Hinsichtlich des Forschungstandes ist zunächst festzuhalten, dass die Definition des Migrationshintergrundes nach dem Mikrozensus, die dieser Arbeit zugrunde liegt, in der Hochschulstatistik nicht erfasst wird und bisher – mit Ausnahme einer Sekundäranalyse – noch nicht im Rahmen von Hochschullehrerbefragungen verwendet wurde. Dementsprechend kann der Anteil von Professoren mit Migrationshintergrund in Deutschland, der nach gegenwärtigem Stand etwa 12 % betragen soll (vgl. ausführlich Abschnitt 5.1), bisher nur näherungsweise über Schätzungen ermittelt werden. Im Rahmen aktueller Forschungsarbeiten finden bisher nur einzelne Indikatoren wie die Staatsangehörigkeit, das Geburtsland sowie das Geburtsland der Eltern Berücksichtigung.

Die Relevanz von Internationalität, insbesondere im Hinblick auf physische Mobilität und Forschung, hat in den letzten Jahren enorm zugenommen. Die Schaffung und Stärkung eines europäischen Hochschulraums, u. a. durch Förderprogramme wie Horizon 2020, hat ebenso dazu beigetragen wie die enorme Öffentlichkeitswirkung internationaler Forschungsrankings, die – trotz aller Kritik – jedenfalls positiv zur Stärkung einer nationenübergreifenden Perspektive beitragen. In diesem Zusammenhang bildet Internationalität selbst ein Beurteilungskriterium, beispielsweise im Ranking der Times Higher Education oder dem U-Multirank des CHE. Dabei dienen insbesondere der Anteil internationaler Studierender und internationale Fördergelder als Indikatoren für Internationalität (Teichler 2017b; Ziegele und van Vaught 2013).

Trotz der hohen Relevanz der zugrunde liegenden Thematik ist der Forschungsstand über Migration und Mobilität von Wissenschaftlern an Hochschulen bisher sowohl in Deutschland als auch international kaum systematisch erschlossen. Zum einen gibt es für Migration ebenso wie für internationale Mobilität eine Vielzahl unterschiedlicher Formen und Definitionen und damit verbundener Indikatoren. Auf dieser Grundlage lassen sich Entwicklungen und vergleichende Darstellungen nur schwer abbilden. Zugleich konzentriert sich ein Großteil der Forschung über internationale Mobilität an Hochschulen auf die Gruppe der Studierenden, während Untersuchungen über Wissenschaftler bisher deutlich seltener zu finden sind. Die geringere Aufmerksamkeit lässt sich sowohl auf die deutlich kleinere Zahl an Wissenschaftlern zurückführen als auch darauf, dass die Mobilität von Wissenschaftlern zum Teil negativ konnotiert ist, da der Gefahr des Brain Drains, also eines langfristigen Verlustes hochqualifizierter Arbeitskräfte, bei Wissenschaftlern eine größere Relevanz zukommt als bei Studierenden. Demgegenüber wird internationale Studierendenmobilität in der Forschung zumeist ausschließlich positiv bewertet (vgl. Engel, Sebald et al. 2014; Teichler 2015).

Hinsichtlich der Datenlage ist kritisch anzumerken, dass internationale Statistiken Mobilitätsströme über das Kriterium der „ausländischen“ Staatsangehörigkeit zu erfassen versuchen. Allerdings zeigt sich anhand der Einführung der Kategorie des Bildungsinländers auf europäischer Ebene, dass etwa ein Viertel der ausländischen Studierenden nicht während des Studiums international mobil ist, sondern bereits seit Studienbeginn und z. T. auch schon seit der Geburt im jeweiligen Land lebt. Eine entsprechende Differenzierung wurde für die Gruppe der Wissenschaftler bisher nicht vorgenommen. Daher lassen sich keine gesicherten Aussagen mit unmittelbarem Bezug zur Wissenschaftlermobilität treffen. Darüber hinaus fällt auch die internationale Datenlage über Wissenschaftler mit ausländischer Staatsangehörigkeit bisher unbefriedigend aus (Teichler 2017b). Während sich die Datenlage über internationale Studierende in den letzten Jahren deutlich verbessert hat, gibt es bisher keine internationale Datenbank über die internationale Mobilität von Wissenschaftlern (Altbach und Yudkevich 2017).

Vor diesem Hintergrund basiert Forschung über Migration und internationale Mobilität von Wissenschaftlern primär auf den folgenden drei empirischen Datengrundlagen (DAAD 2016, S. 102):

  1. 1.

    Publikationsdatenbanken (bibliometrische Datenanalyse)

  2. 2.

    Amtliche Statistiken

  3. 3.

    Hochschullehrerbefragungen

Im Folgenden wird im ersten Schritt kurz der Forschungsstand über bibliometrische Datenanalysen angeführt und dann im zweiten Schritt ausführlicher zentrale Befunde auf der Grundlage eigener Auswertungen der Hochschulpersonalstatistik über Professoren mit ausländischer Staatsangehörigkeit in Deutschland beschrieben. Im Anschluss stehen dann Hochschullehrerbefragungen zu Migration und internationaler Mobilität im Mittelpunkt. Es werden auf dieser Grundlage Erkenntnisse über Anteile migrantischer Hochschullehrer, über internationale Mobilität, über Mobilitäts- und Migrationstypologien, über die berufliche Integration, über Motive der Zuwanderung, über Bleibeabsichten, über soziale Integration und Kontakte sowie über Diskriminierung bei Migranten im Hochschulwesen dargelegt. Im letzten Teil stehen Forschungserkenntnisse qualitativer Erhebungen im Mittelpunkt, die speziell Fragen nach Arbeitssituation und Diskriminierung der Wissenschaftler mit Migrationshintergrund thematisieren sowie den Zusammenhang mit Geschlecht und sozialer Herkunft näher betrachten. Alle genannten Aspekte werden im Rahmen des Auswertungsteils über Professoren mit Migrationshintergrund (vgl. Kapitel 6) aufgegriffen.

4.1 Bibliometrische Analysen über internationale Wissenschaftler

Bibliometrische Analysen basieren zumeist auf einer der beiden weltweit dominierenden Datenbanken „Scopus“ (Elsevier) oder „Web of Science“ (Thomson Reuters). Die beiden Datenbanken umfassen einen Großteil der international renommierten Peer-Review-Zeitschriften. Für jede Veröffentlichung wird dabei das Sitzland der gegenwärtigen Hochschule oder Forschungseinrichtung des Autors vermerkt, sodass ein geographischer Abgleich der Institutionen eines Autors im Verlauf seiner Publikationstätigkeit gleichsam Aufschluss über dessen Mobilitätsverlauf geben kann. Einschränkend ist dabei anzumerken, dass nicht-englischsprachige Publikationen sowie Veröffentlichungen aus dem Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften in den Datenbanken nur unzureichend abgebildet werden (DAAD 2016).

Appelt, van Beuzekom, Galindo-Rueda und de Pinho (2015) untersuchten anhand von bibliometrischen Analysen wissenschaftlicher Publikationen zwischen 1996 und 2011 die Frage, wie sich internationale Wissenschaftsnetzwerke gestalten und welche Faktoren internationale Mobilität beeinflussen. Die Ergebnisse zeigen, dass internationale Wissenschaftlermobilität auf einem hochkomplexen System basiert, dem weniger einseitige Entwicklungen in Form von Brain Drain oder Brain Gain als vielmehr unterschiedliche Austauschprozesse im Sinne einer Brain Circulation zugrunde liegen. Einen wichtigen Einfluss auf internationale Mobilitätsströme haben sowohl politische Rahmenbedingungen wie etwa die Geltung bestimmter Visa-Vereinbarungen als auch die ökonomische Lage sowie die Forschungsbedingungen einzelner Länder.

Bibliometrische Analysen können zudem Erkenntnisse über weltweite Mobilitätsunterschiede in ausgewählten Fachgebieten liefern. Während Volkswirtschaft, Physik/Astronomie (jeweils 9 %), Mathematik, Geisteswissenschaften und Betriebswirtschaft (jeweils 8 %) überdurchschnittlich hohe Zahlen international mobiler Wissenschaftler aufweisen, fällt der Anteil in den Ingenieurwissenschaften, der Humanmedizin (jeweils 6 %) und der Psychologie (5 %) eher moderat aus (DAAD 2016).

Diese Ausführungen zeigen beispielhaft, welche Möglichkeiten bibliometrische Analysen im Rahmen von Untersuchungen über die internationale Mobilität von Wissenschaftlern eröffnen. Neben den genannten Einschränkungen ist eine lückenlose Erhebung des Mobilitätsverlaufs nicht möglich, da Auslandsstationen, während denen keine Publikation in einem internationalen Journal verfasst wurde, nicht berücksichtigt werden können. Darüber hinaus ist ein weiterer Kritikpunkt an der Methode, dass häufig das Land, das der ersten Publikation zugeordnet wird, als Herkunftsland deklariert wird. Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass die erste Publikation in einem internationalen Journal bereits im Ausland stattgefunden hat (DAAD 2016). Vor diesem Hintergrund beschränkt sich die Darstellung des bibliometrischen Ansatzes auf die dargestellten kurzen Ausführungen.

4.2 Datenlage über Professoren mit ausländischer Staatsangehörigkeit im deutschen Hochschulwesen

In der Hochschulpersonalstatistik liegen seit 2007 verlässliche Daten zur Staatsangehörigkeit der Professoren vor, die differenzierte Analysen nach Hochschulart, Fächergruppe, Geschlecht, Besoldungsgruppe, Trägerschaft und Herkunftsland ermöglichen. Bei der Berechnung des Ausländeranteils werden in der amtlichen Statistik Personen, die sowohl die deutsche als auch die ausländische Staatsangehörigkeit besitzen, zur Gruppe der deutschen Staatsangehörigen gezählt und dementsprechend beim Ausländeranteil nicht berücksichtigt.

Abbildung 4.1
figure 1

(Eigene Darstellung. Quelle: Eigene Auswertung auf der Grundlage ICE-Datenbank des DZHW (vgl. Statistisches Bundesamt 2018b)).

