Wer sind ProfessorenFootnote 1 mit Migrationshintergrund? Geht es um Menschen aus der Türkei, denen es gelungen ist, in der zweiten Generation eine erfolgreiche akademische Laufbahn bis hin zur Professur in Deutschland zu durchlaufen? Geht es um Menschen, die als Kinder mit ihren Eltern aus Russland, möglicherweise als Aussiedler, nach Deutschland gekommen sind, die das Bildungssystem in Deutschland durchlaufen haben und die mittlerweile auf eine Professur in Deutschland berufen wurden? Geht es um internationale Studierende aus Polen, Frankreich, Spanien, Argentinien oder China, die sich nach dem Studium in Deutschland entschieden haben, hier eine akademische Laufbahn einzuschlagen? Geht es um die promovierte Ingenieurwissenschaftlerin aus Polen, die sich nach ihrer Promotion auf eine Professur in Deutschland bewirbt? Geht es um den Mathematikprofessor aus Österreich, der in Deutschland eine Professur gefunden hat, die stärker seinem Forschungsgebiet entspricht? Oder geht es um die Ivy-League-Professorin aus den USA, die von einer deutschen Universität aktiv angeworben wird?

Die Antwort ist: All diese Menschen gehören zur Gruppe der Professoren mit Migrationshintergrund, die an der Studie „Internationale Mobilität und Professur“ (MOBIL-Studie) teilgenommen haben. Im Folgenden wird zunächst der Hintergrund der vorliegenden Arbeit dargelegt, es folgen Ausführungen zum theoretischen Zugang, Forschungsstand und Forschungsproblem der Dissertation. Im Anschluss wird das Forschungsdesign der vorliegenden Arbeit erläutert sowie die Relevanz der Arbeit beschrieben.

1.1 Hintergrund der Dissertation

Die MOBIL-Studie wurde zwischen 2011 und 2014 an der Humboldt-Universität zu Berlin unter der Leitung von Andrä Wolter und Aylâ Neusel in Zusammenarbeit mit Marianne Kriszio durchgeführt. Ich selbst war als wissenschaftlicher Mitarbeiter ebenso wie Doreen Weichert und Daniela Janke an dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekt beteiligt. Die MOBIL-Studie ist die erste quantitative Untersuchung in Deutschland, die systematisch die Zusammensetzung, die Karriereverläufe und die Karrierebedingungen von Professoren mit Migrationshintergrund erforscht.

Im Rahmen der Studie wurden ausschließlich Professoren befragt, die nach der Definition des Statistischen Bundesamtes im MikrozensusFootnote 2 von 2005–2016 einen Migrationshintergrund haben, das heißt Professoren, die „selbst oder mindestens ein Elternteil nicht als Deutsche geboren wurden oder die selbst oder mindestens ein Elternteil nach 1949 nach Deutschland zugewandert sind und somit nicht auf dem heutigen Gebiet Deutschlands geboren wurden“ (Statistisches Bundesamt 2012, S. 6). Demgemäß können Menschen mit Migrationshintergrund im Sinne der Studie die ausländische, die deutsche oder beide Staatsangehörigkeiten besitzen und sie können entweder in Deutschland oder im Ausland geboren sein. Menschen, die in Deutschland geboren sind und darüber hinaus die deutsche Staatsangehörigkeit haben, können einen Migrationshintergrund aufweisen, wenn sie die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch Geburt erlangt haben (Eingebürgerte) oder wenn mindestens ein Elternteil nicht durch Geburt in Deutschland die deutsche Staatsangehörigkeit erlangt hat (vgl. Abbildung 1.1).

Abbildung 1.1
figure 1

Quelle: Grafik aus dem Bericht des Statistischen Bundesamtes zum Mikrozensus 2011 (Statistisches Bundesamt 2012, S. 7).

Differenzierte Erfassung des Migrationshintergrundes (Mikrozensus 2011).

Nach dem Mikrozensus 2017 machen Menschen mit Migrationshintergrund einen Anteil von 23,6 % an der Gesamtbevölkerung in Deutschland aus. Davon ist knapp ein Drittel bereits in Deutschland geboren und etwas über die Hälfte dieser Menschen haben die deutsche Staatsangehörigkeit (vgl. Abbildung 1.2).

Abbildung 1.2
figure 2

Quelle: Mikrozensus 2017 (Statistisches Bundesamt 2018a)

Privathaushalte nach Migrationsstatus (Mikrozensus 2017).

1.2 Theoretischer Zugang, Forschungsstand und Forschungsproblem

Der Forschungsstand über Professoren mit Migrationshintergrund in Deutschland bildet noch weitgehend ein Desiderat. Während im Schulbereich bereits umfangreiche Forschungsarbeiten durchgeführt wurden (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2018) und in den letzten Jahren auch die Gruppen der Studierenden mit Migrationshintergrund sowie der internationalen Studierenden etwas näher erforscht wurden (Morris-Lange 2017, Kerst und Wolter 2017), stellt die MOBIL-Studie die erste quantitative Studie über Professoren mit Migrationshintergrund in Deutschland dar.

In der Forschung über Professoren mit Migrationshintergrund ist es wichtig, zwischen zwei Ebenen zu differenzieren. Zum einen lässt sich aus der Perspektive der sozialen Ungleichheitsforschung die Frage stellen, wie sich die Zugangschancen zu Professorenstellen für Menschen mit Migrationshintergrund gestalten. Zum anderen lässt sich stärker aus der Perspektive einer professionsbezogenen Hochschulforschung fragen, wie sich die Bildungs-/Berufsverläufe, die Arbeitssituation, internationale Aktivitäten, Zuwanderung und Bleibeabsicht sowie die soziale Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund darstellen, die eine Professur erhalten haben. Eine Überschneidung beider Ebenen findet bei der Analyse des soziodemographischen Profils der Professoren mit Migrationshintergrund statt. Erkenntnisse über die Verteilung nach migrationsspezifischen Merkmalen, wie Herkunftsland oder Zuwanderungszeitpunkt, nach demographischen Merkmalen, wie Geschlecht oder soziale Herkunft, und nach berufsspezifischen Merkmalen, wie Hochschulart oder Fächergruppe, sind sowohl für eine differenzierte professionsbezogene Untersuchung als auch hinsichtlich der Frage der Zugangschancen relevant.

