8.1 Einleitung

8.1.1 Analoge Prozesse digitalisieren

Digitale Transformation ist ein Entwicklungstrend, welcher sich mittlerweile mehr und mehr in allen Lebens- und Wirtschaftsbereichen durchsetzt. Während unter dem Begriff Digitalisierung vor allem der rein technische Prozess zur Umwandlung analoger in digitale Daten und Abläufe verstanden wird (Wolf und Strohschen 2018), umfasst die digitale Transformation den gesamten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel (Changeprozess), der mit der Digitalisierung einhergeht (Kraft und Peter 2017, S. 11). Auch das Human Resource Management (HRM) ist von diesem Wandel betroffen. Digitale Transformation im HRM bedeutet zunehmende Virtualisierung der Arbeit und Zusammenarbeit mit künstlicher Intelligenz, neuen personalen Anforderungen sowie erhöhter Mitarbeitendenmobilität. Diese Auswirkungen haben Neuerungen hinsichtlich der HR-Prozesse wie Personalauswahl und -entwicklung sowie die Neugestaltung von Arbeits- und Geschäftsmodellen zur Folge (Gora 2016, S. 1). Obschon inzwischen viele Unternehmen dabei sind, ihre HR-Prozesse zu digitalisieren, schien das HRM bislang insbesondere im Vergleich zu anderen Unternehmensbereichen bezüglich digitaler Transformation hinterher zu hinken (Peter et al. 2017b, S. 49). Mittlerweile sehen jedoch die meisten HR-Abteilungen Chancen in der Digitalisierung und sind dabei, eine Reihe von Digitalisierungsansätzen umzusetzen. Einige – insbesondere KMU – fokussieren hierbei vorerst auf die Virtualisierung von standardisierten administrativen HR-Prozessen wie die Spesenabrechnung, Arbeitsvertragsabwicklung, Lohnabrechnung und Zeiterfassung. Andere Unternehmen hingegen decken bereits ganze HR-Prozessketten digital ab (Schellinger et al. 2020, S. 206). Am weitesten entwickelt im Bereich Digitalisierung sind Großunternehmen im IT-, Kommunikations- und Medienbereich sowie die Pharmabranche (Accenture 2017, S. 19). Für den Prozess der digitalen Transformation gibt es keine Patentlösung. Welche Konzepte und Instrumente gewinnbringend sind, ist abhängig von der konkreten Situation und den Voraussetzungen des jeweiligen Unternehmens. Grundsätzlich gilt es, nicht planlos Prozesse zu digitalisieren, sondern im Rahmen eines Changeprozesses geeignete Lösungen zu evaluieren (Hess 2019, S. 2012). Digitale Transformation bedeutet für das Unternehmen, einen großen Wandel zu vollbringen und alte Strukturen aufzubrechen (Kraft und Peter 2017, S. 9), die Entwicklung von einem niedrigeren zu einem höheren digitalen Reifegrad (Wolf und Strohschen 2018, S. 64). Dazu gehören Überlegungen zu neuen, kundengetriebenen Geschäfts- und Ertragsmodellen, neue Arbeitsformen, benutzerfreundliche IT-Lösungen sowie Sensibilisierung der Belegschaft und Führung (Hess 2019, S. 2). HRM kann mit Innovationen bei dieser digitalen Transformation eine Vorreiterrolle im Unternehmen einnehmen und so den eigenen Einfluss auf die Unternehmensentwicklung voranbringen (Grieger 2014, S. 32).

8.1.2 Digitalisierung als Innovationstreiber nutzen

Stetige Innovationsfähigkeit ist ein zentraler Wettbewerbsvorteil von Unternehmen. Innovationsfähigkeit heißt, Wünsche und Bedürfnisse von Unternehmensakteuren (Mitarbeitende, Kundinnen und Kunden usw.) zu erfassen und dementsprechend Ideen und Wissen zu generieren, das in neue Dienstleistungen, Produkte und Prozesse umzusetzen ist (Grieger 2014, S. 25). Im Rahmen der digitalen Transformation eröffnen sich für Unternehmen sieben zentrale Handlungsfelder (Peter et al. 2017a, b, S. 59), die im Folgenden kurz auf ihre Relevanz im HRM diskutiert werden:

  • Die Customer Centricity umfasst beispielsweise personalisierte Angebote und Kundenportale, welche durch digitale Technologien unterstützt werden, sowie Produktdaten, die eine zielgruppengerechte Strategie ermöglichen. Als Kunden sind im HRM die Mitarbeitenden zu verstehen.

