Im vorangegangenen Kapitel 4 wurde anhand der erläuterten Modelle deutlich, dass Jugendliche zur erfolgreichen Bewältigung phasentypischer, berufswahlbezogener Aufgaben berufswahlrelevante Kompetenzen benötigen. In diesem Kapitel werden daher entsprechende theoretische Modelle vorgestellt und miteinander verglichen.

Ziel ist es, die bereits diskutierten heterogenen Bedarfe von Jugendlichen, die aufgrund unterschiedlicher Voraussetzungen sowie differierender Phasen der beruflichen Entwicklung entstehen, um einen Aspekt, nämlich den des differierenden Berufswahlkompetenzstands als zusätzliche Quelle heterogener Bedarfe, zu erweitern.

Das erste Teilkapitel (5.1) leitet die theoretischen Betrachtungen wieder mit einer begrifflichen Definition ein. Mit Blick auf das den empirischen Studien in Kapitel 10 bis 12 zugrunde liegende Berufswahlkompetenzmodell von Driesel-Lange et al. (2010) soll zunächst der Begriff der Berufswahlkompetenz umrissen werden. Die definitorische Abgrenzung erfolgt in zwei Schritten: In einem ersten Schritt wird der Kompetenzbegriff besonders in Abgrenzung zu den Begriffen der Qualifikation und Intelligenz beleuchtet. In einem zweiten Schritt soll das dieser Arbeit zugrundeliegende Verständnis von Berufswahlkompetenz in Abgrenzung zu beruflichen Kompetenzen und Qualifikationen sowie Karrierekompetenzen und berufswahlrelevanten Ressourcen hergeleitet werden. Im zweiten Teilkapitel (5.2) werden drei entsprechende Modelle erläutert. Im dritten Teilkapitel (5.3) erfolgt analog zum Abschluss des vorangegangenen Kapitels ein zusammenfassendes Fazit, indem die erläuterten Modelle kritisch bewertet und miteinander verglichen werden. Die folgenden Ausführungen stellen, wie auch das vorangegangene Kapitel, zudem eine Grundlage zur Herleitung des Berufswahlkompetenzmodells von Driesel-Lange et al. (2010) in Kapitel 6 als theoretische Grundlage der empirischen Studien in Kapitel 10 bis 12 dar.

1 Berufswahlrelevante Kompetenzen – eine begriffliche Einordnung

Das dieser Arbeit zugrundeliegende Verständnis von Berufswahlkompetenz soll in diesem Kapitel in zwei Schritten entfaltet werden. In einem ersten Schritt wird dafür der Begriff der Kompetenz als solcher beleuchtet und in Abgrenzung zu Qualifikation, Begabung und Intelligenz in seinem Verständnis geschärft.

Hartig und Klieme (2006) stellen fest, dass hinsichtlich der Kompetenz eine Vielzahl an Begriffen vorliegt, die in der Verwendung in unterschiedlichen Disziplinen wie der Psychologie, der Bildungsforschung oder der Berufspädagogik entstanden sind. Käser und Röhr-Sendlmeier (2017) bieten einen ausführlichen Überblick über die historische Entwicklung des Kompetenzbegriffs im wissenschaftlichen Diskurs verschiedener Fachdisziplinen.

Erpenbeck, Grote und Sauter (2017) identifizieren im Hinblick auf das Kompetenzverständnis vier zentrale, teils überlappende Begriffe und Funktionen. Entsprechend ihrer Einteilung werden Kompetenzen als „ökonomisierte Varianten von Bildung“, „kreative Selbstorganisationsfähigkeiten“ oder „kognitive Leistungsdefinitionen“ angesehen oder symbolisieren einen „allgemeinste[n] Handlungsrahmen“ (S. XXIV). In Abhängigkeit der jeweiligen Einteilung eignen sich nach Erpenbeck et al. (2017) entsprechend unterschiedliche Verfahren zur Kompetenzmessung bzw. -diagnostik. Maag Merki und Grob (2005) definieren Kompetenz in Anlehnung an den Kompetenzbegriff von White (1959) als das Potential erfolgreicher Bewältigung kontextspezifischer Situationen. Im gleichen Kontext beschreibt Performanz das konkrete Handeln, das zwar einerseits durch das Vorhandensein von Kompetenzen, andererseits aber auch immer durch die kontextspezifische Situation beeinflusst wird (Maag Merki & Grob, 2005).

Die im deutschsprachigen Raum wahrscheinlich bekannteste Definition von Kompetenz liefert Weinert (2001b), in der er Kompetenzen beschreibt als „bei Individuen verfügbare[n] oder durch sie erlernbare[n] kognitive[n] Fähigkeiten und Fertigkeiten […], sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten“ (S. 27–28), die zur erfolgreichen und verantwortungsvollen Lösung variierender, aber kontextspezifischer Problemstellungen benötigt werden. Damit bezieht er sich, wie bei einer vergleichenden Betrachtung verschiedener Werke (Weinert, 2001a, 2001b) sichtbar wird, auf die Handlungskompetenz, die neben fachlichen und fachübergreifenden Kompetenzen im schulischen Kontext gefördert werden soll. Eine bedeutende Stärke von Weinerts Kompetenzbegriff liegt in seiner fächerübergreifenden Anwendbarkeit. Auch das Berufswahlkompetenzmodell von Driesel-Lange et al. (2010), das die theoretische Basis der empirischen Studien in Kapitel 10 bis 12 dieser Arbeit bildet und in Kapitel 6 ausführlich dargestellt wird, begründet sein Verständnis von Berufswahlkompetenz auf Weinerts Kompetenzbegriff (Driesel-Lange et al., 2020).

