Im Folgenden wird das Forschungsdesign der vorliegenden Arbeit erläutert. In einem ersten Schritt wird kurz der grundlegende methodische Zugang beschrieben, bevor in einem zweiten Schritt die Datenerhebung im Kontext der MOBIL-Studie näher erläutert wird. Dabei werden sowohl Pretest und Erstellung des Fragebogens als auch Rekrutierung und Datenbereinigung genauer beschrieben. Detailliert werden zudem die Repräsentativität und die Ausschöpfungsquote der MOBIL-Studie dargelegt. Im dritten Schritt werden dann die Methoden der Datenauswertung erläutert.

5.1 Kurzdarstellung der methodischen Vorgehensweise

Die zentrale Forschungsfrage der vorliegenden Arbeit lautet: Wie gestalten sich Bildungs-/Berufsverläufe, die Arbeitssituation, internationale Aktivitäten sowie die gesellschaftliche Teilhabe von Professoren mit Migrationshintergrund und welche Unterschiede zeigen sich dabei hinsichtlich soziodemographischer Merkmale?

Der methodische Zugang lässt sich als quantitativ-exploratives Design beschreiben. Der Wahl dieses Designs liegt die Tatsache zugrunde, dass es bisher keine etablierten Theorien und keinen umfangreichen Forschungsstand zu Professoren mit Migrationshintergrund gibt. Im Mittelpunkt der Studie stehen dementsprechend auch keine zielgerichteten Forschungshypothesen, sondern offene Forschungsfragen. Das Ziel des im Englischen als „exploratory data analysis“ (EDA) bezeichneten Designs liegt im Gegensatz zu hypothesenprüfenden Untersuchungen darin, den Datensatz möglichst umfassend und übersichtlich darzulegen und Verteilungen und Zusammenhänge detailliert zu untersuchen. Dabei spielen Visualisierungstechniken und explorative multivariate Auswertungstechniken, anhand derer sich das Datenmaterial induktiv strukturieren lässt, eine wichtige Rolle (vgl. Döring und Bortz 2016, S. 624).

Auf der Grundlage der eingangs genannten Forschungsfrage ergeben sich eine Reihe von Untersuchungsfragen, die u. a. auf Gruppenunterschiede über bivariate Analysen untersucht werden. Zudem werden ausgewählte Fragen sowohl mittels Bildung von Skalen und Indizes analysiert als auch multivariat über Faktoren-, Cluster- und Regressionsanalysen untersucht. Außerdem werden zwei offene Fragestellungen mithilfe qualitativer Inhaltsanalysen ausgewertet.

Für bi- und multivariate Analysen werden durchgehend statistische Signifikanztests berechnet, um die Ergebnisse gegen den Zufall abzusichern. Vor dem Hintergrund des explorativen Forschungsdesigns sind die Signifikanztests somit als „Signifikanztest auf Probe“ zu verstehen. Auch Erklärungen für die Unterschiede sind somit explizit als spekulative Ex-Post-Erklärungen zu verstehen (vgl. Döring und Bortz 2016, S. 628).

5.2 MOBIL-Studie, Zugang zur Zielgruppe und Datenerhebung

Im Folgenden wird zunächst der Zugang zur Zielgruppe erläutert sowie kurz die Durchführung des Pretests, die Erstellung des Fragebogens sowie Rekrutierung und Datenbereinigung beschrieben. Anschließend wird ausführlich die Repräsentativität und Ausschöpfungsquote der Studie analysiert.

5.2.1 Zugang zur Zielgruppe

Eine Herausforderung, mit der die MOBIL-Studie konfrontiert war, liegt darin, dass der amtlichen Statistik keine verlässlichen Zahlen über Anteil und Zusammensetzung von Professoren mit Migrationshintergrund in Deutschland zu entnehmen ist. Lediglich die Zahl der ausländischen Professoren wird seit Mitte der 2000er-Jahre erfasst. Deutschlandweit hat sich die Zahl ausländischer Professoren von 2.033 (5,3 %) im Jahr 2007 auf 3.182 (6,8 %) im Jahr 2016 erhöht. Für diese Gruppe lassen sich auch weiterführende Differenzierungen nach Geschlecht, Hochschulart, Besoldungsgruppen, Fächergruppen und Herkunftsland vornehmen (vgl. Abschnitt 4.2). Demgegenüber gab es bis zur MOBIL-Studie keine Forschungserkenntnisse über Zahl und Zusammensetzung von deutschen Professoren mit Migrationshintergrund.