Ausländeranteile unter Professoren, Juniorprofessoren, Wissenschaftlichen Mitarbeitern und Promotionen 2007-2016.

Die Zahl der Professoren mit ausländischer Staatsangehörigkeit an Hochschulen in Deutschland lag 2007 bei 2.033, was einem Anteil von 5,3 % entspricht. Bis zum Jahr 2016 ist sowohl die absolute als auch die relative Zahl konstant angestiegen auf 3.182 Professoren mit ausländischer Staatsangehörigkeit, die einen Anteil von 6,8 % an der gesamten Professorenschaft in Deutschland ausmachen. Im Vergleich zur Gruppe der Promovenden und der Wissenschaftlichen Mitarbeiter, bei denen der Ausländeranteil mehr als doppelt so hoch ausfällt, zeigt sich jedoch noch immer ein recht starkes Gefälle. Der hohe Ausländeranteil im wissenschaftlichen Mittelbau und die entsprechenden Zahlenverhältnisse innerhalb der Gruppe der Juniorprofessoren, in der ein Ausländeranteil von fast 18 % zu verzeichnen ist, legen indessen die Vermutung nahe, dass die Zahl der ausländischen Professoren in den kommenden Jahren vermutlich weiter steigen wirdFootnote 1 (vgl. Abbildung 4.1).

Etwa zwei Drittel der ausländischen Professoren in Deutschland arbeiten an Universitäten. Der Ausländeranteil liegt hier mit 8,9 % etwas über dem Durchschnitt. Den geringsten Anteil ausländischer Professoren stellen Fachhochschulen, wobei sich insbesondere an Verwaltungshochschulen kaum Professoren finden, die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Demgegenüber fällt der Anteil ausländischer Professoren an Kunst- und Musikhochschulen mit Abstand am höchsten aus (vgl. Abbildung 4.2).

Abbildung 4.2
figure 2

(Eigene Darstellung. Quelle: Eigene Auswertung auf der Grundlage ICE-Datenbank des DZHW (vgl. Statistisches Bundesamt 2018b).)

Ausländeranteile unter Professoren nach Hochschularten 2007-2016.

Der hohe Ausländeranteil an Kunsthochhochschulen steht im Zusammenhang mit dem Befund, dass die Fächergruppe Kunst/Kunstwissenschaften ebenso den mit Abstand höchsten Ausländeranteil unter Professoren aufweist. Ein besonders hoher Ausländeranteil von über 20 % lässt sich dabei für den Fachbereich Musik/Musikwissenschaften verzeichnen. Ebenfalls deutlich über dem Durchschnitt liegt der Anteil in der Fächergruppe Mathematik und Naturwissenschaften und dabei insbesondere in den Fachbereichen Physik und Astronomie. Auch in den Geisteswissenschaften hat fast jeder zehnte Professor eine ausländische Staatsangehörigkeit, was sich unter anderem auf die internationale Ausrichtung und die Relevanz von Fremdsprachen in den Sprachwissenschaften zurückführen lässt. Dabei zeigen sich allerdings erhebliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Sprachwissenschaften (vgl. Abbildung 4.3).

Der Ausländeranteil in den Ingenieurwissenschaften liegt hingegen deutlich unter dem Gesamtdurchschnitt. Während der Fachbereich Architektur sogar überdurchschnittliche Werte aufweist, zeigt sich speziell im Maschinenbau und in der Elektrotechnik bisher kaum eine Öffnung für Professoren mit ausländischer Staatsangehörigkeit. Ein ähnliches Bild zeichnet sich in den Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Während der Ausländeranteil in den Wirtschafts-, Sozial-, und Politikwissenschaften noch jeweils über 5 % liegt, finden sich speziell in der Psychologie, den Erziehungswissenschaften und den Rechtswissenschaften bisher kaum Professoren ohne die deutsche Staatsangehörigkeit. Der geringe Anteil in den Rechtswissenschaften lässt sich zum Teil über die Spezifika nationaler Gesetzgebungen erklären, demgegenüber ist die geringe Quote in den Erziehungswissenschaften und der Psychologie nur schwer nachzuvollziehen (vgl. Abbildung 4.3).

Abbildung 4.3
figure 3

(Hinweis: In Klammern genannt ist die absolute Zahl der ausländischen Professoren. Eigene Darstellung. Quelle: Eigene Auswertung auf der Grundlage  ICE-Datenbank  des DZHW (vgl. Statistisches Bundesamt 2018b).)

Ausländeranteile unter Professoren in den Fächergruppen und ausgewählten Fachbereichen 2016.

Unter Professorinnen liegt der Ausländeranteil deutlich höher als unter männlichen Professoren. Ein Vergleich des jeweiligen Frauenanteils innerhalb der ausländischen Professorenschaft (30 %) und der deutschen Professorenschaft (23 %) veranschaulicht die erheblichen Unterschiede. Differenzen bestehen ebenfalls zwischen den Besoldungsgruppen. Der deutliche höhere Ausländeranteil unter W3-/C4-Professoren im Vergleich zu W2-/C3-/C2-Professoren lässt sich unter anderem damit erklären, dass W3-/C4-Professoren fast ausschließlich an Universitäten und nicht an Fachhochschulen beschäftigt sind. W2-/C3-/C2-Professoren an Universitäten weisen den gleichen Ausländeranteil wie die Professoren der Besoldungsgruppe W3/C4 auf. Der höchste Ausländeranteil ist unter Juniorprofessoren und in der vergleichsweisen kleinen Gruppe der Gastprofessoren zu verzeichnen. Hinsichtlich der Trägerschaft ist etwas überraschend, dass der Ausländeranteil an privaten Hochschulen, die Internationalität häufig als besonderes Profilmerkmal hervorheben, sogar leicht unter dem Anteil an staatlichen Hochschulen liegt. Hochschulen in kirchlicher Trägerschaft weisen indessen den geringsten Anteil auf (vgl. Abbildung 4.4).

Abbildung 4.4
figure 4

(Hinweis: In Klammern genannt ist die absolute Zahl der ausländischen Professoren. Eigene Darstellung. Quelle: Eigene Auswertung auf der Grundlage  ICE-Datenbank  des DZHW (vgl. Statistisches Bundesamt 2018b))

Ausländeranteile unter Professoren nach Geschlecht, Besoldungsgruppe und Trägerschaft 2016.

Auch innerhalb Deutschlands werden deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern sichtbar. So fällt der Ausländeranteil in Berlin mehr als dreimal so hoch aus wie in Mecklenburg-Vorpommern. Grundsätzlich zeigt sich, dass Stadtstaaten und Bundesländer mit großen Metropolen einen überdurchschnittlich hohen Ausländeranteil aufweisen, während dieser in stärker ländlich geprägten Flächenländern deutlich geringer ausfällt. Ausnahmen bilden Schleswig-Holstein als ländlich geprägtes Flächenland mit überdurchschnittlichem Ausländeranteil und Nordrhein-Westfalen, wo sich trotz der großen Metropolregionen lediglich ein unterdurchschnittlicher Ausländeranteil unter Professoren zeigt. Auffällig ist dabei auch, dass die ostdeutschen Bundesländer sehr geringe Anteile aufweisen (vgl. Abbildung 4.5). Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass nach Berlin die Bundesländer Sachsen, Brandenburg und Thüringen den höchsten Anteil internationaler StudierenderFootnote 2 stellen (Statistisches Bundesamt 2018b).

Abbildung 4.5
figure 5

(Hinweis: In Klammern genannt ist die absolute Zahl der ausländischen Professoren. Eigene Darstellung. Quelle: Eigene Auswertung auf der Grundlage  ICE-Datenbank  des DZHW (vgl. Statistisches Bundesamt 2018b)Hinweis: In Klammern genannt ist die absolute Zahl der ausländischen Professoren. Eigene Darstellung. Quelle: Eigene Auswertung auf der Grundlage  ICE-Datenbank  des DZHW (vgl. Statistisches Bundesamt 2018b))

Ausländeranteile unter Professoren im Bundesländervergleich 2016.

Hinsichtlich der Herkunftsländer liegt ein klarer Schwerpunkt auf Ländern in Nord-, West- und Südeuropa, aus denen insgesamt über zwei Drittel der ausländischen Professoren stammen. Fast ein Drittel kommt dabei aus den beiden deutschsprachigen Nachbarländern Österreich und der Schweiz. Osteuropa stellt ca. 13 % der ausländischen Professorenschaft, wobei der größte Anteil dabei aus Russland, Polen und der Ukraine stammt. Eine weitere relevante Herkunftsregion stellt Nordamerika dar. Aus dieser Region stammt ca. jeder zehnte Professor mit ausländischer Staatsangehörigkeit, wovon allein fast 9 % ihre Herkunft in den USA haben. Deutlich geringer fallen die Anteile bereits für die Region Asien/Pazifik aus, woher ca. 6 % der ausländischen Professoren stammen. Hier stellen China, Japan, Australien und Indien die größten Gruppen. Lateinamerikanische Wurzeln haben ca. 1,9 % der Professoren. Davon kommt fast ein Drittel aus Brasilien. Nahost und Nordafrika werden von 1,6 % der Professoren als Herkunft angegeben, wovon die Hälfte allein aus Israel stammt. Afrikanische Professoren aus dem Subsahara-Raum sind an deutschen Hochschulen dagegen kaum vertreten. Von den über 3.000 ausländischen Professoren haben lediglich 12 Personen ihre Herkunft in dieser Region, was einem Anteil von gerade einmal 0,4 % entspricht (vgl. Abbildung 4.6).

Abbildung 4.6
figure 6

Hinweis: Die Gesamtzahl der ausländischen Professoren liegt 2015 bei 3098. Eigene Darstellung. Quelle: Wissenschaft Weltoffen/DZHW nach Hochschulpersonalstatistik des Statistischen Bundesamtes (vgl. Wissenschaft Weltoffen 2017))

Ausländische Professorenschaft nach Herkunftsländern 2015.

