielbereich zu gewinnen: „analogy is used to generate knowledge applicable to a novel target domain by transferring knowledge from a source domain that is better understood“ (Holyoak & Koh, 1987, 332, Hervorhebung im Original). Wenngleich sich der Ausgangs- und Zielbereich einer Analogie zum Teil wesentlich in ihren spezifischen Merkmalen und Eigenschaften, den Oberflächenmerkmalen („surface features“), unterscheiden können, so liegt ihnen eine gemeinsame Tiefenstruktur („deep structure“) in Form der Relationen zwischen Objekten zugrunde, die sie miteinander verbinden (Chi & VanLehn, 2012, S. 178).

Abbildung 1.3
figure 3

Exemplarische Gegenüberstellung von zwei Aufgaben mit unterschiedlichen Oberflächenmerkmalen und analoger Tiefenstruktur

Ruppert (2017, S. 45) resümiert, dass die Ähnlichkeiten von analogen Mathematikaufgaben vor allem auf drei Ebenen beschrieben werden können: Der Objektebene, der Relationsebene und der Handlungsebene. Auf diesen drei Ebenen kann die Analogie zwischen den exemplarischen Aufgaben in Abbildung 1.3 wie folgt beschrieben werden: Auf der Objektebene werden die enthaltenen (mathematischen) Objekte beschrieben. In Aufgabe A sollen die Seitenlängen eines Rahmens aus Flachstahl berechnet werden. Die zugehörige Größe ist dabei eine Länge in der Einheit Zentimeter. Im Vergleich zu Aufgabe A ist die zentrale Größe in Aufgabe B ein Geldbetrag in Euro und es sollen die Eintrittspreise für einen Besuch im Schwimmbad für Erwachsene und Kinder bestimmt werden. Obgleich die Objekte in den beiden Aufgaben unterschiedlich sind, so verfügen sie doch über dieselben Relationen. Genau wie in Aufgabe A, in der für die Summe von zwei kurzen und zwei langen Seiten, eine Größe vorgegeben ist, so ist in Aufgabe B ebenfalls eine Größe für die Summe von je zwei Eintrittspreisen für Erwachsene und Kinder vorgegeben. Zudem ist jeweils eine Differenz zwischen den beiden gesuchten Größen vorgegeben, eine Länge von 20 cm und ein Geldbetrag in Höhe von 3 Euro. Somit können auf der Handlungsebene analoge mathematische Tätigkeiten beschrieben werden, die in beiden Aufgaben zu einer Lösung führen (vgl. Abbildung 1.3). Die Aufgabenlösungen folgen denselben Schritten und auch die jeweils aufzustellenden linearen Gleichungssysteme sind im Fall dieser beiden Aufgaben identisch, wenn auch die Ergebnisse aufgrund der unterschiedlichen Größen bzw. unterschiedlichen Objekte voneinander verschieden sind.

Über einen Prozess des Vergleichens, können die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen zwei analogen Aufgaben herausgestellt und eine Abbildung („Mapping“, vgl. Gentner, 1983; 1989) zwischen den relationalen Strukturen der beiden Aufgaben hergestellt werden: „At the core of analogical thinking lies the process of mapping: the construction of orderly correspondences between the elements of a source analog and those of a target“ (Holyoak & Thagard, 1989, 295, Hervorhebung im Original). Über dieses Herausstellen der Gemeinsamkeiten und Unterschiede wird die relationale Struktur abstrahiert, was zur Ausbildung einer mentalen Repräsentation in Form eines Schemas führen kann, das in späteren Lern- oder Transfersituationen abgerufen und angewendet werden kann (vgl. Gick & Holyoak, 1983; Novick & Holyoak, 1991; Nokes-Malach et al. 2013; Kubricht, Lu & Holyoak, 2017).

Im Prozess der Analogiebildung ist das Abbilden der relationalen Struktur ein wesentlicher Subprozess: „It is generally recognized that analogical reasoning involves several subprocesses, most notably retrieval of a related source analog, mapping, inference, and subsequent generalization“ (Kubricht et al. 2017, S. 576). Vorausgesetzt Lernende haben bereits eine entsprechende und adäquate mentale Repräsentation in vorhergehenden Lernsituationen aufgebaut, so muss diese zunächst aus dem Langzeitgedächtnis abgerufen werden. Wenn eine entsprechende Repräsentation abgerufen wurde, bedarf es eines Abbildens der relationalen Struktureigenschaften zwischen dem abgerufenen (Lösungs-) Schemata und der vorliegenden Problemstellung. Sofern ein adäquates Lösungsverfahren abgerufen werden kann, müssen Lernende Schlussfolgerungen („inferences“, Gentner, 1989, S. 206) ziehen und den Lösungsweg möglicherweise auf die Transferanforderung anpassen („procedure adaptation“, Novick, 1988, S. 511). Sofern all diese Subprozesse erfolgreich waren, besteht die Möglichkeit einer Generalisierung des Lösungsschemas.

Zur Untersuchung von Prozessen der Analogiebildung beim Lösen mathematischer Aufgaben mit dem Ziel Ansatzpunkte für die Entwicklung von Maßnahmen zur Förderung der Analogiebildungsfähigkeit im Mathematikunterricht zu identifizieren, unterteilt Ruppert (2017, S. 68 f.) den Prozess der Analogiebildung in vier Phasen:

  1. 1.

    Strukturieren: Der Lerner ordnet Objekte, Relationen oder Handlungen im Ausgangs- oder Zielbereich und entwickelt entsprechende mentale Repräsentationen.

  2. 2.

    Abbilden: Der Lerner stellt Entsprechungen zwischen Objekten, Relationen oder Handlungen im Ausgangs- oder Zielbereich her.

  3. 3.

    Schließen: Der Lerner ergänzt fehlende Entsprechungen im Zielbereich und kommt so zu neuen Erkenntnissen.

  4. 4.

    Beurteilen: Der Lerner überprüft die Gültigkeit der gewonnenen Erkenntnisse im gegebenen Kontext.“

Entsprechend des Struktur-Abbildungs-Ansatzes von Gentner (1983) argumentiert Ruppert, dass die Lernenden in der ersten Phase, dem Strukturieren, über das Ordnen der Objekte, Relationen und Handlungen im Ausgangs- und Zielbereich eine entsprechende mentale Repräsentation als Grundlage für den Abbildungsprozess aufbauen. Die Annahme, dass die Lernenden eine mentale Repräsentation der Transfersituation in selbiger ausbilden, ist auf die genutzte Untersuchungsmethode und den Einsatz von Lösungsbeispielen als Ausgangsbereich für die Analogiebildung zurückzuführen. Entgegen der Annahme, dass die Lernenden eine mentale Repräsentation in der Transfersituation entwickeln, beschreiben Gick und Holyoak (1983), dass eine abstrakte Repräsentation in der ursprünglichen Lernsituation konstruiert wird und als Entität in die Transfersituation übertragen wird. Diese beiden Perspektiven stehen jedoch nicht im Widerspruch. Novick und Holyoak (1991, S. 399) argumentieren, dass ein erfolgreicher Analogietransfer zur Ausbildung eines abstrakten Schemas für eine Problemklasse führt, das durch den Ausgangs- und den Zielbereich der Analogie in der Lernsituation repräsentiert wird. Während Gentner (1983) in ihrem Struktur-Abbildungsansatz vor allem das Lernen durch die Bildung von Analogien beschreibt, beschreiben Gick und Holyoak (1983) bereits den initialen Lernprozess als Analogiebildung, wodurch die Adaption einer bestehenden mentalen Repräsentation als Konstruktion einer veränderten mentalen Repräsentation in der Transfersituation interpretiert werden kann.

In seiner qualitativen Untersuchung von Verläufen in Prozessen der Analogiebildung kommt Ruppert (2017) zu dem Schluss, dass die oben beschriebenen Phasen nicht linear durchlaufen werden, sondern die Lernenden immer wieder zwischen den einzelnen Phasen wechseln. Ferner resümiert Ruppert, dass die „Wege“, die im Prozess der Analogiebildung durchlaufen werden, nicht unbedingt die erfolgreiche Lösung einer analogen Transferaufgabe bedingen:

„Es können kurze, zielstrebige Gedankengänge, die zum Ziel führen, genauso beobachtet werden, wie Denkprozesse, die in mehreren Anläufen zu einem Ergebnis kommen. Scheinbar stringente Aufgabenbearbeitungen können ebenso zu einem falschen Resultat führen, wie Argumentationen, die immer wieder unterbrochen und an einer anderen Stelle wieder aufgenommen werden.“ (Ruppert, 2017, S. 219)

Anders als die detaillierten Prozessstudien von Ruppert (2017) sind die üblichen Untersuchungsmethoden zur Analogiebildung und zum Transfer durch Analogiebildung quantitativer Natur. Die Probanden werden in Untersuchungsgruppen eingeteilt und studieren in der Lernphase unter Verwendung unterschiedlicher Methoden ein oder mehrere Ausgangsprobleme aus zum Teil unbekannten Sachzusammenhängen. Im Anschluss an die Lernphase werden den Probanden zum Teil mit zeitlichem Abstand analoge Transferprobleme zur Bearbeitung vorgelegt, deren Lösungsraten zum Gruppenvergleich herangezogen werden. Die experimentellen Studien werden zumeist in einem streng kontrollierten Rahmen mit Studierenden der Psychologie oder Naturwissenschaften, insbesondere der Physik, durchgeführt.

Die zentralen empirischen Erkenntnisse zum Lösen von analogen Problemaufgaben können wie folgt zusammengefasst werdenFootnote 6:

Gick und Holyoak (1980; 1983) untersuchten unter Verwendung des klassischen Strahlungsproblems von Duncker (1945) die Analogiebildungsprozesse unter verschiedenen Bedingungen. Während die Probanden in der Kontrollgruppe kein Ausgangsproblem als Grundlage für die Bearbeitung eines Transferproblems erhielten, studierten die Probanden in den Experimentalgruppen die Lösung verschiedener Problemstellungen. Die Bearbeitungen der Transferaufgaben ergaben, dass die Probanden in der Kontrollgruppe die vorgelegte Problemaufgabe lediglich zu zehn Prozent korrekt lösen konnten, während Probanden, die zuvor die Lösung eines höchst unähnlichen analogen Problems studiert hatten, eine Lösungsrate von 30 Prozent aufwiesen. Wurden die Probanden jedoch explizit darauf hingewiesen, sich noch einmal genau das Ausgangsproblem und die Lösung desselbigen in Erinnerung zu rufen, erhöhte sich die Lösungsrate für das Transferproblem auf rund 50 Prozent. Die Experimente von Gick und Holyoak (1980; 1983) zeigten, dass nur wenige Lernende spontan die Relevanz des Ausgangsproblems für die Lösung des Transferproblems erkannten, jedoch zum Teil erfolgreich die Strukturen der analogen Probleme aufeinander abbilden und die entsprechenden Schlussfolgerungen ziehen konnten, sofern sie explizit dazu aufgefordert wurden. Insbesondere die höchst verschiedenen Oberflächenmerkmale des Ausgangs- und des Transferproblems führten dazu, dass die Lernenden die zuvor studierte Problemlösung nicht als relevant für die Lösung des Transferproblems erkannten und folglich auch keine Beziehungen zwischen diesen herstellen konnten.

In anknüpfenden Experimenten konnte gezeigt werden, dass die Wahrscheinlichkeit für einen spontanen Analogietransfer zwischen zwei Problemen höher ist, wenn die Ähnlichkeit zwischen Ausgangs- und Zielbereich der Problemstellungen erhöht wird (vgl. Keane, 1987). Holyoak und Koh (1987) konnten zudem zeigen, dass insbesondere bei Problemen, die eine direkte bzw. isomorphe Abbildung, sowohl in der Tiefenstruktur sowie den Oberflächenmerkmalen, zu spontanem analogen Transfer führen können, selbst wenn zwischen der Präsentation des Ausgangsproblems und der Bearbeitung der Transferaufgabe mehrere Tage liegen. Die Autoren berichten zudem, dass sowohl die Tiefenstruktur als auch die Oberflächenmerkmale der Probleme einen bedeutenden Einfluss auf den Abruf von Analogien aus dem Langzeitgedächtnis haben, die strukturellen Eigenschaften jedoch einen größeren Einfluss auf die Anwendbarkeit einer Analogie haben, sofern deren Relevanz erkannt wurde.

Analoges Vergleichen:

Die Instruktionsmethode des Vergleichens analoger ProblemlösungenFootnote 7 („analogical comparison“) ist eine Folgerung der zuvor beschriebenen Befunde und besteht darin, dass die Lernenden zwei oder mehr Beispiele bzw. Problemlösungen direkt miteinander vergleichen (vgl. Gick & Holyoak, 1983; Catrambone & Holyoak, 1989; Loewenstein, Thompson & Gentner, 2003; Richey & Nokes-Malach, 2015). Durch den direkten Vergleich zweier Probleme sollen die Schwierigkeiten beim Abruf analoger Problemlösungen aus dem Langzeitgedächtnis umgangen werden und durch einen begleiteten Abbildungsprozess der Aufbau einer mentalen Repräsentation dieser Probleme unterstützt werden. Somit bedarf es für eine Analogiebildung nunmehr der Prozesse des Abbildens und Schließens.

Rittle-Johnson und Star (2011) unterscheiden für das Mathematiklernen zwischen u. a. vier Typen des Vergleichs:

Vergleich von Problemen: :

Es werden zwei verschiedene aber strukturell isomorphe Probleme verglichen, die mit der gleichen Methode gelöst werden können. Das Ziel ist das Erlernen einer allgemeinen Lösungsmethode (Rittle-Johnson & Star, 2011, S. 201 ff.).

Vergleich von Problemkategorien: :

Es werden unterschiedliche Probleme verglichen, die keine isomorphe Struktur aufweisen und unterschiedliche Methoden zur Lösung erfordern. Das Ziel hierbei ist, dass die Lernenden erkennen, inwieweit sich Probleme unterscheiden, die leicht verwechselbaren Problemkategorien angehören (Rittle-Johnson & Star, 2011, S. 204).

Vergleich von Lösungsmethoden: :

Anstelle von verschiedenen Problemaufgaben werden unterschiedliche Methoden zur Lösung desselben Problems verglichen. Das Ziel ist die Effizienz die Flexibilität der Lernenden beim Problemlösen zu erhöhen (Rittle-Johnson & Star, 2011, S. 204 f.).

Vergleich von Konzepten Footnote

Die Bezeichnung „Konzept“ bezieht sich hier auf die Bedeutung des englischen Begriffes „concept“

: :

Es werden vielfältige Beispiele desselben Konzepts verglichen. Durch diesen Vergleich sollen die Lernenden erkennen, welches Konzept die Beispiele gemeinsam haben und dadurch eine Hilfe zum tieferen Verstehen des Konzepts erhalten (Rittle-Johnson & Star, 2011, S. 207 f.).

Befunde zum Vergleich von Problemen:

Der direkte Vergleich analoger Problemlösungen soll zu einer strukturellen Ausrichtung der Aufgaben- bzw. Lösungsbeispiele durch die Lernenden führen. Dadurch sollen die gemeinsamen Relationen der betrachteten Beispiele herausgestellt und somit der Aufbau einer allgemeinen und abstrakten strukturellen Repräsentation unterstützt werden (Goldwater & Schalk, 2016, S. 738; Richey & Nokes-Malach, 2015, S. 199). Obgleich der direkte Vergleich zweier Problemlösungen zumeist den Transfer auf ähnliche Problemstellungen unterstützt, ist dies jedoch bei neuen Problemstellungen mit nicht unmittelbar zuzuordnenden Eigenschaften nicht der Fall (vgl. Novick & Holyoak, 1991). Hierfür bedarf es einer spezifischen Adaption an die strukturellen Eigenschaften der neuen Aufgaben, wobei die zugrunde liegenden Prinzipien und Konzepte von den Ausgangsbeispielen losgelöst werden müssen, um sie in entsprechender Weise in neuen Anforderungssituationen anwenden zu können.

In verschiedenen Studien konnte gezeigt werden, dass das Vergleichen von analogen Problemaufgaben den Aufbau von abstrakten Schemata und das Verknüpfen von zentralen Problemeigenschaften mit den ihnen zugrunde liegenden Prinzipien unterstützen kann (Catrambone & Holyoak, 1989; Novick & Holyoak, 1991). Damit es dazu kommt, bedarf es jedoch zumeist einer differenzierten Anleitung, die die Lernenden darauf hinweist und differenzierte Anweisungen gibt, welche Aspekte der Problemaufgaben sie vergleichen sollen (vgl. Reed, 1989; Kurtz, Miao & Gentner, 2001; Richland, Zur & Holyoak, 2007). Erfolgt die Instruktionsphase ohne eine differenzierte Anleitung zum Vergleich, so orientieren sich die Lernenden beim Vergleich zumeist ausschließlich an den Oberflächenmerkmalen der Aufgaben und der Transfer der Lösungsprozeduren ist auf die Lösung von isomorphen Aufgaben beschränkt, die sowohl die gleichen Oberflächenmerkmale wie auch die gleiche Tiefenstruktur aufweisen (vgl. Holyoak & Koh, 1987). Zudem konnten Gick und Holyoak (1983) zeigen, dass das Formulieren der allgemeinen Lösungsmethode nach dem Vergleich zweier Beispielaufgaben die Wahrscheinlichkeit eines Transfers auf die Lösung eines neuen Problems signifikant erhöht.

Die positiven Effekte des Vergleichens von Problemen auf den Transfer beim Problemlösen sind jedoch begrenzt. Reed (1989) berichtet von drei Experimenten, in denen Studierende zwei algebraische Textaufgaben und ihre Lösungen erarbeitet haben, dass der Vergleich der Probleme und ihrer Lösungen nicht den Transfer auf neue Probleme unterstützt hat. Reed (1989) argumentiert, dass komplexe und mehrschrittige Problemlösungen möglicherweise schwieriger über einen direkten Vergleich zu erlernen sind als einfachere Lösungen, wie sie in den Experimenten von Gick und Holyoak (1983) eingesetzt wurden. Das Lernen komplexer Probleme und Problemlösungen und die Verallgemeinerung in Hinsicht auf die erfolgreiche Bearbeitung von Transferaufgaben sei möglicherweise nicht allein durch den Vergleich von zwei Beispielaufgaben ohne weitere Hilfen zu erreichen. Scheiter und Gerjets (2006) konnten in diesem Zusammenhang beobachten, dass die Anzahl der in der Instruktionsphase verglichenen Aufgaben nur bedingt einen Einfluss auf einen Lern- und Transfererfolg der Lernenden hat. Sie argumentieren, dass sich der Lern- und Transfererfolg nur selten proportional zu der Anzahl der erarbeiteten und verglichenen Beispielaufgaben verhält. Stattdessen sind ihren Ergebnissen zu Folge die Lernbedingungen, unter denen die Lernenden die Aufgaben vergleichen, von einer höheren Bedeutung. Haben die Lernenden nicht genug Zeit für die Bearbeitung von drei Beispielaufgaben in der Instruktionsphase, so hat dies einen wesentlich geringeren und in einigen Fällen auch einen negativen Effekt auf den Lern- und Transfererfolg. In ihrer Studie zeigten die Lernenden, die ausreichend Zeit für das Studium eines einzigen Beispiels hatten, wesentlich bessere Ergebnisse als Lernende, die in derselben Zeit drei Beispiele erarbeitet hatten und somit weniger Zeit für die Erarbeitung der einzelnen Beispiele aufwenden konnten.

Befunde zum Vergleich von Problemkategorien:

Im Gegensatz zur ersten Kategorie werden beim Vergleich von Problemkategorien Probleme verglichen, deren Lösung unterschiedliche Methoden erfordern und somit unterschiedlichen, zum Teil leicht verwechselbaren, Problemkategorien zugehörig sind. In drei Experimenten mit Studierenden beobachtete Cummins (1992), dass Probanden, die algebraische Textaufgaben direkt miteinander verglichen („analogical comparison processing“), bessere Ergebnisse beim Einordnen von neuen Problemen in Problemkategorien sowie beim Beschreiben der strukturellen Eigenschaften dieser Probleme zeigten, als Probanden, die die Beispielaufgaben einzeln nacheinander studierten („intraproblem processing“) oder lediglich nacheinander durchlasen. Zudem konnte beobachtet werden, dass diejenigen Probanden, die nicht mit der Methode des analogen Vergleichens gearbeitet hatten, die Kategorisierung der Probleme vor allem auf Grundlage der Oberflächenmerkmale vornahmen. Ähnliche Befunde berichten auch Vanderstoep und Seifert (1993) aus Experimenten mit Kombinations- und Permutationsaufgaben. Während die Experimentalgruppe die Lösungsbeispiele anhand eines Leitfadens miteinander verglich, wurden der Kontrollgruppe lediglich dieselben Lösungsbeispiele ohne Leitfaden zum Vergleich der Lösungsbeispiele vorgelegt. Auch die Ergebnisse dieser Untersuchung zeigen, dass die Lernenden, die die Lösungsbeispiele miteinander verglichen hatten, bessere Ergebnisse beim Zuordnen neuer Aufgaben zu den Gruppen Kombinations- oder Permutationsaufgabe erreichten und zudem ihre Zuordnungen besser begründen konnten.

Day, Goldstone und Hills (2010) konnten zeigen, dass nicht allein die Aktivität des Vergleichens, sondern das Vergleichen von Lösungsbeispielen aus unterschiedlichen Problemkategorien dazu beiträgt, dass Lernende besser zwischen unterschiedlichen Problemkategorien unterscheiden können. In einer Studie mit Schülerinnen und Schülern der Mittelstufe verglichen sie die Effekte des Vergleichs von Beispielen von „Feedback loops“ aus leicht verwechselbaren unterschiedlichen (positive und negative Feedback-Schleifen) und derselben Kategorie (positive Feedback-Schleifen). Ihre Ergebnisse zeigen, dass diejenigen Lernenden, die Beispiele unterschiedlicher Problemkategorien miteinander verglichen hatten, besser neue und unbekannte Beispiele klassifizieren konnten, als diejenigen, die in der Instruktionsphase Beispiele derselben Kategorie miteinander verglichen hatten.

Insgesamt zeigt sich, dass der Vergleich von Problemkategorien die Fähigkeit des Zuordnens von Problemen zu Kategorien fördert. Diese Fähigkeit zum Kategorisieren von Problemen ist beim Problemlösen insbesondere dann hilfreich, wenn Problemkategorien ähnliche oder gar dieselben zentralen Merkmale aufweisen (vgl. Rittle-Johnson & Star, 2011, S. 204).