Es stellt sich an dieser Stelle die Frage, warum die MOBIL-Studie nicht einfach die Gruppe der ausländischen Professoren befragt hat, da hier die statistische Datenlage eine deutlich bessere Grundlage bietet. Die Migrations- und Bildungsforschung basierte bis Ende des 20. Jahrhunderts primär auf der dichotomen Unterscheidung zwischen Deutschen und Ausländern auf der Grundlage der Staatsangehörigkeit. Seit Beginn des 21. Jahrhunderts wird die Kritik am Staatsangehörigkeitskriterium allerdings zunehmend lauter. Das Problem am Kriterium der Staatsangehörigkeit liegt darin, dass Menschen, die die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben, in der Statistik nicht mehr berücksichtigt werden. Folglich lassen sich über das Staatsangehörigkeitskriterium Erkenntnisse über Bildungs- und Berufsverläufe oder Angaben über die Repräsentation in spezifischen Bildungseinrichtungen und Berufsfeldern nicht adäquat erfassen. Beispielsweise ist denkbar, dass eine Hochschule eine Vielzahl von ausländischen Professoren engagiert, die auch aufgrund des gesicherten Beschäftigungsverhältnisses in kurzer Zeit die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben. Hier könnte eine Untersuchung der Repräsentation auf der Grundlage des Ausländeranteils demzufolge zu der unzulässigen Schlussfolgerung führen, dass „Migranten“ an dieser Hochschule kaum vertreten sind. Neben der Gruppe der Eingebürgerten wird auch die Gruppe der (Spät-)Aussiedler nicht über das Staatsangehörigkeitskriterium erfasst. Zudem hat die politische und juristische Ausgestaltung des Einbürgerungsrechts unmittelbare Folge auf den statistisch erfassten Ausländeranteil. Ein deutlicher Wandel hat mit der Einführung des neuen Staatsbürgerschaftsrechts nach dem Geburtsortprinzip (ius soli) im Jahr 2000 stattgefunden, auf dessen Grundlage Menschen, die in Deutschland als Kinder ausländischer Eltern geboren wurden, deutlich einfacher die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben könnenFootnote 1. Infolge der genannten Umstände hat sich in der Wissenschaft zunehmend die Erkenntnis durchgesetzt, dass die alleinige Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit kein adäquates Konzept zur Messung von Migration darstellt (vgl. Engel, Neusel et al. 2014; Neusel 2017). Auch vor diesem Hintergrund wurde das Konzept des Migrationshintergrundes 2005 in die amtliche Statistik aufgenommen. Die Frage, ob ein Mensch einen Migrationshintergrund aufweist, entscheidet sich – wie aus der oben genannten Definition ersichtlich wird – zum Zeitpunkt der Geburt und dieser Status ist somit unveränderlich.

Zielsetzung der MOBIL-Studie war es, eine möglichst repräsentative Befragung von Professoren mit Migrationshintergrund in Deutschland durchzuführen. Eine zentrale Herausforderung bei der Konzeption des Untersuchungsdesigns lag darin, dass wie beschrieben die Größe der Grundgesamtheit (target population) kaum verlässlich benannt werden kann. Nach groben Schätzungen auf der Grundlage einer Sonderauswertung des Mikrozensus 2011 gibt es ca. 5.000 Professoren mit Migrationshintergrund in Deutschland, was einem Anteil von knapp 12 % entspricht (Statistisches Bundesamt 2013). Da es sich bei diesen Zahlen um Hochrechnungen anhand von kleinen Fallzahlen handelt, dürfen sie nur unter Vorbehalt verwendet werden und lediglich einer näherungsweisen Bestimmung der Grundgesamtheit dienen. Aufgrund dessen sind auch weitere Differenzierungen nach demographischen oder beruflichen Merkmalsausprägungen nicht zulässig. Zudem lässt sich der Migrationshintergrund möglicher Untersuchungsteilnehmer nicht vorab bestimmen. Dies bedeutet, dass Professoren mit Migrationshintergrund nicht gezielt kontaktiert werden können, sondern dass lediglich die Möglichkeit besteht, an alle Professoren heranzutreten, um anschließend über eine Filterfrage (Selbstauskunft) zu ermitteln, welche Personen einen Migrationshintergrund besitzen. Um festzustellen, ob eine Person einen Migrationshintergrund hat, sind deren Staatsangehörigkeit und Zuwanderungseigenschaft zu berücksichtigen.Footnote 2 Nach der Definition, die das Statistische Bundesamt im Mikrozensus in den Jahren 2005 bis 2016 zugrunde gelegt hat, haben Personen einen Migrationshintergrund:

  • die selbst oder mindestens ein Elternteil nicht als Deutsche geboren wurden oder

  • die selbst oder mindestens ein Elternteil nach 1949 nach Deutschland zugewandert sind und somit nicht auf dem heutigen Gebiet Deutschlands geboren wurden.