4.3 Empirische Studien über Migration und internationale Mobilität von Wissenschaftlern

Im Folgenden wird der Forschungsstand auf der Grundlage von Hochschullehrerbefragungen über Migration und internationale Mobilität dargestellt. Zunächst wird das Design der zentralen nationalen und internationalen Erhebungen kurz dargestellt, auf denen die im Folgenden beschriebenen Erkenntnisse zu großen Teilen basieren. Abschließend wird in Abschnitt 4.3.8 ein kurzer Einblick in qualitative Forschung über Hochschullehrer mit Migrationshintergrund gegeben. Der starke Fokus auf quantitative Erhebungen ist primär darin begründet, dass das eigene methodische Design auch als quantitative Erhebung durchgeführt wurde und somit die Verbindung zu den Auswertungen leichter hergestellt werden kann. Bisherige Publikationen im Kontext der MOBIL-Studie werden im Forschungsstand nicht aufgegriffen. Eine Übersicht über Publikationen sowie die zentralen Forschungserkenntnisse sind im Anhang (vgl. Abschnitt 10.2) zu finden.

Das „Global Science Project“ (GlobSci-Studie) aus dem Jahr 2011 untersucht die internationale Mobilität von Wissenschaftlern in 16 LändernFootnote 3 und basiert auf einem Sample von über 47.000 Wissenschaftlern in den vier naturwissenschaftlichen Fachrichtungen Biologie, Chemie, Umwelt- und Materialwissenschaften. Die Auswahl des Samples basiert auf der Autorenschaft in hochgerankten internationalen Journals in den vier genannten Fachrichtungen. Somit besteht das Sample primär aus forschungsaktiven und international ausgerichteten etablierten Wissenschaftlern (Franzoni et al. 2012, 2015).

Die MORE2-Studie, die 2011 von der Europäischen Kommission in Auftrag gegeben wurde, untersucht Mobilität, Karrierewege, Arbeitsbedingungen und Entlohnung von Wissenschaftlern an Hochschulen in 33 europäischen Staaten und basiert auf einem Sample von über 10.000 Personen. Die Zielsetzung der Studie besteht darin, international vergleichende Daten, Indikatoren und Analysen zur Förderung einer evidenzbasierten Wissenschaftspolitik auf europäischer und nationaler Ebene bereitzustellen (IDEA Consult 2013).

Im Rahmen der Studie „Changing Academic Profession“ (CAP-Studie) wurden im Zeitraum 2007/2008 über 25.000 Wissenschaftler an Hochschulen und Universitäten in 19 verschiedenen LändernFootnote 4 befragt. Internationalisierung sowie Organisation, Wandel und Zufriedenheit im Hochschullehrerberuf stellen die zentralen Themenfelder dar (Teichler et al. 2013). Die Studie „Academic Profession in Europe: Responses to Societal Challenges“ (EUROAC-Studie) stellt eine Erweiterung der CAP-Studie für den europäischen Raum dar. Neben den sieben europäischen Ländern der CAP-Studie wurden im Rahmen der EUROAC-Studie in fünf weiteren europäischen Staaten repräsentative Befragungen von Wissenschaftlern durchgeführtFootnote 5, sodass die EUROAC-Studie insgesamt auf einem Sample von über 16.000 Personen basiert (Teichler und Höhle 2013).

Neben den internationalen Studien lassen sich ebenfalls zwei nationale Hochschullehrerbefragungen nennen, bei denen Migration und internationale Mobilität zumindest einen Teilaspekt der Befragung darstellen. Die Studie „Wandel von Lehre und Studium“ (LESSI-Studie), die vom International Centre for Higher Education Research Kassel (INCHER-Kassel) zwischen 2011 und 2013 durchgeführt wurde und an der deutschlandweit über 7.000 Hochschullehrer teilgenommen haben, nimmt insbesondere Veränderungen in den Blick, die im Zuge der Bologna-Reformen entstanden sind (Schomburg et al. 2012).

Die Erhebung, die das Kompetenzzentrum „Frauen in Wissenschaft und Forschung“ (CEWS-Studie) im Jahr 2008 über das Projekt „Balancierung von Wissenschaft und Elternschaft“ an 19 Universitäten durchgeführt hat, lässt sich hingegen als Sekundäranalyse einordnen. Im Rahmen dieser Erhebung wurde das Konzept des Migrationshintergrundes nach der Definition des Mikrozensus verwendet. Auf dieser Grundlage lassen sich ca. 13 % der über 8.000 Teilnehmer als Personen mit Migrationshintergrund klassifizieren und vergleichend analysieren (Löther 2012b).

Zudem gibt es zwei größere Erhebungen, die ausschließlich migrantische und internationale Wissenschaftler in Deutschland zum Gegenstand haben. Die Studie „Motivationen Internationaler Nachwuchswissenschaftler in Deutschland“ (MIND-Studie) basiert auf einer Befragung aus dem Jahr 2015 von über 1.500 promovierten, internationalen Nachwuchswissenschaftlern an Hochschulen in Deutschland und untersucht die Motivation, Integration und Förderung dieser Gruppe (Wegner 2016a). Des Weiteren wurde zwischen 2008 und 2009 eine DFG-Pilotstudie mit über 500 ausländischen Wissenschaftlern an den Hochschulen Aachen, Köln und Bonn durchgeführt, im Rahmen derer die Migrationsmotive sowie die Arbeits- und Lebenssituationen näher analysiert wurden (Otto und Temme 2012).

4.3.1 Anteil migrantischer Wissenschaftler in Deutschland im internationalen Vergleich

Nach der Analyse von Löther (2012b) sind von den Wissenschaftlern mit Migrationsbiographie (13 %) über die Hälfte zugewandert und haben eine ausländische Staatsangehörigkeit (57 %), während eine kleine Gruppe eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzt, obwohl sie in Deutschland geboren ist (3 %). Der Anteil von Migranten, die nach Deutschland zugewandert sind und heute (auch) die deutsche Staatsangehörigkeit haben, liegt bei 17 %. Demgegenüber stellen in Deutschland geborene Deutsche mit einem ausländischen oder zugewanderten Elternteil insgesamt 24 % der Migrantengruppe.

Nach der EUROAC-Studie liegt der Anteil zugewanderter Hochschullehrer bei 7 %. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland im unteren Mittelfeld und damit zwar noch deutlich vor Ländern wie Japan und Brasilien (je 1 %), aber hinter den Niederlanden (9 %) und weit hinter den angelsächsischen Ländern (USA 17 %, UK 22 %, Australien 37 %) (Cummings et al. 2014). Bei der Gruppe der Senior Academics liegt der Anteil an zugewanderten Wissenschaftlern in Deutschland bei 9 %. Damit liegt Deutschland zwar deutlich vor Ländern wie Italien und Polen (je 2 %), aber zum Beispiel deutlich hinter dem Vereinigten Königreich (18 %) oder der Schweiz (50 %) und auch deutlich hinter dem internationalen Durchschnitt (16 %) (Goastellec und Pekari 2013b). Insgesamt sind in Deutschland 21 % der Professoren an Universitäten und 18 % der Professoren an Fachhochschulen Migranten oder waren international mobil. Beide Werte liegen deutlich unter dem europäischen Durchschnitt (30 % bzw. 28 %) (Teichler et al. 2017). Über die CAP-Befragung wurde ebenfalls der Anteil an Muttersprachlern unter den Professoren an deutschen Hochschulen ermittelt. Eine andere Muttersprache als Deutsch haben demzufolge 6 % der Universitäts- und 3 % der Fachhochschulprofessoren (Jacob 2013).

Laut der GlobSci-Studie liegt der Anteil der im Ausland geborenen Wissenschaftler in den vier naturwissenschaftlichen Fachrichtungen in Deutschland bei durchschnittlich 22 %. Die Auswahl des Samples nach der Autorenschaft in internationalen Fachzeitschriften legt allerdings den Schluss nahe, dass hier eine positive Selektion international orientierter Wissenschaftler stattgefunden hat. Das heißt es ist zu vermuten, dass Professoren mit internationaler Erfahrung dementsprechend überproportional im Sample vertreten sind. Die Studie bietet gleichwohl Orientierungsgrößen, insbesondere für den internationalen Vergleich. Hier liegt Deutschland im Mittelfeld. Deutlich geringer ist der Anteil internationaler Wissenschaftler in Ländern wie Indien (1 %), Italien (3 %), Japan (5 %) oder Spanien (7 %). Deutlich höher liegt der Anteil hingegen in der Schweiz (57 %), Kanada (47 %), Australien (45 %) und den USA (38 %). Zugleich zeigt die Studie, dass die häufigsten Herkunftsländer internationaler Wissenschaftler die Nachbarländer des Ziellandes sind (Franzoni et al. 2015).

Kreckel und Zimmermann (2014) untersuchten die Ausländeranteile von Promotionen und Professoren (W3/C4) in Deutschland im internationalen Vergleich zu den USA, England, Frankreich, Österreich und der Schweiz. Sowohl bei den Promotionen als auch unter Professoren weist Deutschland mit Abstand den geringsten Ausländeranteil auf. Mit einem Anteil von 7,6 % unter Professoren positioniert sich Deutschland deutlich hinter Frankeich (13 %) und England (17 %) und weit hinter Österreich (22 %), den USA (25 %) und der Schweiz (48 %).

4.3.2 Internationale Mobilität von Wissenschaftlern

Der DAAD (2016) unterscheidet drei klassische Ansätze zur Untersuchung internationaler Wissenschaftlermobilität:

  1. 1.

    Vergleich zwischen Land der Staatsangehörigkeit und Land der aktuellen Tätigkeit

  2. 2.

    Vergleich zwischen Land des Erwerbs formaler Bildungsabschlüsse und Land der aktuellen Tätigkeit

  3. 3.