Im Hinblick auf die erste Ebene kann die vorliegende Arbeit lediglich Hinweise liefern. Theoretisch knüpft diese Ebene an den Diskurs über Chancengleichheit an. Es lassen sich jedoch auch Bezüge zum Diversity-Ansatz herstellen (vgl. Wolter 2017 und Abschnitt 3.5). Die Perspektive der Chancengleichheit hat sich als Querschnittsthema zu Gruppen an Hochschulen fest in der Hochschulforschung etabliert, wobei primär Unterschiede nach Geschlecht und sozialer Herkunft in den Fokus genommen werden (Hüther und Krücken 2016). Hinsichtlich des Professorenberufs spielen Geschlechterdisparitäten seit Jahrzehnten eine große Rolle (Neusel et al. 1986) und dabei insbesondere die Frage, welche Ursachen dem geringen Frauenanteil unter Professoren zugrunde liegen. Demgegenüber sind Untersuchungen über die Chancengleichheit anhand des Kriteriums der sozialen Herkunft für die Gruppe der Professoren noch deutlich geringer vertreten, wenngleich erste Forschungsarbeiten vorliegen (vgl. Möller 2015). Da der Migrationshintergrund neben dem Geschlecht und der sozialen Herkunft die dritte zentrale Ungleichheitsdimension in der Bildungsforschung darstellt, ist es überraschend, dass bisher keine Erhebung zur Frage der Zugangschancen von Menschen mit Migrationshintergrund zu Professorenstellen durchgeführt wurde. Der Forschungsstand in Deutschland beschränkt sich weitgehend auf eine differenzierte Betrachtung der ausländischen Professorenschaft nach Bundesland, Fächergruppe und Herkunftsland (DAAD 2016).

Um Chancengleichheit und Diversität unterschiedlicher sozialer Gruppen im Professorenberuf zu erforschen, muss die Repräsentation der Gruppen genauer betrachtet werden. Allerdings ist die Frage, wann eine soziale Gruppe angemessenen repräsentiert bzw. unterrepräsentiert ist, keinesfalls eindeutig zu beantworten. In der Geschlechterforschung wird als Zielmarke häufig ein Anteil von ca. 50 % anvisiert, da dieser Wert auch in etwa der Geschlechterverteilung in der Gesamtbevölkerung entspricht. Allerdings ist dabei zu beachten, dass eine beobachtete Unterrepräsentation in bestimmten Berufsfeldern nicht einfach auf den Auswahlprozess beim Berufszugang zurückzuführen ist, sondern dass Selektionsprozesse an unterschiedlichen Stellen in Bildungs-/Berufsverläufen stattfinden. Eine Möglichkeit, die Verläufe systematisch über den Zeitverlauf zu analysieren, besteht darin, die Übergänge, beispielsweise die Wechsel von Schule zum Studium oder vom Studium in die Berufstätigkeit, genauer zu betrachten (vgl. Banscherus et al. 2014). Ein Beispiel hierfür bildet der sogenannte Bildungstrichter im Hochschulbildungsreport, der die genannten Verläufe anhand von jeweils 100 Nichtakademiker- und Akademikerkindern veranschaulicht und in den 1990er Jahren erstmalig in der Sozialerhebung des Deutschen Studierendenwerkes veröffentlicht wurde (vgl. Middendorf et al. 2013, S. 22). Von 100 Nichtakademikerkindern nehmen 23 ein Studium auf, 15 erreichen einen Bachelorabschluss, acht absolvieren erfolgreich ein Masterstudium und ein Kind promoviert. Unter Akademikerkindern liegen die entsprechenden Zahlen bei 74 (Studienanfang), 63 (Bachelorabschluss), 45 (Masterabschluss), 10 (Promotion) (Stifterverband 2018, S. 16).

Bei der Untersuchung der Repräsentation von Menschen mit Migrationshintergrund im Professorenberuf ergeben sich besondere Herausforderungen. So lässt sich der genannte Forschungsansatz am Beispiel der Übergänge im Bildungsverlauf hierauf nicht einfach übertragen, da die Menschen, die den Untersuchungsgegenstand bilden, in unterschiedlichem Alter nach Deutschland zuwandern. Somit ist eine systematische Ungleichheitsforschung im Sinne des Bildungstrichters lediglich für MigrantenFootnote 3 der zweiten Generation oder Migranten, die bereits als Kinder nach Deutschland zugewandert sind, möglich. Zwar liefert der Vergleich zwischen dem Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund in der Alterskohorte der Professoren zwischen 35–65 Jahren an der Gesamtbevölkerung von ca. 19,0 %Footnote 4 und dem geschätzten Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund in der Professorenschaft von 11,6 % bereits einen deutlichen Hinweis auf eine geringere Repräsentation in diesem Bereich. Aufgrund der zuvor beschriebenen Vielzahl der Selektionsprozesse sollte allerdings hieraus nicht direkt der Rückschluss gezogen werden, dass die Institution Hochschule bzw. das spezifische Berufsfeld sich in besonderer Weise restriktiv für Menschen mit Migrationshintergrund auswirkt. Ein Vergleich mit dem Migrantenanteil in anderen hochqualifizierten Bereichen des öffentlichen Dienstes zeigt hingegen, dass der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund an Hochschulen deutlich über dem Durchschnitt liegt (vgl. Abschnitt 2.2.2). Des Weiteren ist ein Vergleich der Migrationsanteile, ohne sich die Gruppen differenziert anzuschauen, wenig aussagekräftig. Selbst ein Migrantenanteil von 30 % unter Professoren müsste aus der Ungleichheitsperspektive kritisch hinterfragt werden, wenn es sich bei den Migranten ausschließlich um angeworbene Professoren aus den USA, Österreich und der Schweiz handelt. Um Unterrepräsentation systematisch zu erforschen, ist es daher von zentraler Bedeutung, das Herkunftsland und nach Möglichkeit auch den Zuwanderungszeitpunkt zu berücksichtigen.