Eine begriffliche Abgrenzung von Kompetenzen zu Qualifikationen nimmt Kayser (2013) über den beruflichen bzw. fachspezifischen Bezug von Qualifikationen vor, die „eher die Anforderungen des Beschäftigungssystems“ (S. 15) widerspiegeln. Auch Arnold (2010) definiert Qualifikationen in Übereinstimmung mit Kayser (2013) als „unmittelbare tätigkeitsbezogene Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten“ (S. 269), während er Kompetenzen einen „ganzheitlichen Anspruch“ (S. 269) zuspricht. Erpenbeck et al. (2017) ergänzen diese Unterscheidung durch den Hinweis auf den flexibilitätsorientierten Charakter von Kompetenz – im Sinne der Selbstorganisationsfähigkeit –, während Qualifikationen „zertifizierte[..] Ergebnisse“ aus fremdbestimmten standardisierten Prüfungssituationen darstellen.

Ein zentraler Punkt, in dem sich Kompetenz von Persönlichkeitsmerkmalen unterscheidet, ist ihre Erlernbarkeit bzw. Trainierbarkeit (Francis-Smythe, Haase, Thomas & Steele, 2013). Demgegenüber gelten Persönlichkeitsmerkmale als relativ stabil (Eysenck et al., 1975, zit. n. Francis-Smythe et al., 2013). Francis-Smythe et al. (2013) argumentieren zudem, dass persönliche Prädispositionen nicht automatisch zu einem vorhersehbaren Verhalten führen, da neben weiteren Faktoren die Motivation für ein entsprechendes Verhalten vorhanden sein muss. Weinerts (2001b) Kompetenzbegriff umfasst indes auch die motivationalen Voraussetzungen, jedoch soll an dieser Stelle zur Vollständigkeit angemerkt werden, dass mittels Kompetenz- und Leistungstests nicht die Kompetenz als solche, sondern die Performanz als beobachtbares Handeln gemessen wird (Terzer, Hartig & Upmeier, 2013).

Für die begriffliche Abgrenzung von Kompetenz zu Intelligenz schlagen Hartig und Klieme (2006) drei Merkmale (Binnenstruktur, Kontextualisierung und Erlernbarkeit) vor, anhand derer sich die beiden Konstrukte unterscheiden. Während der Intelligenzbegriff allgemeingültige und allgemein anwendbare kognitive Fähigkeiten umfasst (Ramsden et al., 2011), beziehen sich Kompetenzen auf einen spezifischen Bereich, auf den Fähigkeiten und Fertigkeiten Anwendung finden (Weinert, 2001a). Darüber hinaus verlangt der Kompetenzerwerb Erfahrung mit dem spezifischen Kontext, während Intelligenz kontextunabhängig besteht. Schließlich wird die Intelligenzleistung anhand von psychischen Prozessen, die zur Lösung der gestellten Aufgaben benötigt werden, definiert, während Kompetenzen anhand der im spezifischen Kontext bestehenden Aufgaben und Anforderungen beschrieben werden (vgl. auch Hartig & Klieme, 2006). Auch wenn neuere wissenschaftliche Erkenntnisse die Veränderbarkeit von Intelligenz durch kognitive Stimulation im Jugendalter nahelegen, handelt es sich nicht um eine Erlernbarkeit anhand spezifischer Übungen oder Anleitungen (Fink et al., 2015; Ramsden et al., 2011). So bleibt festzustellen, dass die Begriffe der Intelligenz und Kompetenz sich nah sind und über einen gemeinsamen Nenner, nämlich den der kognitiven Fähigkeiten, verfügen. Jedoch fasst Weinerts Kompetenzbegriff durch die Kontextualisierung des Problemlösebereichs den Anwendungsbereich der Kompetenzen enger als den der Intelligenz, während er durch den Einschluss sozialer, motivationaler und volitionaler Komponenten die Voraussetzungen zur Problemlösung weiter fasst.

Berufswahlkompetenz

Auch die Berufswahlkompetenz als solche muss begrifflich zu anderen bestehenden Konzepten innerhalb der Berufswahl- und Laufbahnforschung abgegrenzt und in ihrem Verständnis geklärt werden. Denn in der Berufswahl- und Laufbahnforschung finden berufswahlrelevante Kompetenzen vielfach Verwendung, jedoch unter Bezugnahme auf differierende Definitionen (vgl. Hartkopf, 2013). Der deutsche Begriff der Berufswahlkompetenz geht, wie Hartkopf (2013) darlegt, auf Dibbern (1983) zurück und bezeichnete – einem pädagogisch-normativen Verständnis folgend – die Fähigkeit, einen Beruf zu wählen und den Übergang in eine entsprechende nachschulische Ausbildung zu vollziehen (Hartkopf, 2013). Damit schuf er ein Pendant zu dem entwicklungspsychologisch geprägten Begriff der Berufswahlreife, der auf Super (1990) und Crites (1973) zurückgeht und die motivationale Bereitschaft und kognitive Fähigkeit zur Berufswahl und deren Umsetzung beschreibt (vgl. Hartkopf, 2013). Beide Begriffe – Berufswahlreife und Berufswahlkompetenz – überschneiden sich konzeptionell. Beispielsweise sieht Crites Berufswahlkompetenzen, im Sinne von selbst- und berufsbezogenem Wissen, Planungs- und Zielsetzungskompetenz sowie Problemlösekompetenz, als Teil der Berufswahlreife (vgl. Crites & Savickas, 1995; Hartkopf, 2013). Herr, Cramer und Niles (2004) wiederum definieren selbst- und berufsbezogenes Wissen, Exploration, Planungs- und Entscheidungskompetenzen sowie Sicherheit und Entschiedenheit als zentrale Voraussetzungen einer erfolgreichen beruflichen Gestaltung. Dabei ergänzen sie diese Kenntnisse und Fähigkeiten, ähnlich wie Weinert (2001b) um motivationale und volitionale Bereitschaften.