Befunde zum Vergleich von Lösungsmethoden:

Anstelle des Vergleichs von verschiedenen Problemen, die ähnliche Lösungsstrategien erfordern, werden bei diesem Typ des Vergleichs verschiedene Lösungswege für ein und dasselbe Problem miteinander verglichen. Den Lernenden wird dazu zumeist die Frage gestellt, welcher der vorgegebenen Lösungswege effizienter bzw. besser ist und warum (vgl. Rittle-Johnson & Star, 2011, S. 202). Der Einsatz dieser Vergleichsmethode konnte zunächst vermehrt im Unterricht von sehr guten Mathematiklehrern (vgl. Lampert, 1990) sowie Ländern mit sehr hohen Ergebnissen in nationalen Vergleichsstudien (vgl. Richland et al., 2007) beobachtet werden.

Abseits dieser Beobachtungen im Unterricht legen empirische Befunde nahe, dass der Einsatz des Vergleichs verschiedener korrekter Lösungswege die Flexibilität beim Problemlösen („procedural flexibility“) erhöht (vgl. Rittle-Johnson & Star, 2007, 2011, S. 205). Die Kenntnis verschiedener Lösungswege und die Möglichkeit auf Grundlage der Problemeigenschaften einen effizienten Lösungsweg auszuwählen unterstützt den Transfer auf neue Problemstellungen in Transfersituationen (z. B. Verschaffel, Luwel, Torbeyns & Van Dooren, 2009) und kann mit einem tieferen Verständnis für die zugrunde liegenden Konzepte assoziiert werden (vgl. Hierbert et al., 1996; Carpenter, Franke, Jacobs, Fennema & Empson, 1998; Blöte, der Burg & Klein, 2001).

Abbildung 1.4
figure 4

Exemplarische Darstellungen zum direkten (oben) und sequentiellen (unten) Vergleich von Aufgaben zu algebraischen Termumformungen (Rittle-Johnson & Star, 2011, S. 211)

Rittle-Johnson und Star (2011) berichten von zwei Studien mit Schülerinnen und Schülern, in denen sie untersuchten, inwieweit sich die Lerneffekte des direkten Vergleichs verschiedener Lösungswege und des sequentiellen Studiums ähnlicher Aufgaben und Aufgabenlösungen unterscheiden (vgl. Abbildung 1.4). Ihren Ergebnissen zu Folge zeigten die Schülerinnen und Schüler, die in der Instruktionsphase zwei korrekte Lösungswege direkt miteinander verglichen hatten, bessere Ergebnisse beim Lösen neuer Gleichungen und mehr Flexibilität in ihren Lösungswegen (Rittle-Johnson & Star, 2007). Ähnliche Ergebnisse berichten sie auch von einer Studie, in der die Schülerinnen und Schüler die Ergebnisse zweistelliger Multiplikationsaufgaben (z. B. \(37 \cdot 29\)) schätzen sollten (Rittle-Johnson & Star, 2009).

Neben Vergleichen von verschiedenen Methoden zur korrekten Lösung eines Problems können auch korrekte mit inkorrekten Lösungswegen verglichen werden. Mit dem Vergleich von korrekten mit inkorrekten Lösungsmethoden ist das Ziel verbunden, dass die Lernenden erkennen, warum die korrekte Methode zur Lösung des Problems führt und die inkorrekte nicht. Auf diese Weise soll der Entwicklung von fehlerhaften Strategien und falschen Denkweisen entgegengewirkt werden (vgl. Rittle-Johnson & Star, 2011, S. 205). Aufgrund der geringen Befundlage zum analogen Vergleich von korrekten und inkorrekten Lösungsmethoden wird von einer eingehenden Darstellung in dieser Arbeit jedoch abgesehen.

Vergleich von Konzepten:

Während beim analogen Vergleich zumeist verschiedene Beispiele zu demselben Konzept verglichen werden, werden beim Vergleich von Konzepten Beispiele zu unterschiedlichen Konzepten verglichen. Das Ziel hierbei ist es, Unterschiede zwischen ähnlichen und verwandten Konzepten zu identifizieren, um Konzepte besser voneinander abzugrenzen und auf diese Weise das Verständnis der Konzepte zu verbessern. Zu dieser Art des analogen Vergleichs gibt es jedoch nur wenige Studien aus dem Bereich des analogen Problemlösens bzw. zum Transfer durch Analogiebildung.

Hattikudur und Alibali (2010) berichten von einer Studie mit Lernenden der dritten und vierten Klasse zum Verständnis des Gleichheitszeichens. Während eine Lerngruppe ausschließlich mit korrekten und inkorrekten Beispielen zum Gleichheitszeichen instruiert wurde (z. B. \(1+12=8\), \(11-3=8\), \(5=9-4\)), erarbeitete eine weitere Lerngruppe Beispiele, in denen sie das Gleichheitszeichen mit den Vergleichsoperatoren < und > verglichen (z. B. \(1+12>8\), \(11-3<8\), \(5=9-4\)). Die Autoren berichten, dass die Gruppe der Lernenden, die in der Instruktionsphase das Gleichheitszeichen mit den Vergleichsoperatoren < und > verglichen hatten, im Posttest ein besseres konzeptuelles Verständnis des Gleichheitszeichens zeigten als die Gruppe, die ausschließlich mit Beispielen zum Gleichheitszeichen gearbeitet hatte. Beim Lösen von Problemaufgaben konnten die Autoren (Hattikudur & Alibali, 2010, S. 23) jedoch keine Unterschiede in den Leistungen der beiden Gruppen feststellen. Sie argumentieren, dass sie in ihrer Studie nicht kontrolliert haben, wie die Lernenden die Vergleiche vorgenommen haben, ob sie etwa die Beispiele zu Gleichheitszeichen und Vergleichsoperatoren oder tatsächlich Beispiele mit unterschiedlichen Zeichen miteinander verglichen haben (2010, S. 29). Sie schließen:

„[...] comparison can promote understanding of mathematical concepts. Specifically, a lesson in which elementary school students compared inequality symbols and the equal sign facilitated a relational understanding of the equal sign more than a lesson in which students learned about the equal sign alone in the same amount of time. Thus, a comparison-based instructional method can be of value in teaching and learning mathematical concepts.“ (Hattikudur & Alibali, 2010, S. 29 f., Hervorhebung im Original)

In ähnlicher Weise argumentieren auch Gentner und Markman (1997), dass der Vergleich von Beispielen des gleichen oder unterschiedlicher Konzepte dabei hilft, die strukturellen Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Beispiele herauszuarbeiten und auf diese Weise ein tieferes Verständnis von Konzepten auszubilden.

Insgesamt zeigt sich, dass der Vergleich von Konzepten dabei helfen kann, die Konzepte besser zu lernen und zu verstehen. Es gibt jedoch keine empirischen Belege dafür, dass diese Methode auch den Transfer auf neue Aufgabenstellungen oder Problemlösungen fördert (vgl. Rittle-Johnson & Star, 2011, S. 207).

Wie in einigen Erläuterungen von Untersuchungen zum Transfer durch Analogiebildung angemerkt, werden in diesen häufig Lösungsbeispiele in der initiierenden Lernphase eingesetzt. Eine Vielzahl von Studien zeigt, dass die Instruktion mit Lösungsbeispielen in frühen Phasen des Wissenserwerbs besonders effektiv ist und bezüglich der Entwicklung von Problem- oder Lösungsschemata zu besseren Ergebnissen führt als problemlösende Ansätze.

Lernen mit Lösungsbeispielen:

Ein Lösungsbeispiel besteht aus drei Komponenten: Einer Aufgabenstellung, einer Darstellung der relevanten Lösungsschritte und der Lösung der Aufgabe (R. K. Atkinson, Renkl & Merrill, 2003, S. 774; Renkl, 2005, S. 230). Im Zentrum steht die Darstellung der relevanten Lösungsschritte, die zusammen mit der Aufgabenstellung und dem Ergebnis bzw. der Lösung ein Lösungsschema für eine Klasse von Problemstellungen vorgibt (vgl. R. K. Atkinson, Derry, Renkl & Wortham, 2000, S. 181 f.). Die Lösungsschritte können in einer unterschiedlichen Ausführlichkeit kommentiert werden, um etwa Zusammenhänge und Übergänge zwischen den einzelnen Schritten zu erklären und herauszustellen (vgl. Abbildungen 1.5 und 1.6). Im Gegensatz zu einem Lehrtext werden die Lösungsprozeduren explizit aufgeführt und müssen nicht einem Text entnommen und aus diesem herausgelöst werden (Salle, 2015, S. 24; Stark, 1999, S. 20).

Abbildung 1.5
figure 5

Zwei Lösungsbeispiele zu elementaren Termumformungen (Sweller & Cooper, 1985, S. 70)

Abbildung 1.6
figure 6

Lösungsbeispiel zur Berechnung von Längen in einem Trapez mithilfe des Satzes des Pythagoras (vom Hofe, Humpert, Griesel & Postel, 2015, S. 123)

Der Einsatz von Lösungsbeispielen in frühen Lernphasen, in denen die Lernenden noch wenig über die thematisierten mathematischen Inhalte und Strukturen wissen, erweist sich in empirischen Vergleichsstudien als wesentlich effizienter als das eigenständige Lösen von Problemen (vgl. Sweller & Cooper, 1985; Cooper & Sweller, 1987; Renkl, Gruber, Weber, Lerche & Schweizer, 2003). Durch die Präsentation der relevanten Schritte und Zusammenhänge in Lösungsbeispielen sind die Lernenden nicht gezwungen, oberflächliche Strategien zur Lösung von Problemen anzuwenden, sondern können zunächst ein grundlegendes Verständnis des relevanten Prinzips und seiner Anwendung gewinnen bevor sie selber beginnen analoge Problemstellungen zu bearbeiten:

„One tried-and-tested method of preventing [...] premature and unproductive problem solving is to first present worked examples that the students should try to understand. Only after having gained some understanding of the relevant principle and its application (e.g., multiplication rule in probability), the students work on problems.“ (Renkl, 2017, S. 572)

Zudem hat es sich als höchst effektiv dargestellt, den Übergang zum eigenständigen Problemlösen und der Lösung von Transferaufgaben durch den Einsatz unvollständiger Beispiele zu gestalten (Renkl, Atkinson, Maier & Staley, 2002; Renkl, 2017; Salle, 2015; Salden, Aleven, Renkl & Schwonke, 2009). Unvollständige Beispiele erfordern von den Lernenden das Wissen aktiv zu integrieren und auf neue Probleme anzuwenden, indem sie einzelne Lösungsschritte eigenständig ergänzen müssen. Eine Art von unvollständigen Beispielen sind die sogenannten „fading examples“ (Renkl et al. 2002), die im Wesentlichen aus einem ausgearbeiteten Lösungsbeispiel bestehen, bei dem Teile des Lösungsweges ausgeblendet werden, die von den Lernenden ergänzt werden müssen (vgl. Abbildung 1.7).

Abbildung 1.7
figure 7

Unvollständiges Lösungsbeispiel zum Rechnen mit Größen bei dem der letzte Lösungsschritt ausgeblendet wurde (Renkl, Schworm & vom Hofe, 2001, S. 17)

Obgleich beim Lernen mit Lösungsbeispiel der Aufbau von Schemata im Vordergrund steht, beschreibt Renkl (2017, S. 574 f.) zwei Modelle des Transfers: Ein direkter Weg zur Anwendung der erarbeiteten Prinzipien und Lösungsschemata ist, dass die Lernenden eine Transferaufgabe direkt auf Grundlage der zugrundeliegenden Prinzipien interpretieren können:

„In other words, they can ‘see through’ the surface features (e.g., numbers and objects in a mathematical word problem) and select the correct principles (e.g., a mathematical theorem) to interpret and solve transfer problems.“ (Renkl, 2017, S. 574)

Ein zweiter, indirekter Weg führt über das Bilden von Analogien. Da es vielen Lernenden nicht direkt gelingt die korrekten Prinzipien und Lösungsschemata zu aktivieren, wenn sie eine Transferaufgabe bearbeiten sollen, können sie an ein ähnliches Problem erinnert werden. Sofern dieses analoge Problem in Beziehung mit dem zugrundeliegenden Prinzip repräsentiert wurde, ermöglicht dieses den Lernenden dennoch einen direkten Zugang zu den benötigten Inhalten und Prinzipien (Renkl, 2017, S. 574).

Ein erfolgreiches Lernen mit Lösungsbeispielen ist unmittelbar von der Intensität der kognitiven Aktivität der Lernenden beim Studium von Lösungsbeispielen abhängig. Eine passive und oberflächliche Verarbeitung von Lösungsbeispielen (Renkl, 1997; Scheiter, Gerjets & Schuh, 2010), eine mangelnde Fokussierung auf die zentralen inhaltlichen Konzepte (Kalyuga, Ayres, Chandler & Sweller, 2003; Grosse, 2005), die isolierte Präsentation von Lösungsbeispielen (Sweller & Cooper, 1985; Renkl, 2005; Grosse, 2005) sowie der Einsatz mit fortgeschrittenen Lernenden („expertise-reversal effect“ Kalyuga et al., 2003) können den Lernprozess bzw. den Schemaaufbau behindern.

Zur Vermeidung einer oberflächlichen Verarbeitung von Lösungsbeispielen und mangelnden Fokussierung auf die zentralen Inhaltselemente ist der Einsatz von fokussierenden Fragestellungen („self-explanation-prompts“, R. K. Atkinson et al. 2003; Salle, 2015; Renkl, 2017) eine unterstützende Maßnahme:

„Selbsterklärungsprompts sind Fragen bzw. Anregungen, die auf wichtige Begriffe, Voraussetzungen, Einschränkungen oder das Ziel einzelner Schritte bzw. der ganzen Aufgabenlösung fokussieren und so eine tiefe Verarbeitung der Inhalte anregen sollen.“ (Salle, 2015, S. 61)

Fokussierende Fragestellungen sollten während der Erarbeitung eines Lösungsbeispiels präsentiert werden, da sie auf diese Weise in die Verarbeitung des Lösungsbeispiels mit einbezogen werden können und so die kognitive Belastung der Lernenden weniger ausgereizt wird als es bei einer getrennten, vor- oder nachgelagerten Präsentation der Fall sei (Tillmann, Künsting, Wirth & Leutner, 2009, S. 113).

Zusammenfassung:

Zusammenfassend zeigt die Befundlage zum Transfer durch die Bildung von Analogien (vor allem beim Problemlösen), dass die Bildung von Analogien sehr fehleranfällig ist und bei Gelingen nur selten zu einem spontanen positiven Transfer führt (vgl. Gick & Holyoak, 1983; Holyoak & Koh, 1987; Kubricht et al. 2017). Für eine erfolgreiche Analogiebildung und späteren analogen Transfer bedarf es zumeist direkter Hinweise und der direkten Anleitung durch den Einsatz vergleichender Instruktionsmethoden (vgl. Catrambone & Holyoak, 1989; Loewenstein et al., 2003; Rittle-Johnson & Star, 2011; Richey & Nokes-Malach, 2015). Zudem hängt der Transfererfolg sehr stark von den individuellen Vorkenntnissen der Lernenden ab (vgl. Novick & Holyoak, 1991; Holyoak & Thagard, 1997). Insbesondere in Fällen, in denen die Lernenden ihr Wissen noch nicht so organisiert haben, dass sie Gemeinsamkeiten zwischen dem Ausgangs- und Zielbereich einer Analogie erkennen können, orientieren sich Lernende an den Oberflächenmerkmalen (vgl. Holyoak & Koh, 1987; Ross, 1987; Chi & VanLehn, 2012) und ziehen häufig die falschen Schlüsse, was sie dazu verleitet, ihr Vorwissen zu übergeneralisieren und Methoden und Prinzipien fälschlicher Weise zu übertragen (vgl. Ross, 1987; McNeil, 2008; Schwartz, Chase & Bransford, 2012).

Da die Ausbildung von mentalen Repräsentationen der Ausgangsanforderung für einen Analogietransfer von elementarer Bedeutung ist, zeigt sich der Einsatz der Instruktionsmethode des Lernens mit Lösungsbeispielen (Renkl, 2017; Salle, 2015) als besonders effizient und wird aus diesem Grund vielfach in experimentellen Studien eingesetzt.

Die meisten Studien zum Bilden von Analogien und dem Transfer durch Analogiebildung wurden in kontrollierten Laborsituationen mit Studierenden durchgeführt. Dies hat vor allem den Hintergrund, dass junge Lernende und Novizen nur selten über hinreichendes domänen-spezifisches Wissen verfügen und auf ausreichend abstrakte Wissensrepräsentationen zurückgreifen können und somit die weitreichenden Voraussetzungen für einen Analogietransfer nur selten gegeben sind (vgl. Gentner, 1989, S. 232). Studien, die in einem schulischen Rahmen durchgeführt wurden, beschränken sich zumeist auf schematische Inhalte, wie das Lösen von Gleichungen, Umstellen von Termen und Anwenden von Formeln in kombinatorischen Aufgabenstellungen. Dabei werden nur selten Prozessdaten erhoben, die einen Einblick und die Analyse der individuellen Auseinandersetzungen der Lernenden mit den Materialien erlauben.

1.2.3 Zusammenfassung

Kognitionspsychologische Theorien erklären Transfer vornehmlich über die Ausbildung und Anwendung von abstrakten Wissensrepräsentationen. Transfer wird allgemein als die Anwendung von Wissen aus einer Lernsituation in einer neuen und unbekannten Anwendungssituation konzeptualisiert. Die Anwendung von zuvor entwickelten Wissensstrukturen ist vornehmlich von zwei Aspekten abhängig, der Qualität der im Langzeitgedächtnis gespeicherten Wissensstrukturen und der Ähnlichkeit zwischen Lern- und Anwendungssituation.

Qualität der aufgebauten Wissensstrukturen:

Die in diesem Kapitel dargestellten Theorien konzeptualisieren Wissen als abstrakte Handlungsrepräsentationen, die bereichsunabhängig angewendet werden können. Für eine Anwendung in neuen Anforderungssituationen bedarf es eines weitreichenden Abstraktionsprozesses, in dem die Handlungsschemata von ihren ursprünglichen Anwendungssituationen losgelöst und auf die neue Situation übertragen bzw. in der Transfersituation angewendet werden.

Bereits vor der Entwicklung von Modellen der menschlichen Informationsverarbeitung wurden empirische Beobachtungen zur Theoriebildung in Hinsicht auf die Beschreibung von Transfer herangezogen. Obgleich die hier dargestellten Perspektiven von Thorndike (1901a; 1901b; 1901c) und Judd (1908; 1939) einen augenscheinlichen Gegensatz zueinander formulieren, so sind ihre Grundgedanken sehr ähnlich, wobei sie unterschiedliche Aspekte von Wissensrepräsentationen hervorheben. Die Theorie der identischen Elemente betont die Bereichsspezifität von angeeigneten Fertigkeiten und formuliert, dass ein und dieselbe Fertigkeit ausschließlich auf partiell identische Anforderungssituationen übertragen werden kann. Diesen Befunden und theoretischen Annahmen fügt Judd hinzu, dass es für eine allgemeine Anwendbarkeit von Wissen und Fertigkeiten notwendig sei, die diesen zugrundeliegenden allgemeinen Prinzipien zu verstehen und abstrahieren.

Mit der Einführung von kognitiven Modellen wurden diese Grundannahmen weiter präzisiert. Singley und Anderson (1989) konzeptualisierten identische Elemente als Produktionsregeln, die als mentale Repräsentation einer Handlung verstanden werden können. Produktionsregeln werden durch die Überführung von deklarativem Wissen in prozedurales Wissen (Wissenskompilierung) gebildet und verknüpfen eine Handlung mit den erforderlichen Anwendungsbedingungen (Wenn-Dann-Regeln). Sie beschreiben die Ausbildung über einen mehrstufigen Prozess der Abstraktion und Generalisierung, in dem auf die Wissenskompilierung der Prozess der Feinabstimmung folgt, in dem die Anwendungsbedingungen weiter eingegrenzt werden und schließlich in einem Stärkungsprozess diese Wissensrepräsentationen auf ihre Anwendungsbedingungen hin konditionalisiert werden. Produktionsregeln werden in der Folge im Langzeitgedächtnis gespeichert und bei Auftreten der entsprechenden Anwendungsbedingungen aktiviert.

Auf ähnliche Weise wird Wissen im Rahmen von Analogiebildungen in Form von Handlungsschemata konzeptualisiert. Über den Vergleich von analogen Problem- oder Aufgabenstellungen abstrahieren Lernende die gemeinsame Struktur der enthaltenen Objekte, Handlungen und Relationen, sodass diese in einer analogen Aufgaben- oder Problemstellung auf diese übertragen werden können. Diese abstrakten Schemata entstehen einerseits durch erfolgreiche Analogiebildungen, indem eine Ausgangs- und Zielsituation in einem gemeinsamen Schema zusammengefasst werden, sodass das Schema eine Klasse von Problemen und Aufgaben repräsentiert. Andererseits wird argumentiert, dass durch die Anpassung vorhandener mentaler Repräsentationen, z. B. durch die Adaption eines Bearbeitungsschemas in einer Transfersituation, eine neue veränderte mentale Repräsentation konstruiert wird.

Die Aktivierung der im Langzeitgedächtnis abgelegten Handlungsrepräsentationen steht in unmittelbarer Abhängigkeit von der Ähnlichkeit zwischen der Lern- und der Anwendungssituation.

Ähnlichkeit zwischen Lern- und Anwendungssituation:

Die Ähnlichkeit zwischen einer Lern- und Anwendungssituation wird auf zwei Arten beschrieben: Auf Ebene der physischen Oberflächenmerkmale, z. B. Einbindung in einen Sachkontext, vorkommenden Größen sowie auch die Art der Präsentation, und auf Ebene der enthaltenen relationalen Strukturen, der Tiefenstruktur. In frühen Transferuntersuchungen wurden vornehmlich die physischen Merkmale zwischen der Ausgangs- und Transferanforderung als bedingendes Kriterium für einen Transfer betrachtet. Es wurde im Wesentlichen der Transfer zwischen quasi identischen Tätigkeiten und Situationsbedingungen untersucht.

Seit der Einführung von Modellen der menschlichen Informationsverarbeitung und der Konzeptualisierung von Wissen in Form von mentalen Strukturen und Repräsentationen wird die Ähnlichkeit zwischen Anforderungen vor allem auf psychologischer Ebene beschrieben. Aus dieser Sichtweise kann es nur zu einem Transfer zwischen zwei Anforderungen kommen, wenn beide Anforderungen dieselben Wissensstrukturen erfordern oder eine Wissensstruktur an die Merkmale der Transfersituation angepasst werden kann.

In Singley und Andersons (1989) ACT*-Theorie wird vornehmlich der Transfer von Handlungen beschrieben. Die von ihnen beschriebenen Produktionsregeln verbinden eine spezifische Handlungsfolge mit spezifischen Anwendungsbedingungen. Damit eine Handlung in einer neuen Anforderungssituation angewendet werden kann, muss diese über dieselben Bedingungskonstellationen wie die Lernsituation verfügen. Erst mit zunehmender Übung und Generalisierung der Handlung und Verallgemeinerung ihrer Anwendungsbedingungen wird es möglich, die Handlung an leicht veränderte Situationsbedingungen anzupassen.