Die beschriebenen Schwierigkeiten, dass der Migrationshintergrund möglicher Untersuchungsteilnehmer und die Größe sowie die Zusammensetzung der Zielgruppe nicht vorab bestimmt werden können, führen dazu, dass die Durchführung von probabilistischen Stichprobenerhebungen nicht zulässig ist. Der Grund dafür liegt darin, dass diese Stichproben nach dem Zufallsprinzip aus der Grundgesamtheit gebildet werden und nur bei Vorliegen einer vollständigen Populationsliste vorgenommen werden können (Döring und Bortz 2016).

Als einzige Alternative verbleiben somit nicht-probabilistische Stichprobenverfahren. Zum einen können Gelegenheitsstichproben gezogen werden, beispielsweise über die Auswahl von Professoren mit „migrantischen“ Namen im Wege sogenannter onomastischer Ziehungsverfahren (El-Menouar 2014). Zum anderen besteht die Möglichkeit sogenannter Schneeballverfahren, im Rahmen derer migrantische Professoren auf ihnen bekannte andere migrantische Professoren hinweisen. Während auf derartige Verfahren möglicherweise im Rahmen explorativ-qualitativer Studien zurückgegriffen werden könnte, erweisen sie sich im Hinblick auf die Zielsetzung der MOBIL-Studie, eine möglichst repräsentative quantitative Befragung durchzuführen, als methodisch ungeeignet (Döring und Bortz 2016).

Aufgrund dessen verblieb als einzige Option, anstelle einer Stichprobenziehung eine Vollerhebung aller Professoren durchzuführen, um anschließend anhand der Filterfrage Zugang zur Zielgruppe der Professoren mit Migrationshintergrund zu erhalten. Zum Zeitpunkt der Befragung lag die Zahl der Professoren in Deutschland bei ca. 43.000. Aus forschungsökonomischen Gründen (Zeit- und Kostenaufwand) ließ sich eine bundesweite Vollerhebung nicht realisieren. Daher wurde die Entscheidung getroffen, die MOBIL-Studie zunächst regional begrenzt in Berlin und Hessen durchzuführen. Der Vorteil dieser beiden Länder lag darin, dass die Netzwerkstrukturen des Forscherteams in den beiden Ländern am stärksten ausgeprägt sind, was den Kontakt zu den beteiligten Hochschulen erleichterte.

5.2.2 Pretest und Fragebogenerstellung

Im Rahmen der Fragebogenkonstruktion bestand das Hauptziel darin, sowohl eine Anschlussfähigkeit an etablierte Hochschullehrerbefragungen zu schaffen als auch Verbindungen zur Migrationsforschung zu ermöglichen. Auf der Grundlage ausführlicher Recherchen und Diskussionen des Forscherteams wurde ein erster Entwurf des Fragebogens erstellt, anhand dessen ein umfangreicher Pretest durchgeführt wurde. Hierzu wurden Professoren aus anderen Bundesländern (Hamburg, Thüringen, Brandenburg, Bayern und Nordrhein-Westfalen) um ausführliche Rückmeldungen und Kommentare hinsichtlich des Fragebogens gebeten. Insgesamt haben sich 20 Professoren mit Migrationshintergrund an dem Pretest beteiligt. Bei der Auswahl dieser Gruppe wurde darauf geachtet, dass die Personen sich nach demographischen Merkmalen wie Geschlecht, Hochschulart oder Fächergruppe etc. unterscheiden (Neusel et al. 2014). Auf dieser Grundlage wurden hinsichtlich des Fragebogens noch einzelne Kürzungen und Präzisierungen vorgenommen und eine thematische Gliederung entworfen, die es im Folgenden näher zu erläutern gilt.