Zusammenfassend kann Berufswahlkompetenz in einem modernen Verständnis beruflicher Orientierung (KMK, 2017b; Driesel-Lange et al., 2020; vgl. auch Abschnitt 2.1) als Bündel verschiedener Kompetenzfacetten, die zur ersten Berufswahl sowie zur weiteren beruflichen Gestaltung benötigt werden, definiert werden. Innerhalb dieser breiten definitorischen Spanne variieren die inkludierten Kompetenzfacetten zwischen den verschiedenen Konstrukten (Driesel-Lange et al., 2020; Famulla, 2008). Das theoretische Modell von Driesel-Lange et al. (2010), das den hier vorliegenden empirischen Studien zugrunde liegt, beschreibt Berufswahlkompetenz, wie in Kapitel 6 weiter ausgeführt wird, in Anlehnung an Weinert (2010b) als multidimensionales Konstrukt bestehend aus selbst- und berufsbezogenem Wissen und Entscheidungs- und Planungswissen, motivationalen Einstellungen und Handlungsfunktionen (Driesel-Lange et al., 2020).

Ein Spannungsfeld hinsichtlich des Verständnisses von Berufswahlkompetenz ergibt sich im internationalen Diskurs durch die Verwendung des englischen Begriffs der career competencies. Denn weit verbreitet ist das Verständnis von career competencies als erfolgs- oder karriererelevante Kompetenzen. Ausgehend vom Konzept der boundaryless careersFootnote 1 beschreiben Defillippi und Arthur (1994) career competencies anhand von drei Wissensdimensionen (three ways of knowing). Die erste Dimension des „Warum“ (knowing why) umfasst das Wissen um motivationale Aspekte, die eigenen Werte sowie die Identifikation mit der eigenen Arbeit (Akkermans, Brenninkmeijer, Huibers & Blonk, 2013). Die zweite Dimension des „Wer“ (knowing whom) übersetzt die Fähigkeiten, soziale Ressourcen zu erkennen und diese zum Beispiel als unterstützendes Netzwerk zu aktivieren. Die dritte Dimension des „Wie“ (knowing how) bündelt karriere- und tätigkeitsbezogene Fähigkeiten (Akkermans, Brenninkmeijer, et al., 2013; Arthur, 1994). In Defillippi und Arthurs (1994) Verständnis umfassen career competencies demnach allgemeine und fachspezifische Fähigkeiten, die zur erfolgreichen Bewältigung von Herausforderungen im Arbeitskontext sowie zur aktiven Gestaltung des Berufsverlaufs, im Sinne von beruflichem Erfolg, benötigt werden. Die berufliche Orientierung tritt in ihrer Definition in den Hintergrund.

Verschiedene theoretische Konzepte und Messinstrumente, u. a. von Akkermans, Brenninkmeijer, et al. (2013) sowie empirische Studien (Eby, Butts & Lockwood, 2003) rekurrieren auf Defillippi und Arthurs (1994) Verständnis von career competencies, welches stärker die berufliche Entwicklung im Erwachsenenalter fokussiert.

Eine weitere, international weit verbreitete Definition von career competencies liefern Kuijpers und Scheerens (2006) mit ihrer Eingrenzung auf „Kompetenzen, die für alle Arbeitnehmer*innen, unabhängig ihrer spezifischen Tätigkeit, zur Entwicklung ihrer Karriere von Relevanz sind“ (S. 305; eigene Übersetzung). Unter Einbezug der vier von ihnen benannten Kompetenzbereiche – Laufbahnreflektion, berufliche Exploration, Laufbahnkontrolle / Eigenverantwortung und Selbstinszenierung – zeigt sich, dass ihr Verständnis von career competencies stärker auf die berufliche Entwicklung und den beruflichen Erfolg bezogen ist (Kuijpers & Scheerens, 2006). Mit Blick auf ein international einheitliches Verständnis von career competencies und der Verwendung standardisierter Konstrukte zur Kompetenzdiagnostik sollte Kongs Hinweis (2010, zit. n. Francis-Smythe et al., 2013) auf interkulturelle Unterschiede in der Wahrnehmung notwendiger Kompetenzen berücksichtigt werden. An Kongs Argument anknüpfend muss entsprechend auch Berufswahlkompetenz im kulturellen Kontext sowie im Zusammenhang mit dem regionalen Schulsystem betrachtet werden. Das Berufswahlkompetenzmodell von Driesel-Lange et al. (2010) wurde entsprechend mit Bezug auf das deutsche Schulsystem entwickelt.

Eine Abgrenzung von Berufswahlkompetenz zu beruflichen Kompetenzen findet sich sowohl in der englisch-, als auch in der deutschsprachigen Literatur wieder. Akkermans, Brenninkmeijer, et al. (2013) grenzen in ihrer Definition career competencies gegenüber beruflichen Kompetenzen („job skills and work competencies“, S. 248) dahingehend ab, dass career competencies für die individuelle Karriere von Bedeutung sind, während berufliche Kompetenzen zur erfolgreichen Durchführung der eigentlichen Arbeit benötigt werden.