Aufgrund der Komplexität und der begrenzten statistischen Datenlage kann die vorliegende Arbeit lediglich erste Forschungserkenntnisse hinsichtlich der Teilhabechancen von Menschen mit Migrationshintergrund im Professorenberuf liefern. Auf Grundlage der Auswertung in dieser Arbeit lassen sich die Zusammensetzung der Gruppe der Professoren mit Migrationshintergrund und damit erstmals auch entsprechende Erkenntnisse für deutsche Professoren mit Migrationshintergrund detailliert beschreiben. Auf der Grundlage werden sowohl die Zusammensetzung nach Herkunftsland und Zuwanderungszeitpunkt als auch die Verteilung nach Geschlecht, sozialer Herkunft und Alter detailliert beschrieben und die Zusammenhänge analysiert. Auch die Teilhabechancen innerhalb unterschiedlicher Hochschularten, Besoldungs- und Fächergruppen werden systematisch untersucht (vgl. Abschnitt 6.1). Darüber hinaus werden die Selbstwahrnehmung hinsichtlich des Einflusses der Herkunft auf die wissenschaftliche Karriere sowie Diskriminierungserfahrungen näher unter die Lupe genommen (vgl. Abschnitt 6.9). Auch die Frage, inwieweit sich die Herkunftsländer von berufstätigen Menschen mit Migrationshintergrund in Berlin und Hessen im Allgemeinen von denen der befragten Professoren mit Migrationshintergrund unterscheiden, wird aufgegriffen. Eine ausführliche Analyse hierzu findet sich in meiner Publikation „Migrationsbiographie und Internationalität von Professor/innen“ (Engel 2017).

Im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit steht hingegen stärker die zweite Ebene, die zum Gegenstand hat, auf Grundlage einer professionsbezogenen Hochschulforschung die Bildungs-/Berufsverläufe, die Arbeitssituation, internationale Aktivitäten, Zuwanderung und Bleibeabsicht sowie die soziale Teilhabe von Professoren mit Migrationshintergrund zu untersuchen. Der theoretische Rahmen besteht dabei aus drei Bausteinen. Den ersten Baustein bilden Migrationstheorien sowohl über die Entstehung von Migrationsprozessen als auch hinsichtlich der Frage der Teilhabe und Integration. Neben klassischen Ansätzen der Hochschulforschung werden dabei insbesondere Bezüge zur transnationalen Migrationstheorie und zu hochschulspezifischen Migrationstheorien hergestellt. Darüber hinaus wird auch die Erklärungskraft des kulturellen Kapitals für die Arbeitsmarktintegration von Migranten sowie von diskriminierungstheoretischen Ansätzen für die vorliegende Arbeit in den Blick genommen. Zweitens werden Ansätze zur Internationalisierung der Hochschulen systematisiert und der weiteren Arbeit zugrunde gelegt. Den dritten Baustein bilden Theorien über die akademische Profession im Kontext von Internationalisierung und Globalisierung. Dabei wird herausgestellt, wie die akademische Profession sowohl Prozesse der Internationalisierung der Hochschulen gestaltet als auch wie sie sich durch Prozesse der Internationalisierung verändert. Zugleich werden unterschiedliche Theorien über die Potentiale von migrantischen und internationalen Wissenschaftlern erläutert, auf die in der späteren empirischen Analyse Bezug genommen wird.

Hinsichtlich des Forschungsstandes lässt sich festhalten, dass Hochschullehrerbefragungen seit vielen Jahrzehnten in Deutschland durchgeführt werden. Es gibt bisher in Deutschland allerdings kaum Befragungen, die explizit Wissenschaftler mit Migrationshintergrund in Deutschland in den Mittelpunkt stellen. Lediglich eine Pilotstudie der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) über Wissenschaftler mit ausländischer StaatsangehörigkeitFootnote 5 in Aachen, Köln und Bonn (Otto und Temme 2012) und die Studie „Motivationen Internationaler Nachwuchswissenschaftler in Deutschland“ (MIND) (Wegner 2016b) bilden Ausnahmen. Allerdings werden in beiden Studien deutsche Wissenschaftler und Professoren mit Migrationshintergrund nicht berücksichtigt, beziehungsweise verwenden beide Untersuchungen das Staatsangehörigkeitskriterium und nicht das Konzept des Migrationshintergrundes. Zudem gibt es qualitative Studien über Wissenschaftler mit Migrationshintergrund in Deutschland (vgl. u. a. Bakshi-Hamm 2008; Bouffier und Wolffram 2012; Pichler und Prontera 2012b; Shinozaki 2017a). Diese Untersuchungen zeigen, dass unterschiedliche Erfahrungen selten ausschließlich auf die Herkunft zurückzuführen sind, sondern dass häufig das Zusammenspiel von Geschlecht, sozialer Herkunft und Migrationshintergrund Karriereverläufe und Arbeitssituationen beeinflussen.

Zudem existieren allgemeine nationale und internationale Hochschullehrerbefragungen, im Rahmen derer zum Teil Sonder- und Sekundärauswertungen vorgenommen wurden, um Wissenschaftler mit Migrationshintergrund näher zu untersuchen (IDEA Consult 2013; Jacob und Teichler 2011; Löther 2012b; Scellato et al. 2015; Schomburg et al. 2012). Löther (2012b) führte auf der Grundlage der Studie „Balancierung von Wissenschaft und Elternschaft“ des Kompetenzzentrums Frauen in Wissenschaft und Forschung (CEWS) eine Sekundäranalyse durch und knüpft dabei an das Konzept des Migrationshintergrundes an. Im Mittelpunkt steht dabei ein Vergleich der beruflichen Integration von Wissenschaftlern mit und ohne Migrationshintergrund. Zudem sind Publikationen im Kontext der internationalen Erhebung „Changing Academic Profession“ (CAP) hervorzuheben, die ausführlich Migration und Mobilität von Hochschullehrern untersuchen. Dabei werden unterschiedliche Mobilitäts- und Migrationstypologien der Hochschullehrer erstellt und Differenzierungen nach Status (Junior- vs. Senior-Researcher), Geschlecht, sozialer Herkunft und Fächergruppen vorgenommen (Goastellec und Pekari 2013b). Zudem wird untersucht, welche Faktoren internationale Mobilität im Bildungs-/Berufsverlauf beeinflussen und welche Auswirkungen internationale Mobilität auf die Karriere hat (IDEA Consult 2013; Rostan und Höhle 2014). Des Weiteren werden internationale Aktivitäten zwischen nichtmobilen und unterschiedlichen Migrations- und Mobilitätstypen verglichen. Die Ergebnisse verweisen auf Unterschiede je nach Zuwanderungszeitpunkt, kommen insgesamt aber zu dem Fazit, dass internationale Mobilität und Migration die berufliche internationale Aktivität erhöht (Goastellec und Pekari 2013b; IDEA Consult 2013; Rostan und Höhle 2014).