    Analyse der Mobilitätsbiographie

Dabei ist zu berücksichtigen, dass hinsichtlich der einzelnen Indikatoren gewisse Einschränkungen hinzunehmen sind. Der Vergleich der Staatsangehörigkeit mit dem Land der aktuellen Tätigkeit gibt keinen Aufschluss darüber, zu welchem Zeitpunkt jemand zugewandert ist. Zudem ergibt sich nach diesem Ansatz auch für Wissenschaftler der zweiten Generation, die nicht die Staatsangehörigkeit des aktuellen Aufenthaltslandes besitzen, ein positiver Befund, obwohl diese möglicherweise keine Mobilität aufweisen. Demgegenüber werden hiernach auch zugewanderte Wissenschaftler, die bereits die deutsche Staatsangehörigkeit erworben haben, nicht berücksichtigt. Ein Vergleich zwischen dem Land des Erwerbs formaler Bildungsabschlüsse und dem Land der aktuellen Tätigkeit hat den Vorteil, dass hiernach definitiv nur solche Personen erfasst werden, die mindestens einmal international mobil waren. Allerdings lässt sich über diesen Indikator nicht zwischen Rückkehrern und Migranten differenzieren. Ein dritter Ansatz besteht in einer detaillierten Analyse der Mobilitätsbiographie. Eine entsprechende Analyse wird häufig anhand bibliometrischer Daten vorgenommen (DAAD 2016).

Zudem differenziert der DAAD zwischen projekt- und veranstaltungsbezogener Mobilität (z. B. Konferenzen, Forschungsprojekte im Ausland), qualifikationsbezogener Mobilität (z. B. Promotion, Postdoc-Stelle im Ausland) und arbeitsplatzbezogener Mobilität (z. B. temporäre oder dauerhafte Forschungsstellen im Ausland). Dabei können sowohl Überschneidungen als auch Wirkungsbeziehungen zwischen und innerhalb der Kategorien bestehen. Beispielsweise führt studienbezogene Auslandsmobilität häufig zu promotionsbezogener Auslandsmobilität und diese wiederum zu postdoktoraler Mobilität (DAAD 2016). Der Befund, dass internationale Mobilitätserfahrung generell die Wahrscheinlichkeit zukünftiger internationaler Mobilität erhöht, wird auch in anderen Studien belegt (vgl. Netz und Jaksztat 2014).

Neben Großbritannien, Frankreich, Kanada und der Schweiz stellt Deutschland einen der wichtigsten Knotenpunkte internationaler Wissenschaftlermobilität dar. Nach Untersuchungen des DAAD sind die wichtigsten Kooperations- und Mobilitätspartner für Deutschland die Schweiz, Österreich und die USA. Weitere wichtige Partnerländer stellen Großbritannien, Frankreich, Italien, Spanien, die Niederlande, China, Indien und Russland dar. Insgesamt übersteigt die Zahl der Wissenschaftler, die Deutschland verlassen, die Zahl der zugewanderten Wissenschaftler. Trotz einer insgesamt negativen Mobilitätsbilanz profitiert Deutschland – nach Impact-Faktor der Publikationen – von internationaler Wissenschaftlermobilität in der Hinsicht, dass zugewanderte und zurückkehrende Wissenschaftler eine höhere wissenschaftliche Sichtbarkeit erzeugen (DAAD 2016).

Nach Erhebungen der CAP-Studie liegt Deutschland hinsichtlich des Anteils im Ausland geborener Hochschullehrer im internationalen Vergleich mit 7 % unter dem Durchschnitt. Unter etablierten Wissenschaftlern (Senior Researcher) liegt der Anteil mit 9 % etwas höher, aber bleibt auch hier deutlich unter dem Durchschnitt (16 %). Die Anteile von Wissenschaftlern mit im Ausland erworbenem Hochschulabschluss (8 %) oder entsprechender Promotion (9 %) fallen für Deutschland im internationalen Vergleich noch geringer aus. Hier zeigt sich, dass kleinere Länder generell einen deutlich höheren Anteil aufweisen. Ein wichtiger Erklärungsansatz für die Unterschiede sowohl hinsichtlich des Geburtslandes als auch im Hinblick auf die Hochschulabschlüsse könnte nach Ansicht der Autoren darin liegen, dass kleinere Länder kaum in der Lage sind, in allen wissenschaftlichen Feldern Studierende auszubilden und daher als wissenschaftlichen Nachwuchs stärker Wissenschaftler aus dem Ausland anwerben (Cummings et al. 2014; Goastellec und Pekari 2013b). Generell lässt sich festhalten, dass die Mobilität zwischen Nachbarländern aufgrund der räumlichen Nähe besonders hoch ist und darüber hinaus kulturelle sowie politische Beziehungen zwischen Herkunfts- und potenziellem Zielland eine bedeutende Rolle spielen. Einen wichtigen Faktor stellt zudem die Sprache dar, wobei sich insbesondere zwischen englischsprachigen Ländern ein besonders hoher Austausch beobachten lässt (Jacob 2014).

Die CEWS-Studie trifft Aussagen über die unterschiedlichen Teilgruppen innerhalb der Gruppe der migrantischen Wissenschaftler. Demnach promovierte die Hälfte der zugewanderten Wissenschaftler außerhalb Deutschlands. Zugewanderte Deutsche und in Deutschland geborene Ausländer erwarben zu 16 % bzw. 17 % sowohl Studienabschluss als auch Promotion im Ausland. Hinsichtlich der Deutschen, die zwar keine eigene Migrationserfahrung, allerdings einen migrantischen Elternteil aufweisen, zeigt sich, dass Studienabschlüsse und Promotion etwas häufiger im Ausland erworben werden als bei Wissenschaftlern ohne Migrationshintergrund. Ein möglicher Erklärungsansatz kann in der stärkeren Ausprägung familiär bedingter Kontakte ins Ausland liegen (Löther 2012a).

4.3.3 Mobilitäts- und Migrationstypologien

Publikationen auf Grundlage der CAP- und EUROAC-Studien haben verschiedene Mobilitäts- und Migrationstypologien gebildet, um die unterschiedlichen biographischen und zeitlichen Dimensionen von Wissenschaftlermobilität und -migration zu veranschaulichen (vgl. Tabelle 4.1). Rostan und Höhle (2014) entwickeln in Anlehnung an lebenslauftheoretische Konzepte und mithilfe von Angaben zur Bildungs- und Berufsbiographie fünf Typen internationaler Wissenschaftlermobilität. „Migration for study“ und „Migration for work“ bezeichnen dabei zwei Typen „klassischer“ Migranten, die ihr Herkunftsland studien- bzw. berufsbedingt dauerhaft verlassen haben. Die anderen drei Typen beziehen sich hingegen auf vorübergehende, studienbedingte Auslandsaufenthalte (circulating for study) sowie Auslandsaufenthalte im Rahmen kurzfristiger oder längerfristiger beruflicher Tätigkeiten (circulating for work: short term bzw. circulating for work: long term).Footnote 6 Personen, die keine dieser Mobilitätserfahrungen gemacht haben, werden demgegenüber als Nonmobile klassifiziert. In einem nächsten Schritt wurde analysiert, ob es in Deutschland einen hohen, mittleren oder geringen Anteil der jeweiligen Mobilitätstypen im Vergleich zu den übrigen Ländern der CAP-Studie gibt. Für Deutschland zeigt sich, dass der Anteil an Wissenschaftlern, die kurzzeitig im Ausland gearbeitet haben oder zum Studium nach Deutschland migriert sind, im internationalen Vergleich im mittleren Bereich liegt. Die Anteile für die drei anderen Mobilitätstypen liegen international hingegen im unteren Bereich (vgl. Tabelle 4.1).

Die Typologie von Goastellec und Pekari (2013b) unterscheidet vier Typen von Foreign-Born Migrants anhand ihres jeweiligen Zuwanderungszeitpunktes. Early Migrants sind zu einem relativ frühen Zeitpunkt zugewandert und haben ihren ersten oder zweiten Studienabschluss im Land ihrer aktuellen Berufstätigkeit erworben. Dementsprechend später findet die Zuwanderung von PhD-Immigrants und Professional Immigrants (PhD) sowie von Professional Migrants (non-PhD) statt. Neben diesen vier Migrationstypen gibt es Study-Mobile Academics und PhD-Mobile Academics, worunter Wissenschaftler zu fassen sind, die nach Erwerb des jeweiligen Abschlusses im Ausland wieder in ihr Herkunftsland zurückgekehrt sind. Ein Vergleich mit dem erweiterten Sample europäischer Länder auf Grundlage der EUROAC-Studie zeigt, dass in Deutschland im europäischen Vergleich überdurchschnittlich viele Early Migrants und PhD-Migrants arbeiten, während der Anteil von Professional Migrants und deutschen Wissenschaftlern, die tertiäre Bildungsabschlüsse im Ausland erworben haben, unter dem europäischen Durchschnitt liegt (vgl. Tabelle 4.1).

Tabelle 4.1 Anteile unterschiedlicher Mobilitätstypen unter Wissenschaftlern in Deutschland im int. Vergleich in der CAP-Studie 2007/08 und EUROAC-Studie 2010 in Prozent

Eine sehr ähnliche Typologie verwenden Huang, Teichler und Galaz-Fontes (2014). Hier basiert der europäische Vergleich allerdings ausschließlich auf den Vergleichsländern, die Teil des CAP-Samples sind. Die Ergebnisse unterscheiden sich indessen nur geringfügig. Im Gegensatz zur Typologie von Goastellec und Pekari (2013b) werden unter Study Mobile Academics und PhD-Mobile Academics auch Wissenschaftler gefasst, die nur einen Teil ihres Studiums im Ausland absolviert haben, auch wenn sie den Studienabschluss nicht dort erworben haben. Wenn man diese Klassifizierung zugrunde legt, fällt der Anteil deutscher international mobiler Wissenschaftler auch im europäischen Vergleich deutlich höher aus. Im europäischen Vergleich lässt sich festhalten, dass der Anteil mobiler Wissenschaftler in Deutschland bei ca. 20 % liegt und der Anteil „klassischer“ Migranten bei 12-13 %. Im europäischen Vergleich liegt Deutschland damit in etwa im Durchschnitt. Im Rahmen eines internationalen Vergleichs auf Grundlage des CAP-Samples sind mobile Wissenschaftler in Deutschland hingegen eher unterdurchschnittlich vertreten (vgl. Tabelle 4.1).