Der Fragebogen gliedert sich in fünf Themenblöcke (vgl. Abschnitt 10.1). Die ersten vier Blöcke entsprechen dabei weitgehend der etablierten Struktur von Hochschullehrerbefragungen. In Teil A werden demographische Daten wie Geschlecht, Alter, Hochschulart, Fächergruppe etc. sowie Daten zur eigenen Zuwanderung und der Zuwanderung der Eltern erhoben. In Teil B steht die gegenwärtige berufliche Situation im Mittelpunkt. Dabei werden Aktivitäten in Lehre und Forschung, Gremientätigkeiten, aber auch die Beurteilung aktueller Hochschulreformen und die Frage der Zukunftsplanung untersucht. Teil C widmet sich dem Karriereverlauf. Neben klassischen Fragen zu Studienabschluss, Promotion und Habilitation sowie zu den beruflichen Tätigkeiten vor der Berufung wurden zugleich Daten erhoben, die detailliert darüber Auskunft geben, in welchem Land Abschlüsse erworben und berufliche Tätigkeiten ausgeübt wurden. Auf diese Weise soll sich die internationale Mobilitätsbiographie rekonstruieren lassen. Im vierten Block (Teil D) werden internationale Aktivitäten in Forschung und Lehre sowie Unterstützungsangebote für Professoren mit Migrationshintergrund von Seiten der Hochschulen näher untersucht. Der fünfte Block (Teil E) stellt stärkere Bezüge zur Migrationsforschung her. Motive der Migration werden dabei ebenso analysiert wie Vorteile und Diskriminierungserfahrungen aufgrund der Herkunft. Zudem wird in Anlehnung an die transnationale Migrationsforschung erfragt, in welchem Maße Professoren mit Migrationshintergrund soziale Kontakte zu Menschen unterschiedlicher Herkunft in Deutschland einerseits und Verbindungen in ihr Herkunftsland andererseits pflegen. Fragen nach Kindern und Partnerschaft im Kontext der Migration sind ebenfalls Teil der Erhebung.

Insgesamt umfasste der Fragebogen 86 geschlossene Fragen. Dabei wurden insgesamt vier offene Fragen gestellt zu den Schwierigkeiten bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse, zu Unterstützungsangeboten für Professoren mit Migrationshintergrund von Seiten der Hochschulen sowie zu Vor- und Nachteilen aufgrund der Herkunft. Abschließend wurden die Teilnehmer hinsichtlich ihres Selbstverständnisses gefragt, inwieweit sie sich als internationale Professoren verstehen. Der Großteil der Professoren hat der Beantwortung des Fragebogens zwischen 30 und 45 Minuten gewidmet.

Im Folgenden wird die Entscheidung für die Konzeption der Befragung als Online-Survey erläutert. Ein zentraler Vorteil liegt darin, dass die Teilnehmer frei entscheiden können, zu welchem Zeitpunkt sie den Fragebogen beantworten möchten. Zudem besteht über die Generierung eines Zugangslinks die Möglichkeit, die Beantwortung zwischenzeitlich zu unterbrechen und zu einem späteren Zeitpunkt fortzusetzen. Dementsprechend können durch den weitgehend ortsunabhängigen Zugang z. B. auch Professoren, die sich auf Dienstreise innerhalb oder außerhalb Deutschlands befinden, leichter an der Befragung teilnehmen. Zwei weitere wichtige Vorteile bestehen zum einen in der Möglichkeit einer automatischen Filterführung und zum anderen in einem Mechanismus, der die Teilnehmer im Falle einer Nonresponse bei zentralen Items erneut um die Beantwortung des Items auffordert und anderenfalls die Beantwortung weiterer Fragen nicht zulässt. Gegenüber nicht computergestützten Verfahren besteht zugleich der Vorteil, dass keine Fehler und kein zusätzlicher Zeitaufwand durch manuelle Datenerfassung entstehen können, da Ergebnisse der Online-Surveys direkt auf dem Server gespeichert werden. Ein letztes wichtiges Argument, das für die Durchführung eines Online-Surveys sprach, liegt darin, dass das regelmäßig vorgebrachte Gegenargument, wonach die unzureichende Ausstattung der Zielpopulation mit Computern und Internet den Rücklauf beeinträchtige, bei der Zielpopulation von Professoren in Deutschland nicht ins Gewicht fällt (Wagner und Hering 2014).

5.2.3 Rekrutierung und Datenbereinigung

Um eine möglichst hohe Rücklaufquote zu erreichen und systematische Ausfälle zu vermeiden, spielen das Anschreiben sowie das Senden von Erinnerungsschreiben, sogenannter Reminder, eine wichtige Rolle (Döring und Bortz 2016; Engel und Schmidt 2014).

Die Online-Befragung wurde zwischen Oktober 2012 und Januar 2013 an allen staatlichen Hochschulen in Berlin und Hessen durchgeführt. Nach Rücksprache mit den Hochschulleitungen wurden alle ca. 5.500 hauptamtlichen ProfessorenFootnote 3 der beiden Länder angeschrieben. Bei 15 der 26 beteiligten Hochschulen wurden die Professoren direkt über eine Institution der eigenen Hochschule wie Personalabteilung oder International Office zur Teilnahme an der Studie eingeladen. Bei den verbleibenden 11 Hochschulen hat das Forscherteam basierend auf den E-Mail-Adressen der Internetrecherchen die Professoren direkt angeschrieben. Da somit de factoFootnote 4 sämtliche Professoren der beiden Länder kontaktiert wurden, lässt sich die Studie als Vollerhebung für Berlin und Hessen klassifizieren.