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Forschungsstand sowohl über die Teilhabe als auch über die Bildungs-/Berufsverläufe sowie die aktuelle Situation von Professoren mit Migrationshintergrund in Deutschland bisher nur gering ausgeprägt ist. Etwas weiter fortgeschritten ist indessen die internationale Forschungslage, speziell in den angelsächsischen Ländern. Allerdings findet hier eine klare Differenzierung zwischen Studien über die „Faculty of Color“ (Turner et al. 2008) einerseits und die „International Faculty“ (Yudkevich et al. 2017) andererseits statt. Dabei geht es auf der einen Seite um Teilhabe und Diskriminierung von ethnischen Minderheiten, auf der anderen Seite um die Situation von hochqualifizierten zugewanderten Wissenschaftlern. Es stellt sich dementsprechend die Frage, ob der gewählte konzeptionelle Ansatz sinnvoll ist, Migranten der zweiten Generation auf der einen und aus dem Ausland angeworbene hochqualifizierte Zuwanderer auf der anderen Seite in einem gemeinsamen Forschungsdesign über das Konzept des Migrationshintergrundes zu untersuchen. Faist schreibt hierzu:

“Movement of persons is dichotomized in public debate into mobility and migration, with mobility connoting euphemistic expectations of gain for individuals and states, and migration calling for social integration, control and the maintenance of national identity” (Faist 2013, S. 1640).

Neusel und Wolter (2016) sprechen in diesem Zusammenhang von einer häufigen Defizitperspektive auf Menschen mit Migrationshintergrund. Insbesondere im Bildungsbereich werde Migration häufig im Kontext von Benachteiligung und als vermeintliche Ursache von Scheitern und geringem Erfolg diskutiert. Die Hervorhebung von sozialer Ungleichheit und Benachteiligung und die geringe Aufmerksamkeit für besondere Potentiale und Kompetenzen zeigt sich auch im Hochschulwesen. Dabei lässt sich die Defizitperspektive speziell bei Early Migrants und Flüchtlingen beobachten. Der Anteil aus dem Ausland zugewanderter internationaler Studierender und Wissenschaftler wird hingegen häufig als Leistungsindikator zum Stand der Internationalisierung verwendet (vgl. Wolter 2019).

Mecheril fasst die Defizitperspektive auf Migration wie folgt zusammen:

„Bis heute konzentriert sich ein nicht unwesentlicher Teil der Migrationsforschung auf Mangellagen und Abweichungen von ‚Menschen mit Migrationshintergrund‘, auf Konflikte zwischen ‚Allochthonen‘ und ‚Autochthonen‘ bzw. ‚Einheimischen‘ und ‚Fremden‘, auf Probleme der ‚Anderen‘ wie z. B. ‚Schulversagen‘, auf die Deskription und die Explikation von ‚kulturellen Differenzen‘“ (Mecheril et al. 2013, S. 16).

Das Forschungsdesign der MOBIL-Studie und der vorliegenden Arbeit verfolgt in dieser Hinsicht einen Perspektivwechsel. Die Entscheidung, zunächst exklusiv Professoren mit Migrationshintergrund zu befragen und die Gruppe hinsichtlich unterschiedlicher Themenfelder differenziert zu betrachten, liegt auch in der Zielsetzung begründet, Unterschiede nicht über einfache Rückschlüsse aufgrund des Migrationshintergrundes oder des Herkunftslandes im Sinne des methodologischen Nationalismus zu erklären, sondern die Vielfalt und Heterogenität der Gruppe sichtbar zu machen.

Aus meiner Sicht ist der Ansatz eines Forschungsdesigns mit einem breiten Migrationsverständnis durch das Konzept des Migrationshintergrundes vielversprechend, da ein solches Vorgehen sowohl eine differenzierte Betrachtung ermöglicht als auch die häufig eingenommene dichotome Sichtweise in Frage stellt. So entsteht durch das Konzept des Migrationshintergrundes eine große heterogene Gruppe, die zunächst nur darin eine Gemeinsamkeit hat, dass alle Personen dieser Gruppe einen biographischen Migrationsbezug aufweisen, wenngleich zum Teil auch lediglich über die Migrationsbiografie der Eltern. Interessant wird das Konzept allerdings, wenn die Gruppe differenziert betrachtet wird und systematisch Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausgearbeitet werden. Vor diesem Hintergrund wird ein Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit auf den Binnenvergleich der Professoren mit Migrationshintergrund liegen.

1.3 Forschungsdesign der Dissertation in Abgrenzung zum Publikationsstand

Im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit steht die Frage, wie sich Bildungs-/Berufsverläufe, Arbeitssituation, internationale Aktivitäten, sowie Integration und Teilhabe von Professoren mit Migrationshintergrund darstellen und welche Unterschiede sich nach Migrationsmerkmalen wie Zuwanderungszeitpunkt und Herkunftsland, soziodemographischen Merkmalen wie Geschlecht, sozialer Herkunft und Alter sowie beruflichen Merkmalen wie Hochschulart, Besoldungs- und Fächergruppe zeigen. Auf den ersten Blick unterscheidet sich die Fragestellung nicht grundlegend von den Ausgangsfragen der vorausgegangenen Publikationen der MOBIL-Studie (vgl. Anhang, Abschnitt 10.2). Dennoch eröffnen sich bei genauerer Betrachtung grundlegend neue Perspektiven, die sowohl auf neuen theoretischen und konzeptionellen Zugängen basieren als auch methodisch – bspw. hinsichtlich der durchgeführten multivariaten Analysen – deutlich über bisherige Analysen hinausgehen.