Im deutschsprachigen Diskurs werden unter beruflichen Kompetenzen je nach Untersuchungsinstrument verschiedene Kompetenzkonzepte verstanden. Angelehnt an den Kompetenzbegriff von Roth (1976, zit. n. Kauffeld, 2005), der Kompetenz in Selbstkompetenz, Sachkompetenz und Sozialkompetenz unterteilt, werden berufliche Kompetenzen beispielsweise in Fachkompetenzen, wie Fachwissen und fachliche Fertigkeiten, Methodenkompetenzen, u. a. Lernfähigkeit, und Sozialkompetenz, u. a. Kommunikations- und Vermittlungsfähigkeiten, unterteilt (Kauffeld, 2005). Eine weitere Definition beruflicher Kompetenzen benennt personale, fachliche, methodische und soziale Dispositionen, die zur zielgerichteten und erfolgreichen Erfüllung von berufsbezogenen Aufgaben sowie zu deren Weiterentwicklung zu Handlungsmustern benötigt werden (Frey & Balzer, 2005).

Den verschiedenen Definitionen beruflicher Kompetenzen gemeinsam ist ihr Fokus auf die Bewältigung von Aufgaben, die im Rahmen der beruflichen Tätigkeit entstehen. Darüber erfolgt auch die wesentliche Abgrenzung zu Berufswahlkompetenz, wie sie in dieser Arbeit verstanden wird, die nicht die Bewältigung beruflicher Tätigkeiten bedingt, sondern die Gestaltung beruflicher Übergänge und Verläufe ermöglicht.

Hinsichtlich der Voraussetzungen, Aufgaben der beruflichen Entwicklung und Gestaltung erfolgreich bewältigen zu können, existiert eine begriffliche Vielfalt, die wiederum durch zahlreiche Überlappungen gekennzeichnet ist. Diese begrifflichen Überschneidungen entstanden und entstehen durch die zum Teil parallel verlaufenden oder in Teilen aufeinander aufbauenden Weiterentwicklungen bestehender Modelle. So wurde beispielsweise Ende der Neunziger Jahre die bereits oben genannte Berufswahlreife im internationalen Diskurs von Wissenschaft und Praxis als Ziel beruflicher Orientierung durch Adaptabilität (career adaptability) ersetzt (vgl. Hartkopf, 2013). Um eine begriffliche Abgrenzung der Berufswahlkompetenz vornehmen zu können, soll Adaptabilität hier – dem nächsten Teilkapitel vorgreifend – kurz umrissen werden. Adaptabilität bezeichnet die motivationale Bereitschaft, die eigene Berufslaufbahn kontinuierlich zu gestalten und die damit verbundenen Aufgaben anzugehen (Savickas, 1997). Entsprechend Weinerts (2001b) Ausführungen sind diese motivationalen Aspekte Teil seines Kompetenzkonstrukts. Auch Savickas (2005) verknüpft Adaptabilität eng mit weiteren Kompetenzen und Verhaltensweisen. Letztere sind wiederum Teil von Weinerts (2001b) Definition. Es zeigen sich daran die starken Zusammenhänge zwischen den beiden Begriffen. Beispielsweise hängt nach Savickas (2005) das berufsbezogene Selbstvertrauen als Teil von Adaptabilität bedingend mit der Fähigkeit zusammen, berufliche Herausforderungen aktiv über Problemlösestrategien anzugehen. Im Berufswahlkompetenzmodell nach Driesel-Lange et al. (2010) wird Adaptabilität, wie die Ausführungen in Kapitel 6 im Detail zeigen, als motivationale Dimension von Berufswahlkompetenz verstanden (vgl. auch Driesel-Lange et al., 2020).

In Vorbereitung der Modellvorstellungen im folgenden Teilkapitel (5.2) soll Berufswahlkompetenz abschließend in Bezug zu Karriereressourcen gestellt werden. Nach Eby et al. (2003) werden career competencies – im Sinne erfolgs- und gestaltungsrelevanter Kompetenzen – als Teil von Karriereressourcen verstanden werden. In Abhängigkeit des Konstrukts umfassen Karriereressourcen neben Fähigkeiten und Fertigkeiten auch die zur Verfügung stehenden sozialen Ressourcen, wie Mentor*innen oder Netzwerke, relevantes Wissen und motivationale Einstellungen (Hirschi et al., 2019; Hirschi, Nagy, Baumeler, Johnston & Spurk, 2017). Auch hier zeigen sich weitere starke begriffliche Überlappungen zwischen Kompetenz, Ressource, Verhalten und Motivation.

Zusammenfassend zeigt sich, dass die Voraussetzungen einer erfolgreichen beruflichen Entwicklung im wissenschaftlichen Diskurs vielfach beleuchtet werden und zahlreiche Bestrebungen bestehen, diese über Kompetenzen oder Ressourcen abzubilden.

In dieser Arbeit wird Berufswahlkompetenz entsprechend dem Berufswahlkompetenzmodell von Driesel-Lange et al. (2010) als multidimensionales Konstrukt aus selbst- und berufswahlbezogenem Wissen, planungs- und entscheidungsbedingendem Wissen sowie motivationalen Einstellungen und volitionalen Handlungsbereitschaften verstanden. Weiter lassen die Ausführungen in diesem Teilkapitel die Schlussfolgerung zu, dass eine klare begriffliche Abgrenzung von Berufswahlkompetenz aufgrund der inhaltlichen Überschneidungen und Unbestimmtheiten der Vielzahl an existierenden Definitionen sinnvollerweise auf spezifische Konstrukte eingegrenzt werden sollte. Im folgenden Teilkapitel (5.2) werden daher drei Modelle –nämlich das der Adaptabilität, der Karrierekompetenzen und der Karriereressourcen – vorgestellt und miteinander verglichen. Sie beschreiben ähnlich der Berufswahlkompetenz Voraussetzungen erfolgreicher Laufbahngestaltung. In Kapitel 6 erfolgt zudem ein Vergleich mit dem Berufswahlkompetenzmodell von Driesel-Lange et al. (2010).