Goastellec und Pekari (2013b) untersuchten darüber hinaus, inwieweit sich der Anteil der Mobile Academics zwischen Universitäten und Fachhochschulen, zwischen Juniors (entspricht in etwa dem wissenschaftlichen Mittelbau in Deutschland) und Seniors (Professoren), zwischen den Disziplinen, Altersgruppen und Geschlechtern sowie je nach Bildungsherkunft jeweils unterscheidet. Der Anteil mobiler Wissenschaftler in Deutschland liegt unter Seniors an Universitäten bei 18 % und an Fachhochschulen bei 15 % und damit deutlich unter den entsprechenden Werten innerhalb der Gruppe der Juniors (19 % bzw. 37 %). Dabei ist zu beachten, dass der Unterschied sich ausschließlich auf Differenzen hinsichtlich der jeweiligen Positionen bezieht und das Alter der Wissenschaftler hierfür nicht von Bedeutung ist. Im Gegenteil liegt der Anteil der 41- bis 60-jährigen mit 24 % deutlich über dem Anteil der Academics mit einem Alter von maximal 40 Jahren (17 %). Am geringsten fällt der Anteil mobiler Wissenschaftler hingegen unter Hochschullehrern, die 60 Jahre oder älter sind, aus (15 %).

Unterschiede ergeben sich auch im Hinblick auf verschiedene Fachbereiche im deutschen Hochschulwesen. Den höchsten Anteil mobiler Wissenschaftler haben dabei die Physik/Ingenieurwissenschaften (21 %), die damit leicht vor den Lebenswissenschaften und der Medizin sowie den Human- und Sozialwissenschaften liegen. Den mit Abstand geringsten Anteil haben hingegen Hochschullehrer in den Rechts- und Wirtschaftswissenschaften (12 %). Deutliche Differenzen zeigen sich ebenso zwischen Hochschullehrerinnen (25 %) und männlichen Hochschullehrern (17 %). Damit entspricht der Anteil unter Hochschullehrerinnen in etwa dem europäischen Durchschnitt (26 %), während er bei den Hochschullehrern deutlich darunter liegt (24 %). Zudem wird sichtbar, dass Hochschullehrer mit akademischer Herkunft häufiger mobil sind als Hochschullehrer aus nichtakademischen Elternhäusern (22 % bzw. 17 %). Diese Erkenntnis lässt sich auch im Rahmen eines europäischen Vergleichs gewinnen (Goastellec und Pekari 2013b).

Rostan und Höhle (2014) untersuchten über logistische Regressionen, welchen Einfluss das Herkunftsland und soziodemographische Faktoren auf die internationale Mobilitätsbiographie haben. Während die Wahrscheinlichkeit für „circulating for study“ bei Wissenschaftlern aus Industrieländern deutlich höher ist, zeigt sich, dass es sich bei Fällen von „migrating for study“ insbesondere um Migrationsprozesse aus Schwellen- und Entwicklungsländern in Industriestaaten handelt. Während sich bei „migrating for study“ kein Gendereffekt beobachten lässt, ist die Wahrscheinlichkeit für „circulating for study“ bei Frauen signifikant geringer. Zudem zeigt sich, dass ältere Kohorten deutlich häufiger für das Studium kurzfristig oder langfristig ins Ausland gewechselt sind. Ein möglicher Erklärungsansatz liegt darin, dass in den letzten Jahrzehnten die nationalen Studienprogramme in den einzelnen Ländern deutlich ausgebaut wurden und somit die Notwendigkeit von degree mobility deutlich nachgelassen hat.

Ein weiterer wichtiger Prädikator ist die soziale Herkunft. Hochschullehrer, die einen Vater mit akademischem Abschluss haben, sind deutlich häufiger im Rahmen des Studiums international mobil. Der Befund, dass die soziale Herkunft generell einen wichtigen Prädikator für internationale Studierendenmobilität darstellt, wurde für Deutschland in einer Reihe von Untersuchungen belegt (Lörz et al. 2016). Im Hinblick auf internationale Mobilität im Kontext der Berufsbiographie zeigen die Analysen von Rostan und Höhle (2014), dass Wissenschaftler aus Industriestaaten, an Universitäten und mit akademischer Herkunft im Hinblick auf alle drei „Arbeits-Mobilitätstypen“ bedeutend häufiger mobil waren. Eine geringere internationale Mobilität bei Wissenschaftlerinnen zeigt sich indessen hinsichtlich der beiden Typen „circulating for work: long term“ und „migration for work“.

Eine weitgehend gesicherte Erkenntnis liegt darin, dass Wissenschaftler, die bereits eine internationale Mobilitätserfahrung aufweisen, mit einer deutlich höheren Wahrscheinlichkeit erneut international mobil sein werden als Wissenschaftler ohne bisherige internationale Mobilitätserfahrungen (IDEA Consult 2013, S. 145–146; Netz und Jaksztat 2014). Gegenstand der Erhebungen im Rahmen der MORE2-Studie war darüber hinaus die Frage, welche Effekte Migration und internationale Mobilitätserfahrungen auf die berufliche Situation haben. Wissenschaftler, die aktuell oder in den letzten fünf Jahren mindestens drei Monate lang international mobil waren, betonen, dass sich die Qualität und Anerkennung ihrer Forschung sowie internationale Kontakte und Netzwerke durch die Mobilitätserfahrung deutlich erhöht haben. Über die Hälfte der Befragten verweist auf verbesserte Karriereperspektiven aufgrund der internationalen Mobilität. Zugleich verweist aber auch fast ein Drittel darauf, dass sich die eigenen Karrierechancen durch die internationale Mobilität verschlechtert haben. Die Autoren vermuten, dass diese negative Beurteilung insbesondere für Forscher gilt, die weniger aus Karrieregründen (Pull-Faktoren) als vielmehr aufgrund der defizitären Situation in ihrem Heimatland (Push-Faktoren) international mobil waren. Ein weiterer interessanter Befund dieser Studie liegt darin, dass Frauen die Effekte der eigenen internationalen Mobilität insgesamt deutlich positiver beurteilen als ihre männlichen Kollegen (IDEA Consult 2013, S. 177–181).

4.3.4 Internationale Aktivitäten der akademischen Profession

Auf der Grundlage der CAP-Befragung sowie der erweiterten EUROAC-Erhebung lassen sich internationale Aktivitäten von Professoren in Deutschland sowie im internationalen Vergleich näher betrachten. Dabei lassen sich idealtypisch die Felder Lehre, Forschung und Publikationstätigkeit unterscheiden. Hinsichtlich der Indikatoren, die auf internationale Aktivitäten im Bereich der Lehre hindeuten, liegt Deutschland in etwa im europäischen Durchschnitt. In etwa ein Viertel der Universitätsprofessoren und gut ein Fünftel der Fachhochschulprofessoren haben in den letzten Jahren im Ausland gelehrt. Nicht-deutschsprachige Lehrveranstaltungen in Deutschland wurden zu einem Drittel an Universitäten und zu knapp einem Viertel an Fachhochschulen durchgeführt (vgl. Tabelle 4.2).

Tabelle 4.2 Internationale Aktivitäten in (%) von Professoren an Universitäten und an anderen Hochschulen in Deutschland im europäischen Vergleich

Professoren mit deutscher Staatsangehörigkeit wurden zudem gefragt, welche Sprache sie am häufigsten in Forschung und Lehre nutzen. Über die Hälfte der deutschen Universitätsprofessoren (54 %) und gut ein Viertel der Fachhochschulprofessoren (27 %) verwenden demnach überwiegend eine andere Sprache als Deutsch in der Forschung. Eine deutlich geringere Relevanz kommt nichtdeutschen Sprachen hingegen im Bereich der Lehre zu. Hier nutzen 6 % der Professoren an Universitäten und 1 % der Professoren an Fachhochschulen neben Deutsch auch andere Sprachen. Dabei handelt es sich primär um die englische Sprache, während Französisch mit deutlichem Abstand an zweiter Stelle steht (Jacob 2013; Jacob und Teichler 2011).

Anhand der weiteren internationalen Indikatoren lässt sich hinsichtlich Forschung und Lehre die Erkenntnis gewinnen, dass Universitätsprofessoren in deutlich höherem Maße international aktiv sind als ihre Kollegen an Fachhochschulen. Im europäischen Vergleich liegen die Universitätsprofessoren in Deutschland dabei leicht unter dem europäischen Durchschnitt, während die Fachhochschulprofessoren hingegen deutlich weiter hinter ihren Kollegen aus dem europäischen Ausland zurückbleiben (vgl. Tabelle 4.2). Goastellec und Pekari (2013b) erstellen abschließend einen Länderindex für die elf an der EUROAC-Studie beteiligten europäischen Länder hinsichtlich der internationalen Aktivität ihrer Professoren, in dem Deutschland sich auf dem achten Platz wiederfindet.

Zu ähnlichen Ergebnissen hinsichtlich der Unterschiede zwischen Universitäten und Fachhochschulen kommt die LESSI-Studie. Dabei heben die Autoren hervor, dass internationale Aktivitäten in den Sprach-/Kulturwissenschaften und Mathematik/Naturwissenschaften etwas stärker ausgeprägt sind als in den Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften sowie den Ingenieurwissenschaften (Schomburg et al. 2012). Rostan, Finkelstein und Huang (2014) unterscheiden idealtypisch zwischen Soft- (Sozial- und Geisteswissenschaften) und Hard-Disciplines (Natur- und Ingenieurwissenschaften) und zeigen, dass im Bereich der Lehre internationale Aktivitäten in den Soft-Disciplines tendenziell etwas stärker ausgeprägt sind, wohingegen sich Hochschullehrer in den Hard-Disciplines in der Forschung, insbesondere im Rahmen von internationalen Forschungskooperationen und der Verwendung des Englischen, als deutlich aktiver erweisen. Vabø, Padilla-González, Waagene und Næss (2014) untersuchten auf der Grundlage des internationalen CAP-Samples darüber hinaus auch den Einfluss des Geschlechts auf die Ausübung internationaler Aktivitäten. Die Ergebnisse zeigen, dass männliche Hochschullehrer häufiger als ihre Kolleginnen Erfahrungen im Bereich internationaler Kooperationen und Publikationen sowie Lehrtätigkeiten im Ausland vorweisen können. Demgegenüber berichten Hochschullehrerinnen etwas häufiger von Tätigkeiten im Bereich „Internationalization at home“. Ein wichtiger Erklärungsansatz für die insgesamt geringere internationale Aktivität von Frauen liegt den Autoren nach darin, dass es insbesondere für Frauen mit Kindern und vollzeitbeschäftigten Partnern besonders schwierig sei, sich in den vielen Feldern der Internationalisierung zu betätigen.