Im Zusammenhang mit der Bildung von Analogien sind insbesondere Ähnlichkeiten in der Tiefenstruktur von Problemen oder Anforderungen entscheidend. Diese umfasst neben einer Handlungsfolge auch die enthaltenen Objekte und deren Beziehungen zueinander. Für einen Transfer müssen die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Anforderungen strukturiert werden, damit es zu einer Abbildung zwischen Ausgangs- und Transferanforderung kommen kann. Dieser Prozess ist im Wesentlichen abhängig von zuvor aufgebauten mentalen Repräsentationen.

Die Befundlage der zahlreichen experimentellen Laborstudien weist daraufhin, dass der Aufbau von transferfähigem Wissen und ein Transfer von aufgebauten Wissensstrukturen durch spezifische Instruktionsmethoden („analogical comparison“, siehe Abschnitt 1.2; „Lernen mit Lösungsbeispielen“, vgl. Renkl, 2017; Salle, 2015) und Hilfestellungen unterstützt werden kann.

Insgesamt können folgende Aspekte kognitionspsychologischer Transfertheorien festgehalten werden:

  1. 1.

    Transfer wird als die Anwendung einer abstrakten Wissensrepräsentation in einer neuen Anforderungssituation beschrieben.

  2. 2.

    Wissen ist zunächst bereichsspezifisch. Für eine Anwendung in nicht identischen Anforderungen bedarf es der Abstraktion und Verallgemeinerung von Anwendungsbedingungen.

  3. 3.

    Entscheidend für einen Transfer zwischen zwei Anforderungen sind die Ähnlichkeiten in den Oberflächenmerkmalen der Anforderungen sowie ihrer Tiefenstruktur auf Grundlage von Objekten, Handlungen und Relationen.

  4. 4.

    Wenn zwei Anforderungen einander nicht sehr ähnlich sind, werden entscheidende Strukturelemente von Lernenden nur selten spontan identifiziert, sodass ein Transfer durch anleitende Instruktionsmethoden und Hilfestellungen unterstützt werden muss.

  5. 5.

    Der Aufbau von robusten und transferfähigen Wissensstrukturen kann durch den Einsatz der Instruktionsmethoden des analogen Vergleichs und des Lernens mit Lösungsbeispielen unterstützt werden.

  6. 6.

    Studien mit mathematischem Untersuchungsgegenstand beschränken sich zumeist auf den Einsatz formaler, algorithmischer Inhalte und Kalküloperationen aus den Bereichen algebraischer Termumformungen, Geometrie, oder elementarer Wahrscheinlichkeitsrechnung. Hierbei wird selten die begriffliche Entwicklung über einen längeren Lernzeitraum betrachtet.

1.3 Transfer aus Perspektive der Situierten Kognition

Die kognitionspsychologische Perspektive auf Transfer, wie sie im vorigen Abschnitt beschrieben wurde, wird von Vertretern der Situierten Kognition stark kritisiert. Im Zentrum der Kritik steht dabei, dass Wissen in der experimentellen Transferforschung zumeist als abstrakte Entität in den Köpfen von Individuen betrachtet wird. Das Problem des Transfers sei somit ein Problem der Anwendung dieser abstrakten Entitäten in Situationen, die nur wenig mit dem ursprünglichen Lernkontext gemeinsam haben (Gruber, Law, Mandl & Renkl, 1996, S. 169). Vertreter situierter Ansätze verstehen Wissen jedoch nicht als situationsunabhängige, abstrakte und symbolische Strukturen in den Köpfen von Personen, sondern argumentieren ganz im Gegenteil, dass Wissen immer untrennbar an einen situativen Kontext gebunden ist.

Lobato (2006, S. 434 f.) ordnet die Kritik von Vertretern der Situierten Kognition an der experimentalpsychologischen Transferforschung in fünf theoretische Probleme: Erstens erfordern die Experimentalstudien Expertenwissen und akzeptieren ausschließlich Anzeichen für Transfer, die im Vorhinein aus der Expertensicht der Forscher definiert wurden. In der Folge können diese Experimente, wie Lave (1988, S. 20) es beschreibt, zu unnatürlichen Laborspielen werden, in denen die Probanden die Aufgabe haben, die Erwartungen der Forscher zu erfüllen, anstatt, dass die tatsächlichen Prozesse untersucht werden, in denen die Probanden ihr Wissen einbringen um neue Probleme zu lösen (vgl. Lobato, 2006, S. 434). Zweitens werde ein funktionalistischer Wissensbegriff verwendet, indem Wissen von konkreten Erfahrungen getrennt werde und dekontextualisiertes Wissen als Grundlage für Generalisierungen betrachtet wird. Dies sei aus Perspektive der Situierten Kognition problematisch, da Wissen nicht von praktischen Anwendungen isoliert und ernsthaft untersucht werden könne (Lobato, 2006, S. 434; vgl. auch Brown, Collins & Duguid, 1989). Drittens werde der Kontext zumeist als die Testaufgabe interpretiert, die den Probanden vorgelegt wird. Diese würden unabhängig von den Absichten und der Sinnkonstruktion der Probanden analysiert (Lobato, 2006, S. 434; vgl. auch Carraher & Schliemann, 2002; Greeno, 1997). Viertens sei die Sicht auf Transfer stark dadurch eingeschränkt, dass ignoriert werde, inwiefern die Umgebung der Lernenden, genutzte Hilfsmittel sowie die Interaktion mit anderen Personen zur Organisation und Generalisierung im Lernprozess beitragen:

„the „applying knowledge“ metaphor of transfer suggests that knowledge is theoretically separable from the situations in which it is developed or used, rather than a function of activity, social interactions, culture, history and context.“ (Lobato, 2006, S. 434)

Zuletzt werde in diesen Studien nicht einbezogen, auf welche Weise die Probanden Transfersituationen umformen, sodass sie ähnlich zu den Situationen werden, die sie bereits kennen (Lobato, 2006, S. 434 f.; vgl. auch Bransford & Schwartz, 1999).

Im Folgenden werden die Argumente drei „repräsentative[r]“ (Gruber et al., 1996, S. 170) Ansätze der Situierten Kognition kurz hinsichtlich ihrer zentralen Aussagen und Forderungen dargestellt und diskutiert: Laves (1988; 1991) Ansatz von „Cognition in Practice“ und „Communities of Practice“, Rogoffs (1990) Ansatz eines „Apprenticeship in Thinking“ und Greeno, Smith und Moores (1993) Sicht von „Transfer als Anpassung mentaler Handlungsmodelle“.

1.3.1 Lave – Cognition in Practice & Communities of Practice

In ihrem Buch mit dem Titel „Cognition in Practice“ dokumentiert Lave (1988) die Ergebnisse des langjährigen AMP-Projekts (Adult Mathematics Project), in dem in verschiedenen Studien die arithmetischen Alltagspraktiken von 35 erwachsenen Amerikanern mithilfe von Interviews und Feldbeobachtungen beim Einkaufen, Kochen, Abnehmen und dem Handhaben von Geld untersucht wurden. Die drei leitenden Prinzipien dieser Studien sowie ihres Buches sind (i) eine epistemologische Kritik an kognitionspsychologischen Theorien und Experimentalstudien, (ii) die Beschreibung von empirischen Beobachtungen vor dem Hintergrund eines theoretischen Rahmens zur Charakterisierung mathematischer Aktivitäten sowie (iii) die Skizzierung einer sozial anthropologischen Theorie der menschlichen Kognition (vgl. auch Pea, 1990, S. 28).

Leitend für ihre Argumentation ist die Kritik an den „traditionellen“ Theorien und Methoden der experimentellen Transferforschung:

„Its central characteristics include the separation of cognition from the social world, the separation of form and content implied in the practice of investigating isomorphic problem solving, and a strictly cognitive explanation for continuity in activity across situations.“ (Lave, 1988, S. 43)

Sie lehnt die Verwendung des Begriffs Transfer ab, da dieser suggeriere, dass Wissen ein mechanisches Wiederanwenden träger Konzepte in unterschiedlichen Situationen sei (vgl. Gruber et al. 1996, S. 170). Sie argumentiert:

„[T]ransfer is characterized as occurring across unrelated, or analogically related, or remotely related situations, but never across settings complexly interrelated in activity, personnel, time, space or their furnishings.“ (Lave, 1988, S. 40)

Als Folgerung sollte Lernen und Transfer nicht als Erwerb und Anwendung von kognitiven Strukturen und abstrakten Schemata, sondern im Rahmen einer sozialen Theorie betrachtet werden, in der die Beziehungen zwischen Personen, ihren Aktivitäten und Handlungen in situativen Kontexten im Vordergrund stehen und die Anwendung von erlernten Fähigkeiten maßgeblich bedingen (vgl. Lave & Wenger, 1991; Gruber et al. 1996).

Vor diesem Hintergrund sind auch die von Lave (1988) berichteten Studien aus dem AMP-Projekt zu lesen. In diesen Studien werden die Unterschiede zwischen dem Lösen arithmetischer Problemstellungen bzw. allgemein dem Rechnen in instruktionalen Kontexten und in alltäglichen Situationen beschrieben und herausgestellt. Die bekannteste Studie aus dem AMP-Projekt ist die Supermarkt-Studie von Murtaugh (1985a; 1985b; Lave, 1988; siehe auch Greiffenhagen und Sharrock 2008). In dieser Studie werden die Ergebnisse von 24 „just plain folks“ (Lave, 1988, S. 4) in einem Rechentest (Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division von natürlichen Zahlen, Dezimalzahlen und Bruchzahlen) mit Beobachtungen beim Preisvergleich beim Einkaufen im Supermarkt verglichen. Während die Probanden im Rechentest im Durchschnitt lediglich 59 Prozent der Aufgaben korrekt lösen konnten, berichtet Lave von einer durchschnittlichen Lösungsrate beim Preisvergleich im Supermarkt von 98 Prozent (Lave, 1988, S. 56). Lave folgert:

„The direction of the difference in problem-solving success between these settings contravenes the logic of learning transfer. Math is the central ongoing activity in the test situation and should command resources of attention and memory greater than those available in the supermarket where math competes for attention with a number of other concerns. School algorithms should be more powerful and accurate than quick, informal procedures (that’s why they are taught in school). Finally, 98 % accuracy in the supermarket is practically error-free arithmetic, and belies the image of the hapless jpf [just plain folks] failing cognitive challenges in an everyday world.“ (Lave, 1988, S. 57 f.)

Diese polarisierenden Befunde wurden breit rezipiert (siehe Greiffenhagen & Sharrock, 2008, S. 9 f.) und als Argument für die Förderung einer Verschiebung des schulischen Lernens in reale Anwendungssituationen gedeutet. Bei einer näheren Analyse zeigt sich jedoch ein anderes Bild: Greiffenhagen und Sharrok (2008, S. 9 ff.) stellen anhand der publizierten Daten dieser Studie heraus, dass von den 803 beobachteten Fällen von vermeintlichen Preisvergleichen durch Rechnen, lediglich in 49 dieser Fälle tatsächlich eine arithmetische Rechenoperation der Probanden zugrunde lag, was sechs Prozent der beobachteten Fälle entspricht (Greiffenhagen & Sharrock, 2008, S. 10). Die Autoren argumentieren, dass der Vergleich von Preisen der gleichen Menge eines Produkts sowie der Vergleich zweier Inhaltsmengen gleichen Preises keiner Rechnung bedürfe:

„Although these comparisons involve numbers, they do not involve calculation’ (unless seeing that one number is bigger than another ist counted as a calculation).“ (Greiffenhagen & Sharrock, 2008, S. 10)

Ferner seien die im Supermarkt durchgeführten Rechnungen als sehr einfach einzuschätzen: „The 98 % success rate thus reflects the fact that the shoppers can successfully employ the two and three times table and are able to add and subtract small numbers“ (Greiffenhagen & Sharrock, 2008, S. 10). Da in dem schriftlichen Rechentest im Gegensatz dazu jedoch Aufgaben, wie z. B. \(975\cdot 987\cdot 956\) oder \(437\cdot 305\), (Lave, 1988. S. 74) abgefragt wurden, ist die Vergleichbarkeit der Rechenleistungen in diesen beiden situativen Rahmen in Frage zu stellen.

Ungeachtet der polarisierenden Rezeption der Ergebnisse aus dem AMP-Projekt formuliert Lave (1988) einflussreiche Forderungen für eine umfassendere theoretische Rahmung von empirischen Studien zum Lernen und zum Transfer. Im Kern ihres Ansatz steht der Begriff der „Dialektik“ (Lave, 1988, S. 148). Sie fordert, dass die kognitiven Leistungen eines Individuums nicht ausschließlich im eng umgrenzten Rahmen der Testaufgabe betrachtet werden sollten, sondern im Spannungsfeld der Beziehungen zwischen handelnden Individuen, dem Kontext ihrer Handlung und der Handlung selbst: „cognition is constituted in dialectical relations among people acting, the context of their activity, and the activity itself“ (Lave, 1988, S. 148). Sie argumentiert, dass Prozesse der Wissensanwendung bzw. des Transfers immer in einem sozial-kulturellen Rahmen betrachtet werden müssen, da dieser das Handeln von Personen maßgeblich beeinflusst. Dies gilt im Übrigen auch, wenn eine Person allein ist, da die „materielle Umwelt weitgehend sozial determiniert ist“ (Renkl, 1996, S. 86) und somit auch Dinge, wie ein Taschenrechner oder Computer, mit denen eine Person interagiert, Produkte einer Kultur sind und somit soziales Wissen enthalten.

Ihre Folgerungen für das Lernen in instruktionalen Umgebungen wie der Schule folgen eben diesen Gedanken. Lernen sollte anhand realer Anwendungssituationen in Kooperation mit anderen Lernenden und Experten in „communities of practice“ (Lave & Wenger, 1991) stattfinden:

„We have insisted that exposure to resources for learning is not restricted to a teaching curriculum and that instructional assistance is not construed as a purely interpersonal phenomenon; rather we have argued that learning must be understood with respect to a practice as a whole, with its multiplicity of relations – both within the community and with the world at large. Dissociating learning from pedagogical intentions opens the possibility of mismatch or conflict among practitioners’ viewpoints in situations where learning is going on. These differences often must become constitutive of the content of learning.“ (Lave & Wenger, 1991, S. 114)

Nur im Rahmen von alltäglichen praktischen Tätigkeiten können inhaltliche Beziehungen mit den Eigenschaften der Anwendungssituation verstanden werden. Insbesondere seien es eben jene realen Anwendungssituationen, die dazu führen, dass unterschiedliche Perspektiven der Handelnden zum Vorschein kämen, deren Aushandlung die Grundlage des Lernens bilden:

„The activity of finding something problematic subsumes a good deal of knowledge about what would constitute a (re)solution, or a method for arriving at one. [...] The dialectical process in the particular context of everyday arithmetic is one of gap closing between the resolution characteristics and procedural possibilities.“ (Lave, 1988, S. 159)

Zusammenfassend kann der zentrale Beitrag von Laves Arbeit darin gesehen werden, dass sie neue Perspektiven auf die empirische und pädagogische Praxis einbringt, in denen insbesondere die sozial-kulturellen Aspekte des Lernens und Problemlösens in den Vordergrund gerückt werden und die Handlungen der Lernenden stets in ihrem situativen Rahmen betrachtet werden:

„One of her central achievements is recasting problem solving from problems to solve to dilemmas to resolve – from a cognitive psychological perspective that tends to treat problems as givens, to a dialectical one that sees problem-solving activity in everyday situations as arising from conflict-generating dilemmas that require resolution.“ (Pea, 1990, 29, Hervorhebung im Original)

1.3.2 Rogoff – Apprenticeship in Thinking

Der Grundsatz in Rogoffs Theorie ist, dass die kognitive Entwicklung von Kindern untrennbar von der sozialen Umwelt ist, in der sie lernen. In ihrer Theorie beschreibt sie kognitive Entwicklung als einen Prozess der Partizipation an sozial-kulturellen AktivitätenFootnote 9 (Rogoff, 1990; Rogoff, Baker-Sennett, Lacasa & Goldsmith, 1995; Rogoff, 1995). Durch die Teilnahme an sozial-kulturell geprägten Aktivitäten werden Kinder in diese kulturellen Praktiken eingebunden, wodurch sich ihre Partizipation verändert. Diese Veränderung der Partizipation des Kindes beschreibt Rogoff als Lernen: „[...] We move from seeing development as acquisition to viewing development as a process of transformation through participation in sociocultural activity“ (Rogoff et al. 1995, S. 56). Dementsprechend dürfen Handlungen des Lernens eines Individuums nicht in Isolation oder in einer fremden Umwelt untersucht werden, wie es in experimentalpsychologischen Experimenten die Regel sei, sondern müssen stets vor dem Hintergrund einer engen Verwobenheit zwischen individueller und sozialer Ebene betrachtet werden.

„In our approach, individuals’ efforts and sociocultural institutions and practices are constituted by and constitute each other and cannot be defined independently of each other or studied in isolation.“ (Rogoff et al. 1995, S. 45)

Die Partizipation in einer kollaborativen Aktivität führt dazu, dass einerseits das teilhabende Individuum eine Entwicklung erfährt, andererseits aber auch die Aktivitäten der Gemeinschaft verändert werden (Rogoff et al. 1995, S. 45 f.). Mit dem Begriff Entwicklung grenzt Rogoff ihre Theorie von der Idee der Wissensaufnahme, in der neue Inhalte einem Wissensspeicher hinzugefügt werden, ab und beschreibt Entwicklung als Prozess einer Veränderung vorhandenen Wissens durch die Partizipation in sozial-kulturellen Aktivitäten. Rogoffs Grundidee von Transfer ist folglich nicht die Anwendung von Wissen in neuen Situationen, sondern es ist vielmehr ein Prozess der Veränderung, den Lernende durch Teilhabe an Aktivitäten durchlaufen:

„Through engagement in an activity at one time, individuals change and handle a later situation in ways prepared by their own participation in the previous situation. Studying the process of children’s participation and changing responsibility in an activity is both how researchers can understand development and how development occurs.“ (Rogoff et al. 1995, 46, Hervorhebung im Original)

Analysen dieser individuellen Entwicklungsprozesse erfordern Beobachtungen auf drei Ebenen: Der personellen Ebene, auf der beobachtet wird, wie das Individuum sich durch die Teilnahme an Aktivitäten verändert, der interpersonellen Ebene, auf der die Interaktion mit anderen Individuen oder Materialien hinsichtlich gemeinschaftlicher Aushandlungen beobachtet wird sowie auf der gemeinschaftlichen Ebene, auf der die Veränderungen der kulturell organisierten Aktivitäten beobachtet werden (Rogoff et al. 1995; Rogoff, 1995). Analysen auf diesen Ebenen sollten jedoch nicht in Isolation, sondern stets in Abhängigkeit voneinander vorgenommen werden, wobei eine Schwerpunktsetzung möglich ist: „Community, interpersonal, and personal planes of analysis can each become the focus of a particular analysis, but without being separated from each other“ (Rogoff et al. 1995, S. 46; vgl. auch Rogoff, 1995, S. 139, f.).

Im Zusammenhang mit diesen drei Ebenen der Beobachtung stehen die drei Kernkonzepte ihrer Theorie: „Apprenticeship“ (gemeinschaftliche Ebene), „guided participation“ (interpersonelle Ebene) und „participatory appropriation“ (personelle Ebene).

Apprenticeship:

Mit der Metapher des „Apprenticeship“ umschreibt Rogoff, wie neue Mitglieder in einer „community of practice“ ihre Fertigkeiten und ihr Verständnis entwickeln, indem sie aktiv zusammen mit anderen Mitgliedern in kulturell organisierten Aktivitäten teilnehmen:

„The metaphor focuses attention on the active role of newcomers and others in arranging activities and support for developing participation, as well as on the cultural/institutional practices and goals of the activities to which they contribute.“ (Rogoff, 1995, S. 143)

Anders als in bisherigen Konzeptionen von „Apprenticeship“ fokussiert ihr Verständnis jedoch nicht nur Paare von Experten und Anfängern, sondern verbindet kleine Gruppen in einer Gemeinschaft mit spezifischen Rollen, die sich auf das Erreichen eines gemeinsamen Ziels orientieren. Zudem beschreibt Rogoff, dass ihr Verständnis von Apprenticeship vielmehr die interpersonellen Beziehungen und Arrangements einbezieht, die dazu führen, dass die Anfänger zunehmend mehr Verantwortung in der gemeinsamen Handlung mit einem gemeinsamen Ziel übernehmen:

„[...] it encourages the recognition that endeavors involve purposes (defined in community or institutional terms), cultural constraints, resources, values relating to what means are appropriate for reaching goals (such as improvisation versus planning all moves before beginning to act), and cultural tools such as maps, pencils, and linguistic and mathematical systems.“ (vgl. Rogoff, 1995, S. 143)

Guided Participation

Unter dem Begriff „Guided Participation“ versteht Rogoff (1990, S. 110 ff.; 1995, S. 146 ff.) die Unterstützung des Kindes durch die Lenkung eines kompetenteren Gegenübers. Eine gelenkte Partizipation gründet sich stets auf einem gemeinsamen Ziel des Kindes und des kompetenteren Gegenübers. Sie wird als ein Prozess beschrieben, der gemeinschaftlich vom Kind und Partner gestaltet wird.

Das Konzept dient nicht zur Definition bestimmter Situationen, sondern soll eine Perspektive für die Beobachtung der Auseinandersetzung zwischen Kind und Partner hinsichtlich ihrer Passung in sozial-kulturelle Prozesse bieten, die es ermöglicht, das Lernen und die Entwicklung besser zu verstehen (Rogoff, 1995, S. 147). In diesen Beobachtungen soll der Fokus nicht darin bestehen bestimmte Formen der Interaktion zu identifizieren, sondern ein System zu analysieren, das dem interpersonellen Diskurs von Kind und Partner zugrunde liegt:

„[...] it is meant to focus attention on the system of interpersonal engagements and arrangements that are involved in participation in activities (by promoting some sorts of involvement and restricting others), which is managed collaboratively by individuals in face-to-face or other interaction, as well as the adjustment of arrangements for each others’ and their own activities.“ (Rogoff, 1995, S. 146 f.)

Diese Interpersonalität verdeutlichen Rogoff et al. (1995, S. 147) am Beispiel eines Kindes, dass einen Aufsatz verfasst: Sie beschreiben die Arbeit an einem Aufsatz als eine kulturelle Aktivität, die lenkende Interaktionen mit Lehrern, Klassenkameraden, Familienmitgliedern, Bibliothekaren, Autoren und der Bücherindustrie beinhaltet. Diese helfen dem Kind die Ziele für den Aufsatz abzustecken und bestimmen die Materialien und Zugänge für den Aufsatz.