2 Modelle berufswahl- und laufbahnbezogener Kompetenzen und Ressourcen

Im Folgenden soll auf drei theoretische Modelle eingegangen werden, die zur Kontextualisierung und Abgrenzung des den empirischen Studien in Kapitel 10, 11 und 12 zugrundeliegenden Modells der Berufswahlkompetenz von Driesel-Lange et al. (2010) dienen. Den vier Modellen gemeinsam ist die theoriegeleitete Beschreibung von Voraussetzungen erfolgreicher Bewältigung von Herausforderungen, die in der – begrifflich weitgefassten – beruflichen Gestaltung entstehen. Hirschi (2013) bietet einen ausführlichen Überblick über die Entwicklung und den Zusammenhang klassischer Laufbahntheorien, auf denen auch die nachfolgend beschriebenen Konstrukte fußen. Einen detaillierten Einblick in die neuere Theoriebildung der Berufswahl- und Laufbahnforschung geben dazu ergänzend Sampson, Bullock-Yowell, Dozier, Osborn und Lenz (2017).

Das Konzept der Adaptabilität (career adaptability)

Die zentrale Annahme von Adaptabilität besteht im Bedarf einer Anpassungsfähigkeit von Individuen: Zum einen müssen sie sich fortwährend an aktuelle und neue berufliche Situationen anpassen, um eine bestmögliche Passung zwischen der Person und der Position zu erreichen (Savickas, 1997). Zum anderen müssen Individuen sich zeitgleich ihrem eigenen Idealtyp mit seinen verschiedenen Lebensrollen annähern (Savickas, 1997).

Mit der Entwicklung des Konstrukts der Adaptabilität (career adaptability) wurde Supers Lebenszeits-Lebensraumansatz (1990; Super, Savickas & Super, 1996) weiterentwickelt. Zeitgleich wurde mit ihr auch die Abkehr von der Betrachtung von Karrieren als statische Konstrukte hin zu einer wandlungsfokussierten Betrachtung auch theoretisch vollzogen. Die Forderung, die Berufswahlreife als Entwicklungsziel durch die Adaptabilität zu ersetzen, war zum einen dem zunehmenden Interesse an der beruflichen Entwicklung im Erwachsenenalter geschuldet (Savickas, 1997). Zum anderen stellt der Fokus auf die Anpassungsfähigkeit gleichzeitig eine Antwort auf den zunehmenden Flexibilitätsbedarf in der Informations- und Wissensgesellschaft dar, in der die Laufbahn anstelle einer kontinuierlichen Karriere in einem einzigen Unternehmen als Gesamtkonstrukt aus verschiedenen Fragmenten besteht (Savickas, 1997). Damit schließt die Adaptabilität an das Konzept der boundaryless careers an (Arthur, 1994, vgl. auch Abschnitt 5.1).

Hinsichtlich der Einordnung von Adaptabilität als Veranlagung, Kompetenz, Ressource oder Bereitschaft stellt Hirschi (2012) Unstimmigkeiten im akademischen Diskurs fest. Denn das Konstrukt verbindet die entwicklungsbezogene Perspektive, die die Modelle des vorangegangenen Kapitels fokussieren (vgl. Kapitel 4), mit der Perspektive der zu erwerbenden Fähigkeiten und Bereitschaften, die Individuen für diese berufliche Entwicklung aufbauen müssen (Hirschi, 2012). Insofern besteht keine klare Zuordnung der Adaptabilität zu Phasen- oder Kompetenzmodellen.

Anknüpfend an Super (1990) wird berufliche Entwicklung auch im Konzept der Adaptabilität als ein im Berufsleben wiederkehrender, iterativer Prozess aus Orientierung, Exploration, Etablierung, Management und Entkopplung gefasst, in dem die Bereitschaft gefordert ist, berufsbezogene Herausforderungen, die durch vorhersehbare berufliche Entwicklungsprozesse, die eigene Rolle im Arbeitskontext oder Veränderungen in der Arbeitswelt entstehen, anzunehmen und zu meistern (Savickas, 1997, 2005). Entsprechend definiert Savickas (1997) Adaptabilität als „the readiness to cope with the predictable tasks of preparing for and participating in the work role and with the unpredictable adjustments prompted by changes in work and working conditions“ (S. 254). Adaptabilität als Konstrukt „psychosozialer Ressourcen oder transaktionaler Kompetenzen“ (S. 663, eigene Übersetzung) ist multidimensional, bestehend aus vier Dimensionen, nämlich Betroffenheit (career concern), Verantwortungsgefühl (career control), berufsbezogener Offenheit (career curiosity) und berufsbezogenem Selbstvertrauen (career confidence) (Savickas & Porfeli, 2012). Es wurde in verschiedene Theorien, u. a. der konstruktivistischen Theorie der Laufbahnentwicklung (Savickas, 2005) sowie dem darauf basierenden Modell des Life Designings integriert. Auch die vier motivationalen Berufswahlkompetenzfacetten im Modell von Driesel-Lange et al. (2010) gehen auf die vier Dimensionen der Adaptabilität zurück (siehe Kapitel 6).