Die GlobSci-Studie untersucht die Frage, worin sich die internationalen Netzwerke von im Ausland geborenen (Foreign Born), aus dem Ausland zurückgekehrten (Returnees) und nichtmobilen Wissenschaftlern (Nonmobile) unterscheiden. Im Ausland geborene Wissenschaftler haben am häufigsten in den zugrunde gelegten Journals gemeinsam mit internationalen Koautoren publiziert. An zweiter Stelle folgen die Returnees. Mit Abstand am geringsten ist der Anteil bei Wissenschaftlern, die nicht international mobil waren. Ein vergleichbares Bild zeigt sich hinsichtlich der internationalen Kooperationen in den letzten zwei Jahren. Auch in diesem Feld haben nichtmobile Wissenschaftler in geringstem Maße internationale Netzwerkstrukturen etabliert, während die entsprechenden Werte für Foreign Born und Returnees deutlich höher ausfallen. Für die Gruppe der Foreign Born zeigt sich darüber hinaus, dass internationale Kooperationen besonders häufig mit Menschen aus dem Herkunftsland stattfinden, die zum Teil noch im Herkunftsland leben, zum Teil aber auch in andere Länder migriert sind.

Generell zeigt sich, dass der Zeitpunkt der Migration eine wichtige Rolle spielt. So gelingt Wissenschaftlern, die während des Studiums oder der Promotion migrieren, der Aufbau internationaler Kooperationen etwas seltener als Wissenschaftlern, die erst in der Postdoc-Phase migrieren. Ein Grund hierfür könnte darin liegen, dass Wissenschaftler, die erst zu einem späteren Zeitpunkt ihrer Laufbahn das Land wechseln, häufiger bereits berufliche Netzwerke im Herkunftsland aufgebaut haben, aus denen nach der Migration internationale Kooperationen erwachsen können. Entsprechende internationale Netzwerkstrukturen aus dem Herkunftsland können dabei in besonderem Maße von Wissenschaftlern genutzt werden, die aus Ländern stammen, in denen bereits besonders weit entwickelte Wissenschaftsstrukturen bestehen. Darüber hinaus untersuchen die Autoren den Einfluss von internationaler Mobilität auf die Performance von Wissenschaftlern, die über den Impact-Faktor abgebildet wird. Die Ergebnisse zeigen, dass sich für Foreign Born und Returnees vergleichbare Impact-Faktoren ergeben, während Nonmobile dahinter verbleiben (Franzoni et al. 2015; Scellato et al. 2015).

Eine ähnliche Differenzierung nehmen Goastellec und Pekari (2013b) auf der Grundlage des europäischen Samples der EUROAC-Studie vor, wonach zwischen Migrants, also zugewanderten Hochschullehrern, Mobile Academics, also Hochschullehrern, die einen Teil ihres Studiums im Ausland absolviert haben, und Non-Mobile Academics zu unterscheiden ist. Die Auswertung für die Professoren zeigt, dass sowohl an Universitäten als auch an anderen Hochschularten internationale Aktivitäten in der Forschung wie Publikationen in anderen Sprachen, eine internationale Koautorenschaft, Publikationen im Ausland und internationale Forschungskooperationen anteilig deutlich häufiger bei zugewanderten und mobilen Professoren zu verzeichnen sind. Dabei liegt zumeist der Anteil unter den zugewanderten Professoren noch etwas höher. Bei internationalen Drittmittelgebern wie beispielsweise der Europäischen Union gilt dieser Befund nur für Professoren an Universitäten. In der Lehre zeigen sich ähnliche Ergebnisse. Auf Lehrveranstaltungen im Ausland in den letzten Jahren verweisen auch hier zugewanderte und mobile Professoren in deutlich höherem Maße. Demgegenüber zeichnet sich in der Lehre ein anderes Bild hinsichtlich der Bedeutung von Fremdsprachen. Während an anderen Hochschularten ebenfalls zugewanderte und mobile Professoren deutlich häufiger in diesem Feld aktiv sind, zeigen sich an Universitäten dahingehend keine Unterschiede.

Rostan und Höhle (2014) untersuchten über logistische Regressionen, welchen Einfluss unterschiedliche Mobilitätsformen auf Lehraktivitäten im Ausland, auf internationale Forschungskooperationen sowie auf Publikationen im Ausland haben. Basierend auf den drei Mobilitäts- und den zwei Migrationstypen (vgl. Tabelle 4.1) wird unter Kontrolle zentraler Herkunftsmerkmale und demographischer Variablen sichtbar, dass alle fünf Typen hinsichtlich Lehre, Forschung und Publikationstätigkeit in deutlich höherem Maße international aktiv sind als nichtmobile Hochschullehrer. Dabei zeigt sich wie in der GlobSci-Studie, dass migrants for work, also Migranten, die erst nach Abschluss ihrer akademischen Ausbildung nach Deutschland gekommen sind, mit Abstand die international aktivste Gruppe darstellen. Der positive Einfluss von internationaler Mobilität bzw. Migration auf internationale Aktivitäten ist über die unterschiedlichen Generationen konstant, wenngleich er in der jüngeren Generation noch etwas stärker ausfällt (Jung et al. 2014). Die positiven Auswirkungen internationaler Mobilitätserfahrungen in diesem Zusammenhang lassen sich auch anhand der MORE2-Studie bestätigen (IDEA Consult 2013, S. 145).

4.3.5 Motive der Zuwanderung

Studien über die Motive der Zuwanderung bei Wissenschaftlern differenzieren zumeist zwischen Pull-Faktoren, also Anreizen hinsichtlich einer Zuwanderung nach Deutschland, und Push-Faktoren, also ungünstigen Bedingungen im Herkunftsland, die zur Emigration beigetragen haben (vgl. Abschnitt 3.2.1).

Ein weiterer wichtiger Aspekt liegt in der notwendigen Unterscheidung zwischen zeitlich begrenzter internationaler Mobilität und langfristigen Migrationsprozessen, denen eine endgültige Migrationsentscheidung zugrunde liegt. Insbesondere Formen kurzfristiger internationaler Mobilität haben in den letzten Jahren unter Wissenschaftlern stark an Bedeutung gewonnen, was nicht zuletzt auf die zunehmend günstigeren Rahmenbedingungen im Zuge der digitalen Entwicklung sowie die Vervielfachung kostengünstiger Transport- und Reisemöglichkeiten zurückzuführen ist (Ackers 2005, S. 111). Mihut, Gayrdon und Rudt (2017) fassen den aktuellen internationalen Forschungsstand hinsichtlich der Motive und Gründe internationaler Wissenschaftlermobilität zusammen. Demnach spielt die Analyse auf der Grundlage von Push- und Pull-Faktoren, die ihrerseits in ökonomische und nichtökonomische Gründe unterteilt werden, weiterhin eine wichtige Rolle. Wichtige Motive für die Emigration auf ökonomischer Ebene sind eine geringe Entlohnung, schlechte Arbeitsbedingungen sowie Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung. Auf nichtökonomischer Ebene wird auf schlechte Lebensbedingungen, politische Instabilität und fehlende Perspektiven für die Kinder verwiesen. Typische Pull-Faktoren stellen dementsprechend bessere Verdienstmöglichkeiten, günstigere Arbeitsbedingungen und Karriereperspektiven sowie eine angemessene Lebensqualität, politische Stabilität und adäquate Bildungsmöglichkeiten für die Kinder dar.

Des Weiteren werden die Motive häufig in vier Gruppen unterteilt: ökonomische, karrierebezogene, institutionelle und private/familiäre Gründe. Hinsichtlich der ökonomischen Gründe lässt sich feststellen, dass die Verdienstmöglichkeiten von Wissenschaftlern stark mit der Wirtschaftskraft der Zielländer korrelieren, was erklärt, warum der größte Teil exzellenter Wissenschaftler in hochentwickelten Staaten zu finden ist. Im Hinblick auf die karrierebezogenen Gründe ergibt sich gleichermaßen, dass hochentwickelte Staaten zumeist die besten Forschungs- und Lehrbedingungen bieten können. Zudem spielt für die Migrationsentscheidung eine wichtige Rolle, ob die Stelle unbefristet ausgeschrieben ist. Hinsichtlich der institutionellen Faktoren ist zunächst das Prestige der Hochschule von großer Relevanz, wobei auch Aspekte wie Ausstattung und Netzwerke zu anderen Wissenschaftlern von Bedeutung sein können. Auch persönliche und familiäre Gründe werden in den letzten Jahren zunehmend in der Forschung berücksichtigt. Der Situation des Partners und der Kinder kommt häufig eine zentrale Bedeutung für die Migrationsentscheidung zu (Mihut et al. 2017, S. 20).

Für internationale Nachwuchswissenschaftler sind forschungsbezogene Kriterien wie die Expertise der Kollegen, attraktive Forschungsbedingungen oder das hohe Renommee der Hochschule bzw. des Wissenschaftsstandortes Deutschland von zentraler Bedeutung. Kulturelle Gründe sind zwar auch von Relevanz, spielen aber eine eher untergeordnete Rolle. Familiäre Gründe wie insbesondere der mögliche Umstand, dass sich Partner oder Familienmitglieder ebenfalls in Deutschland aufhalten, spielten in etwa für jeden siebten Wissenschaftler eine wichtige Rolle. Unterschiede zeigen sich auch zwischen den Fachbereichen. Forschungsspezifische Kriterien wie die Reputation spielen für Wissenschaftler aus den Ingenieurwissenschaften, der Chemie oder der Physik eine deutlich größere Rolle als für Wissenschaftler aus den Sozial-, Wirtschafts-, Geistes- und Kulturwissenschaften (Wegner 2016b).

