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Ethnische Wohnraumpräferenzen in Deutschland

Faktoren der Toleranzgrenze für ethnische Diversität in der Nachbarschaft: Soziodemografie, interethnischer Kontakt, ethnische Bedrohung und reale ethnische Nachbarschaftskomposition

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(In)Toleranz in der Einwanderungsgesellschaft?

Part of the book series: Blickpunkt Gesellschaft ((BLICKG))

Zusammenfassung

Einstellungen gegenüber zugewanderten Personen und ethnischen Minderheiten können auf lokaler Ebene konkret Wirkung entfalten. In diesem Beitrag werden ethnische Wohnraumpräferenzen untersucht, die als eine Ursache von ethnischer Segregation gelten. Dazu wurden mit der Allgemeinen Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften (ALLBUS) aus dem Jahr 2016 aktuelle, umfangreiche und bevölkerungsrepräsentative Daten genutzt. Durch die Bewertung hypothetischer Nachbarschaften mit unterschiedlichen Anteilen ausländischer Bewohnerschaft konnten individuelle Toleranzgrenzen ermittelt und mit weiteren Individualmerkmalen sowie der realen Nachbarschaftskomposition in Zusammenhang gebracht werden. Somit kann die Untersuchung neben der Debatte zur Kontakthypothese und Bedrohungstheorie auch zum Diskurs über Nachbarschaftseffekte beitragen. Der Fokus liegt dabei hauptsächlich auf der deutschen Mehrheitsbevölkerung ohne Migrationshintergrund. Die Ergebnisse zeigen, dass nur ein geringer Teil der Mehrheitsbevölkerung ausschließlich ethnisch homogene Nachbarschaften bevorzugt. Der Großteil scheint mäßig gemischte Wohnumgebungen zu präferieren oder zumindest zu akzeptieren. Da diese Toleranzgrenzen in den meisten Fällen in der Realität nicht überschritten werden, sind für Deutschland keine Ausweichhandlungen wie White Flight oder Avoidance zu befürchten, die eine bisher geringe ethnische Segregation im Wohnraum verstärken würden. Die Befunde multivariater Analysen stehen im Einklang mit bisherigen Erkenntnissen aus der Forschung zu interethnischen Einstellungen – ältere, niedriger gebildete oder politisch eher rechts eingestellte Personen bevorzugen Wohngebiete mit geringerem Ausländeranteil. Wahrgenommene Bedrohung durch ausländische Personen steht wie erwartet im starken negativen Zusammenhang mit der Toleranz für ausländische Nachbarn. Positive interethnische Kontakte gehen hingegen nur in geringerem Maße mit ethnisch heterogener Wohnraumpräferenz einher. Während ein höherer wahrgenommener Anteil ausländischer Personen in der eigenen Nachbarschaft auch mit einer Präferenz für stärker ethnisch gemischte Wohnräume korreliert, zeigt die Berücksichtigung des tatsächlichen Anteils in unterschiedlich definierten Umgebungen keinen systematischen Zusammenhang.

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Notes

  1. 1.

    Goebel und Hoppe (2015) zeigen diesbezüglich mithilfe von SOEP-Daten, dass zugewanderte Personen seltener einen Übergang in Armut erleben oder bessere Chancen haben, diese wieder zu verlassen, wenn der Anteil an Personen mit Migrationshintergrund in der erweiterten Wohnumgebung bei 20 % und mehr liegt.

  2. 2.

    Der Anteil der ethnischen Fremdgruppe im Land zeigt dennoch einen recht starken Zusammenhang, der auf dem 90 %-Niveau statistisch signifikant ist. Die Stärke des Zusammenhangs ist vergleichbar mit dem der politischen Orientierung.

  3. 3.

    Letzteres steht im Kontrast zu den US-amerikanischen Untersuchungen, laut denen Ethnozentrismus eine untergeordnete Rolle für die ethnische Wohnraumpräferenz zu spielen scheint. Die Autoren vermuten: „(t)his may very well be due to the very different measures used in this study for ethnocentrism or to the quite different racial/ethnic context in Europe versus the United States. It may also be because most of the studies in the United States focus on Black-White relations as against other racial/ethnic groups and immigrants“ (Semyonov et al. 2007, S. 448).

  4. 4.

    „Participants were asked to indicate how likeable they found most foreigners in Germany (1 = very much; 4 = not at all).“ (Schlueter et al. 2018, S. 20)

  5. 5.

    Eine Nachbarschaft mit Cafés und kleinen Boutiquen soll dabei eine gentrifizierte Gegend mit sozial besser gestellten Bewohnenden symbolisieren.

  6. 6.

    Dazu gehören beispielsweise diskriminierende Praktiken bei der Wohnungssuche und -vergabe (vgl. Ondrich et al. 1999; Mazziotta et al. 2015) und die häufig (ebenfalls strukturell bedingte) deprivierte sozioökonomische Stellung ethnischer Minoritäten, wodurch ihnen besser gestellte Nachbarschaften mit hohem Majoritätenanteil verwehrt bleiben (vgl. Quillian 2002; Hedman et al. 2011).

  7. 7.