In diesem Zusammenhang ist „guided participation“ ein interpersoneller Prozess, in dem Personen ihre eigenen Rollen und die Rollen von anderen arrangieren und Situationen strukturieren, in denen sie kulturelle Aktivitäten beobachten und an ihnen teilnehmen (Rogoff, 1995, S. 147 f.). So versuchen neue Mitglieder in einer Gemeinschaft zunächst aktiv die gemeinsamen Handlungen zu verstehen und versuchen sich schließlich selber in eine Position zu bringen, in der sie an gemeinsamen Handlungen teilnehmen.

Die Prozesse in einer gelenkten Teilhabe führen zu einer Veränderung auf der Ebene des teilhabenden Individuums, die unter dem Begriff „participatory appropriation“ diskutiert werden.

Participatory Appropriation:

Unter dem Begriff der teilhabenden Aneignung beschreibt Rogoff (Rogoff, 1995, S. 150 ff.) Prozesse, in denen Personen ihr Verständnis von und ihre Verantwortung für Aktivitäten verändern, an denen sie teilnehmen:

„The basic idea of appropriation is that, through participation, people change and in the process become prepared to engage in subsequent similar activities. By engaging in an activity, participating in its meaning, people necessarily make ongoing contributions (whether in concrete actions or in stretching to understand the actions and ideas of others). Hence, participation is itself a process of appropriation.“ (Rogoff, 1995, S. 150 f.)

Dabei nutzt sie den Begriff der Aneignung um diesen vom Begriff der Internalisierung, wie er in der psychologischen Lernforschung und dem Kontext der Informationsverarbeitung verwendet wird, abzugrenzen und zu beschreiben, wie Kinder durch die Teilhabe an sozial-kulturellen Aktivitäten profitieren. Sie argumentiert, dass Internalisierung stets einen statischen Charakter von Wissen zum Ausdruck bringt, wobei die Teilhabe an Aktivitäten doch ein aktiver und dynamischer Prozess sei (vgl. Rogoff, 1995, S. 151). Diese dynamische Sicht auf Wissen und Lernen stellt sie der Sichtweise der Informationsverarbeitung gegenüber (Abb. 1.8):

„This dynamic approach of participatory appropriation does not define cognition as a collection of stored possessions (such as thoughts, representations, memories, plans), but rather treats thinking, re-presenting, remembering, and planning as active processes that cannot be reduced to the possession of stored objects.“ (Rogoff, 1995, S. 151)

Abbildung 1.8
figure 8

Rogoffs übersichtsartige Darstellung ihres Konzepts der teilhabenden Aneignung (Rogoff, 1995, S. 158)

Entsprechend sollte nicht das Wissen bzw. der Wissenserwerb von Lernenden untersucht werden, sondern die aktiven Veränderungen einer Aktivität analysiert werden, in denen Lernende partizipieren. Dies sei insbesondere von besonderer Bedeutung, da die Teilhabe an einer Aktivität stets Teil der Aktivität selbst sei und von dieser nicht getrennt zu betrachten sei (Rogoff, 1995, S. 153).

Die Teilhabe an sozialen Aktivitäten erfordert es von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern stets verschiedene Verständnisse einer Situation zu verbinden und durch Kommunikation und gemeinsame Anstrengungen ein von allen Teilnehmern geteiltes Verständnis herzustellen. Hierbei müssen die individuellen Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre eigene Perspektive wechseln und ihr Situationsverständnis verändern. Diese Veränderung in den individuellen Perspektiven und der individuellen Verständnisse bezeichnet Rogoff (1995, S. 153) als Entwicklung („development“), die durch den Prozess der Partizipation angestoßen wird und die eine direkte Wirkung auf die Interpretation und das Verständnis zukünftiger Situationen hat. Eine neue Situation wird anders verstanden als diese ohne die Partizipation an vorhergehenden Situationen verstanden worden wäre. Mit dem Begriff der teilhabenden Aneignung bezeichnet Rogoff nicht die kollektive, sondern die individuelle Entwicklung eines Individuums: „I use the term „appropriation“ to refer to the change resulting from a person’s own participation in an activity, not to his or her internalization of some external event or technique“ (Rogoff, 1995, 153, Hervorhebung im Original).

Zusammenfassend beschreibt Rogoff, dass ihre Rahmung von Entwicklung als teilhabende Aneignung eine neue Perspektive auf den Transfer von Wissen eröffnet:

„How an individual approaches two situations has to do with how he or she construes the relations between their purposes or meanings. Hence, the process is inherently creative, with people actively seeking meaning and relating situations to each other.“ (Rogoff, 1995, S. 159)

Neben der aktiven Rolle der Lernenden, die in kollaborativen Situationen Bedeutungen entwickeln und Situationen miteinander in Verbindung setzen, kommt insbesondere den erfahreneren Personen eine bedeutsame Rolle zu. Im Sinne der angeleiteten Teilhabe begleiten erfahrene Personen die Lernenden bei der Anwendung von Informationen und Fertigkeiten in neuen Situationen. Dabei dient die erfahrenere Person als Vorbild für die Lernenden und bringt die benötigte Erfahrung in die Lernsituation ein, um Wissen mit Blick auf neue Probleme und Situationen zu generalisieren.

Es ist zu bedenken, dass Rogoff ihre Theorie nicht vor dem Hintergrund schulischen Lernens aufbaut, sondern vornehmlich auf das Lernen von jungen Kindern bezieht und somit unter „apprenticeship in thinking“ und „guided participation“ vor allem die Interaktion zwischen Kindern und Erwachsenen in den Blick nimmt. In ihren Arbeiten beschreibt sie vor allem das Lernen in alltäglichen Situationen, in denen Kinder durch die Begleitung von Erwachsenen zunehmend selber eine aktive Rolle einnehmen. Dementsprechend sind die Effekte der angeleiteten Teilhabe sehr abhängig vom Alter der beteiligten Personen, der Bereitschaft der erfahreneren Personen eine anleitende Rolle anzunehmen sowie von der Motivation aller Beteiligten (vgl. Rogoff, 1991; siehe auch Gruber, Law, Mandl & Renkl, 1996, S. 172).

1.3.3 Greeno – Transfer als Anpassen mentaler Handlungsmodelle

Während die zuvor beschriebenen Theorien von Lave (1988) und Rogoff (1990) die sozialen Aspekte des Lernens und der Wissensanwendung in den Vordergrund rücken und zum Teil harsche Kritik an den Ansätzen der Informationsverarbeitung und ihrer empirischen Umsetzung üben, formuliert Greeno (Greeno, Smith und Moore 1993), eine integrierende Theorie, die Prozesse der Informationsverarbeitung in einen situierten Rahmen einbettet (vgl. Greeno, 1997).

Wie auch Lave (1988) und Rogoff (1990) verstehen Greeno, Smith und Moore Wissen nicht als Substanz oder statische Entität in den Köpfen von Individuen, sondern dynamische Relationen zwischen einem Individuum und seiner physischen und sozialen Umwelt:

„Knowledge – perhaps better called knowing – is not an invariant property of an individual, something that he or she has in any situation. Instead, knowing is a property that is relative to situations, an ability to interact with things and other people in various ways.“ (Greeno et al. 1993, 99, Hervorhebung im Original)

In diesem Zusammenhang kann Lernen als die Verbesserung der Fähigkeiten zur Interaktion in situierten Aktivitäten verstanden werden (vgl. auch Gruber et al. 1996, S. 173). Folglich geht es bei der Erforschung von Fragen des Transfers darum, zu verstehen, wie das Lernen in einer Situation teilzunehmen die Fähigkeiten zur Teilnahme an einer anderen Situation verbessert oder verschlechtert. Transfer ist somit die Anwendung einer oder mehrerer Fähigkeiten, die in einer Aktivität entwickelt wurden, in einer neuen Situation. Dies umfasst insbesondere auch die Anpassungen dieser Fähigkeiten an die Eigenschaften der neuen Situation. Da alle Aktivitäten in Situationen bzw. physischen und sozialen Kontexten stattfinden, stelle sich nicht die Frage, ob eine Aktivität situiert ist oder nicht, sondern wie sie situiert ist (vgl. Greeno, 1998, S. 14). Dementsprechend bedarf es für die Beantwortung von Fragen des Transfers vor allem der Analyse der Situation, da von dieser wesentlich abhängt, welche Eigenschaften Lernende in Hinsicht auf ihr individuelles Ziel in einer Situation wahrnehmen.

Im Sinne dieser Definition von Lernen hängt ein Transfer maßgeblich von den strukturellen Invarianten der Interaktionen zwischen den Handelnden bzw. den Lernenden und verschiedenen Situationen ab. Interaktionen werden in Form von Handlungsschemata repräsentiert, die sich jedoch nicht auf symbolische kognitive Repräsentationen oder die symbolische Repräsentation von Handlungen, wie in den Produktionssystemen von Anderson (1983), beschränken müssen (vgl. Renkl, 1996, S. 85 f.; Law, 1994, 34 ff.). Handlungsschemata sind nach Greeno (1993) vielmehr Organisationsprinzipien von Aktivitäten, die im Gegensatz zu Ansätzen der Informationsverarbeitung nicht die Form von Datenstrukturen annehmen, sondern als Prozesse bzw. Handlungswissen konzeptualisiert werden. Obgleich Greeno (1993) nicht explizit auf die Frage eingeht, inwieweit symbolische Repräsentationen die Interaktion zwischen einer Person und einer Situation beeinflussen, lehnt er die Annahme ab, dass alle Handlungen über symbolische Repräsentationen mediiert werden.

„Representations include symbolic expressions that represent actual or potential states of affairs. Representations also include physical constructions such as diagrams, graphs, pictures and models with properties that are interpreted as corresponding to properties of situations. Cognitive representations also include mental models that contain cognitive objects that correspond to objects, properties or relations in situation, and that simulate actions or other events in situations.“ (Greeno et al. 1993, S. 108)

Greeno, Smith und Moore (1993) erklären, dass alle Situationen situationsspezifische Handlungsangebote („affordances“) und -einschränkungen („constraints“, Greeno, 1998, S. 8) bereitstellen. Dabei definieren sie affordances als „the support for particular activities by relevant properties of the things and materials in the situation“ (Greeno et al. 1993, S. 101 f.), also als Eigenschaften der Dinge und Materialien in einer Situation, die bestimmte Handlungen ermöglichen. Neben den Eigenschaften einer Situation bedarf es auch bestimmten Fähigkeiten der handelnden Person, die es ihr ermöglichen an einer Aktivität teilzunehmen:

„Affordances and abilities are relative to each other: A situation can afford an activity for an agent who has appropriate abilities, and an agent can have an ability for an activity in a situation that has appropriate affordances.“ (Greeno et al. 1993, S. 102)

Die situativen Handlungsangebote (und Handlungseinschränkungen) müssen nicht symbolisch vermittelt werden, sondern werden im Sinne Gibsons (1986) wie funktionale Merkmale von Umweltgegenständen direkt wahrgenommen.

Transfer kann dann erfolgen, wenn die Handlungsangebote und -einschränkungen einer Lernsituation die gleichen sind wie die einer Transfersituation. Ist dies nicht unmittelbar der Fall, muss die Handlung an die veränderten situativen Bedingungen angepasst bzw. transformiert werden. Gelingt es der Person hingegen nicht die entsprechenden Handlungsschemata an die neue Situation anzupassen, so bleibt der Transfer aus, oder es kommt zu einem negativen Transfer.

Greeno, Smith und Moore (1993) beschreiben drei wesentliche Prozesse, die eine erfolgreiche Transformation von Handlungen unterstützen: Den ersten Prozess beschreiben sie als eine Abstimmung auf die veränderten situativen Handlungsbedingungen („attunement to affordances“, Greeno et al. 1993, S. 105 f.): „Perception of affordances involves attunement to possibilities for activity in situations“ (Greeno et al. 1993, S. 105). Die Wahrnehmung von Handlungsmöglichkeiten für die Handlung in einer Situation beinhaltet die Aufnahme von Informationen, die jene strukturellen Invarianten festlegen, die eine Handlungen ermöglichen oder unterstützen. Diese Handlungsmöglichkeiten sind Teil eines kognitiven Schemas. Auf diese Weise kann eine Person zum Beispiel auf die Handlungsmöglichkeiten des Eintretens durch eine Tür abgestimmt sein, wenn sie die relevanten Informationen über die Höhe und Breite der Tür wahrgenommen hat, die es der Person ermöglichen durch sie hindurch zu gehen. So hält die Situation, in der die Person durch eine Tür geht, dieselben Handlungsmöglichkeiten bereit, wie eine Situation, in der die Person die Möglichkeit wahrnimmt, durch eine Tür gehen zu können. Beim Durchschreiten einer Tür verändert sich die Position der Person in Beziehung zu einer Wand, wobei die Bedingungen, dass die Person noch immer aufrecht auf dem Boden steht, invariant bleiben (vgl. Greeno et al. 1993, S. 106).

Die Abstimmung und Wahrnehmung von Handlungsbedingungen werden immer durch die Motivation und die Ziele einer Person bedingt, eine bestimmte Handlung, wie das Durchschreiten einer Tür, durchzuführen. Dabei meinen Greeno, Smith und Moore (1993, S. 106) mit Motivation, dass die Durchführung einer Handlung stets einen funktionalen Wert für die Person haben muss. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Person die relevanten Informationen nur dann wahrnimmt, wenn sie unmittelbar handeln will. So können die situativen Handlungsmöglichkeiten einer Tür auch wahrgenommen werden, wenn die Person vor dem Betreten eine andere Person trifft und mit dieser eine Unterhaltung beginnt und somit die Situation verändert wird.

Den zweiten wesentlichen Prozess für die Transformation von Handlungen bezeichnen Greeno, Smith und Moore (Greeno, Smith und Moore 1993, S. 106 f.) als Antizipieren von möglichen Sachlagen („potential states of affairs“), die eine Situation zwar bereithält, die aber nicht eingetreten sind. Diese Antizipation ist durch analoge mentale Modelle möglich, die relevante Handlungsmöglichkeiten einer Situation in Betracht ziehen, wodurch mentale Simulationen von Handlungen durchgeführt werden können:

„Such event schemata enable inference of potential states of affairs through a process of perceiving information that specifies the possibility of a transformation environment, as perception of an affordance involves perceiving information that specifies the possibility of an action. The schema might support this kind of prospective cognition through enactment of mental simulations of the transformations that could cause the potential state of affairs to hold.“ (Greeno et al. 1993, S. 107)

Handlungsmöglichkeiten („affordances“) sind spezielle Fälle von potenziellen Sachlagen, in dem Sinne, dass eine Situation eine bestimmte Handlung ermöglichen oder unterstützen würde. Somit könnte eine Person die Möglichkeit durch eine Tür zu gehen erschließen, obgleich es ihr primäres Ziel ist, eine Unterhaltung zu beenden. Zudem kann eine Person nicht nur die eigenen Handlungsmöglichkeiten wahrnehmen, sondern auch die von anderen Personen, zum Beispiel, wenn die Person eine andere Person sieht, die auf eine Tür zugeht. Der Schluss auf mögliche Sachlagen hängt von der Abstimmung auf die situativen Handlungsbedingungen ab, für die jeweils die Zustände vor und nach der Handlung vorhergesehen werden müssen. Auf diese Weise können mögliche Handlungen, oder auch Geschehnisse mental simuliert werden, auch wie sie nicht zwingend eintreten müssen, oder die Handlung nicht direkt wahrgenommen wurde. Wenn zum Beispiel eine Person einen Haufen von Büchern sieht, kann sie durch eine Analyse aus dieser Situation darauf schließen, dass die Bücher zuvor gestapelt waren und der Stapel umgefallen ist. Somit kann durch die Wahrnehmung und Analyse einer Sachlage auf die situative Transformation geschlossen werden, die sich zuvor vollzogen hat – der Bücherstapel ist umgefallen.

Den dritten Prozess beschreiben Greeno, Smith und Moore (1993, S. 107 ff.) als „Reasoning“. Mit Reasoning werden Aktivitäten bezeichnet, in denen Personen Informationen in Situationen einbeziehen. Diese Informationen in einer Situation beinhalten potenzielle Zustände, die von der Person zunächst registriert werden müssen, wodurch sie in Form von propositionalen symbolischen Ausdrücken repräsentiert werden. Registrierte Zustände werden häufig durch Sprache kommuniziert und auf diese Weise mit Situationsteilnehmern geteilt. Zudem beinhalten registrierte Zustände auch symbolische Repräsentationen. Eine Vielzahl von Ausdrücken von registrierten Zuständen spiegeln die von einer Person in einer Situation wahrgenommenen Informationen wieder. Darunter fallen neben Zuständen, die bereits in der Situation aktuell sind, auch potenzielle Zustände, die durch die Wahrnehmung von Handlungsmöglichkeiten antizipiert werden.

Die Autoren (Greeno et al. 1993, S. 108) merken an, dass ihre Unterscheidung zwischen Wahrnehmung und Reasoning nicht trennscharf ist. Dazu erläutern sie, dass Reasoning besonders dann stattfindet, wenn Folgerungen insbesondere Operationen beinhalten, die eine Repräsentation transformieren. Repräsentationen beinhalten neben sprachlichen Repräsentationen von aktuellen und potenziellen Zuständen einer Situation auch depiktionale Repräsentationen, wie Diagramme, Graphen, Bilder oder Modelle mit Eigenschaften, die den Eigenschaften der Situation entsprechen. Zudem sind auch mentale Modelle involviert, die den Eigenschaften und Relationen in der Situation entsprechen, und die es ermöglichen mentale Simulationen von Handlungen in der vorliegenden Situation durchzuführen. Mentale Simulationen bewirken in erster Linie die Transformation von mentalen Repräsentationen oder mentalen Modellen von Situationen. Diese Prozesse können ausschließlich mental ablaufen, auch wenn physische, symbolische oder depiktionale Repräsentationen beteiligt sind.

Als Beispiel führen Greeno, Smith und Moore (1993, S. 108 f.) einen Briefkasten an. Ein Briefkasten hält die Handlungsmöglichkeit bereit einen Brief zu versenden, obgleich diese Handlung nicht direkt durch die visuell wahrnehmbaren Informationen, die ein Briefkasten durch seine äußere Erscheinung bereitstellt, ersichtlich ist. Das Erkennen des Objekts als einen Briefkasten bedarf der Registrierung eines aktuellen Zustands, wodurch die symbolische Repräsentation aktiviert wird, die das Objekt als einen Briefkasten identifiziert. Beim Erkennen des Objekts als einen Briefkasten und der damit verbundenen Wahrnehmung der Handlungsmöglichkeiten sind zwar symbolische Repräsentationen erforderlich, jedoch müssen diese nicht transformiert werden, wodurch dieser Prozess nicht als Reasoning zu bezeichnen sei.

Reasoning sei demnach vielmehr eine Handlung, die eine Repräsentation verändert:

„Reasoning is an activity that transforms a representation, and the representation affords that transformational activity. Abilities for reasoning activities include knowing the operations to perform on the notational objects in the representation and understanding the semantic significance of the objects and operations.“ (Greeno et al. 1993, S. 109)

Der Prozess des Reasonings spielt insbesondere im Hinblick auf konzeptuelle Transferprozesse eine bedeutsame Rolle. So erklären die Autoren (1993, S. 109 f.), dass wenn konzeptgebundene Repräsentationen in den Reasoning-Prozess einbezogen werden, es zu einem konzeptuellen Reasoning kommt. Ein Konzept kann entweder explizit als ein Objekt oder implizit als die Eigenschaften oder Relationen von einem Objekt repräsentiert sein. Wenn ein Objekt in einer Repräsentation mit den Eigenschaften oder Relationen dieser übereinstimmt, werden sie in der Repräsentation vergegenständlicht.

Eine bestimmte Menge von Konzepten zu kennen, wie beispielsweise Mengen und Zahlkonzepte, kann mit der Kenntnis verglichen werden, diese in der Umwelt zu finden und zu benutzen (Greeno, 1991). Diese Konzepte können in einer Repräsentation vergegenständlicht werden, in der sie durch Zahlen und Buchstaben repräsentiert werden. Die Fähigkeit mit diesen arithmetischen und algebraischen Repräsentationen Transformationen durchzuführen bedarf der Kenntnis von arithmetischen und algebraischen Operationen sowie das Wissen darüber, wie diese Repräsentationen genutzt und notiert werden. Für eine Person, die über dieses Wissen verfügt, sind arithmetische und algebraische Repräsentationen bedeutende Handlungsmöglichkeiten für das Reasoning.

Reasoning hat in diesem Sinne einen entscheidenden Nutzen für die mentale Simulation von Ereignissen, die zumeist in schriftlicher oder sprachlicher Form beschrieben werden. Die Handlungsmöglichkeiten und -einschränkungen werden dabei nicht explizit durch Symbole repräsentiert, sondern sind implizit in den Eigenschaften der simulierten Situation enthalten.

In ihren Untersuchungen zur Entwicklung mathematischen Verständnisses im Kindesalter wendet Stern (1998) Greenos Theorie der situativen Handlungseinschränkung und - möglichkeiten auf die Bearbeitung von Textaufgaben von Kindern im Grundschulalter an. Sie geht davon aus, dass

„Aussagen über die Repräsentation von Wissen sich nur an der Bewältigung von Anforderungssituationen untersuchen lassen. Eine Person verfügt über die Kompetenz zur Bewältigung einer Anforderung, wenn sie über Wissen verfügt, das es ihr ermöglicht, von den irrelevanten Aspekten der Situation zu abstrahieren und Wissen über die funktionalen Prinzipien der relevanten Aspekte zu aktivieren.“ (Stern, 1998, S. 35)

Sie nutzt dabei den Begriff der „funktionalen Prinzipien“ als Oberbegriff für „funktionale Möglichkeiten und funktionale Einschränkungen“ (Stern, 1998, S. 33) im Sinne von Handlungsmöglichkeiten und -einschränkungen zur Beschreibung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden mathematischer Aufgabenstellungen, insbesondere arithmetischer Textaufgaben. Ein Aspekt ihrer Studien war hierbei aufzuzeigen, dass „sich mathematische Kompetenzen im Grundschulalter darin zeigen, welche funktionalen Möglichkeiten und Einschränkungen in Situationen berücksichtigt werden“ (Stern, 1998, S. 38).