Die theoriegeleitete Wirkkette, in der Adaptabilität das Ergebnis der Handlungsbereitschaft (adaptivity), der Fähigkeit (adaptability) und der eigentlichen Anpassungshandlung (adapting) darstellt (Savickas & Porfeli, 2012), konnte durch empirische Studien von Hirschi und Valero (2015) sowie Perera und McIlveen (2017) gestützt werden. Ihre Ergebnisse zeigen, dass ein hoher Grad an Adaptabilität in Zusammenhang mit einer höheren Handlungsbereitschaft, Handlungsfähigkeit und tatsächlichen Anpassungshandlung steht. Das Konzept der Adaptabilität wurde bisher vorrangig an (jungen) Erwachsenen, die sich in der Ausbildung befinden, studieren, berufstätig oder erwerbslos sind, erforscht, wie die Metaanalyse von Rudolph, Lavigne und Zacher (2017) verdeutlicht.

Studien mit Jugendlichen zeigen, dass eine hohe Adaptabilität sowohl in einem positiven Zusammenhang mit der beruflichen Orientierung als auch dem allgemeinen Wohlbefinden der Jugendlichen steht (Ginevra, Annovazzi, Santilli, Di Maggio & Camussi, 2018; Ozdemir, 2019; Wilkins et al., 2014). Jugendliche mit einem hohen Adaptabilitätsgrad verwenden im Durchschnitt häufiger adaptive Strategien, explorieren also eher ihre eigenen Fähigkeiten und beruflichen Möglichkeiten, sind offener und beweisen mehr Durchhaltevermögen (Ozdemir, 2019). Zudem verfügen sie über ein höheres Selbstbewusstsein (Ozdemir, 2019) und eine höhere Lebenszufriedenheit (Buyukgoze-Kavas, Duffy & Douglass, 2015). Als Unterkonstrukte von Adaptabilität beeinflussen die Betroffenheit und die berufsbezogene Offenheit die Breite und den Umfang beruflicher Interessen Jugendlicher (Ginevra et al., 2018). Betroffenheit steht zudem in einen positiven Zusammenhang mit schulischen Leistungen (Negru-Subtirica & Pop, 2016), während das berufsbezogene Selbstvertrauen wiederum die Zufriedenheit mit den bestehenden Entscheidungsspielräumen und der Verfügbarkeit berufswahlrelevanter Unterstützung und der Anerkennung in der Schule mediiert (Wilkins et al., 2014). Als Prädiktoren für die Entwicklung von Adaptabilität gelten Hoffnung (Wilkins et al., 2014) und die soziale Unterstützung durch die Familie und die Schule (Han & Rojewski, 2015). Die Entwicklung von Verantwortung und berufsbezogener Zuversicht wird durch gute schulische Leistungen positiv beeinflusst (Negru-Subtirica & Pop, 2016). Des Weiteren scheint ein anvisierter früher Eintritt ins Erwerbsleben die Adaptabilität in Form von berufsbezogenen Planungs- und Explorationsaktivitäten zu stimulieren (Hirschi, 2010a).

Das Karrierekompetenzen-Modell ( Concept of Career Competencies )

Das Karrierekompetenzen-Modell (eigene Übersetzung) wurde von Akkermans, Brenninkmeijer, et al. (2013) mit Blick auf eine Anwendung in Personalabteilungen zur Identifikation von Entwicklungspotentialen von Arbeitnehmer*innen entwickelt. Aus dieser unternehmens- bzw. arbeitsweltgeprägten Perspektive heraus steht die Identifikation geeigneter Fördermaßnahmen zur Verhaltensoptimierung und Potentialentwicklung im Vordergrund. Sowohl die genannten Ziele, als auch die folgende Definition von Karrierekompetenzen sind geprägt durch die vier im Modell integrierten Perspektiven auf berufliche Laufbahnen, nämlich die der boundaryless careers (Arthur, 1994; Defillippi & Arthur, 1994, vgl. Abschnitt 5.1), der protean careersFootnote 2, des career self-managementFootnote 3 und des Humankapitals (Fugate, Kinicki & Ashforth, 2004, vgl. Abschnitt 3.2). Unter Karrierekompetenzen verstehen Akkermans, Brenninkmeijer, et al. (2013) die Summe von „Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten, die relevant für eigene berufliche Entwicklung und gleichzeitig durch das Individuum beeinflussbar sind“ (S. 246; eigene Übersetzung). Diese unterteilen sie in ihrem Karrierekompetenzen-Modell in drei Dimensionen mit jeweils zwei Subkategorien. Die erste Dimension bündelt reflexionsbezogenen Karrierekompetenzen. Dazu gehören die Fähigkeit, die eigenen Motivationen, Werte und Interessen zu reflektieren, sowie das Vermögen, über die eigenen Stärken und Fähigkeiten kritisch nachzudenken. Die zweite Dimension bezieht sich auf Kommunikationskompetenzen, etwa die Fähigkeit, Netzwerke zu knüpfen oder sich selbst zu präsentieren. Die dritte und letzte Dimension fasst Handlungskompetenzen, konkret die karrierebezogene Exploration und career control im Sinne einer Planungs- und Entscheidungskompetenz, zusammen (Akkermans, Brenninkmeijer, et al., 2013). Die Zielgruppe des Karrierekompetenzen-Modells sind Unternehmensangehörige, also im Erwerbsleben stehende Erwachsene. Dieser Fokus erklärt zum einen, warum das Modell den Erwerb der Kompetenzfacetten, beispielsweise in Form von Phasen, nicht abbildet. Es interessiert schließlich der aktuelle Entwicklungsstand, auf dessen Grundlage Fördermaßnahmen ausgewählt werden können. Des Weiteren erklären der Entwicklungshintergrund und die Zielgruppe auch den empirischen Forschungsfokus auf die Gruppe Arbeitnehmender und auf Faktoren des aktiven Arbeitslebens (siehe nächster Abschnitt).