Zu ähnlichen Ergebnissen kommen Otto und Temme (2012) in ihrer Befragung von ausländischen Wissenschaftlern in Aachen, Köln und Bonn. Die Hoffnung auf eine internationale Karriere, verbesserte Karrierechancen im Herkunftsland und die attraktiven Arbeits- und Forschungsbedingungen werden am häufigsten als Migrationsmotive hervorgehoben, während bessere Verdienstmöglichkeiten lediglich für 12 % der Befragten ein wichtiges Motiv darstellen.

Push-Faktoren spielen im Vergleich zu Pull-Faktoren insgesamt eine deutlich geringere Rolle. Die allgemeine politische und wirtschaftliche Lage im Herkunftsland ist lediglich für ein Drittel der internationalen Nachwuchswissenschaftler bei der Migrationsentscheidung von Relevanz. Vielmehr ausschlaggebend sind die unzureichenden Karriereperspektiven im Heimatland. Monetäre Vorteile spielen dabei insbesondere für Wissenschaftler eine Rolle, deren Einkommensmöglichkeiten sich im Herkunftsland als prekär darstellen. Beispielsweise sind höhere Verdienstchancen insbesondere für Wissenschaftler aus Osteuropa ein zentraler Beweggrund (Wegner 2016b).

Ein zentraler Gegenstand der Erhebungen im Rahmen der MORE2-Studie war das Motiv für internationale Mobilität von Wissenschaftlern. Die Ergebnisse zeigen, dass das Einkommen insbesondere für Doktoranden ein wichtiges Mobilitätsmotiv darstellt, während dieses Motiv bei erfahrenen Wissenschaftlern einen deutlich geringeren Stellenwert einnimmt. Stattdessen spielen für erfahrene Wissenschaftler intrinsische Motive wie Autonomie bei der Forschung, mögliche Kontakte zu führenden Experten, die Qualität der akademischen Ausbildung sowie Sprache und Kultur eine wichtige Rolle. Für Migrationsentscheidungen nach Abschluss der Promotion sind Faktoren wie der Zugang zu Forschungsfördergeldern und berufliche Sicherheit von wesentlicher Bedeutung. Aus Sicht von Wissenschaftlern, die bereits eine führende Position in ihrem Feld bekleiden, kommt indessen der Forschungsautonomie sowie persönlichen und familiären Motiven die größte Relevanz zu. Unabhängig vom biographischen Zeitpunkt der Migration sowie dem aktuellen Status stellt die aussichtsreichere Karriereperspektive insgesamt das wichtigste Motiv dar (IDEA Consult 2013, S. 207–208). Ähnliche Befunde zeigen sich im Rahmen der GlobSci-Studie. Als wichtigste Migrationsmotive werden hier ebenfalls die besseren Karriereperspektiven, die Aussicht, in einem besonders renommierten Forscherteam zu arbeiten, eine besonders prestigeträchtige Forschungsinstitution sowie die Möglichkeit, internationale Kontakte und Netzwerke auf- bzw. auszubauen, genannt (Franzoni et al. 2015).

4.3.6 Bleibeabsichten und berufliche Perspektiven

Über drei Viertel der internationalen Wissenschaftler, die einen unbefristeten Vertrag an einer deutschen Hochschule haben, planen, mindestens fünf Jahre oder dauerhaft in Deutschland zu bleiben. Neben der sicheren Beschäftigungssituation sind die Realisierbarkeit der eigenen Karrierevorstellungen und die partnerschaftliche Lebenssituation für diese Entscheidung von zentraler Bedeutung. Eine dauerhafte Bleibeabsicht in Deutschland kommt bei Personen mit einem deutschen Partner mehr als dreimal so häufig vor wie bei Personen ohne Partner oder mit einem Partner aus dem Ausland. Einen weiteren zentralen Faktor stellen gute Deutschkenntnisse dar, die für eine wissenschaftliche Karriere in Deutschland weiterhin von großer Relevanz sind und somit auch die Realisierbarkeit der eigenen Karrierevorstellungen maßgeblich beeinflussen. Als größte Schwierigkeiten für eine wissenschaftliche Karriere in Deutschland verweisen internationale Nachwuchswissenschaftler neben der deutschen Sprache auf oftmals ungünstige Personalstrukturen und intransparente Rekrutierungsmechanismen sowie auf besondere Zugangsbeschränkungen für Wissenschaftler mit ausländischer Staatsangehörigkeit wie insbesondere im Hinblick auf die Habilitation (Wegner 2016b). Die Befragung von Temme und Otto (2012) kommt zu ähnlichen Erkenntnissen. Zugleich wird darin sichtbar, dass sich Wissenschaftler, die ursprünglich nur einen temporären Aufenthalt in Deutschland geplant hatten, zum Teil nachträglich dafür entscheiden, dauerhaft in Deutschland zu bleiben.

Auch im Rahmen des „Global Science Project“ wurden internationale Wissenschaftler hinsichtlich ihrer Bleibeabsichten befragt. Der Anteil von Personen, die in naher Zukunft in ihr Heimatland zurückkehren wollen, variiert dabei zwischen 13 % bei Wissenschaftlern aus dem Vereinigten Königreich und 38 % bei schwedischen Wissenschaftlern. Wissenschaftler aus Deutschland planen vergleichsweise häufig, nach Deutschland zurückzukehren (35 %) und schließen vergleichsweise selten generell aus, vor ihrem Ruhestand nach Deutschland zurückzukehren (19 %) (Franzoni et al. 2012). Ergänzend wurde den Wissenschaftlern, die bereits in ihr Herkunftsland zurückgekehrt sind, die Frage gestellt, welche Motive für die Rückkehr in ihrem Fall ausschlaggebend waren. Hier spielen berufliche Motive nach eigener Aussage eine deutlich geringere Rolle. Mit Abstand das wichtigste Motiv stellen hier persönliche oder familiäre Gründe dar, gefolgt von dem Wunsch nach besserer Lebensqualität. Erst an dritter Stelle folgt das Motiv der besseren beruflichen Perspektiven (Franzoni et al. 2015).

4.3.7 Berufliche und soziale Integration sowie Diskriminierungserfahrungen

Die MIND-Studie über internationale Nachwuchswissenschaftler in Deutschland differenziert bei der beruflichen Integration zwischen Teilhabe und subjektiver Wahrnehmung. Für die Frage der Teilhabe werden Forschungs-, Lehr- und Prüfungstätigkeiten sowie die akademische Selbstverwaltung in den Blick genommen. Die Ergebnisse zeigen, dass internationale Wissenschaftler seltener an Forschungsprojekten beteiligt, aber häufiger in leitenden Positionen zu finden sind. Zugleich zeigt sich eine insgesamt höhere Beteiligung an der akademischen Selbstverwaltung als bei deutschen Kollegen. Insgesamt sind über drei Viertel der internationalen Wissenschaftler mit dem Grad ihrer Einbindung zufrieden. Hinsichtlich der Frage der subjektiv wahrgenommenen Integration beschreiben über 70 % ihre Integration innerhalb der Einrichtung als sehr gut, gut oder eher positiv. Noch positiver werden die Arbeitsatmosphäre und das Verhältnis zum Vorgesetzten bewertet.

Zudem zeigen die Ergebnisse der MIND-Studie, dass soziale Kontakte der internationalen Nachwuchswissenschaftler stark durch das berufliche Umfeld geprägt sind. Häufig werden Kontakte sowohl zu deutschen Kollegen als auch zu Kollegen aus anderen Ländern oder dem Herkunftsland aufgebaut. Regelmäßige Kontakte außerhalb des beruflichen Umfeldes pflegt hingegen weniger als die Hälfte der befragten Wissenschaftler. Positive Faktoren für eine stärkere soziale Integration stellen dabei sehr gute Deutschkenntnisse, eine Partnerschaft mit einem deutschen Partner und gemeinsamen Kindern sowie eine längere Dauer des Aufenthaltes und eine dauerhafte Bleibeabsicht in Deutschland dar. Die selbst wahrgenommene soziale Integration korreliert dabei sehr stark mit der Intensität sozialer Kontakte außerhalb der Hochschule (Wegner 2016b).

Mihut, Gayardon, Rudt (2017) stellen den aktuellen Forschungsstand zur Teilhabe internationaler Wissenschaftler dar. Sie differenzieren zwischen logistischen Herausforderungen speziell zu Beginn und möglicherweise länger andauernden kulturellen Herausforderungen. Studien zur Integration internationaler Wissenschaftler verweisen darauf, dass Wissenschaftler zum Teil von Gefühlen der Isolation und Marginalisierung berichten. Die Umstellung auf andere akademische Kulturen und institutionell anders strukturierte Hochschulsysteme stellen ebenfalls häufiger eine Herausforderung dar, insbesondere in Fällen, in denen es von Seiten der Hochschulen und Kollegen an Unterstützung mangelt. Dabei zeigt sich allerdings, dass sich Probleme bei der Teilhabe nach Herkunftsregion, Disziplin und Position des Wissenschaftlers unterscheiden können. In europäischen Ländern berichten internationale Wissenschaftler aus dem nichteuropäischen Ausland besonders häufig von Problemen. Auch ethnische Minderheiten sehen sich besonders häufig mit Herausforderungen hinsichtlich der Teilhabe konfrontiert (Mihut et al. 2017, S. 22).

Mamiseishvili und Lee (2018) untersuchten auf der Grundlage eines größeren Surveys der Harvard Graduate School of Education die Zufriedenheit von internationalen Wissenschaftlern im Vergleich zu US-Wissenschaftlern. Die Analysen zeigen, dass internationale Wissenschaftler an Hochschulen in den USA weniger zufrieden sind mit ihrem Einfluss bei der Mitgestaltung in Gremien, bei der thematischen Ausrichtung ihrer Lehrveranstaltung und der Schwerpunktsetzung in der Forschung. Zugleich werden aber kaum Unterschiede sichtbar hinsichtlich der Beurteilung des Arbeitsklimas, des Austausches mit Arbeitskollegen und bei der generellen Arbeitszufriedenheit.

