Ziel dieser Arbeit war es, das Verständnis von Heterogenität im Kontext beruflicher Orientierung Jugendlicher in ihrer Multidimensionalität als Basis bedarfsorientierter Unterstützung zu stärken. Dafür wurden die heterogenen Unterstützungsbedarfe der Heranwachsenden systematisch, theoriegeleitet und empirisch fundiert analysiert.

Im Fokus der vier vorgestellten empirischen Studien standen dabei die persönlichen Merkmale Jugendlicher als Ausgangslage ihrer beruflichen Orientierung, der Stand und die zeitliche Entwicklung von Berufswahlkompetenz als Voraussetzung erfolgreicher beruflicher Gestaltung sowie berufsorientierende Maßnahmen als Unterstützung des Berufswahlprozesses.

Es zeigte sich, dass die differierenden Ausgangslagen der Jugendlichen sich auch in ihrer unterschiedlich stark ausgeprägten beruflichen Orientierung widerspiegeln. Mit Blick auf die persönlichen Merkmale wurde zudem sichtbar, dass diese intersektional betrachtet werden müssen. Weiter wurde deutlich, dass die Wahrnehmung der beruflichen Orientierung nicht nur in Abhängigkeit der persönlichen Merkmale differiert, sondern dass diese auch den Effekt berufsorientierender Maßnahmen beeinflussen. Die gegenwärtige Befundlage konnte folglich durch die Darstellung der heterogenen Bedarfslage der Jugendlichen einerseits, sowie der differierenden Maßnahmeneffekte andererseits ergänzt werden.

Um die individuelle Entwicklung und damit die aktuellen individuellen Bedarfe hinsichtlich der Berufswahlkompetenzentwicklung identifizieren zu können, wurde ein übergreifender Berufswahlkompetenz-Kernwert entwickelt. Dabei gelang es aus diesem zentralen Wert Rückschlüsse auf die Ausprägung einzelner Kompetenzfacetten zu ziehen. Des Weiteren konnte anhand von latenten Profilanalysen empirisch dargestellt werden, dass sich die Schüler*innen zwar untereinander in ihrem individuellen Berufswahlkompetenzstand unterscheiden, also auch hier von Heterogenität gesprochen werden kann, jedoch gleichzeitig homogene Subgruppen bestimmbar sind. Mit den vier identifizierten Berufswahlkompetenzprofilen konnte ein bedeutender Ansatzpunkt zur schulischen Binnendifferenzierung aufgezeigt werden. Drei der vier Profile folgen einem ähnlichen Kompetenzmuster und bilden jeweils ein niedriges, mittleres und fortgeschrittenes Kompetenzniveau ab. Währenddessen scheint das vierte Profil eine Gruppe an Jugendlichen zusammenzufassen, die in Bezug auf ihre Berufswahl bereits besonders fokussiert zu sein scheinen. Die Ergebnisse der vierten empirischen Studie erweitern das bestehende Verständnis beruflicher Entwicklungsverläufe. Denn anhand längsschnittlicher Analysen konnte zum einen dargestellt werden, dass der Berufswahlkompetenzerwerb unter den Jugendlichen stark differiert. Zum anderen konnte gezeigt werden, dass diese Entwicklungsverläufe von einer Diskontinuität mit Rückschritten, Sprüngen und Plateaus geprägt sind.

Aus den beschriebenen Ergebnissen ergaben sich weiterführende Forschungsdesiderata. Eine Aufgabe zukünftiger Studien stellt die (Weiter-)Entwicklung diagnostischer Instrumente zur schulinternen Bedarfsermittlung dar, bei der die Anwendbarkeit des Berufswahlkompetenz-Kernwerts auch mit Blick auf die vier Profilgruppen geprüft und anhand größerer Stichproben Normwerte abgeleitet werden sollten. Die im Rahmen der vorgestellten Arbeit verdeutlichte Intransparenz hinsichtlich der Konzepte berufsorientierender Maßnahmen legt dabei den Bedarf der Verknüpfung qualitativer und quantitativer Verfahren zur Konzept- und Effektanalyse offen.

Die Resultate dieser Arbeit zeigen zudem deutlich, dass die Verzahnung der berufswahlbezogenen Interventionsforschung mit der Analyse der zielgruppenspezifischen Berufswahlkompetenzentwicklung einen bedeutenden Erkenntnisgewinn für die Umsetzung bedarfsorientierter Unterstützung beruflicher Orientierung verspricht.

Für die pädagogische Praxis ergab sich aus den Erkenntnissen der berufswahlbezogenen Heterogenität der Jugendlichen der dringende Bedarf, die individuellen Fortschritte und Bedarfe der Schüler*innen systematisch und regelmäßig zu diagnostizieren. Zudem zeigte sich anhand der diskontinuierlichen Entwicklungsverläufe der Jugendlichen die Notwendigkeit, sowohl auf Ebene der rahmengebenden Landeskonzepte als auch auf Ebene der schulinternen Konzepte die Maßnahmen entsprechend der individuellen Bedarfe beispielsweise durch variierende Vor- und Nachbereitung oder die Möglichkeit einer wiederholten Teilnahme zu flexibilisieren. Schließlich wurde insbesondere anhand der Profilgruppen deutlich, dass die schulinterne Binnendifferenzierung ein mögliches Vehikel zur Ansprache individueller Bedarfe darstellt.

Wie die erörterten Erkenntnisse, neu erschlossenen Forschungsdesiderata und Implikationen für die Praxis zeigen, stellt die erfolgreiche Umsetzung bedarfsorientierter Unterstützung beruflicher Orientierung eine gemeinsame Aufgabe von Forschung und Praxis dar.