Die vorliegende Arbeit „Professoren mit Migrationshintergrund – Benachteiligte Minderheit oder Protagonisten internationaler Exzellenz?“ lässt sich wie der Abschlussbericht der MOBIL-Studie primär in der Hochschulforschung verorten. Die Bezüge zur Migrationsforschung treten jedoch sowohl bei der Kontextualisierung (Abschnitt 2.1) und dem begrifflichen und theoretischen Rahmen (vgl. insbesondere Abschnitt 3.1 und 3.2) als auch im Ergebnisteil (vgl. Abschnitt 6.76.10) und der nachfolgenden Diskussion (vgl. Abschnitt 7.2) deutlich stärker in den Vordergrund. Generell unterscheidet sich die Entwicklung und Darstellung der theoretischen Zugänge und die umfassende Betrachtung des internationalen Forschungsstandes grundlegend von bisherigen Publikationen im Rahmen der MOBIL-Studie. Hinsichtlich des Erhebungsverfahrens wird deutlich ausführlicher als im Abschlussbericht die Frage der Repräsentativität und Ausschöpfungsquote der Studie dargestellt und beurteilt. Im Rahmen der Auswertungsverfahren beschränkt sich der Abschlussbericht auf explorative bivariate Analysen. Demgegenüber werden im Rahmen der vorliegenden Arbeit eine Vielzahl bi- und multivariater Auswertungsmethoden verwendetFootnote 6. Es werden Faktorenanalysen mit Skalenbildung, Korrelations- und logistische Regressionsanalysen sowie Clusteranalysen durchgeführt. Darüber hinaus werden zwei offene Fragen nach der Methode der qualitativen Inhaltsanalyse untersucht. Auch die Datenvisualisierung konnte mithilfe der Tableau Software deutlich verbessert werden (Murray 2016).

Neben den zusätzlichen methodischen Auswertungsverfahren wurden aber auch zentrale Break-Variablen, worunter insbesondere die Migrationsmerkmale fallen, neu konzipiert. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird erstmals das Konzept der erweiterten Staatsangehörigkeit verwendet. Auf der Grundlage des Konzeptes können die zwei zentralen Differenzierungen nach Herkunftsregion und Entwicklungsstand des Herkunftslandes (Industrieland vs. Schwellen-/Entwicklungsland) vorgenommen werden (vgl. Abschnitt 6.1.4). Im Abschlussbericht (vgl. Neusel et al. 2014) hingegen werden Herkunftsunterschiede lediglich anhand des Geburtslandes differenziert, was den Nachteil hat, dass die Konzepte Zuwanderungszeitpunkt und Herkunft dort nicht klar zu trennen sind.

Zudem werden einige Merkmale leicht angepasst oder zusammengefasst, da ansonsten die Gruppengrößen für bestimmte bi- und multivariate Analysen nicht zulässig wären. Hinsichtlich des Zuwanderungszeitpunktes werden nicht mehr sechs Mobilitätstypen, sondern lediglich drei Migrationstypen unterschieden, die ausschließlich auf dem Zuwanderungsalter basieren (vgl. Abschnitt 6.1.2). Zudem wurde die Kategorisierung der Fächergruppen auf Grundlage der Systematik der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) neu konzipiert. Die Zusammenführung von Hochschulart und Besoldungsgruppen in vier Gruppen stellt ebenfalls eine Neukonzeption im Rahmen der vorliegenden Arbeit dar (vgl. Abschnitt 6.1.10). Bei der Erstellung der Gliederung und hinsichtlich des strukturellen Aufbaus der vorliegenden Arbeit habe ich mich an der Monographie von Lunenburg und Irby (2008) orientiert.

1.4 Relevanz der Dissertation

Um die Relevanz der vorliegenden Arbeit, die sich aus verschiedenen Perspektiven beleuchten lässt, zu verdeutlichen, empfiehlt es sich, zwischen drei Ebenen zu differenzieren. Erstens wird die Relevanz der Arbeit für das Feld der Hochschulforschung erläutert. Zweitens geht es um die Relevanz der Arbeit für die Theorieentwicklung in der Hochschulforschung und drittens wird dargelegt, wie die Arbeit gestaltende Hochschulpolitik wissenschaftlich fundieren kann.

Erstens lässt sich die Arbeit thematisch innerhalb der Hochschulforschung primär der Professionsforschung zuordnen. Die vorliegende Arbeit auf der Grundlage der MOBIL-Studie kann erstmalig sowohl die Zusammensetzung als auch die Bildungs- und Berufsverläufe von Professoren mit Migrationshintergrund darstellen. Auch die berufliche Zufriedenheit, internationale Aktivitäten, die Zuwanderungsmotive und die Bleibeabsichten von Professoren mit Migrationshintergrund lassen sich detailliert beschreiben. Dementsprechend besteht ein angestrebter Beitrag für die Hochschulforschung darin, dass überhaupt erstmalig Erkenntnisse über die Professoren mit Migrationshintergrund gewonnen werden konnten. Zudem lassen sich im Rahmen der vorliegenden Arbeit systematisch soziodemographische Unterschiede im Kontext der unterschiedlichen Themenfelder betrachten, um Erkenntnisse über Teilgruppen von Professoren mit Migrationshintergrund, beispielsweise über Professoren der zweiten Einwanderergeneration herauszuarbeiten. Im abschließenden Diskussionsteil werden die empirischen Erkenntnisse über Professoren mit Migrationshintergrund mit anderen Professorenbefragungen in Deutschland verglichen, um Thesen zu formulieren, worin sich Professoren mit Migrationshintergrund von ihren Kollegen unterscheiden (vgl. Abschnitt 7.1.1).

Zweitens ist auf die Relevanz der Arbeit für die Theorieentwicklung in der Hochschulforschung hinzuweisen. Der Hochschulforschung wird häufig eine eher pragmatische Ausrichtung an Problemstellungen vorgeworfen, ohne dabei große Bezüge zu theoretischen Konzepten herzustellen (Wolter 2015, S. 155). Vor diesem Hintergrund zielt die vorliegende Arbeit darauf ab, für das Themenfeld Migration im Hochschulwesen die Theorieentwicklung der Hochschulforschung zu stärken. Im Rahmen der Arbeit wird gezeigt, in welcher Form Ansätze aus der soziologischen Migrationsforschung empirischen Arbeiten im Feld der Hochschulforschung neue theoretische Perspektiven eröffnen. Dabei werden sowohl klassische Migrationstheorien aufgegriffen (vgl. Castles, Haas, Miller 2014) als auch gezeigt, wie der Ansatz der transnationalen Migrationstheorie (vgl. u. a. Pries 2010, 2015) in der Hochschulforschung aufgegriffen werden kann. Neben den migrationssoziologischen Bezügen bezieht sich der theoretische Rahmen der Arbeit zudem zu großen Teilen auf nationale und internationale Hochschulforscher, die sich mit Mobilität, Internationalisierung und Globalisierung im Hochschulwesen auseinandersetzen (vgl. Ramirez und Meyer 2013, Altbach und Yudkevich 2017, Scott 2015, Teichler 2007, Knight 2004, Wolter 2019). Es geht also neben den neuen Impulsen aus der soziologischen Migrationsforschung auch darum, herauszustellen, welche Potentiale bereits entwickelte theoriebasierte Arbeiten im Feld der Hochschulforschung haben, um Migration im Hochschulwesen wissenschaftlich zu untersuchen.