In der Einladung zur Teilnahme an der Studie konnten die Professoren über einen Link direkt auf die Online-Befragung zugreifen. Alternativ bestand die Möglichkeit, eine Printversion des Fragebogens auf dem Postweg oder ein entsprechendes PDF-Dokument per E-Mail, jeweils in deutscher oder englischer Sprache, zu erhaltenFootnote 5. Zu Beginn des Fragebogens wurden die Teilnehmer gebeten, ihre E-Mail-Adresse anzugeben, die ausschließlich zur Generierung eines persönlichen Zugangslinks genutzt wurde. Mithilfe dieses Zugangslinks hatten die Professoren die Möglichkeit, die Bearbeitung des Fragebogens zu unterbrechen und zu einem späteren Zeitpunkt fortzuführen.

Da ausschließlich Professoren mit Migrationshintergrund befragt werden sollten, wurde direkt am Anfang darauf hingewiesen, dass sich die Befragung ausschließlich an diese Gruppe richte. Vereinzelte Fälle, in denen dennoch Personen ohne Migrationshintergrund an der Befragung teilgenommen haben, wurden nach der Datenbereinigung aus dem Sample entfernt, sodass das abschließende Sample ausschließlich aus Professoren mit Migrationshintergrund besteht.

Im Anschreiben wurde darauf hingewiesen, dass es sich um die erste große Befragung handelt, die explizit das Thema Migration in den Mittelpunkt einer Professorenbefragung rückt. Dabei wurde auch auf die Relevanz der Befragung für die Internationalisierung der Hochschulen verwiesen. Darüber hinaus wurde im Anschreiben direkt die Projektseite verlinkt, sodass die Professoren die Möglichkeit hatten, sich vorab ausführlicher über die Konzeption der Studie zu informieren. Vor Beginn der Befragung wurde zudem das Datenschutzkonzept der Studie ausführlich erläutert.

Infolge des ersten Anschreibens haben insgesamt 125 Personen an der Befragung teilgenommen. Jeweils im Abstand von zwei Wochen wurden die Professoren (sowohl hochschulintern als auch extern über die Liste der E-Mail-Adressen) erneut dazu eingeladen, an der Befragung teilzunehmen. Durch den ersten Reminder konnten 83 und durch den zweiten Reminder 23 weitere Teilnehmer gewonnen werden. Insgesamt wurde somit ein Rohdatensatz von 261 Fällen angelegt.

Im Folgenden wurde eine umfassende Datenbereinigung des Rohdatensatzes durchgeführt. Dabei wurden unter anderem folgende Fehlerquellen berücksichtigt (Raithel 2008, S. 92):

  • „Wert außerhalb des gültigen Bereichs

  • Wert außerhalb des realistischen Bereichs

  • Ungültige und fehlende Werte

  • Inkonsistenz innerhalb des Fragebogens

  • Ungültiger Wert trotz Filterführung“.

Auf dieser Grundlage wurden 58 Fälle, die eine besonders hohe Zahl von fehlenden und ungültigen Werten oder Inkonsistenzen aufwiesen oder in denen nach der oben genannten Definition kein Migrationshintergrund gegeben war, aus dem Sample entfernt. Dementsprechend konnte den weiteren Untersuchungen abschließend ein Sample von 203 Fällen zugrunde gelegt werden (vgl. ausführlich Neusel et al. 2014).

5.2.4 Repräsentativität und Ausschöpfungsquote

Das Qualitätskriterium der Repräsentativität bezieht sich auf das Verhältnis von Population (Grundgesamtheit) und Sample. Die Frage der Repräsentativität spielt in der quantitativen Forschung eine zentrale Rolle. Um die Repräsentativität einer Studie zu beurteilen, sind die Erhebungsform und der Nonresponse-Fehler von zentraler Bedeutung.

Bei der Erhebungsform lässt sich zwischen Vollerhebung und Teilerhebung (bzw. Stichprobenerhebung) unterscheiden (Döring und Bortz 2016). Wie bereits dargelegt lässt sich die MOBIL-Studie als Vollerhebung klassifizieren, wodurch eine stärkere Belastbarkeit der Daten gewährleistet wird, da gegenüber einer Stichprobenziehung bestimmte Fehlerrisiken von vornherein ausgeschlossen werden können (Häder und Häder 2014).