  • Digital Business Development zielt darauf ab, neue innovative Geschäfts- und Ertragsmodelle zu entwickeln. Prioritär in neuen HRM-Geschäftsmodellen scheinen hierbei insbesondere Innovationen im Bereich Talentmanagement, strategische Personalplanung, Big-Data-Management, HR-IT-Management, Führungskräfteentwicklung und Mitarbeiterengagement. Um diese Innovation zu erreichen, muss das HRM stärker über agile Strukturen in die Geschäftsprozesse des Unternehmens eingebunden werden (Schellinger et al. 2020, S. 191).

  • Ein weiterer Punkt ist das Process Engineering, bei dem es um die Automation und Optimierung diverser Arbeitsabläufe geht. Hierbei ist das HRM insbesondere bemüht, die gesamten standardisierten HR-Prozesse mittels softwarebasierten Digitalisierungslösungen wie ORACLE oder SAP zu digitalisieren (Schellinger et al. 2020, S. 194). Eine Erweiterung des Kompetenzbereichs HRM im Bereich Process Engineering würde dazu führen, dass das HRM eine beratende Rolle für das gesamte Unternehmen zum Thema Prozessdigitalisierung einnimmt, indem es Unterstützung im Bereich Benutzerfreundlichkeit der eingesetzten Software, Sensibilisierungsschulungen etc. zum Thema anbietet (Falkenreck 2019, S. 24).

  • Das Digital Marketing beschreibt die Schaffung eines Systems, das durch die Verfügbarkeit und Analyse von Kunden-, Absatzdaten etc. die Marktaktivitäten laufend optimiert. Im HRM kommt hier insbesondere Social Media ins Spiel. Social-Media-Plattformen wie LinkedIn, Xing, Facebook oder Youtube dienen dem Unternehmen zur Eigendarstellung und erleichtern den Zugang zu gewissen Zielgruppen. Die Nutzung von Social Media durch das HRM stellt insbesondere für das Employer Branding, die Bewerbendenauswahl, aber auch im Bereich Weiterbildungen (bspw. Communities of Practice) ein innovatives Handlungsfeld dar (Hartwell 2018, S. 8).

  • Cloud and Data als sechstes Handlungsfeld umschreibt die moderne IT-Infrastruktur mit ihren neuen Erkenntnissen. Kundenorientierung, Geschäftsmodelle und optimierte Prozesse brauchen intelligente Daten und Informationstechnologien, welche durch Analyse zu neuem Wissen gelangen und überall zugänglich sind. Das HRM sieht sein Handlungsfeld hierbei insbesondere im Bereich Big Data. Die Umwandlung von Datenspuren (Telefonate, Mails etc.) in verwertbares Wissen wird Big-Data-Verwertung genannt und dient dazu, Muster in den Daten zu erkennen (Werther und Bruckner, 2018, S. 20). Der Nutzen von Big Data für das HRM besteht vor allem darin, Verbesserungsmöglichkeiten zu evaluieren. Die Daten können beispielsweise genutzt werden, um den Unterstützungsbedarf bei Mitarbeitenden abzuschätzen, die Effizienz von Personalprozessen zu steigern oder auch um geeignetes Personal anzuwerben (Schellinger et al., 2020, S. 193).

  • Beim Handlungsfeld Digital Leadership sehen sich Unternehmen vor allem mit neuen Ansätzen in Führung, Kultur und Arbeit konfrontiert. Die digitale Transformation bedingt einen Change im Unternehmen, was auch zur Änderung von Führungsgrundsätzen und der Rolle des HRM führt.

Die zunehmende Digitalisierung im Unternehmen bildet sich auch im HRM ab und führt unter anderem zur Verschiebung von Kompetenzbereichen. Werden Prozesse digitalisiert und dadurch vereinfacht, kann das zu Einsparungen im administrativen Bereich führen. Bei HR-Mitarbeitenden kann das Unsicherheit bis zu Existenzängsten nach sich ziehen und in eine Überforderung münden. Das HRM ist demnach gefordert, sich neu zu organisieren und Personalmitarbeitende zunehmend für anspruchsvollere Tätigkeiten zu schulen. Diese Reorganisation von HRM erfordert die Ausarbeitung eines neuen HR-Geschäftsmodells, das der Geschwindigkeit und Flexibilität heutiger erfolgsentscheidender Organisationen gerecht wird (Schellinger et al. 2020, S. 193).