Drittens lässt sich die Relevanz der Arbeit hinsichtlich Hochschulentwicklung und Governance sichtbar machen. Zentrale Bedeutung für eine evidenzbasierte Hochschulpolitik hat dabei die Frage, welche Definitionen und Konzepte zur Untersuchung von Migration im Hochschulwesen zugrunde gelegt werden. Die vorliegende Arbeit widmet sich dabei insbesondere der Frage, inwieweit das Konzept des Migrationshintergrundes nach dem Mikrozensus umfassend in der Hochschulforschung etabliert werden sollte. Die theoretischen Erörterungen in Verbindung mit den empirischen Erkenntnissen zeigen, dass das Konzept des Migrationshintergrundes allein wenig Aussagekraft hat, da es eine große heterogene Gruppe zusammenfasst. In Verbindung mit dem Konzept der erweiterten Staatsangehörigkeit, durch die eine herkunftslandspezifische Einteilung möglich ist, und mit einer Differenzierung nach Zuwanderungszeitpunkt – im Rahmen dieser Arbeit werden drei Migrationstypen unterschieden – zeigt sich allerdings das Potential des Konzeptes. Es lässt sich auf der Grundlage dieser Arbeit festhalten, dass das „erweiterte“ Konzept des Migrationshintergrundes sich als sehr hilfreich erweist, um differenziert zu analysieren, welche unterschiedlichen Migrantengruppen in den unterschiedlichen Feldern des Hochschulwesens aktiv sind, wie sie das Hochschulwesen wahrnehmen und beurteilen und in welcher Form sie es mitgestalten. Fragen nach Zugangschancen und Diskriminierung lassen sich anhand des Konzeptes nicht abschließend klären. Zwar lassen sich unterschiedliche Zugangschancen nach regionaler Herkunft und Zuwanderungszeitpunkt beschreiben, allerdings kann hier das Konzept des Migrationshintergrundes lediglich als ein erster Zugang verstanden werden. In zukünftigen Studien ist es darüber hinaus wichtig, auch das Selbstverständnis von Migranten und rassistische Fremdzuschreibungen in den Blick zu nehmen (vgl. Abschnitt 7.2.1). Dennoch legen die Analysen in der vorliegenden Arbeit den Schluss nahe, dass das Konzept Migrationshintergrund umfassend in der (quantitativen) Hochschulforschung etabliert werden sollte, da es einen wichtigen Beitrag für die evidenzbasierte Hochschulpolitik leisten kann.

Ein weiterer Beitrag zur Hochschulentwicklung liegt im Feld der Internationalisierungsstrategien von Hochschulen. Auf der Grundlage der Arbeit werden sowohl Motive der Zuwanderung als auch die Bleibeabsichten von Professoren mit Migrationshintergrund analysiert. Zugleich werden die Erkenntnisse für unterschiedliche soziodemographische Teilgruppen betrachtet, um somit eine Grundlage zu schaffen für zielgerichtete hochschulpolitische Maßnahmen. Zugleich wird sichtbar gemacht, welche internationalen Erfahrungen Professoren mit Migrationshintergrund an Hochschulen einbringen und in welchen unterschiedlichen Feldern sie international aktiv sind. Diese Erkenntnisse sind ebenfalls hilfreich für zukünftige Internationalisierungsstrategien von Hochschulen. Auch zu der Debatte Brain Drain/Brain Gain und Brain Circulation (vgl. Abschnitt 3.2.1.5) werden für die internationale und globale Hochschulentwicklung Erkenntnisse herausgestellt (siehe Abschnitt 7.3).

1.5 Kurzdarstellung des Aufbaus der Dissertation

Im Folgenden wird der Aufbau der vorliegenden Arbeit erläutert. Im ersten Schritt wird eine kurze Kontextualisierung in Form grundlegender Hintergrundinformationen über Deutschlands Wandel zum Einwanderungsland seit Mitte des 20. Jahrhunderts (Abschnitt 2.1), Hochschulbildung und Teilhabe im öffentlichen Dienst von Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland (Abschnitt 2.2) sowie über die Entwicklung der Professorenzahlen und Reformen zur internationalen Rekrutierung von Professoren (Abschnitt 2.3) gegeben. Im Anschluss steht der begriffliche und theoretische Rahmen der Arbeit im Mittelpunkt, der sich in fünf Teile gliedert. Im ersten Teil (Abschnitt 3.1) setzt sich die Arbeit mit der Frage der Konstruktion des Migranten auseinander. Dabei werden sowohl unterschiedliche Differenzkonstrukte näher beleuchtet als auch unterschiedliche Formen der Definition in Deutschland und im internationalen Vergleich analysiert. Abschließend wird erläutert, warum die vorliegende Arbeit auf die Definition des Migrationshintergrundes nach dem Mikrozensus zurückgreift. Im zweiten Teil (Abschnitt 3.2) stehen die für die Forschungsarbeit relevanten Migrationstheorien im Fokus. Im ersten Schritt geht es um Theorien und Gründe für die Migrationsentscheidung, im zweiten Schritt um Integration und Teilhabe von Migranten, bevor im letzten Schritt zwei theoretische Ansätze zur Arbeitsmarktintegration von Migranten beschrieben werden. Im dritten Teil steht die Internationalisierung der Hochschulen im Mittelpunkt, wobei zunächst ein kurzer historischer Rückblick vorgenommen wird (Abschnitt 3.3.1). Anschließend wird eine Systematisierung mit unterschiedlichen definitorischen Zugängen darüber vorgenommen, was aktuell unter der Internationalisierung der Hochschulen zu verstehen ist (Abschnitt 3.3.2). Der vierte Teil widmet sich theoretischen Ansätzen über die akademische Profession im Kontext von Internationalisierung und Globalisierung. Dabei werden sowohl der Zusammenhang zwischen akademischer Profession und Internationalisierung erörtert (Abschnitt 3.4.1) als auch unterschiedliche Theorien dargelegt, worin die besonderen Potentiale von migrantischen und internationalen Wissenschaftlern bestehen (Abschnitt 3.4.2). Der fünfte und letzte Teil (Abschnitt 3.5) widmet sich den Konzepten Diversity, Chancengleichheit und Heterogenität und zeigt auf, in welcher Form die Konzepte in die Analyse der Befragung eingeflossen sind.