Dabei muss man sich die Frage stellen, ob es tatsächlich gelungen ist, sämtliche Professoren in Berlin und Hessen zu erreichen, damit zu Recht von einer Vollerhebung gesprochen werden kann. Je nach Zugangsweg bestehen mögliche Einschränkungen. Beim internen Versand über Institutionen der eigenen Hochschule stellt sich die Frage, inwieweit die entsprechenden E-Mail-Verteiler alle aktuell tätigen Professoren de facto erreichen. Ferner besteht beim externen Versand anhand der eigens recherchierten E-Mail-Adressen die Unsicherheit, ob tatsächlich alle E-Mail-Adressen der Professoren im Internet veröffentlicht wurden. Da für die Organisation des Hochschulbetriebs eine interne wie externe Erreichbarkeit von Professoren anhand aktueller E-Mail-Adressen von großer Relevanz ist, kann allerdings davon ausgegangen werden, dass beiden Fehlerquellen keine allzu große Bedeutung zukommt.

Der Nonresponse-Fehler beschreibt die Abweichung zwischen geplanter Stichprobe (Vollerhebung aller Professoren mit Migrationshintergrund in Berlin und Hessen) und tatsächlich realisierter Stichrobe (Döring und Bortz 2016). Nach Hornbostel und Keiner (2002) stellt der Nonresponse-Fehler in der umfragebasierten Sozialforschung für die Repräsentativität häufiger ein Problem dar als die Realisierung einer Zufallsauswahl. Die Beurteilung des Nonresponse-Fehlers basiert dabei zentral auf zwei Faktoren.

Erstens ist dabei die Ausschöpfungsquote bzw. Rücklaufquote zu nennen. Ein geringer Nonresponse-Fehler ergibt sich erstens aus einer hohen Rücklaufquote, die somit einen wichtigen Indikator für die Qualität der Befragung darstellt. Zweitens ist für die Repräsentativität des Samples von zentraler Bedeutung, dass es keine unsystematischen Ausfälle gibt, die zu Stichprobenverzerrungen führen (Döring und Bortz 2016; Gabler und Quatember 2013). Im Folgenden wird zunächst erläutert, wie die Rücklaufquoten ermittelt wurden, bevor es in einem zweiten Schritt die Repräsentativität des Samples zu analysieren gilt.

Der grundsätzlich vorteilhafte Umstand, dass bei der Zielgruppe der Professoren eine relativ hohe Erreichbarkeit gewährleistet ist, birgt zugleich den Nachteil, dass Professoren relativ häufig zur Teilnahme an Studien eingeladen werden. In Verbindung mit der hohen Arbeitsbelastung erreichen Professorenbefragungen daher zumeist keine hohen Rücklaufquoten. In den Hochschullehrer-/Professorenbefragungen der letzten Jahre in Deutschland variiert diese Quote zwischen 14 % und 32 %:

  • CAP – Changing Academic Profession (32 %) (Jacob und Teichler 2011),

  • Forschungsbedingungen von Professoren an Universitäten (32 %) (Böhmer et al. 2011),

  • Leistungsorientierte Steuerung der universitären Lehrtätigkeit (14 %) (Wilkesmann und Schmid 2011),

  • LESSI – Wandel von Lehre und Studium (21 %) (Schomburg et al. 2012),

  • GOMED – Governance Hochschulmedizin (25 %) (Krempkow et al. 2012).

Um die Rücklaufquote für das MOBIL-Projekt zu berechnen, ist zunächst die Frage zu beantworten, wie groß die Grundgesamtheit der Professoren mit Migrationshintergrund in Berlin und Hessen (target population) ist. Die Zahl aller hauptamtlich tätigen Professoren an staatlichen Hochschulen liegt 2012 für Berlin und Hessen bei 5.515 (vgl. Statistisches Bundesamt 2018b). Nach der Sonderauswertung des Mikrozensus von 2011 lässt sich der Anteil von Personen mit Migrationshintergrund unter Hochschullehrern in Berlin und Hessen auf 11,1 % schätzen. Überträgt man diesen Anteil auf die Gruppe der hauptamtlich tätigen Professoren, liegt die Gesamtzahl der Professoren mit Migrationshintergrund in Berlin und Hessen bei 613. Dabei ist zu beachten, dass der Schätzwert von 11,1 % aufgrund der geringeren Fallzahlen mit noch deutlich größeren Unsicherheiten behaftet ist als die bundesweite Sonderauswertung.