    Die Angabe stammt aus der ALLBUS Kumulation 1980–2016 (ZA4586). Die Variable dk04 „wurde aus den Angaben zur Verwandtschaft von Haushaltsmitgliedern in der Haushaltsliste, den Angaben in dk06 ANZAHL KINDER AUSSER HAUS und den Altersangaben in der Haushaltsliste sowie der Liste der Kinder außer Haus gebildet. Für Stief- und Adoptivkinder, die nicht mehr im gleichen Haushalt wie die befragte Person lebten, liegt keine Information vor. Die Anzahl dieser Kinder ist deshalb nicht in der Anzahl der Kinder in dk04 enthalten.“ (GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften 2018a, S. 2122 f.)

  8. 8.

    Personen, die in einem anderen Land als Deutschland geboren sind und nicht von Geburt an die deutsche Staatbürgerschaft hatten, werden der Gruppe mit eigener Migrationserfahrung zugeteilt. Personen, die in Deutschland geboren sind, aber mindestens einer ihrer Elternteile nicht, gelten als Personen mit elterlicher Migrationserfahrung. Alle anderen werden als Personen ohne Migrationshintergrund gewertet.

  9. 9.

    Laut einer Analyse von Schmidt und Weick (2017) sind positive Kontakte bedeutsamer für die Einstellung, aber „[i]m Wohnumfeld reagieren Bürger offensichtlich sensibel auf negative Kontakte. Insgesamt bestätigt sich die Erwartung, dass von Bedrohungswahrnehmung und Kontakten die stärksten Effekte ausgehen“ (Schmidt und Weick 2017, S. 6).

  10. 10.

    Namensbasierte (onomastische) Zuordnungen von Personen unterliegen einer gewissen Fehlerquote. Insbesondere Personen, die als deutsche Minderheit zugewandert sind (z. B. Aussiedler aus Polen und der ehemaligen Sowjetunion), werden zu einem erheblichen Anteil nicht als Personen mit Migrationshintergrund eingeordnet. Andere häufig genannte Gründe für eine Falschzuordnung sind die Übernahme eines deutschen Nachnamens durch Heirat oder die deutsche Namensgebung bei Nachkommen binationaler Eltern. Diese fallen aber laut einer Untersuchung von (Liebau et al. 2018) wenig ins Gewicht.

  11. 11.

    Vgl. Zensusatlas https://atlas.zensus2011.de/.

  12. 12.

    Für die Gemeindeebene sind leider keine aktuellen Zahlen verfügbar.

  13. 13.

    Obwohl Regressionsmodelle nicht auf kausale Wirkrichtungen schließen lassen, kann angenommen werden, dass Bedrohungsgefühle und Kontakterfahrungen auch die Ursache für Einstellungen (hier: ethnische Wohnraumpräferenzen) sind (Schmidt et al. 2019). Es sollte hier jedoch kritisch argumentiert werden, dass ethnische Wohnraumpräferenzen und ethnische Bedrohungsgefühle Teil einer gemeinsamen, übergelagerten Einstellungsdimension, nämlich Xenophobie, sind, weshalb erstens keine Wirkrichtung angenommen werden darf und zweitens eine zu starke Abhängigkeit vorherrscht, wenn eine Unterdimension mit einer anderen erklärt werden soll. In anderen Forschungspapieren, die Stereotype, Vorurteile oder xenophobe Einstellungen zur Erklärung von ethnischer Wohnraumpräferenz enthalten (z. B. Schlueter et al. 2018; Semyonov et al. 2007; Charles 2000), wird auf dieses methodische Problem kein Bezug genommen. In der vorliegenden Arbeit können durch das Erhebungsdesign und die Analysemethode generell keine kausalen Beziehungen untersucht werden, dennoch sollen die unabhängigen Faktoren im Modell einen Beitrag zur Varianzerklärung der abhängigen Variable liefern. Es kann argumentieret werden, dass die abgefragten Bedrohungsempfindungen Teil einer allgemeineren Xenophobie darstellen, die sich auf Zugewanderte in der Gesellschaft insgesamt beziehen, während die konkrete ethnische Wohnraumpräferenz, die durch das Vorhandensein von zugewanderten Personen im eigenen Wohnumfeld individuell bedeutsamer ist, erst nachgelagert entsteht. Diese Beziehung in empirischer Forschung zu entflechten ist jedoch schwierig. Die bivariate Korrelation der beiden Konstrukte liegt in den ALLBUS-Daten mit einem Koeffizienten von −0,56 (p = 0,000) im mittleren Bereich und das Bedrohungsempfinden erklärt rund 8 % der Varianz der ethnischen Wohnraumpräferenz.

  14. 14.

    Frage im ALLBUS: „Wie angenehm oder unangenehm wären Ihnen Angehörige dieser Gruppen als Nachbarn? Der Skalenwert −3 bedeutet „wäre mir sehr unangenehm“, der Skalenwert + 3 bedeutet „wäre mir sehr angenehm“. Mit den Werten dazwischen können Sie Ihre Meinung abstufen.“

Literatur

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Danksagung

Ich danke Bettina Westle und Pascal Siegers für ihre sehr hilfreichen Kommentare zu früheren Versionen des Beitrags und den Mitgliedern des Forschungsdatenzentrum ALLBUS für das entgegengebrachte Vertrauen in der vergangenen Zusammenarbeit.

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Klinger, J. (2021). Ethnische Wohnraumpräferenzen in Deutschland. In: Schulz, S., Siegers, P., Westle, B., Hochman, O. (eds) (In)Toleranz in der Einwanderungsgesellschaft?. Blickpunkt Gesellschaft. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-32627-2_5

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-32627-2_5

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  • Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-658-32626-5

  • Online ISBN: 978-3-658-32627-2

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