Der Herausarbeitung des aktuellen Forschungsstandes widmet sich das vierte Kapitel. Ausgehend von Erkenntnissen über internationale Wissenschaftlermobilität auf der Grundlage bibliometrischer Analysen (Abschnitt 4.1) werden im Anschluss zentrale Entwicklungen und Befunde hinsichtlich der ausländischen Professorenschaft in Deutschland auf Basis der Hochschulpersonalstatistik veranschaulicht (Abschnitt 4.2). Im abschließenden Teil stehen empirische Studien zu Migration und internationaler Mobilität im Hochschulwesen im Mittelpunkt (Abschnitt 4.3). Neben aktuellen Forschungsbefunden über Migrations- und Mobilitätstypologien und die Arbeitssituation von Wissenschaftlern mit Migrationshintergrund werden aktuelle Studien über Migrationsmotive, Integration und Teilhabe näher beschrieben. Auch mit zentralen Erkenntnissen qualitativer Studien über Wissenschaftler mit Migrationshintergrund setzt sich die Arbeit auseinander. Die methodische Vorgehensweise im Rahmen dieser Arbeit lässt sich im fünften Kapitel nachvollziehen. Zunächst wird kurz das zugrundeliegende explorative quantitative Design der Studie erläutert (Abschnitt 5.1). Im Anschluss stehen Pretest, Fragebogenerstellung, Rekrutierung und Datenbereinigung im Rahmen der MOBIL-Studie im Mittelpunkt, um vor diesem Hintergrund detailliert die Repräsentativität und Ausschöpfungsquote der Studie zu erörtern (Abschnitt 5.2). Das methodische Vorgehen bei der Datenauswertung ist im letzten Teil des Kapitels beschrieben (Abschnitt 5.3).

Im sechsten Kapitel werden die Auswertungen und Ergebnisse der Arbeit präsentiert, die sich in insgesamt zehn Unterkapitel gliedern. Im ersten Teil (Abschnitt 6.1) steht die Zusammensetzung der Gruppe der Professoren mit Migrationshintergrund im Mittelpunkt. Geburtsland, Staatsangehörigkeit, Zeitpunkt der Zuwanderung, Herkunftsland, Muttersprache, Geschlecht, soziale Herkunft, Hochschulart, Besoldungs- und Fächergruppe werden differenziert beschrieben und Zusammenhänge zwischen den unterschiedlichen Merkmalen herausgearbeitet. Zudem widmet sich die Arbeit der Frage, inwieweit große Zuwanderergruppen und deren Nachkommen wie Arbeitsmigranten, (Spät-)Aussiedler und Flüchtlinge unter den Professoren mit Migrationshintergrund sind und welche Rolle die Zuwanderung von hochqualifizierten Wissenschaftlern aus dem EU-Ausland spielt (Abschnitt 6.1.5).

Im zweiten Teil (Abschnitt 6.2) wird nachfolgend der Bildungsverlauf anhand der Bildungsabschlüsse und der Wechsel zwischen unterschiedlichen Staaten veranschaulicht. Der Berufsverlauf kann anhand der unterschiedlichen wahrgenommenen Tätigkeiten in den verschiedenen Staaten nachvollzogen werden. Im dritten Teil (Abschnitt 6.3) stehen Tätigkeiten sowohl in Forschung, Lehre und akademischer Selbstverwaltung sowie im wissenschaftsnahen Bereich außerhalb der Hochschule im Fokus. Zudem werden die Mitarbeiterzahl und die damit in engem Zusammenhang stehende Einwerbung von Drittmitteln näher betrachtet. Im Anschluss widmet sich der vierte Teil (Abschnitt 6.4) der Frage, welche Standpunkte Professoren mit Migrationshintergrund, die ja zum großen Teil umfassende Erfahrungen in Hochschulsystemen anderer Länder gesammelt haben, hinsichtlich der Zielsetzungen von Lehre und Forschung sowie zu Reformen im Kontext der Bologna Reform, zum NPM-Diskurs und zu konkreten NPM-Reformen, zur Öffnung der Hochschule und zur vertikalen Differenzierung haben. Auf der Grundlage einer Vielzahl von Likert-Items werden die Standpunkte zu hochschulpolitischen Diskursen und Reformen über Indexverfahren und Skalenbildung mit Faktorenanalysen näher untersucht.

Im fünften Teil (Abschnitt 6.5) stehen die berufliche Zufriedenheit und der Zusammenhang zu den Arbeitsbedingungen im Mittelpunkt der Analyse. Ausgehend von der Beurteilung der Forschungs- und Lehrbedingungen an der Hochschule im internationalen Vergleich (Abschnitt 6.5.1) werden soziodemographische Unterschiede bei der beruflichen Zufriedenheit sowohl bivariat als auch multivariat mithilfe einer logistischen Regressionsanalyse näher untersucht (Abschnitt 6.5.2). Daran anschließend geht es darum, den Einfluss positiver und negativer Aspekte der Arbeitsbedingungen auf die berufliche Zufriedenheit über Korrelations- und Regressionsanalysen zu erforschen (Abschnitt 6.5.3). Abschließend werden fünf zentrale Aspekte der Arbeitsbedingungen, die in hohem Maße einen Einfluss auf die berufliche Zufriedenheit haben, in den Mittelpunkt gestellt und soziodemographische Unterschiede herausgearbeitet (Abschnitt 6.5.4). Der sechste Teil (Abschnitt 6.6) analysiert die internationale Mobilität und internationale Aktivitäten von Professoren mit Migrationshintergrund. Dabei werden fünf unterschiedliche Felder der Internationalität untersucht: erstens die Internationalität im Bildungs-/Berufsverlauf (Abschnitt 6.6.1), zweitens internationale Publikationen (Abschnitt 6.6.2), drittens berufliche Auslandstätigkeiten (Abschnitt 6.6.3), viertens nichtdeutsche Sprachen in Forschung und Lehre (Abschnitt 6.6.4) und fünftens interkulturelle Aktivitäten (Abschnitt 6.6.5). Zu allen fünf genannten Feldern können eine Reihe von Items zugrunde gelegt werden, die mithilfe von Indexbildungen zusammengefasst werden. Auf der Grundlage der Indexe lassen sich in allen fünf Feldern soziodemographische Unterschiede analysieren. Abschließend wird über eine Korrelationsanalyse die gegenseitige Beeinflussung der fünf Internationalitäts-Dimensionen näher betrachtet (Abschnitt 6.6.6).