Deutlich zuverlässigere Daten können für die Teilgruppe der Professoren mit Migrationshintergrund, die eine ausländische Staatsangehörigkeit haben, ermittelt werden. Laut Hochschulpersonalstatistik liegt die Zahl der hauptamtlich tätigen, ausländischen Professoren an staatlichen Hochschulen in Berlin und Hessen bei 387Footnote 6 (vgl. Statistisches Bundesamt 2018b). An der MOBIL-Studie haben 101 Professoren mit ausländischer Staatsangehörigkeit teilgenommen, was einer Rücklaufquote von 26 % entspricht. Über die Differenzbildung zwischen den 613 Professoren mit Migrationshintergrund und den 387 ausländischen Professoren, ergibt sich für die deutschen Professoren mit Migrationshintergrund eine Zahl von 226. Am MOBIL-Projekt haben 102 deutsche Professoren mit Migrationshintergrund teilgenommen, was nach dieser Systematik einer Rücklaufquote von 45 % für die Teilgruppe der deutschen Professoren mit Migrationshintergrund entspricht. Für das gesamte Sample von 203 Professoren liegt die entsprechende Rücklaufquote bei 33 % (vgl. Tabelle 5.1).

Während die Rücklaufquoten für das gesamte Sample und die deutschen Professoren mit Migrationshintergrund aufgrund der Unsicherheit der Sonderauswertung lediglich als grobe Schätzwerte dienen können, basiert die Rücklaufquote von 26 % für Professoren mit ausländischer Staatsangehörigkeit auf der amtlichen Statistik. Zusammenfassend lässt sich somit festhalten, dass die erreichte Rücklaufquote im Vergleich zu anderen Hochschullehrerbefragungen als durchaus zufriedenstellend bezeichnet werden kann.

In einem zweiten Schritt wird geprüft, inwieweit es hinsichtlich des Nonresponse-Fehlers zu systematischen Verzerrungen gekommen ist. Da Differenzierungen lediglich für die Teilgruppe der ausländischen Professoren möglich sind, lässt sich der Nonresponse-Fehler ausschließlich in Bezug auf diese Gruppe untersuchen. Auf der Grundlage der Hochschulpersonalstatistik können Differenzierungen nach Bundesland, Geschlecht, Hochschulart, Fächergruppe, Besoldungsgruppe und Nationalität vorgenommen werden. Generell zeigen sich keine großen systematischen Verzerrungen. Geringfügig überrepräsentiert sind dabei Professorinnen (gegenüber männlichen Professoren), Professoren aus Hessen (gegenüber Professoren aus Berlin), Professoren an Universitäten (gegenüber Professoren an Fachhochschulen), Professoren in den Geistes-/Sozialwissenschaften und Lebenswissenschaften (gegenüber Professoren anderer Fachbereiche) sowie W1- und W3-/C4-Professoren (gegenüber Professoren anderer Besoldungsgruppen). Hinsichtlich der Staatsangehörigkeit konnte für die Zielgruppe lediglich eine Differenzierung zwischen EU-Ländern und Drittstaaten vorgenommen werden. Der Anteil von Professoren aus EU-Staaten an der Grundgesamtheit (58 %) entspricht dabei fast exakt der Verteilung im Sample (vgl. Tabelle 5.1).

Tabelle 5.1 Rücklauf und demographische Verteilung des Samples

Zusammenfassend lässt sich hinsichtlich der Repräsentativität der Befragung festhalten, dass aufgrund verbleibender Unsicherheiten bezüglich der Zusammensetzung der Grundgesamtheit der Nonresponse-Fehler nicht abschließend beurteilt werden kann. Die zur Verfügung stehenden Informationen lassen auf eine hohe Rücklaufquote ohne systematische Verzerrungen schließen. In Verbindung mit der Methode der Vollerhebung deutet dies durchaus auf eine hohe Repräsentativität hin.

5.3 Methoden der Datenauswertung

Um akademische Laufbahn, Arbeitssituation, internationale Aktivitäten sowie gesellschaftliche Teilhabe von Professoren mit Migrationshintergrund zu untersuchen, wird zunächst ein Schwerpunkt auf einen explorativ-deskriptiven Zugang gelegt. Da es sich um die erste große quantitative Studie über Professoren mit Migrationshintergrund in Deutschland handelt, werden in einem ersten Schritt Laufbahn, Arbeitssituation, internationale Aktivitäten und gesellschaftliche Teilhabe detailliert beschrieben und signifikante Unterschiede innerhalb der Gruppe der Professoren mit Migrationshintergrund herausgearbeitet. Dabei werden sowohl migrationsspezifische als auch demographische und berufsspezifische Unterschiede berücksichtigt.