Der diagnostische Fragebogen career competencies questionnaire (CCQ) operationalisiert das Karrierekompetenzmodell über insgesamt 21 Items, die in sechs Subskalen unterteilt sind. Jede Skala soll jeweils eine der sechs Kompetenzfacetten des Modells messen (Akkermans, Brenninkmeijer, et al., 2013). Empirische Studien weisen darauf hin, dass Karrierekompetenzen form- bzw. erlernbar sind (Akkermans, Brenninkmeijer, Schaufeli & Blonk, 2015). Des Weiteren zeigte sich, dass diese in einem positiven Zusammenhang mit der persönlichen Wahrnehmung von Beschäftigungschancen (perceived employability) stehen (Akkermans et al., 2015), wobei der Zusammenhang in Teilen durch den subjektiv empfundenen Karriereerfolg mediiert wird (Blokker, Akkermans, Tims, Jansen & Khapova, 2019). Je stärker die Karrierekompetenzen ausgeprägt sind, desto höher bzw. größer sind auch der subjektiv empfundene und der objektive (gemessen am Gehalt, den Beförderungen und positive Leistungsbeurteilungen) berufliche Erfolg (Blokker et al., 2019). Mit steigenden Karrierekompetenzen steigt – ähnlich der Adaptabilität – auch die Lebenszufriedenheit (Akkermans, Paradniké, Van der Heijden & De Vos, 2018). Zudem stimulieren Karrierekompetenzen die Motivation und das Wohlbefinden (Akkermans, Brenninkmeijer, et al., 2013; Akkermans, Schaufeli, Brenninkmeijer & Blonk, 2013). Akkermans‘ et al. (2015) Studie zu dem Programm CareerSKILLS bleibt die bisher einzige Interventionsstudie zu dem Karrierekompetenzen-Modell. Insofern scheint die erkennbare Forschungslücke hinsichtlich der Effekte von Fördermaßnahmen auf den Kompetenzzuwachs, die wiederum ein praktisches Anwendungsziel des Modells darstellen, bemerkenswert.

Das Karriereressourcen-Modell

Das Karriereressourcen-Modell von Hirschi (2012) wurde als Rahmenkonzept zur beruflichen Beratung konzipiert. Ziel war es, ein theoriegeleitetes Modell zu entwerfen, das die Voraussetzungen für ein erfolgreiches, eigenverantwortliches Karrieremanagement (self-directed career management) integriert und somit laufbahnbezogene Bedarfe zeitgemäß adressiert. Hirschi (2012) unterteilt Karriereressourcen in seinem Modell in vier Ressourcenarten, nämlich Humankapitalressourcen (Fugate et al., 2004, vgl. Abschnitt 3.2), soziale Ressourcen, psychologische Ressourcen und Ressourcen der beruflichen Identität.

Humankapitalressourcen umfassen eine Vielzahl an Faktoren, die ein Individuum dazu befähigen, die im beruflichen Kontext gestellten Erwartungen zu erfüllen (Fugate et al., 2004). Dazu gehören u. a. soziodemografische Merkmale, aber auch der Bildungsgrad, die bisherige Arbeitserfahrung sowie kognitive und emotionale Fähigkeiten (Hirschi, 2012). Soziale Ressourcen (Sozialkapital) umfassen nach Adler und Kwon (2002) alle Unterstützungsarten, die einem Individuum durch sein soziales Umfeld zu Gute kommen, beispielsweise in Form von Informationen, Einfluss oder Solidarität. Hirschi (2012) nennt als Beispiele Mentor*innen und Netzwerke. Im Kontext beruflicher Entwicklung im Jugendalter sind zudem insbesondere Eltern und Lehrkräfte zu nennen. Unter psychologischen Ressourcen versteht Hirschi (2012) „positive Eigenschaften und Zustände, wie Kognitionen, motivationale und affektive Aspekte, die in verschiedenen Kontexten, insbesondere im beruflichen Bezugsrahmen ausgedrückt und genutzt werden“ (S. 375; eigene Übersetzung). Beispiele sind nach Hirschi (2012) Optimismus und Resilienz. Ressourcen der beruflichen Identität verknüpfen die eigene berufliche Selbstwahrnehmung, im Sinne beruflicher Interessen, Fähigkeiten und Ziele, mit beruflichen Rollen (Hirschi, 2012). Sie gelten, wie Hirschi (2012) feststellt, als eine zentrale Komponente im Konzept des self-directed career management. Die vier Ressourcen-Konstrukte bieten vielfältige Anknüpfungspunkte zu weiteren laufbahnbezogenen Konzepten, wie dem der boundaryless careers (Arthur, 1994; Defillippi & Arthur, 1994, vgl. Abschnitt 5.1), der protean careers (Hall, 1996) oder der three ways of knowing (Arthur, 1994; Defillippi & Arthur, 1994, vgl. auch vorangegangener Abschnitt).