In ihren empirischen Untersuchungen zur Lösung unterschiedlicher Typen von Textaufgaben konnte Stern nachweisen, dass Aufgaben zum quantitativen Vergleich von Mengen schwerer zu lösen sind als Aufgaben zur Kombination, zum Austausch und zum Angleichen von Mengen. Sie führt ihre Befunde darauf zurück, dass die

„Konstruktion eines mentalen Modells einer Vergleichssituation die Beachtung andere funktionaler Möglichkeiten und Einschränkungen erfordert als die Konstruktion mentaler Modelle von Situationen, in denen Mengen ausgetauscht, angeglichen oder zusammengefaßt werden.“ (Stern, 1998, S. 210 f.)

da die Mengen in Kombinations-, Austausch- und Angleichungssituationen durch Zählen bestimmt werden können, wohingegen in Vergleichssituationen zuerst eine Beziehung zwischen den zu vergleichenden Mengen hergestellt werden muss, bevor die Differenz gezählt werden kann. Sie resümiert:

„Die Ergebnisse dieser Arbeit sprechen dafür, daß die Annahme funktionaler Möglichkeiten und Einschränkungen im Umgang mit Zahlen und mathematischen Operationen eine geeignete Grundlage zur Beschreibung und Erklärung mathematischer Kompetenzen darstellt.“ (Stern, 1998, S. 211)

Wie aus den vorhergehenden Beschreibungen hervorgeht, gilt der Aufbau von Handlungsmodellen in der anfänglichen Lernsituation als die zentrale Voraussetzung für erfolgreichen Transfer. Greeno nimmt an, dass erfolgreicher Transfer und somit eine erfolgreiche Handlungsanpassung an die neuen situativen Zustände wesentlich davon abhängt, welche Handlungsmöglichkeiten im anfänglichen Lernprozess enthalten waren und wie die Person dieses Schema in der Transfersituation anwendet. Damit es zu einem erfolgreichen Transfer kommt, muss die Person die Handlungsmöglichkeiten in einer Situation wahrnehmen, wodurch die Effekte des Transfer als Veränderung der Wahrscheinlichkeit, dass diese Handlungsmöglichkeiten wahrgenommen werden, interpretiert werden können (vgl. auch Law, 1994, S. 33 f.; Stern, 1998).

1.3.4 Zusammenfassung

Im Kern der dargestellten Transfertheorien aus der Perspektive der Situierten Kognition steht Laves (1988) fundamentale Kritik an den Annahmen und Methoden der experimentalpsychologischen Transferforschung. Sie formuliert die extreme Position, dass Wissen nicht als symbolische Repräsentationen in den Köpfen von Individuen existiere, sondern im Rahmen eines sozialen Kontexts ausgehandelt wird. Dementsprechend sollte Lernen immer in Hinsicht auf reale und alltägliche Anwendungssituationen geschehen und in diesen stattfinden. Es sollten keine abstrakten Probleme gelöst, sondern „Dilemmas“ in realen Anwendungssituationen ausgehandelt werden. Dies geschehe insbesondere dann, wenn die an einer Situation teilhabenden Personen („community of practice“) unterschiedliche Perspektiven in eine Situation einbringen und gemeinschaftlich ihre Differenzen überwinden und zu einer geteilten Lösung kommen. In diesem Zusammenhang sollte Lernen und Transfer immer im Rahmen einer sozialen Theorie betrachtet werden, in der Beziehungen zwischen Personen und ihren Handlungen in situativen Kontexten im Vordergrund stehen, da diese die Anwendung von erlernten Fähigkeiten maßgeblich beeinflussen.

In ihrer Theorie des kindlichen Lernens formuliert Rogoff (1990; 1995) ähnliche, wenn auch weniger drastische Positionen wie Lave. Sie argumentiert, dass das kindliche Lernen im Wesentlichen eine Eingliederung in eine „community of practice“ ist, in der neue Mitglieder ihre Fertigkeiten und ihr Verständnis entwickeln, indem sie zusammen mit erfahreneren Mitgliedern, insbesondere Erwachsenen, aktiv in kulturell organisierten Aktivitäten teilnehmen („Apprenticeship“). Hierbei erfahren sie die lenkende Unterstützung einer kompetenteren Person („guided participation“) und eignen sich so in einem dynamischen Prozess Wissen an, indem sie ihr individuelles Situationsverständnis verändern und einem sozial geteilten Verständnis anpassen („participatory appropriation“), um eine zunehmend aktivere Rolle in der Aktivität einzunehmen. Dabei übernimmt die kompetentere Person die Rolle des Vorbilds für die Lernenden und bringt die benötigte Erfahrung in eine Lernsituation ein, um Wissen mit Blick auf neue und bisher unbekannte Situationen zu generalisieren. Transfer ist aus der Perspektive von Rogoff in den individuellen Veränderungen der Auffassungen von Situationen und der Handlungen in diesen zu analysieren.

Im Gegensatz zu den sozial-anthropologischen Beschreibungen von Lave und Rogoff formuliert der Kognitionspsychologe Greeno mit seinen Kollegen Smith und Moore (1993) eine integrierende Theorie, die kognitionspsychologische Modelle in einen situativen Kontext setzt. Greeno und Kollegen beschreiben die Ausbildung von situativen Handlungsmodellen als Äquivalent eines mentalen Schemas, die im Wesentlichen von den Handlungsangeboten und -einschränkungen einer Situation charakterisiert werden. Dieses Handlungswissen muss zur Anwendung in neuen und unbekannten Situationen verändert bzw. transformiert werden, indem es an die situativen Bedingungen der neuen Situation angepasst wird. Durch diese Anpassungen verändern sich jedoch nicht nur die ausgeführten Handlungen, sondern auch die mit ihnen verbundenen mentalen Repräsentationen dieser Handlungen. Ein Transfer ist aus ihrer Sicht eine erfolgreiche Anpassung einer Handlung an neue situative Zustände. Aus diesem Grund ist ein Transfer besonders abhängig davon, welche Handlungsmöglichkeiten in der Lernsituation enthalten waren.

Insgesamt können folgende Aspekte aus den dargestellten Theorien der Situierten Kognition festgehalten werden:

  1. 1.

    Wissen wird nicht als statische Entität in den Köpfen von Individuen, sondern als dynamische Relationen zwischen Lernenden und ihrer physischen und sozialen Umwelt konzeptualisiert. Wissensrepräsentationen sind in hohem Maße individuell, subjektiv und untrennbar an die Situation des Wissenserwerbs gebunden.

  2. 2.

    Transfer erfordert das Anpassen von Handlungsrepräsentationen und Aktivitäten an veränderte Situationsbedingungen. Auf Grundlage dieser Transformationen verbessert sich die Fähigkeit der Lernenden zur Interaktion und Teilhabe an Aktivitäten.

  3. 3.

    Die Analyse der funktionalen Prinzipien in Form von Handlungsmöglichkeiten und Handlungseinschränkungen kann als Kompetenzmodell zum Vergleich von Anforderungssituationen in mathematischen Aufgabenstellungen herangezogen werden.

1.4 Integrierende Theorien zum Transfer beim Mathematiklernen

Obgleich mathematische Fähigkeiten und Fertigkeiten Gegenstand unzähliger Untersuchungen zum Transfer sind und das Lernen von Mathematik auch immer mit dem Ziel geschieht, die erworbenen Fähigkeiten und erlernten Fertigkeiten über die Unterrichtssituation hinaus anwenden zu können, finden sich Theorien und Untersuchungen zum Transfer vor allem in der Psychologie. In der Mathematikdidaktik sind nur wenige ganzheitliche Erklärungen zum Transfer beim Mathematiklernen zu finden. Vielmehr wird Transfer phänomenologisch als Ergebnis erfolgreichen Lernens in Theorien und Modellen zur Entwicklung spezifischer mathematischer Fähigkeiten oder Kompetenzen, wie z. B. dem mathematischen Problemlösen oder Modellieren, integriert. In einem Beitrag zum Stand und zur Entwicklung der Forschung in der Mathematikdidaktik zur Jahrtausendwende beschreibt Niss (1999) einen zentralen Befund mathematikdidaktischer Forschung wie folgt:

„There is no automatic transfer from a solid knowledge of mathematical theory to the ability to solve non-routine mathematical problems, or the ability to apply mathematics and perform mathematical modelling in complex, extra-mathematical contexts. For this to happen both problem solving and modelling have to be made object of explicit teaching and learning, and there is ample evidence that it is possible to design teaching settings so as to foster and solidify these abilities“. (Niss, 1999, 21, Hervorhebung im Original)

Während in der Psychologie zumeist mit einem weiteren Transferbegriff gearbeitet wird, liegt der Fokus mathematikdidaktischer Untersuchungen entsprechend auf dem Transfer spezifischer Fertigkeiten und den instruktionalen Maßnahmen, mit denen das Erlernen selbiger effizienter und nachhaltiger gestaltet werden kann, womit man sich eine Verbesserung der Übertragbarkeit dieser spezifischen Fertigkeiten verspricht. Aus diesem Grund wird in der Mathematikdidaktik und allgemein in Studien zum Mathematiklernen zumeist auf die theoretischen Modelle der Psychologie als Bezugswissenschaft zurückgegriffen.

In diesem Kapitel werden zwei Theorien diskutiert, in denen der Transfer von Wissen aus mathematikdidaktischer Perspektive beschrieben und erklärt wird: Bauersfelds (1983) Theorie der Subjektiven Erfahrungsbereiche und Lobatos (1996; 2012) Actor-Oriented Transfer Perspective (AOT).

1.4.1 Bauersfeld – Subjektive Erfahrungsbereiche

Die Annahme, dass einmal gelernte Begriffe, Verfahren und allgemeine Strategien einer universellen Anwendbarkeit unterliegen, war lange Zeit auch in der deutschsprachigen Lehr-Lern-Forschung und Mathematikdidaktik ein leitendes Motiv. Ähnlich, wie im anglo-amerikanischen Raum durch Vertreter des Situierten Lernens, wie Lave, Rogoff und Greeno, geschehen, lenkte Bauersfeld (1983; 1985) die Aufmerksamkeit auf Probleme, die mit der Situations- bzw. „Bereichsspezifität“ von Lernen und der Anwendung des Gelernten im Zusammenhang stehen. Auf Grundlage der psychologischen Arbeiten von Seiler (1973) und Lawler (1981) entwickelte Bauersfeld mit dem Modell der subjektiven Erfahrungsbereiche eine theoretische Perspektive, die diese Probleme und insbesondere auch Probleme der ausbleibenden und fehlerhaften Wissensanwendung von Lernenden begrifflich fasst:

„Ein Begriff ist nur in bestimmten Formulierungen abrufbar oder nur in einem bestimmten Sachzusammenhang, eine Fertigkeit wird nur bei spezifischen Auslösern verfügbar, scheinbar einfache Zusammenhänge oder Querverbindungen werden nicht hergestellt usw. [...] Man spricht auch von mangelndem Transfer, von schwacher Abstraktionsfähigkeit oder von Fehlstrategien.“ (Bauersfeld, 1983, S. 1)

Einen Rahmen für sein Modell stellt die von Seiler (1973) postulierte Bereichsspezifität aller gedanklichen Strukturen:

„Begriffliche Strukturen und Systeme implizieren nie eine unbeschränkte Generalität [...] Jedes individuelle kognitive System ist seinem Wesen nach beschränkt auf die Situationen, in denen es erarbeitet wurde.“ (Seiler, 1973, S. 266, zitiert nach Bauersfeld, 1983, S. 13)

Im Zuge der Veranschaulichung des Begriffs der Bereichsspezifität diskutiert Bauersfeld (1983, S. 3 ff.) Fallstudien von Phänomenen, die sich beim Lernen von Mathematik beobachten lassen. In einem seiner Beispiele gelingt es einer achtjährigen Schülerin nicht Divisionsaufgaben, wie \(8:4=?\) halbschriftlich zu rechnen und zu lösen. Sie vermutet für diese Aufgabe lediglich, dass das Ergebnis 1 oder 0 sei. Als der gleichen Schülerin jedoch eine Aufgabe vorgelegt wurde, in der sie den Geldbetrag von acht Dollar gleichmäßig an vier Kinder verteilen soll, zeigt sie, dass sie derartige Aufgaben sehr wohl lösen kann. Zwar wiederholt sie die Aufgabenstellung falsch, sodass nicht acht, sondern fünf Dollar an vier Kinder verteilt werden sollen, jedoch löst sie diese Aufgabe richtig und antwortet, dass jedes Kind einen Dollar und fünfundzwanzig Cents erhalte (Bauersfeld, 1983, S. 3).

Diese Beschreibung erklärt Bauersfeld (1983, S. 3 ff.) als eine prototypische Beobachtung im Mathematikunterricht. Obgleich die Schülerin Schwierigkeiten beim Rechnen mit Zahlsymbolen auf Papier hat, löst sie viel schwierigere Aufgaben einwandfrei sobald diese in einen Kontext eingebettet und durch diesen an eine Vorstellungshilfe gebunden sind.

Eine Erklärung für derartige Phänomene sieht Bauersfeld in Anlehnung an die Arbeit von Lawler (1981) darin, dass die scheinbar gleichen Aufgaben für die Lernenden völlig verschiedenen „Mikrowelten“ (Bauersfeld, 1983, S. 16 ff.) entsprechen. So lassen sich im oben geschilderten Fallbeispiel zwei Mikrowelten identifizieren und voneinander unterscheiden: Die Zahlen-Welt, mit der Erfahrungen zum Rechnen mit Zahlsymbolen auf Papier verbunden sind, und die Geld-Welt, in der Erfahrungen mit Geldmünzen und ihrem rechnerischen Zusammenhang, etwa beim Spielen mit Münzen, beim Einkaufen im Supermarkt oder dem Verwalten von Taschengeld, repräsentiert sind. Während die Schülerin im Fallbeispiel deutlich ihre Schwierigkeiten in der Zahlen-Welt zu erkennen gibt, ist sie in der Lage wesentlich schwierigere Probleme in der Geld-Welt zu lösen. Diese Mikrowelten werden durch unterschiedliche Erfahrungen definiert und sind für Lernende, die noch keine Verbindungen zwischen diesen Welten und somit auch keine Analogien zwischen den formal gleichen Aufgaben erkannt haben, voneinander getrennte „Subjektive Erfahrungsbereiche“ (Bauersfeld, 1983)Footnote 10. Die Erkenntnisse aus einer Mikrowelt sind an diese gebunden und können zunächst nicht ohne Weiteres in eine andere übertragen werden. Für Bauersfeld ist diese Bereichsspezifität des Wissens keine singuläre Beobachtung, sondern ein Grundphänomen allen Denkens und Lernens.

Bauersfeld (1983, S. 2) beschreibt sein Modell auf Grundlage einer

„nicht-hierarchischen, kumulativen Speicherung der Erfahrung beim Individuum, und zwar entsprechend der situativen Bindung in deutlich getrennten „Subjektiven Erfahrungs-Bereichen“ (im weiteren kurz „SEB“). Die SEB’e umfassen stets die Gesamtheit des als subjektiv wichtig Erfahrenen und Verarbeiteten, einschließlich der Gefühle, der Körpererfahrung usw., also nicht nur die kognitive Dimension. Die SEB’e haben Prozeßcharakter und daher eine je eigene Wandlungsgeschichte ihrer Zustände vom Entstehen bis zum möglichen Verfall (Vergessenwerden). Verstehen und Handeln erscheinen möglich allein auf der Basis von SEB’en. Die SEB’e werden konkurrierend aktiviert und ermöglichen mit der Entscheidung (unter gleichzeitiger Unterdrückung der Konkurrenten) die subjektive Wahrnehmung der gegebenen aktuellen Situation. Die fortschreitende Verknüpfung der SEB’e, die sich mit der Entstehung neuer SEB’e verbindet, kennzeichnet die Entwicklung zu „selbstreferentiellen Systemen“ (Luhmann 1982, S. 44 f.) beim Individuum und damit einer „society of mind“ (Minsky 1975, 1977 und 1980).“ (Bauersfeld, 1983, S. 2, Hervorhebung im Original)

In dieser Beschreibung des SEB-Modells zeichnet Bauersfeld eine Theorie, die Lernen als die dynamische Ausbildung und Entwicklung von SEB’en charakterisiert, in denen Wissen untrennbar auf kognitiver und emotionaler Ebene mit der Lernsituation verbunden ist. Eine Aktivierung dieser SEB’e geschieht in einem Entscheidungsprozess, in dem verschiedene SEB’e miteinander konkurrieren und ein SEB die Oberhand behält, der in der Folge die subjektive Wahrnehmung maßgeblich beeinflusst. Der dominante SEB entscheidet dann über die Interpretation einer Situation. Ferner beschreibt Bauersfeld, dass SEB’e zwar nicht hierarchisch geordnet sind, jedoch über die Entstehung eines neuen SEB’s in Verbindung gesetzt werden. Diese Verbindungen zwischen den SEB’e führen zur Entwicklung von „selbstreferientiellen Systemen“ im Sinne des soziologischen Begriffs von Luhmann: Zu einem lebendigen bzw. dynamischen System, das einen Bezug zu sich selbst in Abgrenzung zu seiner Umwelt herstellt (vgl. Luhmann, 1984). Diese Abgrenzbarkeit zur Umwelt, wie sie die Luhmannsche Terminologie impliziert, unterstreicht die Interpretationsgewalt der SEB’e und liefert eine Erklärung für die „partiellen Blindheiten“ (Bauersfeld, 1983, S. 1) der Lernenden, die laut Bauersfeld im Mathematikunterricht häufig zu beobachten sind.

Diese Sicht führt zu einer neuen Beschreibung von Lernen und insbesondere von Transfer, in der sich auch Elemente der Theorien der Situierten Kognition wiederfinden und einordnen lassen:

„Die für jeden SEB spezifischen Elemente – Sinnzuschreibungen, Sprache, Handlungsmöglichkeiten, verfügbare Routinen, Bedeutung für das Ich usw. – erlauben es, Lernen (nicht nur im schulischen Kontext) als Erwerb neuer SEB zu beschreiben. Damit rücken auch Transfer-Probleme in ein anderes Licht, und gängige Begriffe wie Veranschaulichung im Mathematikunterricht und Abstrahieren und Konkretisieren lassen sich anders interpretieren, nämlich als Beziehungs- und Verknüpfungsprobleme zwischen verschiedenen SEB’en.“ (Bauersfeld, 1983, S. 2)

Ähnlich wie Greeno, Smith und Moore (1993), die Lernen aus psychologischer Sicht als den Aufbau mentaler Handlungsmodelle beschreiben, die neben den situativen Eigenschaften der Situation auch Informationen über die Handlungsmöglichkeiten und -Einschränkungen der Situation enthalten, umfassen auch die SEB’e spezifische Elemente. Während für Greeno, Smith und Moore (Greeno et al. 1993) jedoch funktionale Charakteristika im Vordergrund stehen, die eine Handlung in Abhängigkeit von Eigenschaften einer Situation beschreiben, umfassen SEB’e mehr. Sie beinhalten neben Handlungen und verfügbaren Routinen zudem Sinnzuschreibungen, Sprache, und Bedeutungen für das Ich. Der transferbedingende Anpassungsprozess von Handlungsmodellen an neue situative Eigenschaften wird im Rahmen des SEB-Modells als eine Verknüpfung von SEB’en beschrieben, aus der ein neuer übergeordneter SEB entsteht, der die Elemente der ursprünglichen SEB’e enthält und diese in Beziehung zu einem neuen spezifischen Sachverhalt setzt. Auch dieser neu entstehende SEB ist in der Folge bereichsspezifisch für die Situation der Entstehung und kann in der Folge weiter vernetzt werden.

Bauersfelds (1983) Ansatz der Theorieentwicklung ist ähnlich wie der von Greeno, Smith und Moore (1993) ein integrierender, der die Konvergenz von Begriffen unterschiedlicher Disziplinen wahrnimmt und in Hinsicht auf das Mathematiklernen zusammenführt. Er vereint Begriffe der kognitiven Psychologie, Soziologie und anderen Bezugswissenschaften in Hinsicht auf eine Möglichkeit Situationen des Lernens aus „didaktischer Sicht“ (Bauersfeld, 1983, S. 12) analysieren zu können. Im Vordergrund steht nicht die Modellierung des Lernens, sondern die detaillierte Analyse des Lernens, aus der Hinweise für eine Unterstützung von Lernprozessen gewonnen werden können.

In seiner Beschreibung der genauen Eigenschaften von SEB’en orientiert sich Bauersfeld eng an dem Begriff der „Mikrowelten“ von Lawler (1981). Im Zentrum von Lawlers Arbeiten steht die Beobachtung von besonderen Momenten in einem längerfristigen Lernprozess seiner Tochter vor Schuleintritt. Hierbei konnte er insbesondere Prozesse dokumentieren, die von großem Interesse für das Mathematiklernen sind, nämlich Prozesse, in denen die Lernende eine formale Gemeinsamkeit zweier bislang unverbundenen Mikrowelten erkennt und diese im Sinne eines „Aha-Ereignis[ses]“ (Bauersfeld, 1983, S. 2) in einer neuen Mikrowelt zusammenführt.

Ein Beispiel einer solchen Zusammenführung zweier Mikrowelten beschreibt Bauersfeld anhand von Lawlers (1981) „Serien-Welt“, in der Elemente der „Zähl-Welt“ und der „Dekaden-Welt“ verbunden werden“ (Bauersfeld, 1983, S. 21 ff.). Die „Zähl-Welt“ beinhaltet das Auszählen von Summen an Fingern. Einfache mündlich gestellte Aufgaben, wie \(17+6\) werden an den Fingern abzählend gelöst: Achtzehn, neunzehn, zwanzig, einundzwanzig, zweiundzwanzig, dreiundzwanzig. Die Dekaden-Welt gründet sich in einem Computerspiel, in dem eine Schildkröte durch die Angabe von Winkelgrößen in Zehnerschritten in ein Ziel manövriert werden muss, wobei in jedem Schritt ein Vergleichen erforderlich ist, z. B. aus „100 rechts“ – zuviel – „20 links“ – trifft“ (Bauersfeld, 1983, S. 19) geht hervor, dass „80 rechts“ richtig gewesen wäre. Aus ihren Erfahrungen in diesem Spiel entwickelt die Tochter von Lawler Wissen zur Addition von Zehnern, wie z. B. \(90+90=180\), obgleich sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht über 100 hinaus zählen kann.