Relevante Gruppenunterschiede werden dargelegt, wenn ein Signifikanzniveau von mindestens 90 % (p ≤ 0,1) vorliegt. Zugleich wird dabei systematisch analysiert, inwieweit sich Gruppenunterschiede möglicherweise gegenseitig bedingen. Signifikanzen werden über den Chi-Quadrat-Test für nominale abhängige Variablen, über den Mann-Whitney-U-Test und den Kruskal-Wallis-Test für ordinale (3er-Skala und 5er-Likert-Skala) abhängige Variablen berechnet. Dabei wird der Mann-Whitney-U-Test für dichotome Gruppenunterschiede und der Kruskal-Wallis-Test für Unterschiede zwischen drei und mehr Gruppen verwendet. Um detailliert herauszuarbeiten zwischen welchen Gruppen signifikante Unterschiede bestehen (Paarvergleiche), wurden beim Kruskal-Wallis-Test sogenannte Post-hoc-Tests durchgeführt (Pallant 2013). Die Entscheidung, bivariate Unterschiede durchgehend über nichtparametrische Verfahren zu berechnen, liegt darin begründet, dass der häufigen Empfehlung gefolgt wird, Likert-Items als nichtparametrisch zu interpretieren und die Voraussetzung der Normalverteilung zumeist nicht erfüllt war. Zum Teil wurden – unter anderem für Korrelationsanalysen – sowohl parametrische als auch nichtparametrische Signifikanztests durchgeführt, um die Befunde gegen den Zufall abzusichern (Field 2013; Long und Freese 2014; Mehmetoglu und Jakobsen 2017; Pallant 2013). Wenn Unterschiede im Text beschrieben werden, die nicht statistisch signifikant sind, wird darauf in einer Fußnote gesondert hingewiesen.

Zu ausgewählten Aspekten werden zudem Skalen und Indizes gebildet. Bezüglich der Einstellung der Teilnehmer hinsichtlich Hochschulentwicklung und Hochschulreformen werden auf der Grundlage von Likert-Items Skalen gebildet, beispielsweise hinsichtlich der Einstellung zu NPM-Reformen. Um zu prüfen, inwieweit sich die Variablen ausschließlich auf das jeweilige Konstrukt beziehen, wird vor der Skalenbildung eine explorative Faktorenanalyse durchgeführt (Kopp und Lois 2014). Internationale Aktivitäten sowie die gesellschaftliche Teilhabe und transnationale Kontakte werden über Indexverfahren abgebildet, da hier Variablen mit unterschiedlichem Skalenniveau zugrunde liegen (Latcheva und Davidov 2014).

Ausgewählte Fragestellungen zur beruflichen Zufriedenheit einerseits und zu den Bleibeabsichten in Deutschland andererseits werden über logistische Regressionsanalysen multivariat untersucht (Long und Freese 2014; Mehmetoglu und Jakobsen 2017). Im Rahmen der logistischen Regressionsanalyse werden durchschnittliche Marginaleffekte (average marginal effects (AME)) berechnet. Nach Auspurg und Hinz sind AME im Vergleich zu Regressionskoeffizienten oder Odds-Ratio-Werten besser geeignet, um das Problem der Unterschiede der unbeobachteten Heterogenität beim Gruppenvergleich zu umgehen. Anhand der AME lässt sich ermitteln, um wie viele Prozentpunkte sich die Wahrscheinlichkeit, dass die abhängige Variable zutrifft, im Mittel aller Beobachtungen verändert, wenn sich die unabhängige Variable um eine Einheit (marginal) erhöht. Ein weiterer Vorteil der AME liegt darin, dass sie im Vergleich zu den Odds-Ratio-Werten ein deutlich anschaulicheres Maß für die Effektstärke darstellen (Auspurg und Hinz 2011).

Darüber hinaus werden zwei offene Fragen mithilfe inhaltsanalytischer Verfahren untersucht (Züll und Menold 2014). Erstens werden zur Frage der Diskriminierung bestehende Vor- und Nachteile aufgrund der nationalen Herkunft, des Geschlechts, von Kindern, des Alters, der ethnischen Herkunft und der Religion untersucht. Zweitens wird die abschließende Frage, inwieweit sich die Befragten selbst als Professoren mit Migrationshintergrund bzw. als internationale Professoren verstehen, detailliert analysiert. Die Auswertung dieser Fragen wurde in Anlehnung an qualitative, inhaltsanalytische Auswertungsverfahren nach Kuckartz (2016) durchgeführt (vgl. ausführlich Abschnitt 6.9). Quantitative Datenanalysen wurden mithilfe der Statistikprogramme SPSS und Stata vorgenommen. Für die qualitative Analyse der beiden offenen Fragen wurde die Software MAXQDA verwendet. Zur Datenvisualisierung wurde neben Microsoft Excel 2016 auch die Visualisierungssoftware „Tableau-Software“ genutzt.