Für die Operationalisierung zur empirischen und diagnostischen Anwendung wurde das Modell wie folgt weiterentwickelt. Die Erfassung von zur Verfügung stehenden und wahrgenommenen Ressourcen wurde für drei Gruppen, nämlich Schüler*innen, Studierende und Berufstätige, spezifiziert. Die Veröffentlichung des Karriereressourcen-Fragebogens für Schüler*innen steht allerdings noch aus. Für Berufstätige und Studierende wurden die Karriereressourcen jüngst in vier Dimensionen unterteilt. Die erste Dimension enthält drei Wissens- und Kompetenzaspekte, und zwar berufliche und fachliche Expertise, Arbeitsmarktwissen sowie allgemeine Fähigkeiten. Die zweite Dimension bündelt wiederum drei motivationale Facetten: die Wichtigkeit der Arbeit bzw. des Studiums für das Individuum, berufliche Klarheit und Zutrauen. Die dritte Dimension adressiert vier Bereiche des Umfelds, nämlich organisationsinterne Entwicklungsmöglichkeiten, die organisationale Unterstützung, die Arbeitsherausforderung sowie die soziale Unterstützung durch das Umfeld. Die vierte und letzte Dimension fokussiert Aktivitäten, die für die berufliche Entwicklung von Bedeutung sind, und zwar die eigenen Netzwerkaktivitäten, die Informationssuche zu beruflichen Möglichkeiten sowie das kontinuierliche Lernen. Diese dreizehn genannten Faktoren werden im Karriereressourcen-Fragebogen durch 41 (38) Items für Berufstätige (Studierende) operationalisiert (Hirschi et al., 2019; Hirschi et al., 2017). Empirische Studien, die Karriereressourcen basierend auf dem vorgestellten Konzept messen, lagen zum Zeitpunkt der Anfertigung dieser Arbeit noch nicht vor.

3 Zusammenfassung und Fazit

In diesem Kapitel wurde das dieser Arbeit zugrundeliegende Verständnis von Berufswahlkompetenz als multidimensionalem Konstrukt aus selbst- und berufswahlbezogenem Wissen, planungs- und entscheidungsbedingendem Wissen sowie motivationalen Einstellungen und volitionalen Handlungsbereitschaften, die eine erfolgreiche Bewältigung von Aufgaben der beruflichen Entwicklung bedingen, festgelegt (vgl. dazu auch Driesel-Lange et al., 2020). In der begrifflichen Abgrenzung zu anderen bestehenden Konzepten, wie dem der Karrierekompetenzen und der Karriereressourcen, sowie im Vergleich zu dem englischen Begriff der career competencies stellten sich einerseits zentrale Unterschiede heraus, die in differierenden Perspektiven auf die berufliche Entwicklung (berufliche Orientierung im Jugendalter, berufliche Entwicklung im Erwerbsleben, beruflicher Erfolg) begründet sind. Andererseits zeigten sich vielzählige Überschneidungen und Überlappungen zwischen den erläuterten Konzepten. Als ursächlich hierfür können die zum Teil parallel verlaufenden sowie aufeinander aufbauenden Weiterentwicklungen bestehender Modelle angesehen werden. Im zweiten Teilkapitel (5.2) wurden drei Modelle vorgestellt, die Adaptabilität (Savickas, 2005; Savickas & Porfeli, 2011), Karrierekompetenzen (Akkermans, Brenninkmeijer, et al., 2013) bzw. Karriereressourcen (Hirschi, 2012; Hirschi et al., 2019) konzeptionell verankern. Wie bereits bei den entsprechenden Begriffen beobachtet, rekurrieren die drei betrachteten Modelle vielfach auf ähnliche Theorien. Eine zentrale Gemeinsamkeit des Adaptabilitätskonstrukts und der Modelle zu Karrierekompetenzen und Karriereressourcen besteht in der Annahme eines stetigen Gestaltungs- und damit Reaktionsbedarfs, der aus Veränderungen in der Arbeitswelt entsteht und sich wiederum in zu bewältigenden Aufgaben manifestiert. Eine weitere Verbindung zwischen den Modellen zeigt sich in ihrer Betonung der Eigenverantwortung und Eigeninitiative, die durch das Individuum aufgebracht werden müssen, sowie in ihrem tendenziellen Fokus auf die berufliche Entwicklung im Erwachsenenalter, am Übergang ins Berufsleben bzw. während der Erwerbstätigkeit. Dies spiegelt auch die empirische Befundlage zu Adaptabilität wieder (Rudolph et al., 2017). Akkermans, Brenninkmeijer, et al. (2013) Karrierekompetenzen-Modell zielt auf eine Anwendung zur Diagnostik von Förderbedarfen im Unternehmenskontext. In diesem Zusammenhang zeigte sich eine bestehende Forschungslücke hinsichtlich der Fördermaßnahmen und ihrer Effekte auf einen Kompetenzzuwachs. Anhand der Operationalisierung von Hirschis (2012) Karriereressourcen-Modell zeigte sich des Weiteren, dass die relevanten Ressourcen in Abhängigkeit der beruflichen Phase der Individuen, nämlich Schulzeit, Ausbildungszeit und Erwerbsleben, differenziert erfasst werden müssen, um einen Bezug zur jeweiligen Lebenswelt erstellen zu können, sodass sich auch hier Heterogenität in den Entwicklungsbedarfen offenbart.

Im folgenden Kapitel wird nun das Berufswahlkompetenzmodell von Driesel-Lange et al. (2010) vorgestellt. Dieses Modell differenziert die gerade genannten Anwendungsbereiche hinsichtlich der beruflichen Entwicklung spezifisch für die Zeit der Adoleszenz in Phasen und verschränkt diese mit relevanten Berufswahlkompetenzfacetten. Durch einen sorgfältigen Abgleich mit den anderen, in diesem und dem vorangegangenen Kapitel vorgestellten Modellen wird das Berufswahlkompetenzmodell als theoretische Basis der drei empirischen Studien in Kapitel 10 bis 12 begründet.