Nach einer Diskussion zwischen Lawler und seiner Tochter darüber, wie sie früher Aufgaben wie \(7+2\) an ihren Fingern ausgezählt habe, stellt Lawler ihr die schwierigere Aufgabe \(37+12\). Lawler berichtet, dass seine Tochter zunächst ein „schockiertes Gesicht“ zeige und dann die Summe „Das ist neunundvierzig“ nenne (Lawler, 1981, S. 17, zitiert nach Bauersfeld, 1983, S. 21). Lawlers Analyse dieser Betroffenheit seiner Tochter führt an, dass die Tochter die Aufgabe auf zwei unterschiedlichen Wegen gerechnet habe und ihr Erstaunen in der Gleichheit der beiden Ergebnisse gründet:

„Die großen Zahlen zunächst legen die Lösung in der „Dekaden-Welt“ nahe. Mit der inzwischen erfolgten Verfeinerung der Perspektive – (die Drehkommandos für die Schildkröte werden nicht mehr nur in reinen Zehnerzahlen, sondern auch in gemischten Zehnerzahlen gegeben) – sieht das etwa so aus: „Dreißig plus zehn ist vierzig, und sieben plus zwei ist neun, das sind neunundvierzig.“ Andererseits verfügt Miriam [die Tochter] nun auch in der „Zähl-Welt“ über Zerlegungen wie \(12=10+2\), freilich ohne daß damit schon ein allgemeiner Stellenwertbegriff verbunden wäre. Daher ist nun auch, wohl erstmals, eine einfache systematische Lösung in der „Zähl-Welt“ möglich: „Siebenunddreißig plus zehn ist siebenundvierzig, (und dann an den Fingern weiterzählend) achtundvierzig, neunundvierzig“.“ (Bauersfeld, 1983, S. 21)

Als Resultat der Einsicht, dass die Aufgabe in beiden Welten, der „Zähl-Welt“ und der „Dekaden-Welt“, zu demselben Ergebnis führt, kommt es zu einer Vereinigung dieser beiden Welten in der „Serien-Welt“, in der Aufgaben zur Addition zweier zweistelliger Zahlen nun seriell bzw. schrittweise berechnet werden können, indem zunächst die Zehner addiert werden und schließlich die Einer zu dem Zwischenergebnis mithilfe der Finger hinzugezählt werden (vgl. Bauersfeld, 1983, S. 22).

Bauersfeld führt im Weiteren Lawlers Unterscheidung von verschiedenen Typen von Mikrowelten an (vgl. Bauersfeld, 1983, S. 23 ff.): Instrumentelle Welten bezeichnen Welten, die zumeist nur wenige Vorgänger-Welten haben, z. B. die Zähl-Welt, die Geld-Welt oder die Dekaden-Welt. Das Wissen in diesen Welten wird „über Erfahrung konstruiert durch die Verfeinerung der Beschreibung der Elemente ihrer Perspektive“ (Bauersfeld, 1983, S. 24) und Lernen als Verfeinerung des Wissens über die Elemente innerhalb der Mikrowelt konzeptualisiert. Werden zwei instrumentelle Welten, wie die Zähl-Welt und die Dekaden-Welt im oben angeführten Beispiel zusammengeführt oder eine instrumentelle Welt in eine andere integriert, so entstehen Kontroll-Welten. In diesen wird Lernen als eine Steigerung der Kontrolle über die Anwendung von Fähigkeiten aus den vereinigten Welten beschrieben, die aus der Koordination der zuvor unabhängigen Mikrowelten folgt. Konforme bzw. relationale Welten werden dadurch charakterisiert, dass sie im Gegensatz zu Kontroll-Welten nicht aus anderen Mikrowelten hervorgehen, jedoch Mikrowelten miteinander verknüpfen. Entsprechend zeige sich Lernen in diesen Welten durch die „Verknüpfung von Perspektiven“ (Lawler, 1981, S. 24, zitiert nach Bauersfeld, 1983, S. 26).

Das SEB-Modell ist eine Erweiterung der Mikrowelten, da dieses sich ausschließlich auf die kognitiven Aspekte des Lernens beschränke. Bauersfeld wählt jedoch statt des Begriffs der Mikrowelten die Terminologie von Subjektiven Erfahrungsbereichen, denn diese

„Bezeichnung enthält den Hinweis auf das „Subjekt“ als Träger. Sie thematisiert, daß es um „Erfahrung“ geht und nicht nur um Wissen [...] Und schließlich ist der „Bereich“ weniger universal als eine „Welt“.“ (Bauersfeld, 1983, S. 28)

Kurz zusammengefasst formuliert Bauersfeld (1983) drei Merkmale von SEB’en:

„Die Komplettheit :

Im Sinne der Totalität der Erfahrung muß Handlungsfähigkeit in der spezifischen Situation hergestellt werden können, d. h. Sinn (Identität), Bedeutungszuschreibungen (Perspektive) und Handlungsmöglichkeiten (Funktionen) müssen in der erforderlichen Komplexität aufweisbar sein.

Die Kohärenz :

Es muß ein einheitlicher Kontext (Situation, Thema usw.) erkennbar sein, d. h. es muß ein Zusammenhang zwischen den Elementen und ihren Funktionen von relativer Abgeschlossenheit hergestellt werden können.

Die Spezifität :

Die besondere Bedeutung der subjektiven Repräsentationen für diesen Bereich muß aufweisbar sein, d. h. insbesondere die Spezifität des Sprach- und Symbolgebrauchs in Abhebung gegen den Gebrauch in anderen Kontexten (SEB’en).“ (Bauersfeld, 1983, S. 49)

Die Grundthesen des SEB-Modells fasst Bauersfeld (1985) wie folgt zusammen:

  1. 1.

    „Jede subjektive Erfahrung ist bereichsspezifisch, d. h. die Erfahrungen eines Subjektes gliedern sich in Subjektive Erfahrungsbereiche.

  2. 2.

    Die Gesamtheit der subjektiven Erfahrung präsentiert sich in einer Anhäufung von nicht-hierarchisch geordneten Subjektiven Erfahrungs-Bereichen – die „society of mind“ (Minsky 1982) – , die um eine Aktivierung konkurrieren, und zwar umso wirksamer, je häufiger sie wiederaktiviert bzw. je intensiver sie gebildet worden sind.

  3. 3.

    Die entscheidende Grundlage für die Bildung eines SEB sind die Handlungen des Subjekts und der von ihm konstruierte Sinnzusammenhang, genauer: deren Ausformung in der sozialen Interaktion.

  4. 4.

    Es gibt keine allgemeinen Begriffe, Strategien oder Prozeduren. Man (das Subjekt) kann sie allgemein denken, aber sie sind nicht allgemein verfügbar, d. h. nicht bereichsunabhängig aktivierbar.“ (Bauersfeld, 1983, S. 11 ff.)

Mit dem Ziel der Formulierung einer „künftigen Interaktionstheorie des mathematischen Lehrens und Lernens“ (Bauersfeld, 1983, S. 49) erläutert Bauersfeld eine Reihe von Ergänzungen aus verschiedenen DisziplinenFootnote 11, wie der Soziologie, des Symbolischen Interaktionismus, der Erkenntnistheorie, der Kommunikationstheorie, der Identitätstheorie, der Psychoanalyse, der Intelligenztheorie, der Lehr-Lern-Forschung sowie der Wissenschaftstheorie.

In seiner Diskussion der Beziehungen des SEB-Modells im Zusammenhang zur Erkenntnistheorie sowie der Lehr-Lern-Forschung geht Bauersfeld explizit auf Transfer ein: Mit Bezug auf die Erkenntnistheorie diskutiert Bauersfeld (Bauersfeld, 1983, S. 34 ff.) das methodische Prinzip der Veranschaulichung als Hilfestellung zur Einführung von mathematischen Begriffen und Tätigkeiten in Hinsicht auf eine spätere Verallgemeinerung. Bauersfeld argumentiert dabei, dass diese didaktischen Hilfen zur Unterstützung unabdingbar seien, da

„die Bereichsspezifität des subjektiven Sprachgebrauchs besagt, daß es keine automatische Verallgemeinerung von Begriffen gibt. Der Weg zu allgemeineren Begriffen führt nur über die aktive Bemühung um die Verknüpfung der Perspektiven von SEB’en, und das heißt über die Gründung eines neuen SEB, in dem die Beschreibung der Vergleichsaspekte die Perspektive bildet.“ (Bauersfeld, 1983, S. 34, Hervorhebung im Original)

Aus diesem Grund bedarf es im Unterricht Möglichkeiten der Veranschaulichung, in denen die zu erklärende mathematische Struktur über einen Morphismus auf die Gegenstandsstruktur eines oder mehrerer Erfahrungsbereiche abgebildet wird. Im Allgemeinen kann hierbei in der Unterrichtspraxis zwischen zwei Veranschaulichungsmodellen unterschieden werden:

  • „Beim Abstraktionsmodell wird vom Schüler erwartet, daß er das Gemeinsame zwischen zwei oder mehr SEB’en auf dem Wege über Strukturvergleiche durch Weglassen des mathematisch Irrelevanten erkennt.

  • Beim Übertragungsmodell hingegen soll der Schüler unmittelbar die in einem bestimmten SEB geläufigen Perspektiven und Funktionen (oder Teile davon) auf eine Darstellung der zu erklärenden mathematischen Struktur übertragen, indem er mit der Darstellung so handelt, als ob es der bestimmte (vertraute) SEB sei.“ (Bauersfeld, 1983, S. 34, Hervorhebung im Original)

Die im vorhergehenden Abschnitt diskutierten Studien und Befunde zum Transfer durch Analogiebildung können dem Abstraktionsmodell zugeordnet werden. Die Lernenden erarbeiten zwei oder mehr Aufgaben oder Problemlösungen und sollen über einen systematischen Vergleich gemeinsame relationale Strukturen identifizieren und auf diese Weise die entscheidenden Strukturelemente aufeinander abbilden. Die zentralen Befunde hierbei waren, dass es nur in seltenen Fällen zu einem spontanen Transfer zwischen zwei Aufgaben kommt und ein Transfer durch direkte Hilfestellungen und Hinweise für die Lernenden angeleitet werden muss. Zudem kommt es häufig zu einer Fokussierung auf die Oberflächenmerkmale, die eine Identifikation und ein Abbilden der relationalen Gemeinsamkeiten erschweren. Aus der Sicht des SEB-Modells können diese Befunde damit erklärt werden, dass derartige Abbildungsprozesse oder

„strukturelle Vergleiche nur gelingen können, wenn ein auf die Funktion des Vergleichens eingerichteter SEB verfügbar ist oder spontan gegründet werden kann. Gelingt die Gründung nicht, so stellt der Lernende unter gegebenem Reaktionszwang eine Ersatzkonstruktion innerhalb der aktivierten SEB her, die für ihn sinnvoll erscheint und (vielleicht) auch in Teilgebieten richtige Lösungen oder Schlüsse liefert. Damit wird zugleich ein Ursprung vieler Fehlstrategien von Schülern erklärt.“ (Bauersfeld, 1983, S. 35, Hervorhebung im Original)

Somit lassen sich die Befunde der Forschung zum Transfer durch Analogiebildung insbesondere dadurch erklären, dass es den Lernenden in vielen Fällen nicht spontan gelingt, die SEB’e der zu vergleichenden Aufgaben in einem neuen vergleichenden SEB zu organisieren. Aus diesem Grund kommt es zu einer Fokussierung auf die Oberflächenmerkmale der Aufgaben oder Problemstellungen. Aus den Oberflächenmerkmalen der Aufgaben stellen die Lernenden in der Folge „Ersatzkonstruktionen innerhalb der aktuellen SEB her, die für [sie] sinnvoll erschein[en]“ (Bauersfeld, 1983, S. 35). Da diese in der Regel innerhalb einer Aufgabe bzw. eines SEB’s richtige Ergebnisse liefern und damit sinnvoll wirken, kommt es somit zu fehlerhaften Schlüssen der Lernenden, ein Analogietransfer bleibt aus und es besteht die Möglichkeit der Entwicklung von fehlerhaften Strategien. In diesem Zusammenhang können die Hinweise zum angeleiteten Vergleichen von Aufgaben oder Problemen als Hilfestellungen zur Gründung eines vergleichenden SEB’es interpretiert und auch im Sinne einer konstruktiven Hilfestellung gesehen werden.

Unter Bauersfelds Beschreibung des Übertragungsmodells können vor allem „Einkleidungen“ (Bauersfeld, 1983, S. 36) von Aufgaben gesehen werden. Mathematische Handlungen und Strukturen werden auf Objekte der Anschauung oder des Alltags abgebildet und sollen auf diese Weise die Möglichkeit eröffnen, unbekannte mathematische Sachzusammenhänge im Rahmen eines vertrauten Erfahrungsbereichs zu interpretieren und die mathematische Struktur auf diese zu übertragen. Als Beispiel kann hier die Veranschaulichung der Bruchherstellung als Teilen einer Pizza angeführt werden. Zur gerechten Aufteilung einer Pizza auf n Personen ist es notwendig n gleich große Teile herzustellen, damit alle Personen den gleichen Anteil \(\frac{1}{n}\) der Pizza erhalten. Somit soll die bisher nur wenig vertraute Handlung des Teilens eines Ganzen in gleich große Teile anhand einer alltäglichen Handlung veranschaulicht werden und somit eine „Eingewöhnung in das Handlungsrezept“ (Bauersfeld, 1983, S. 38) erreicht werden. Ziel ist hierbei wie beim Abstraktionsmodell die Gründung eines vergleichenden Erfahrungsbereichs, der „eine aktive Konstruktion des Morphismus“ (Bauersfeld, 1983, S. 38) ermöglicht und die beiden Handlungen parallelisiert. Eine solche Veranschaulichung birgt jedoch die Gefahr, dass ein solcher vergleichender Erfahrungsbereich nicht gegründet wird und somit zwar die Handlung eingeübt wird, jedoch eine Einsicht in die mathematische Struktur ausbleibt, „weil die Vergleichsperspektive fehlt“ (Bauersfeld, 1983, S. 38). In der Folge ist es denkbar, dass die Lernenden zwar die Durchführung des Verfahrens erlernen und einüben, jedoch kein Verständnis für die inhaltlichen Zusammenhänge entwickeln und somit eine Erweiterung der Handlung erschwert und die Entwicklung von Fehlstrategien begünstigt wird.

Die Elemente des SEB-Modells erscheinen insgesamt hilfreich individuelle und situationsspezifische Aspekte von Lernprozessen zu erfassen und mit dem Ziel der Rekonstruktion von Aufgabenbearbeitungen deskriptiv zu beschreiben (vgl. auch vom Hofe, 1995, S. 112). Vom Hofe schlägt vor, die Ergebnisse dieser Analysen einer „normativen stoffdidaktischen Analyse“ gegenüber zustellen, um „mögliche Divergenzen [...] zwischen sachadäquaten Grundvorstellungen, die der Lehrer anzielt, und individuellen Vorstellungen bzw. Fehlvorstellungen“ von Lernenden zu identifizieren und diese „als Ausgangspunkt für Überlegungen zur konstruktiven Behebung der entsprechenden Mißverständnisse“ (vom Hofe, 1995, S. 112, Hervorhebungen im Original) zu nutzenFootnote 12.

Aus der Perspektive der Situierten Kognition beinhaltet das SEB-Modell von Bauersfeld eine Vielzahl der Aspekte, die im Vordergrund der Arbeiten von Lave (1988), Rogoff (1990) und Greeno (1993) stehen. Es betont die Bereichsspezifität bzw. Situationsspezifität allen menschlichen Lernens, die Bedeutung sozialer Strukturen und der interpersonellen Interaktion in Lernarrangements sowie die Individualität und Subjektivität von Lernprozessen. Auf diese Weise eröffnet das SEB-Modell einen Raum zur Integration verschiedener theoretischer Ansätze und Disziplinen, in dem mathematische Lernprozesse detailliert analysiert werden können.

1.4.2 Lobato – Transfer aus Sicht der Lernenden

Lobato (1996; 2012) gründet ihre Perspektive des „Actor-Oriented Transfer“ (AOT) auf den theoretischen Annahmen der Situierten Kognition und der fundamentalen Kritik an „traditionellen“ (Lobato & Siebert, 2002, S. 89 ff.) Transfermodellen auf Grundlage der Informationsverarbeitung. Anders als radikale Vertreter der Situierten Kognition, wie Lave (1988), die kognitionspsychologischen Transfermodellen grundsätzlich widersprechen, verfolgt Lobato einen pragmatischen Ansatz und argumentiert, dass verschiedene Theorien von Transfer verschiedene Schwerpunkte haben und versuchen unterschiedliche Aspekte von Transfer zu erklären. In diesem Sinne formuliert sie in der AOT Perspektive einen Ansatz, der verschiedene Perspektiven in einem Modell integriert, um ein umfassenderes Verständnis von Transfer zu entwickeln als es jede Perspektive für sich genommen vermag:

„Rather than conceiving of a particular perspective as being flawed and in need of replacement, points of compatibility and tension between models of transfer are explored, thus allowing for greater understanding of the contributions to educational research and practice by each perspective. [...]

After all, there is no point in presenting an alternative approach if the dominant perspective can be used to satisfactorily explore the broad array of phenomena that interest transfer researchers.“ (Lobato, 2012, S. 233)

In ihren Sekundäranalysen von Transferstudien (Lobato, 1996; Lobato, 2006, 2012) stellt Lobato heraus, dass die Perspektive der Informationsverarbeitung vor allem Möglichkeiten bietet, den Transfer von prozeduralen Wissensstrukturen in regelgeleiteten und syntaktischen Inhaltsbereichen zu beschreiben (Lobato, 2012, S. 234), jedoch weder die individuellen Unterschiede zwischen Lernenden erklärt, noch Einblicke in die mit einem Transfer verbundenen Verstehensprozesse in semantisch komplexen Inhaltsbereichen erlaubt:

„[...] the research venues that can most benefit from the use of an AOT perspective are ones with semantically rich content that is open to a variety of often idiosyncratic ways of comprehending and interpreting.“ (Lobato, 2012, S. 234)

Aus diesem Grund stellt Lobato das lernende Individuum ins Zentrum ihrer Transferkonzeption und definiert Transfer aus der AOT Perspektive als individuelle Generalisierungen der Lernenden, die auch als Einfluss früherer Aktivitäten auf das Handeln der Lernenden in neuen und unbekannten Situationen verstanden werden können:

„Transfer from the actor-oriented perspective is the influence of learners’ prior activities in novel situations, which entails any of the ways in which learning generalizes.“ (Lobato, 2006, S. 437)

„Actor-oriented transfer is defined as the personal construction of relations of similarity between activities, or how „actors“ see situations as similar.“ (Lobato & Siebert, 2002, S. 89)

Im Gegensatz zu kognitionspsychologischen Transferkonzeptionen, die einen Transfer stets als Anwendung von Wissen bzw. einer klar definierten Tätigkeit in einer zur Lernsituation verschiedenen Aufgabe oder Situation (vgl. Nokes, 2009, S. 2) beschreiben, rückt die AOT Perspektive individuelle Konstruktionen von Beziehungen in den Vordergrund. Hierzu ist es notwendig korrekte Leistung von Transfer zu trennen (Lobato, 1996, S. 140) und die Perspektive des handelnden bzw. lernenden Individuums einzunehmen.

Lobato (2012, S. 234 ff.) erörtert die Unterschiede der AOT Perspektive zu traditionellen Transferkonzeptionen anhand von vier Dimensionen:

  1. 1.

    Der Konzeptualisierung von Wissen und mentaler Repräsentation von Wissen,

  2. 2.

    der Perspektive der Beobachtung,

  3. 3.

    dem Gegenstand des Transfers,

  4. 4.

    den Zielen und Methoden empirischer Untersuchungen.

1. Konzeptualisierung von Wissen und mentaler Repräsentation:

Die AOT Perspektive teilt die kognitionspsychologische Konzeption von Wissen und Lernen auf Grundlage von Prozessen der Informationsverarbeitung und konzeptualisiert Transfer auf Grundlage von psychologischen Ähnlichkeiten anhand von kognitiven Schemata und mentalen Repräsentationen. Jedoch stellt Lobato (1996, S. 105; 2012, S. 234) fest, dass die Perspektive der Informationsverarbeitung die interpretativen Aspekte von Wissen nicht hinreichend einbezieht. Während in traditionellen Modellen insbesondere eine direkte Anwendung bestehenden Wissens im Vordergrund steht, betont die AOT Perspektive, dass Wissen und die Zuschreibung von Bedeutung ein interpretativer Prozess des lernenden Individuums ist:

„[...] knowing and representing arise as a product of interpretative engagement with the experiential world, through an interaction of prior learning experiences, task and artifactual affordances, discursive interplay with others, and personal goals.“ (Lobato, 2012, S. 234)

Demzufolge sind mentale Repräsentationen keine isomorphen Abbildungen der Wirklichkeit, sondern individuelle Konstruktionen der Lernenden auf Grundlage ihres individuellen Vorwissens, vorhergehender Lernerfahrungen, der sozialen Interaktion und den persönlichen Zielen der Lernenden. Vor allem in anfänglichen Lernsituationen, in denen die Lernenden nur begrenzte Kenntnisse in einem spezifischen Inhaltsbereich haben, interpretieren Lernende neue Sachverhalte auf Grundlage ihrer vorhergehenden Erfahrungen, sodass ihre Interpretationen einer neuen Situation höchst individuell sind und es sehr wahrscheinlich ist, dass diese von den Erwartungen der Lehrenden abweichen.

Eine Studie zur Entwicklung des Steigungsbegriffs bei linearen Gleichungen (Lobato, Ellis & Muñoz, 2003) veranschaulicht dieses Phänomen in besonderer Weise. Im Rahmen des Core-Plus Mathematics Projects wurde unter anderem untersucht, wie Lernende der neunten Jahrgangsstufe ihr Verständnis von realen Situationen beim Erarbeiten neuer Situationen generalisieren und inwieweit die Arbeit im Klassenverbund diese Generalisierungsprozesse unterstützt (vgl. Lobato et al. 2003, S. 1). Im Rahmen dieser Studie wurden lineare Funktionen der Form \(y=m\cdot x+b\) mit der Steigungsformel \(m=\frac{y_{2}-y_{1}}{x_{2}-x_{1}}\) über die Erarbeitung verschiedener „real world situations“ eingeführt, in denen die Lernenden anhand von selbsterhobenen Messwerten aus Experimenten die Veränderung der Daten analysierten (Lobato et al. 2003, S. 8 ff.). In ihren Interviewanalysen stellten Lobato, Ellis und Muñoz fest, dass alle Lernenden ein Verständnis von linearen Funktionen entwickelt haben und insbesondere den Steigungsfaktor m als Skalierung der x-Achse, als Veränderung der y-Werte oder als Veränderung der x-Werte interpretierten und entsprechend den Steigungsfaktor m somit nicht – wie erwartet – als Verhältnis der Veränderungen, sondern als Differenz konzeptualisiert haben:

„[...] we were surprised when qualitative analysis revealed that the interview participants interpreted the slope of linear function, not as a ratio of the changes in the dependent variable for each 1-unit change in the corresponding independent variable, but incorrectly as a difference (in y-values, x-values, or in the scale of the x-axis).“ (Lobato, 2012, S. 234, Hervorhebungen im Original)

Auf Grundlage weiterführender Analysen stellten sie für ihre Beobachtungen vor allem vier Gründe („focusing phenomena“) heraus, die die Aufmerksamkeit der Lernenden und ihre Generalisierungen beeinflusst haben: Die sprachliche Formulierung „es steigt um“ („the goes up by language“), die Benutzung sortierter Tabellen, die Weise der Benutzung grafikfähiger Taschenrechner sowie die Hervorhebung von ungeordneten Sequenzen und Differenzen im Lernmaterial (Lobato et al. 2003, S. 15 ff.). Die Autoren interpretieren ihre Befunde damit, dass diese Einflüsse dazu geführt haben, dass die Lernenden ihre instruktionalen Erfahrungen über die Eigenschaften der initialen Lernsituationen hinaus erweitert und generalisiert haben (Lobato, 2012, S. 235), ohne dass dies bei der Konzeption der Instruktionsphase auf normativer Ebene intendiert wurde.