In der MIND-Studie fühlt sich in etwa jeder fünfte internationale Wissenschaftler diskriminiert. Dies trifft in besonderem Maße auf Wissenschaftler aus dem Nahen Osten, Nordafrika, Süd- und Mittelamerika sowie Südeuropa zu. Zwischen dem Grad der Internationalität der eigenen Arbeitsgruppe und der wahrgenommenen Integration kann dabei kein eindeutiger linearer Zusammenhang nachgewiesen werden. Allerdings zeigt sich, dass insbesondere Situationen als problematisch erlebt werden, in denen die internationalen Wissenschaftler die einzigen nichtdeutschen Personen im Kollegium darstellen. Einen wichtigen Faktor für die Integration in die Arbeitsgruppe stellen die deutschen Sprachkenntnisse dar. Diesbezüglich fällt die Integration von Wissenschaftlern mit fließenden Deutschkenntnissen nach eigener Aussage deutlich positiver aus. Als größte Herausforderung für Wissenschaftler mit geringen deutschen Sprachkenntnissen wird die Kommunikation mit der Hochschulverwaltung beschrieben, aber auch von Akzeptanzschwierigkeiten von Seiten der Kollegen wird berichtet. Dabei werden Wissenschaftler insbesondere aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse von den Kollegen häufig abwertend behandelt. In diesem Zusammenhang entscheiden sich internationale Wissenschaftler häufig zu der Strategie, trotz guter Deutschkenntnisse (z. B. bei Vorträgen) auf Englisch als neutrale Wissenschaftssprache auszuweichen, um abwertenden Einschätzungen zu entgehen (Wegner 2016b).

Von den ausländischen Wissenschaftlern in der Erhebung von Otto und Temme (2012) berichten 12 % von Diskriminierungs- und Ausgrenzungserfahrungen. Insbesondere sogenannte „visible minorities“ haben demnach entsprechende Erfahrungen machen müssen. So berichtet beispielsweise mehr als jeder vierte Wissenschaftler aus dem Nahen Osten und der Türkei von persönlichen Diskriminierungs- und Ausgrenzungserfahrungen.

4.3.8 Qualitative Studien über Migration und Mobilität bei Wissenschaftlern

Speziell im angelsächsischen Raum gibt es eine Reihe qualitativer Studien, die die Situation migrantischer Wissenschaftler zum Gegenstand haben. Im Mittelpunkt steht dabei zumeist die sogenannte „Faculty of Color“. Zentrale Themenstellungen liegen in der geringen Repräsentation sowie in spezifischen Erfahrungen, Herausforderungen und Barrieren für diese Gruppe (vgl. Turner et al. 2008). Dabei liegt der Fokus zumeist auf Migrantinnen.

Basierend auf neun lebenslaufzentrierten Interviews mit Professorinnen mit Migrationsbiographie in Großbritannien untersuchten Sang, Al-Dajani und Özbilgin (2013) diese spezifische Gruppe aus einer intersektionalen Perspektive. Dabei wird deutlich, dass die vermeintliche doppelte Form der Benachteiligung als Migrantin und als Frau sich nicht zwangsläufig gegenseitig verstärkt, sondern dass es Personen dieser Gruppe oftmals gelingt, die beiden Zugehörigkeiten auch als Ressource zu verwenden. Im Gegenteil konnte der Migrantenstatus zum Teil als Argument genutzt werden, um sich über traditionelle Rollenerwartungen, die an britische Frauen gestellt werden, hinwegzusetzen.

Die Studie von Skachkova (2007) basiert auf 34 narrativen Interviews von Professorinnen mit Migrationsbiographie an großen Forschungsuniversitäten in den USA. Im Mittelpunkt steht dabei die Analyse der Arbeitssituation. Die Professorinnen berichten davon, dass sie sich häufig aufgrund ihrer Ethnizität isoliert fühlen, dass es oftmals an Anerkennung für ihre Lehre aufgrund ihres Akzents bzw. ihrer Aussprache mangele und dass häufig eine direkte Zuschreibung als Diversity-Experte stattfinde. Zugleich betonen sie, dass sie aus Sicht vieler „migrant students“ ein wichtiges Role Model darstellen und dass sie diese Gruppe entsprechend besser verstehen und unterstützen können. Als besonderes Potential heben sie ihre Aktivitäten im Bereich Internationalisierung und neuer Lehrmethoden hervor.

Im Vergleich zum angelsächsischen Raum ist die Forschung über Wissenschaftler mit Migrationsbiographien in Deutschland bisher noch gering ausgeprägt. Die Untersuchung von Bakshi-Hamm (2008) basiert auf Interviews mit sieben Migrantinnen aus dem wissenschaftlichen Mittelbau. Die Befragten empfinden das deutsche Hochschulwesen allesamt als wenig unterstützend und beschreiben es als ein restriktives Umfeld. Dennoch betonen sie, dass aus ihrer Sicht ethnische Diskriminierung im beruflichen Kontext kaum stattfinde, sondern vielmehr im Leben außerhalb der Hochschule zu finden sei. Wie bei Skachkova (2007) wird den Migrantinnen häufig der Status als Diversity-Experte zugeschrieben.

In dem Projekt „Hochqualifizierte Migrantinnen in der technologischen Spitzenforschung an Hochschulen“ wurden zehn promovierte Ingenieurinnen und Naturwissenschaftlerinnen aus Osteuropa interviewt, von denen jeweils die Hälfte eine Postdoc-Stelle bekleidete bzw. bereits auf eine Professur in Deutschland berufen wurde. Basierend auf einem biographischen Ansatz stehen die Lebens-, Karriere- und Migrationsverläufe der Befragten im Zentrum der qualitativen Studie. Dabei wird ersichtlich, dass die Wissenschaftlerinnen bestimmte strukturelle Merkmale aus ihren Herkunftsländern wie die stärkere Umsetzung der Geschlechterparität oder die bessere Vereinbarkeit von Elternschaft und Beruf auch selbstbewusst im deutschen Hochschulwesen einfordern. Hinsichtlich der Diskriminierung zeigen die Autorinnen, dass in vielen Fällen weniger die Migrationsbiographie als solche als vielmehr die Geschlechtszugehörigkeit für bestimmte Barrieren in den jeweiligen Bildungs- und Berufsverläufen verantwortlich war (Bouffier und Wolffram 2012; Wolffram 2015).

Pichler und Prontera (2012a) haben 27 Wissenschaftler mit Migrationsbiographie in den Geistes- und Sozialwissenschaften befragt. Auf der Grundlage der Theorie des kulturellen Kapitals nach Bourdieu zeigen sie, dass insbesondere Wissenschaftler aus bildungsfernen Haushalten und der zweiten Einwanderergeneration im Laufe ihres beruflichen Werdegangs besondere Hürden überwinden müssen.

Shinozaki (2017a) untersuchte den Einfluss von Geschlecht und Staatsangehörigkeit auf Karrieren im deutschen Hochschulwesen aus einer intersektionalen Perspektive. Basierend auf Dokumentenanalysen und Experteninterviews an zwei Universitäten untersuchte sie die Frage, inwieweit Internationalisierungsstrategien von Hochschulen und der Diskurs über Ungleichheit zusammenwirken und welche Schwierigkeiten, aber auch Möglichkeiten sich daraus für die wissenschaftliche Karriere von Frauen und Migranten ergeben können. Anhand der Fallanalysen zeigt sie, dass eine Vielzahl von Akteuren am Rekrutierungsprozess beteiligt ist und als broker die Vermittlung von Wissenschaftlern im internationalen Raum gestaltet. Sie fordert, in Zukunft eine stärker transnationale Perspektive einzunehmen, die unterschiedliche internationale Rekrutierungspraxen im deutschen Hochschulwesen in den Blick nimmt (vgl. auch Shinozaki 2017b).

Bauder (2016) untersuchte auf der Grundlage von 42 Interviews mit Wissenschaftlern in Kanada und Deutschland die Einstellung der Befragten zu möglichen Chancen und Potentialen internationaler Mobilität. Die Wissenschaftler verweisen auf Vorteile wie den Austausch über Wissen, Ideen, wissenschaftliche Methoden. Der interkulturelle Austausch in Forscherteams und Perspektivenvielfalt werden ebenfalls hervorgehoben. Zugleich zeigt die Studie aber auch, dass die Kompetenzen, die durch internationale Mobilität entstehen, als eine Form von Kapital zu verstehen sind, dessen Relevanz in hohem Maße vom nationalen und disziplinären Kontext abhängt. Darüber hinaus wird sichtbar, dass die Anerkennung in hohem Maße eine geographische Hierarchie aufweist. Disziplinübergreifend und in besonderem Maße in den Naturwissenschaften erfährt internationale Erfahrung in englischsprachigen Ländern – u. a. auch aufgrund der damit verbundenen Verbesserung englischsprachiger Fähigkeiten – eine besondere Anerkennung.

Abschließend ist noch auf den Sammelband „International Faculty in Higher Education: Comparative Perspectives on Recruitment, Integration, and Impact“ hinzuweisen. Yudkevich, Altbach und Rumbley (2017) untersuchten im Rahmen eines internationalen Vergleichs zwischen Brasilien, Kanada, China, Litauen, Estland, Deutschland, Kasachstan, Mexiko, Russland, Saudi-Arabien und Südafrika die Frage, wie sich die nationale Gesetzgebung bei internationalen Berufungen unterscheidet, unter welchen Konditionen und Vertragsbedingungen internationale Wissenschaftler engagiert werden, worin sich die Arbeitssituation von internationalen Wissenschaftlern und ihren Kollegen unterscheidet und wie internationale Wissenschaftler Gehalt und Arbeitsbedingungen beurteilen. Die Analysen werden exemplarisch an Fallbeispielen einzelner Hochschulen konkretisiert.