Zuwanderungsmotive, die familiäre Situation und Bleibeabsichten werden im siebten Teil in den Mittelpunkt gerückt (Abschnitt 6.7). Im ersten Schritt findet eine Analyse der Pro- und Kontra-Argumente, die bei der Zuwanderung eine wichtige Rolle gespielt haben, statt. Dabei werden sowohl berufliche, private und gesellschaftliche Motive unterschieden als auch der Einfluss soziodemographischer Merkmale betrachtet (Abschnitt 6.7.1). Im nächsten Schritt geht es um die Frage, welche Auswirkung die Migration auf eine mögliche Partnerschaft hatte, inwieweit Partner mit nach Deutschland zugewandert sind und wie sich die Arbeitsplatzsuche des Partners gestaltet (Abschnitt 6.7.2). Darauf aufbauend wird die Frage der Vereinbarkeit von Kind und Karriere, insbesondere im Geschlechtervergleich, näher untersucht (Abschnitt 6.7.3). Anschließend stehen die beruflichen Zukunftspläne anhand der Bleibeabsichten in Deutschland im Mittelpunkt. Über eine logistische Regressionsanalyse lässt sich nicht nur untersuchen, welchen Einfluss Migrationsmerkmale, demographische und berufliche Merkmale jeweils auf eine mögliche Entscheidung ins Ausland zu wechseln, haben, sondern auch die Frage gestellt, welche Bedeutung Zufriedenheit, Partnerschaft, Integration und Teilhabe sowie internationalen Aktivitäten dabei zukommt (Abschnitt 6.7.4). Abschließend geht es um eine differenzierte Betrachtung der nachberuflichen Zukunftsplanung (Abschnitt 6.7.5).

Integration, soziale Teilhabe und Transnationalität lautet der Titel des achten Teils (Abschnitt 6.8). Zunächst findet eine Analyse der Kontakte und Kommunikationsstrukturen mit unterschiedlichen Herkunftsgruppen in Deutschland statt. Dabei werden für die Interaktion mit Deutschen, mit Menschen aus dem Herkunftsland sowie mit Menschen aus weiteren Ländern jeweils Indexe gebildet und soziodemographische Unterschiede beschrieben (Abschnitt 6.8.1). Auf dieser Grundlage lässt sich eine Clusteranalyse durchführen, wodurch vier Interaktionstypen zu unterschiedlichen Herkunftsgruppen sichtbar gemacht werden können (Abschnitt 6.8.2). Abschließend werden Verbindungen und Reisen ins Herkunftsland sowie dort stattfindende Projekte näher untersucht und soziodemographische Unterschiede über eine Indexbildung näher beleuchtet (Abschnitt 6.8.3).

Mit Fragen der Diskriminierung im Zuge der wahrgenommenen Vor- und Nachteile aufgrund von nationaler/ethnischer Herkunft, Geschlecht, Alter und Religion setzt sich der neunte Teil auseinander (Abschnitt 6.9). Im ersten Schritt wird dabei quantitativ betrachtet, wie häufig die befragten Professoren auf Vor- und Nachteile der genannten Merkmale hinweisen und welche soziodemographischen Unterschiede sich zeigen (Abschnitt 6.9.1). Im Anschluss werden die Erfahrungsbeispiele zu den erlebten Vorteilen (Abschnitt 6.9.2) und Nachteilen (Abschnitt 6.9.3) qualitativ inhaltsanalytisch ausgewertet. Dabei lassen sich typische Antwortmuster anhand exemplarischer Zitate veranschaulichen. Abschließend wird über eine quantitative Analyse geprüft, inwieweit Professoren mit Migrationshintergrund der Meinung sind, dass ihr internationaler Hintergrund die wissenschaftliche Karriere positiv beeinflusst oder eher ein Karrierehindernis dargestellt habe und welche Unterschiede sich hier insbesondere je nach Herkunftsregion zeigen (vgl. Abschnitt 6.9.4). Im zehnten und letzten Unterkapitel steht das Selbstverständnis der Professoren im Mittelpunkt (vgl. Abschnitt 6.10). Dabei werden mithilfe einer qualitativen Inhaltsanalyse sowohl grundlegende Begründungsmuster für ein internationales Selbstverständnis (vgl. Abschnitt 6.10.1) als auch Argumentationsmuster, die gegen ein internationales Selbstverständnis sprechen (vgl. Abschnitt 6.10.2), untersucht.

Im abschließenden siebten Kapitel werden die Forschungserkenntnisse diskutiert und Schlussfolgerungen für drei Felder herausgestellt. Erstens soll herausgestellt werden, welchen Beitrag die vorliegende Arbeit für die Hochschulforschung liefert (Abschnitt 7.1). Zweitens geht es darum, den Beitrag der Arbeit für die theoretische Fundierung der Hochschulforschung deutlich zu machen (Abschnitt 7.2). Unter Bezugnahme auf den begrifflichen und theoretischen Rahmen der Arbeit werden zentrale Erkenntnisse und Schlussfolgerungen für die zukünftige Forschung herausgearbeitet. Dabei wird auch die Frage diskutiert, wie der theoretische Ansatz der transnationalen Migrationsforschung in der Hochschulforschung aufgegriffen werden kann. Drittens lässt sich aufzeigen, welchen Beitrag die Arbeit für Hochschulentwicklung und Hochschulgovernance leistet (Abschnitt 7.3). Im letzten Abschnitt wird, ausgehend vom Titel der Arbeit „Professoren mit Migrationshintergrund Benachteiligte Minderheit oder Protagonisten internationaler Exzellenz?“, ein kurzes Resümee gezogen (Abschnitt 7.4).