Die Befunde dieser qualitativen Studie veranschaulichen zudem den Einfluss der individuellen Interpretation beim Aufbau von Schemata und mentaler Repräsentationen beim Lernen. Diese werden neben vorhergehenden Lernerfahrungen von Einflüssen des Lernumfelds sowie individuell verschiedenen Interpretationen des Lernmaterials sowie der Lernsituationen im Allgemeinen beeinflusst.

2. Perspektive der Beobachtung:

Erfolgreicher Transfer wird für gewöhnlich daran gemessen, inwieweit eine bestimmte Strategie, ein Prinzip oder eine Heuristik in einer Transferanforderung beobachtet bzw. zur erfolgreichen Bearbeitung einer Transferaufgabe angewendet werden kann. Eine korrekte Leistung bzw. ein erfolgreicher Transfer wird in diesem Zusammenhang von Experten auf normativer Ebene definiert, indem ein bestimmtes Verhalten bzw. die sichtbare Anwendung bestimmter Wissensstrukturen als Erfordernis und wesentliches Kriterium für einen Transfer festgelegt wird. Lobato (Lobato & Siebert, 2002, S. 89; Lobato, 2012, S. 235) bezeichnet diese Sichtweise in Anlehnung an MacKay (1969) als Perspektive des Beobachters („observer’s point of view“):

„Researchers operating within the traditional transfer paradigm adopt an observer’s perspective when they pre-determine what counts as transfer using models of expert or normative performance.“ (Lobato & Siebert, 2002, S. 89)

Eine solche Sichtweise kommt insbesondere dann zum Tragen, wenn Transfer an die korrekte Leistung in Anforderungssituationen geknüpft wird, die Beobachter bzw. Experten als strukturell ähnlich zu anfänglichen Lernsituationen beurteilen. Somit wird erwartet, dass die Lernenden dieselben strukturellen Ähnlichkeiten erkennen wie Experten.

Lobato argumentiert dagegen, dass insbesondere Lernende, die bisher nur wenig Erfahrung in einem Inhaltsbereich gesammelt haben, nicht über ein derartiges Expertenwissen verfügen und entsprechend nicht dieselben Ähnlichkeiten zwischen Anforderungen identifizieren wie Experten. Um zu analysieren, welche Zusammenhänge die Lernenden tatsächlich erkennen, ist es daher notwendig die Perspektive der Lernenden einzunehmen:

„When taking an actor’s point of view, the researcher does not measure transfer against a particular cognitive or behavioral target but rather investigates instances in which the students’ prior experiences shaped their activity in the transfer situation, even if the result is non-normative or incorrect performance.“ (Lobato, 2012, S. 235)

Entsprechend ist es nicht das Ziel, die Bearbeitungen von Lernenden an erwarteten Ergebnissen auf der Basis von Expertenwissen zu beurteilen, sondern die Prozesse zu verstehen, durch die Lernende individuell Gemeinsamkeiten zwischen Transferanforderungen und ihren bisherigen Erfahrungen generieren (Lobato & Siebert, 2002, S. 89).

Dieser Wechsel in der Perspektive der Beobachtung kann anhand eines weiteren Fallbeispiels aus dem CPMP-Projekt (siehe oben) veranschaulicht werden (Lobato, 1996, S. 99; Lobato, 2012, S. 236):

Abbildung 1.9
figure 9

Fallbeispiel aus Lobatos Studie (Lobato, 1996, S. 99 ff.; Abb. aus Lobato, 2012, S. 237): (A) Die Transferaufgabe, (B) die Antwort eines Schülers, der die Steigung der Rutsche anhand der Länge der Leiter und der Länge der Plattform bestimmt, (C) die Rekonstruktion der vermeintlichen Situationsinterpretation des Schülers auf Grundlage vorhergehender Lernerfahrungen

In dieser Studie erarbeiteten die Lernenden den Steigungsbegriff und den Differenzenquotienten zur Berechnung der Steigung von Geraden im Kontext der Bestimmung der Steigungen von Treppen und abstrakten Linien. In einer Transferaufgabe sollten die Lernenden die Steigung einer Rutsche und eines Hausdaches bestimmen. In beiden Fällen konnte die Steigung über das Messen der vertikalen und horizontalen Veränderung und der Bildung des Verhältnisses dieser beiden Maße berechnet werden, wie es zuvor im Unterricht anhand von Treppenstufen erarbeitet wurde (siehe Abb. 1.9 (A)). Auf Grundlage theoretischer Analysen anhand des ACT-Modells erwartete die Autorin (Lobato, 1996, S. 84 ff.) eine hohe Transferrate, da die Produktionsregeln und Lösungsmethoden dieser Transferaufgaben und der Aufgaben in der Lernphase identisch waren (vgl. Abb. 1.10).

Abbildung 1.10
figure 10

Links: Produktionsregeln zur Bestimmung der Steigung eins Objekts (Lobato, 1996, S. 85); Rechts: Musterlösung der Transferaufgabe (Lobato, 1996, S. 86)

Im Gegensatz zu den normativen Erwartungen wurde die Aufgabe jedoch nur von 33 Prozent der Lernenden korrekt gelöst (Lobato, 1996, S. 91 f.). Die quantitativen Lösungsraten dieser und anderer Aufgaben zeichneten jedoch ein anderes Bild als die qualitativen Analysen von Follow-up Interviews zu denselben Aufgaben. In diesen zeigte sich, dass, anders als es die Lösungsraten dieser Aufgabe annehmen ließen, nahezu alle Lernenden Anzeichen für vorgenommene Generalisierungen zeigten. Alle Lernenden erinnerten sich an die korrekte Formel zur Berechnung der Steigung und erkannten die Relevanz des Differenzenquotienten für diese Aufgabe. Die Interviewanalysen zeigten auf, dass die zentrale Schwierigkeit dieser Aufgabe nicht das Erinnern und Anwenden der Formel bzw. des Differenzenquotienten war, sondern die Identifizierung und Auswahl der entsprechenden Größen zur Berechnung der Steigung. Zum Beispiel maß ein Schüler nicht die vertikale und die horizontale Veränderung der Rampe (vgl. Abb. 1.10 rechts), sondern rechnete mit den Längen der Leiter und des Plateaus der Rutsche (siehe Abb. 1.9 (B)). Die Antwort dieses Schülers interpretierte die Autorin (Lobato, 1996, S. 99 ff.) so, dass dieser die Steigung einer Geraden unabhängig von der Geraden selbst betrachte. Sie folgert aus dieser Beobachtung, dass der Schüler die Transferaufgabe auf Grundlage seiner eigenen Erfahrungen in der Lernphase interpretiert und entsprechend nach einer Stufe für die Berechnung der Steigung sucht. Somit konstruiert er die gesuchte Stufe anhand der Leiter und des Plateaus der Rutsche (siehe Abb. 1.9 (C)) und wendet in der Folge die Steigungsformel zur Berechnung des Verhältnisses der beiden Längen korrekt an. Die eigentliche Rutschfläche bzw. die Gerade, deren Steigung bestimmt werden sollte, spielt in seinen Überlegungen keine Rolle. Vergleichbare Beobachtungen konnten auch in den übrigen Interviewanalysen gemacht werden (siehe Abb. 1.11).

Abbildung 1.11
figure 11

Beispiele der Lösungsvarianten (Lobato, 1996, S. 103)

Dieses Beispiel veranschaulicht, wie ein Wechsel von der Perspektive des Beobachters und ein Hineinversetzen in die Perspektive der Lernenden zu unterschiedlichen Bewertungen des Transfererfolgs führen: „[...] Transfer is indeed in the eye of the beholder“ (Lobato, 1996, S. 126). Während die quantitativen Lösungsraten in dieser Studie lediglich in einem Drittel der Fälle auf einen erfolgreichen Transfer hinweisen, zeigen die detaillierten Fallanalysen, dass alle Lernenden einen Transfer erbracht haben, der jedoch in vielen Fällen von den normativen Erwartungen abweicht:

„[...] the actor’s point of view allows an investigation of the particular ways in which students interpret the meaning of slope, staircases, steepness, and so on.“ (Lobato, 2012, S. 236)

In diesem Zusammenhang ermöglicht die Einnahme der AOT Perspektive das Offenlegen von unerwarteten Interpretationen von Transferaufgaben und Verknüpfungen zu vorhergehenden Lernerfahrungen. Es ist somit möglich Elemente mathematischen Verstehens zu identifizieren, die aus der Perspektive von Expertenmodellen häufig implizit und verborgen bleiben (Lobato, 2012, S. 236).

3. Gegenstand eines Transfers:

Dadurch, dass in der AOT Perspektive die individuellen Begriffs- und Situationsinterpretationen in den Vordergrund gestellt werden und diese in vielen Fällen von den normativen Zielsetzungen der Lehrenden oder Forschenden abweichen, wird eine neue Frage nach dem Gegenstand eines Transfers aufgeworfen. Während dieser aus Perspektive der Kognitionspsychologie normativ als Anwenden bestimmter Verfahren definiert ist, muss der Gegenstand des Transfers („what transfers?“; Lobato, 2012, S. 237) im AOT Modell zunächst in den Bearbeitungen der Lernenden identifiziert werden. Dadurch wird die Rekonstruktion und das Verstehen der Interpretationen und Verknüpfungen durch die Lernenden zum zentralen Erkenntnisinteresse.

„[...] there is one important distinction between the nature of knowledge studied in mainstream cognitive accounts (particularly the common elements approach) and AOT, namely, the transfer of well-defined actions and strategies versus a more holistic conceptualization.“ (Lobato, 2012, S. 237)

Aufbauend auf ihrem ganzheitlichen Konzept von Transfer bezeichnet Lobato (2012, S. 238) den Transfer des Schülers im zuvor geschilderten Fallbeispiel zur Bestimmung der Steigung einer Rutsche als „vollständig“. Obwohl argumentiert werden könne, dass es sich in diesem Beispiel lediglich um einen partiell erfolgreichen Transfer im Sinne einer unvollständigen Abbildung der symbolischen Repräsentation des Differenzenquotienten auf die diagrammatische Abbildung der Rutsche handelt. Der Schüler bestimmt die vertikale Änderung korrekt und macht lediglich einen Fehler bei der Ermittlung der horizontalen Änderung. Zudem erinnert sich der Schüler an die Steigungsformel kann diese auch korrekt zur Berechnung des Verhältnisses der zuvor gemessenen Werte benutzen. Lobato (2012, S. 238) argumentiert, dass der Schüler die Steigung einer Geraden im Kontext einer Treppe interpretiert und daher auf die Vorstellung einer Treppenstufe zurückgreift. Da der Schüler entsprechend dieser individuellen Konzeption von Steigung handelt, sei der Transfer vollständig, ungeachtet dessen, dass das hier rekonstruierte Konzept von Steigung für sich genommen problematisch sei: Der Schüler konzeptualisiert die Steigung als Kombination zweier Zahlen, der vertikalen und der horizontalen Änderung. Er stellt jedoch keinen multiplikativen Zusammenhang zwischen den beiden Größen her und deutet diese Änderungen nicht als Verhältnis, sondern im Sinne einer Differenz. Das hat zur Folge, dass er zwar die Steigungsformel korrekt erinnert und anwendet, jedoch die falschen Werte zur Berechnung benutzt. Die Auswahl der Werte für die Länge der Leiter und die Länge des Plateaus lässt darauf schließen, dass er die Steigung nicht mit einer Geraden verbindet, sondern mit der Gesamtkonstruktion einer Rutsche in der Aufgabe. Somit trennt der Schüler auf konzeptueller Ebene die Steigung von der Geraden, wodurch das Objekt, um das es eigentlich in dieser Aufgabe geht, in seiner Berechnung nicht vorkommt (vgl. Lobato, 1996, S. 99 ff.).

Dieses Fallbeispiel verdeutlicht, dass im Rahmen der AOT Perspektive nicht die Anwendung einer klar definierten Wissensstruktur im Vordergrund steht, sondern Transfer als ein dynamischer Prozess der Konstruktion von Zusammenhängen und Gemeinsamkeiten konzeptualisiert wird. Aus diesem Grund reicht es nicht aus festzustellen, welche Verfahren und Fertigkeiten die Lernenden in einer Transfersituation benutzen und anwenden, sondern es muss jeweils im Einzelfall betrachtet werden, welche Zusammenhänge und Gemeinsamkeiten Lernende tatsächlich konstruieren.

„[...] in actor-oriented transfer, the metaphor of construction replaces that of application. Relations of similarity are constructed or produced, not simply perceived or encoded. As a result, transfer situations are no longer viewed as static and unchanging but rather are dynamic sites for invention and reorganization.“ (Lobato & Siebert, 2002, S. 90, Hervorhebungen im Original)

Lockwood (2011) untersuchte in einer Studie die Verbindungen, die Lernende zwischen verschiedenen kombinatorischen Zählproblemen herstellen. Als Ergebnis ihrer qualitativen Analysen von Aufgabenbearbeitungen in Paaren charakterisiert sie verschiedene Typen von Verbindungen, die aus der Expertenperspektive beobachtet werden können. Sie unterscheidet (2011, S. 311) zunächst zwischen explizierten Verbindungen („elaborated connections“) und beiläufigen Verbindungen („unelaborated connections“). Explizierte Verbindungen charakterisiert sie dadurch, dass die Lernenden in ihrer Kommunikation darlegen, welche Verbindungen sie zu vorhergehenden Anforderungs- oder Lernsituationen herstellen und warum sie diese Verbindungen herstellen. Verbindungen, die erkennbar von Lernenden hergestellt, jedoch nicht weiter erläutert werden, bezeichnet Lockwood als beiläufige Verbindungen: „[...] such utterances provide only limited insight into student thinking“ (Lockwood, 2011, S. 311).

Für eine weitere Charakterisierung von hergestellten Verbindungen unterscheidet Lockwood (2011, S. 311 f.) zwischen konventionellen („conventional“) und unkonventionellen Verbindungen („unconventional connections“). Konventionelle Verbindungen sind auf strukturelle Ähnlichkeiten der Anforderungen zurückzuführen, die aus der Perspektive des beobachtenden Experten nachvollziehbar sind. Im Gegensatz dazu beschreibt Lockwood Verbindungen, die nicht auf strukturelle Ähnlichkeiten zurückgeführt werden können: „Instances of unconventional AOT occur when students relate situations that an expert or observer might not find mathematically isomorphic“ (Lockwood, 2011, S. 312, Hervorhebung im Original).

Zuletzt kann zwischen Typen von Referenzen unterschieden werden, auf die sich die Lernenden beziehen: Lernende können sich auf einzelne Aufgaben („particular problems“), Aufgabentypen („problem types“) oder Techniken bzw. Strategien („techniques/strategies“) beziehen (Lockwood, 2011, S. 312 f.). Lockwood vermutet, dass die Typen der Referenz einer Hierarchie unterliegen und sich Lernende zu Beginn vor allem an einzelne Aufgaben erinnern und sich auf diese beziehen. Mit zunehmender Erfahrung nehmen die Lernenden Verallgemeinerungen vor, in denen sie einzelne Aufgaben in Aufgabenkategorien zusammenfassen, die im weiteren Lernverlauf die Form von allgemeinen Strategien und Techniken annehmen.

Lockwood (2011, S. 321) merkt an, dass die Unterscheidungen von unterschiedlichen Typen sich sehr stark auf ihre Beobachtungen im Inhaltsbereich der Kombinatorik beziehen, jedoch Anknüpfungspunkte für die Klassifizierung von Verbindungen bieten, die Lernende in anderen Inhaltsbereichen herstellen.

4. Ziele und Methoden empirischer Untersuchungen:

Im Gegensatz zur „traditionellen“ Transferforschung, in der die Dokumentation von erfolgreichem und ausbleibendem Transfer, die Bewertung der Transferfähigkeit von unterschiedlichen Wissensstrukturen sowie die Evaluation von Instruktionsmethoden und Lernkonditionen hinsichtlich einer Förderung von Transfer im Vordergrund stehen (Lobato, 2012, S. 239), ist eine zentrale Grundannahme des AOT Modells, dass Menschen ihre Lernerfahrungen immer generalisieren und folglich per Definition immer Transfer stattfindet. Die Befunde ausbleibenden Transfers, wie sie in vielen kognitionspsychologischen Transferstudien festgestellt werden, erklärt die AOT Perspektive insbesondere damit, dass unerfahrene Lernende nur selten dieselben Verbindungen wie Experten herstellen und folglich ihre Transfererfolge vor den normativen Setzungen und quantitativen Verfahren verborgen bleiben. Das primäre Ziel der AOT Perspektive sei daher nicht, festzustellen, ob Transfer stattgefunden habe oder nicht, sondern die individuellen Verknüpfungen und Generalisierungen zu verstehen, die Lernende in Lern- und Transfersituationen konstruieren:

„Therefore, the goal of AOT studies is not to obtain transfer (as it is already assumed to occur) but rather understand the interpretative nature of the connections that people construct between learning and transfer situations, as well as the socially situated processes that give rise to those connections.“ (Lobato, 2012, S. 239)

Das bedeutet, dass ein Transfer nicht an der Richtigkeit von Aufgabenbearbeitungen festgemacht wird, sondern auch falsche Bearbeitungen einen Transfer im Sinne von individuellen Generalisierungen beinhalten, die jedoch rekonstruiert und verstanden werden müssen. Lobato weist darauf hin, dass die AOT Perspektive, genau wie alle anderen Zugänge zum Transfer, auf die Richtigkeit von Aufgabenbearbeitungen und die Entwicklung von Expertise bei den Lernenden abzielt, diese jedoch nicht als Voraussetzung für das Auftreten von Transfer betrachtet (vgl. Lobato, 2012, S. 239).

Die Erfassung und Rekonstruktion der individuellen und daher in vielen Fällen unerwarteten Gedankengänge und Generalisierungen der Lernenden erfolgt über den Einsatz qualitativer Methoden. Typische AOT Forschungsdesigns beruhen auf ausgedehnten und konzeptionell-orientierten Instruktionsphasen im Klassenverbund, gefolgt von der Bearbeitung von Transferaufgaben in klinischen Interviewsituationen (Lobato, 2012, S. 238; vgl. auch Lobato & Siebert, 2002). Alternative Forschungsdesigns sind auch Serien von klinischen Interviews (vgl. Wagner, 2006) oder die Analyse von Unterrichtssituationen in Kleingruppen bei der Bearbeitung von Transferaufgaben (vgl. z. B. Ellis, 2007). Zur Isolierung der Erfahrungen, die die Generalisierungen der Lernenden beeinflussen, ist es hilfreich mit Lernenden zu arbeiten, die über nur wenig Wissen über die Studieninhalte verfügen und in jedem Fall das Vorwissen der Lernenden zu erheben (Lobato, 2012, S. 238). Die Interviewprotokolle werden qualitativ analysiert, z. B. mittels einer offenen Kodierung im Rahmen der Grounded Theory (vgl. Corbin & Strauss, 1990), und die Bearbeitungen der Lernenden hinsichtlich ihrer Lösungsstrategien, angenommenen Verständnisse und Sinnzuschreibungen bezogen auf die Transferaufgaben kategorisiert. Schließlich werden die Analysen der Schülerbearbeitungen mit den Lernmaterialien und, sofern vorhanden, Daten aus den Instruktionsphasen abgeglichen, um mögliche Einflüsse auf die individuellen Konstruktionen der Lernenden zu identifizieren (vgl. „focusing phenomena“, siehe oben).

Insgesamt formuliert Lobato in ihrem AOT Modell eine integrative Theorie von Transfer, in der sie Elemente kognitionspsychologischer Modelle und Ansätze der Situierten Kognition vereint. Im Kern stehen dabei die folgenden Aspekte:

  1. 1.

    Es findet immer ein Transfer zwischen Lern- und Transferanforderungen statt.

  2. 2.

    Ein Transfer besteht nicht in der Übertragung und/oder Anwendung einer abstrakten Wissensstruktur in einer unbekannten Anforderungssituation, sondern wird als individuelle Konstruktion von Ähnlichkeit zwischen Anforderungssituationen konzeptualisiert, denen individuelle Generalisierungen der Lernenden zugrunde liegen.

  3. 3.

    Transfer bzw. die Konstruktion von Ähnlichkeit und die Generalisierung von Lernerfahrungen sind dynamische und interpretative Prozesse der Lernenden.

  4. 4.

    Das Ziel ist es, die individuellen Generalisierungen der Lernenden zu rekonstruieren und die aus ihnen resultierenden Interpretationen in Hinsicht auf die konstruktive Entwicklung im Unterricht zu verstehen.

  5. 5.

    Zur Rekonstruktion der individuellen Konstruktionen der Lernenden bedarf es der Einnahme der Perspektive der Lernenden.

Lobato argumentiert, dass Transfer keine Abbildung statischer mentaler Repräsentationen ist, sondern ein dynamischer Prozess, in dem die Lernenden auf Grundlage ihrer vorhergehenden Erfahrungen neue und unbekannte Situationen erschließen, ihnen Bedeutungen geben und allgemein Ähnlichkeiten zwischen dem Bekannten und dem Unbekannten herstellen. Damit sieht sie Transfer nicht als Folge bzw. Ergebnis erfolgreichen Lernens, sondern verortet Transfer als konstitutives Element im Prozess des Lernens, in dem vorhandene Erfahrungen genutzt werden, um neue Zusammenhänge und Bedeutungen zu erschließen und das vorhandene Wissen zu erweitern.

Die Konstruktion von Ähnlichkeit zwischen Anforderungssituationen steht auch im Kern kognitionspsychologischer Transfermodelle, wie zum Beispiel dem Transfer durch Analogiebildung. Dabei werden jedoch sehr unterschiedliche Ziele verfolgt. Im Rahmen kognitionspsychologischer Ansätze auf Grundlage der Informationsverarbeitung wird Ähnlichkeit vorwiegend auf der Basis von abstrakten Wissensrepräsentationen beschrieben. Ziel ist es, strukturelle Gemeinsamkeiten zwischen Anforderungen zu erkennen, aus dem Kontext zu lösen und in dekontextualisierter bzw. abstrakter Form zu speichern, womit die Annahme verbunden ist, dass abstraktes, schematisches Wissen besser auf neue analoge Situationen übertragen werden kann als kontext-gebundenes Wissen (vgl. Kaminski, Sloutsky & Heckler, 2008, S. 454). Das AOT Modell kontrastiert diesen Ansatz, ähnlich wie Bauersfelds SEB-Modell, mit Bezug auf die Bereichs- bzw. Situationsspezifität von Wissen. Lobato argumentiert dabei, dass insbesondere das Wissen von Lernenden in frühen Lernstadien sehr stark an Kontexte gebunden ist. Kontext wird hier nicht als Hindernis für Transfer betrachtet, sondern produktiv als Mittler für Transfer in Form von Generalisierungs- und Verallgemeinerungsprozessen:

„One way in which a concept may become more robust and general is due to the abstractness of mental representations, which background contextual details.“ (Lobato, 2012, S. 243)

Dem Prozess der Abstraktion als Herauslösen einer Struktur aus dem Kontext stellt Lobato (vgl. 2012, S. 243) den Prozess des Strukturierens im Sinne einer „reflektiven Abstraktion“ (Piaget, 1977; vgl. Dubinsky & Lewin, 1986) gegenüber. Im Gegensatz zur Abstraktion einer Struktur aus einer Situation bezeichnet reflektive Abstraktion einen konstruktiven Prozess, in dem Lernende ihre eigenen Gedanken reflektieren und somit auf Grundlage ihrer individuellen Erfahrungen Gemeinsamkeiten erkennen und diese strukturieren:

„Reflective abstraction includes the act of reflecting on one’s cognitive actions and coming to perceive a collection of thoughts as a structured whole. As a result, the subject can now encapsulate the structure, and see it as an alignment for other structures.“ (Dubinsky & Lewin, 1986, S. 63)

In diesem Zusammenhang wird die Generalität einer mentalen Struktur durch die zunehmende Komplexität des repräsentierten Konzepts und die Verknüpfung mit vielfältigen Anwendungsbezügen unterstützt (vgl. Wagner, 2006). Das bedeutet, dass die Generalität einer Wissensstruktur durch das Wiedererkennen selbiger in verschiedenen Kontexten und Anwendungssituationen gefördert wird. Entscheidend dabei sind jedoch nicht allein die Vielfalt der erarbeiteten Anwendungsbezüge, sondern die Verbindungen, die Lernende selbst zwischen diesen konstruieren: „Relations of similarity are constructed or created, not simply perceived or encoded“ (Lobato & Siebert, 2002, S. 111).

Ein Verständnis dieser individuellen Konstruktionen von Ähnlichkeit und Allgemeinheit bei der Bearbeitung von Transferaufgaben liefert wertvolle Anhaltspunkte hinsichtlich der Entwicklung mentaler Repräsentationen von mathematischen Inhalten und Zusammenhängen. Die Detailanalysen der individuellen Konstruktionen sollen insbesondere Hinweise geben, wie Lernende ohne umfassendes Expertenwissen in ihrem Lernprozess unterstützt werden können.

1.4.3 Zusammenfassung

Die in diesem Kapitel dargestellten Theorien von Transfer integrieren die Grundlagen der menschlichen Informationsverarbeitung und formulieren ausgehend vom Aufbau mentaler Wissensrepräsentationen eine für das Mathematiklernen spezifische Erklärung von Transfer.

Bauersfeld (1983) formuliert mit seinem SEB Modell einen Ansatz zu einer „Interaktionstheorie mathematischen Lehrens und Lernens“ (Bauersfeld, 1983, S. 49), in dem er Elemente der Kognitionspsychologie im Rahmen einer integrierenden Theorie mit individuellen und sozialen Aspekten des Mathematiklernens verbindet. In seinem Modell beschreibt er Lernen als den Aufbau mentaler Wissensrepräsentationen in Form von SEB’en, die im Gegensatz zum Schemabegriff in der Kognitionspsychologie nicht nur Informationen über die Durchführung einer Handlung beinhalten, sondern zudem auch die individuell und subjektiv wahrgenommenen Situationsbedingungen abbilden. Diese Wissensrepräsentationen sind untrennbar von den Situationen ihres Aufbaus und somit in höchstem Maße bereichsspezifisch. Begriffe, Strategien und Prozeduren können zwar allgemein gedacht werden, sind jedoch nicht allgemein verfüg- und anwendbar. Für einen Transfer ist es somit notwendig Beziehungen zwischen voneinander getrennten SEB’en herzustellen und diese in einem neu gegründeten SEB zusammen zu führen. Das Modell der SEB’e betont die Subjektivität und Individualität der aufgebauten Wissensstrukturen und bietet speziell für das Lernen von Mathematik eine Theorie von Transfer und Erklärungsansätze hinsichtlich dem Ausbleiben und der Fehleranfälligkeit der Wissensanwendung von Lernenden.

Lobatos (1996; 2012) AOT Modell wurde im Gegensatz zu Bauersfelds SEB Modell nicht mit dem Anspruch einer ganzheitlichen Theorie des Mathematiklernens entwickelt, sondern als Erweiterung kognitionspsychologischer Modelle von Transfer. Ungeachtet dieser epistemologischen und auch der zeitlichen Distanz der beiden Modelle finden sich deutliche Parallelen in ihren Argumentationen. Im Kern des AOT Modells steht die Bereichsspezifität und Individualität menschlicher Wissensstrukturen. Mentale Wissensrepräsentationen sind keine direkte Abbildung des Lerninhalts, sondern enthalten auch die subjektiv wahrgenommenen Eigenschaften der Lernsituation. In einem dynamischen Prozess konstruieren Lernende in Transfersituationen Ähnlichkeiten zwischen bereits vertrauten Sachzusammenhängen und der neuen und unbekannten Situation, indem sie die neue und unbekannte Situation auf Grundlage ihrer vorhergehenden Erfahrungen interpretieren und ihr eine Bedeutung geben. Durch die Interpretation einer neuen Situation auf Grundlage vorhergehender Erfahrungen kommt es zu Generalisierungen durch die Lernenden, in denen Ähnlichkeiten zwischen Lern- und Transfersituation konstruiert werden. Durch diese Generalisierungen wird es möglich die Transfersituation als Ausprägung vorhergehender Erfahrungen zu betrachten, was in der AOT Perspektive einen Transfer definiert:

„[...] transfer occurs when an individual construes that she can treat a different situation as an instance of something about which she has already thought.“ (Johnson, McClintock & Hornbein, 2017, S. 852)

Die Generalisierungsprozesse der Lernenden, die im AOT Modell einen Transfer bestimmen, können im Rahmen des SEB Modells als Gründung eines neuen vergleichenden und wiederum bereichsspezifischen SEB’s interpretiert werden, in dem die Elemente von verschiedenen SEB’en bzw. Situationen in Hinsicht auf einen neuen Sachzusammenhang in Beziehung gesetzt werden. Die Verknüpfung von SEB’en sowie auch die individuellen Generalisierungen der Lernenden beruhen auf den subjektiven Sinnzusammenhängen, die Lernende konstruieren. In beiden Modellen werden diese Prozesse als in höchstem Maße individuell beschrieben. Bleiben diese Generalisierungen bzw. die Gründung eines vergleichenden SEB’s aus, kann es zu Ersatzkonstruktionen und fehlerhaften Schlüssen durch die Lernenden kommen, wie es im Fallbeispiel zur Steigung einer Rutsche dargestellt wurde, die eine neue Situation allein auf Grundlage eines vertrauten SEB’s bzw. einer vertrauten Situation interpretieren.

Die in beiden Modellen hervorgehobene Individualität und Subjektivität der Konstruktionen von Ähnlichkeit bzw. der Verknüpfung von SEB’en hat zur Folge, dass der Gegenstand eines Transfers, also das, was die Lernenden transferieren, sehr individuell ist und nicht mit dem übereinstimmen muss, was auf normativer Ebene erwartet wird. Aus diesem Grund wird argumentiert, dass für eine Analyse von Transfer die Perspektive der Lernenden eingenommen werden muss, um die Zusammenhänge, die Lernende zwischen Situationen herstellen, verstehen zu können.

Zuletzt definieren beide Modelle Transfer nicht als statische Abbildungen von Wissen, sondern als dynamische Prozesse, die in einen Lernprozess eingebunden sind. Bauersfeld beschreibt SEB’e als mentale Repräsentationen, die einen „Prozeßcharakter“ und eine „Wandlungsgeschichte“ (Bauersfeld, 1983, S. 2) haben. In ähnlicher Weise beschreibt Lobato Transfer als einen dynamischen Prozess, in dem die Lernenden auf Grundlage ihrer vorhergehenden Erfahrungen neue und unbekannte Situationen erschließen und ihnen eine Bedeutung geben. In beiden Modellen führt ein Transfer zur Bedeutungszuschreibung von Situationen, Objekten und Handlungen und in diesem Zusammenhang zu der Entwicklung von konzeptionellem Wissen.

1.5 Fazit und Forschungsdesiderata

Die Darstellung und Diskussion der aufgeführten Transfertheorien und -Modelle zeigt auf, dass die Theorien einander nicht widersprechen, sondern verschiedene Aspekte desselben Phänomens aus unterschiedlichen Perspektiven beschreiben.

Kognitionspsychologische Theorien erklären Transfer auf Grundlage von Modellen der menschlichen Informationsverarbeitung. Die Übertragung von Wissen wird im Allgemeinen als Abruf und Anwendung von Wissensstrukturen konzeptualisiert, die als mentale Repräsentationen in Form abstrakter Schemata im Langzeitgedächtnis abgespeichert sind. Eine zentrale Grundannahme ist hierbei, dass der Grad der Abstraktion und der Loslösung vom Lernkontext einen wesentlichen Einfluss auf die Möglichkeit der Anwendung einer Wissensstruktur in neuen und unbekannten Situationen hat. Es wird beschrieben, dass Wissen zunächst bereichsspezifisch ist und insofern zunächst nur in Form eines nahen Transfers auf Anforderungen übertragen werden kann, die der Lernsituation sehr ähnlich sind. Mit zunehmender Verallgemeinerung und Dekontextualisierung der Anwendungsbedingungen und grundlegender Beziehungsstrukturen einer Wissensstruktur wird erwartet, dass diese flexibel im Rahmen von weiten Transferanforderungen angewendet werden kann. Ein wichtiger Transfermechanismus im kognitionspsychologischen Paradigma ist die Bildung von Analogien. Das Herausarbeiten von gemeinsamen Strukturen verschiedener Situationen soll einerseits die Abstraktion einer Wissensstruktur unterstützen und gleichzeitig die Möglichkeit bieten vorhandenes Wissen auf unbekannte Anforderungssituationen zu übertragen.

Die zentralen empirischen Befunde weisen jedoch darauf hin, dass Lernende nur selten spontan die entscheidenden Strukturelemente für die Bildung von Analogien identifizieren und ein Transfer häufig ausbleibt, insbesondere dann, wenn die Ausgangs- und Zielsituation sich in ihren Oberflächenmerkmalen und Tiefenstrukturen, d. h. den beinhalteten Objekten, Handlungen und Relationen, deutlich unterscheiden. In vielfältigen experimentellen Untersuchungen wurde die Wirkung verschiedener Instruktionsmethoden evaluiert, die einerseits den Aufbau abstrakter und damit flexibel anwendbarer Wissensstrukturen unterstützen und somit die Wahrscheinlichkeit eines Transfers durch die Lernenden erhöhen. Hervorzuheben sind hierbei das „analoge Vergleichen“ sowie das Lernen mit Lösungsbeispielen. Beim analogen Vergleich erhalten die Lernenden differenzierte Anweisungen zum Vergleich von analogen Problemstellungen, die das Herausarbeiten von gemeinsamen Strukturen und Unterschieden zwischen zwei Anforderungen anregen und somit unmittelbar auf das Herausarbeiten einer abstrakten Struktur und das Loslösen aus dem Kontext abzielen. Das Lernen mit Lösungsbeispielen ist im Gegensatz dazu eher eine Methode zur Aneignung von Wissen für Lernende mit geringen Vorkenntnissen. Im Rahmen von ausführlich kommentierten Aufgabenlösungen werden Lernende auf die zentralen Elemente einer Aufgabenlösung hingewiesen und z. B. durch den Einsatz fokussierender Fragestellungen dazu angehalten, entscheidende Aspekte und Lösungsschritte selbst zu erläutern, wodurch insbesondere der Aufbau von adäquaten Wissensstrukturen unterstützt wird, die Grundlage für eine Anwendung in neuen und unbekannten Anforderungen sind.

Die Möglichkeit der Ausbildung abstrakter Wissensrepräsentationen und der Loslösung einer Wissensstruktur von ihrem Kontext wird von Vertretern der Situierten Kognition angezweifelt. Sie setzen der Annahme der Existenz von bereichsunabhängigem Wissen entgegen, dass Lernen stets in der Interaktion von Lernenden mit ihrer Umwelt geschieht und das entstehende Wissen somit immer untrennbar an die Gegebenheiten der Lernsituation gebunden istFootnote 13. Anstelle der abstrakten Repräsentation von Wissen als Entität in den Köpfen von Individuen, stellen sie die dynamische mentale Repräsentation von Handlungen in den Vordergrund. Handlungen sind stets in einen Kontext eingebunden, der den Rahmen für die Möglichkeiten und Einschränkungen für das Handeln einer Person gibt. Für die Übertragung auf eine neue Situation muss eine Handlung verändert und an die Eigenschaften, d. h. Möglichkeiten und Einschränkungen, der neuen Situation angepasst werden. Durch diese Transformation verändert sich nicht nur die Handlung selbst, sondern auch die zugrundeliegenden Handlungsrepräsentationen der Lernenden. Somit beschreiben Vertreter der Situierten Kognition Transfer vor allem als Anpassung einer Handlung und ihrer mentalen Repräsentation an die situativen Zustände einer neuen Anforderungssituation. Dadurch entwickeln sie ihr Verständnis von verschiedenen Situationen, was zu einer Veränderung der individuellen Wahrnehmung von Situationen und Handlungen führt und ihnen eine zunehmende Teilhabe an sozial geteilten Aktivitäten ermöglicht.

Die dargestellten Perspektiven der Kognitionspsychologie und Situierten Kognition erklären und beschreiben Transfer auf einer inhaltsübergreifenden Ebene. Wesentliche Elemente dieser Theorien finden sich in den Darstellungen integrierender Theorien zum Transfer beim Mathematiklernen wieder. Der Ausgangspunkt für die Übertragung von mathematischem Wissen ist die Ausbildung von mentalen Wissensrepräsentationen mathematischer Inhalte. Diese werden entgegen des kognitionspsychologischen Schemabegriffs nicht als symbolisch und abstrakt, sondern als bereichs- und situationsspezifisch in Form individueller Erfahrungsbereiche oder Vorstellungen konzeptualisiert. Diese gründen sich als Handlungserfahrungen in bestimmten Situationen und bilden zu Beginn meist keine abstrakte inhaltliche Struktur ab, sondern subjektiv wahrgenommene Eigenschaften der Situation. Über die Aktivierung in verschiedenen Anwendungssituationen werden individuelle Vorstellungen und Erfahrungsbereiche miteinander koordiniert und verknüpft, wodurch sie ein dynamisches Netzwerk bilden, das einer ständigen Entwicklung unterliegt. Vor diesem Hintergrund kann Transfer als Koordination von Erfahrungsbereichen beschrieben werden, wodurch bestehende Wissensstrukturen aktiviert und weiterentwickelt werden.

Während experimentelle Studien in der Kognitions- und Instruktionspsychologie Transfer zumeist anhand von Lösungsraten von Aufgaben im Sinne einer abgeschlossenen Transferleistung konzeptualisieren, vermitteln die Perspektiven der Situierten Kognition und integrierende Modelle zum Mathematiklernen eine dynamische Sicht auf Transfer im Sinne von Prozessen, die einer Entwicklung unterliegen und individuell unterschiedlich verlaufen. Hinsichtlich der empirischen Erfassung und Beschreibung von Transfer und den damit einhergehenden Entwicklungen und Prozessen erscheint es hilfreich entgegen einer statischen Definition von Transfer als Anwendung und Übertragung von Wissen auf neue Anforderungssituationen eine dynamische Definition von Transfer als Transferprozess zu formulieren: Ein Transferprozess ist der Prozess der Übertragung einer vorhandenen Wissensstruktur auf ein neues Anwendungsgebiet. Dabei kann die Art der Wissensstruktur sowie der Ursprung und das Ziel eindeutig identifiziert werden.

Forschungsdesiderata

Aus den Darstellungen in diesem Kapitel lassen sich im Hinblick auf die in der Einleitung aufgeführten Fragestellungen folgende Forschungsdesiderata herausstellen:

Transferprozesse in einer langfristigen Konzept- und Begriffsentwicklung: :

Die meisten Transferstudien mit mathematischem Untersuchungsgegenstand bilden formal-schematische und algorithmische Inhalte ab, die sich allein auf Kalküloperationen beschränken, ohne die zugrundeliegenden begrifflichen und konzeptuellen Zusammenhängen zu berücksichtigen. Inhaltlich finden sich zahlreiche Interventionsstudien zu algebraischen Termumformungen (vgl. z. B. Cooper & Sweller, 1987) und elementarer Wahrscheinlichkeitsrechnung (vgl. z. B. Chow & Van Haneghan, 2016; VanderStoep & Seifert, 1993). Die Lernerfolge der Interventionen bzw. der verglichenen Instruktionsmethoden werden über den Vergleich der Leistungen in Vortests und Nachtests mit Transferaufgaben gemessen. Dabei bleibt weitgehend offen, inwieweit die Probanden ein Verständnis für die vermittelten Verfahren und Inhalte entwickelt haben oder ob sie lediglich gelernt haben, die Bedingungen zur Anwendung von Algorithmen oder Formeln zu erkennen und diese fehlerfrei zu reproduzieren (vgl. z. B. VanderStoep & Seifert, 1993). Zudem wird häufig nur ein geringer Bruchteil des inhaltlichen Bereichs abgebildet. Transferprozesse im Rahmen der Entwicklung eines inhaltlichen Verständnisses mathematischer Inhalte finden sich nur vereinzelt in (Einzel-)Fallstudien zum empirischen Gesetz der großen Zahlen (Wagner, 2006), der Anwendung kombinatorischer Zählstrategien (Lockwood, 2011) und zum Steigungsbegriff bei linearen Funktionen (Lobato, 1996; Lobato & Siebert, 2002; vgl. auch Hohensee, 2014). Diese Fallstudien operieren vor allem auf deskriptiver Ebene, indem sie individuelle Generalisierungen der Lernenden in einem eng umgrenzten Inhaltsbereich beschreiben. Mit Ausnahme der Untersuchungen von Lobato und Kollegen (1996; 2002) finden sich nur sehr wenige Befunde zu begriffsbildenen Lernprozessen, in denen über längeren Zeitraum ein beziehungsreiches Verständnis eines mathematischen Konzepts oder Inhalts aufgebaut und entwickelt wird. Auch die Arbeiten von Lobato und Kollegen zum Steigungsbegriff beschränken sich auf den Umgang mit linearen Funktionen, in denen lediglich Anwendungen auf neue Sachkontexte thematisiert werden. Ein Transfer auf andere Funktionstypen und Repräsentationen (z. B. tabellarische Darstellungen) wird nicht untersucht. Entsprechend finden sich auch keine empirischen Untersuchungen über die Erweiterung eines Zahlbereichs, insbesondere der positiven rationalen Zahlen, in denen neue Zahlen eingeführt und in bestehende Zahlkonzepte integriert werden.

Einfluss individueller Erklärungsmodelle auf Transferprozesse: :

In den meisten Untersuchungen zum Transfer von mathematischen Inhalten werden die Effekte verschiedener Instruktionsmethoden miteinander verglichen und Einflüsse verschiedener Präsentationsformen von Inhalten und Materialien über die Leistungsmessung mit Transferaufgaben evaluiert. Negativer Transfer sowie das Ausbleiben von Transfer werden dabei zumeist auf Defizite in der Lernphase zurückgeführt und durch positive und negative Einflüsse der Lernmaterialien und Lern- und Instruktionsmethoden erklärt. Die individuellen Erklärungsmodelle der Lernenden werden nur in wenigen Fällen (siehe Studien zur AOT-Perspektive) erhoben und rekonstruiert. Hierbei wird zudem selten einbezogen, inwieweit bereits vorhandene (Vor-)Wissensstrukturen und darauf aufbauende individuelle Erklärungsmodelle neue Lern- und Transferprozesse beeinflussen. Die Zahlbereichserweiterung von den natürlichen zu den positiven rationalen Zahlen gilt als besonders schwieriger Prozess, weil bereits bestehende Zahl- und Operationskonzepte erweitert und neu strukturiert werden müssen. In diesem Prozess nehmen individuelle Erklärungsmodelle einen bedeutenden Einfluss auf die Begriffsentwicklung der Lernenden und führen zu schwerwiegenden Problemen durch ausbleibenden oder negativen Transfer, bei dem es zu fehlerhaften Strukturübertragungen durch die Lernenden kommt (vgl. Wartha, 2007). Die Entwicklung individueller Denkmuster und Wissensstrukturen im Allgemeinen wird in Transferstudien mit mathematischem Untersuchungsgegenstand zumeist nicht untersucht. Vielmehr wird über die Ergebnisse in Leistungstests mit Transferaufgaben indirekt auf den Erfolg oder Misserfolg dieser Entwicklungsprozesse zurück geschlossen.

Untersuchungsfokus: :

Viele Studien zum Transfer mit mathematischem Untersuchungsgegenstand stellen lediglich die Frage, ob ein Transfer erfolgt ist oder nicht. Nur in wenigen Ausnahmen (siehe Studien zur AOT-Perspektive) werden Prozesse des Transfers untersucht. Diese Untersuchungen arbeiten jedoch ausschließlich auf deskriptiver Ebene und beschreiben individuelle Lernentwicklungen unabhängig von normativen Zielsetzungen, wie sie in einem schulischen Kontext getroffen werden. Inwieweit sich Transferprozesse, die auf Grundlage von normativen, didaktischen und insbesondere stoffdidaktischen Überlegungen im Lernprozess angezielt werden, in den individuellen Lernprozessen der Lernenden abbilden, ist bisher nur wenig untersucht worden.

Probanden, Untersuchungsfeld&Untersuchungsmethoden: :

Bis auf wenige Ausnahmen werden Studien mit Studierenden unter Laborbedingungen mit größtenteils quantitativen Methoden durchgeführt. Die wenigen qualitativen Untersuchungen von individuellen Lernprozessen werden ebenfalls fast ausschließlich mit Studierenden in Laborversuchen durchgeführt und Daten werden nahezu ausschließlich mit der Methode des „Lauten Denkens“ erhoben (Ericsson & Simon, 1993). Auf welche Weise sich Transferprozesse in authentischen schulischen Unterrichtssituationen über einen längeren Zeitraum darstellen und erheben lassen, ist bisher nur wenig untersucht.

Transfer in kooperativen Lernkontexten: :

In den wenigen qualitativen Untersuchungen zum Transfer beim Mathematiklernen werden die Daten von Lernenden in Einzelarbeit oder in Interviewsituationen erhoben. Es ließen sich keine Studien von Transferprozessen in kooperativen Lernformaten finden, die beschreiben, wie sich Transferprozesse in der Arbeit in Kleingruppen oder in Paaren darstellen.