8.1.3 Human Resource Management neu organisieren aufgrund der Digitalisierung

Trotz innovativer Ansätze in Sachen Digitalisierung beschäftigen sich HR-Abteilungen in vielen Unternehmen weiterhin vor allem mit Aufgaben wie Administration, Stammdatenpflege und Rekrutierungsprozesse. Durch digitale Lösungen im Rahmen von integrativen Personalinformations- und -verwaltungssystemen werden diese administrativen Aufgaben zunehmend überflüssig (Cachelin 2013, S. 16). Wenn HRM auf administrative Funktionen reduziert wird, besteht die Gefahr, dass es im Digitalisierungskontext redundant wird (Olbert-Bock und Lévy-Tödter 2019, S. 349). Durch die Entlastung der administrativen Tätigkeiten erhält die HR-Abteilung Freiraum, sich auf andere Aufgaben zu konzentrieren (Gorges und Tränkler 2020, S. 1). Die damit verbundene Runderneuerung von HRM erfordert sowohl einen zunehmenden Einsatz von innovativen Digitalisierungstools wie auch eine kulturelle Transformation in Richtung Demokratisierung der Arbeit und neuem Führungsverständnis (Appel und Wahler 2018, S. 11). Die Kommunikation mit Kundinnen und Kunden sowie Arbeitskolleginnen und -kollegen beispielsweise muss nicht mehr zwingend persönlich und vom Büro aus stattfinden. Mobile Arbeitsformen verändern nebst der Beziehungspflege auch Kontrollfunktionen. Traditionelle Kontrolle über Präsenz wird ersetzt durch Zielkontrolle; intrinsische Motivation und digitale Führung seien hier als Stichworte genannt (Schellinger et al. 2020, S. 187). Kürzere Entscheidungsprozesse führen zur Verschmelzung von Hierarchiestufen und Wissen. Fähigkeiten und Fertigkeiten einzelner Personen treten in den Vordergrund (Werther und Bruckner 2018, S. 135).

Das HRM ist demnach gefordert, Rahmenbedingungen zu schaffen für humane, wertorientierte Arbeit durch Wissensteilung sowie Teamschulung und -motivation (etventure 2018, S. 22; Grieger, 2014, S. 24). Die Chancen, welche die digitale Transformation für das HRM birgt, sind bedeutend. So lassen sich durch Prozessoptimierung mittels optimaler Digitalisierungslösungen Kosten senken und Entscheide verbessern (Schellinger et al. 2020, S. 211). Wenn jedoch die digitale Transformation nicht wohl überlegt und begleitet wird, besteht das Risiko, dass wichtige Unternehmensgrundsätze und -werte verloren gehen, sich fachliche Überforderung einschleicht, die Belegschaft mit Reaktanz reagiert und der Datensicherheit zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird (Hess 2019, S. 2). Für das HRM besteht hierbei die Chance einer Neupositionierung, indem sie das Unternehmen in der digitalen Transformation eng beratend begleitet und in der Entwicklung von Lösungen unterstützt (Golger 2017 S. 161–162). Das HRM könnte entsprechend als Garant für einen nachhaltigen Umgang mit menschlichen und sozialen Ressourcen auftreten. Als solcher muss es in der Lage sein, neuartige Herausforderungen zu erkennen und auf sie bezogen gestaltenden Einfluss im Unternehmen auszuüben. Dazu gehören einerseits die Antizipation technischer Trends, andererseits auch die Betrachtung von Chancen und Risiken der Veränderungen für die humanen und sozialen Ressourcen (Olbert-Bock und Lévy-Tödter 2019, S. 349). Diese Veränderungen im HRM von der herkömmlichen, eher administrativen Personalabteilung zu einer agileren, netzwerkartigen Struktur erfordert ein Neudenken des HR-Businesspartnermodells (Ulrich 1998). Aus HR-Partnerinnen und -partnern in den ihnen zugeordneten spezifischen HR-Fachgebieten werden Expertinnen und Experten, die ihre Fähigkeiten und Instrumente in der Organisation nicht nach Prozessvorgaben, sondern flexibel dort einsetzen, wo sie einen entsprechenden Mehrwert erbringen (Gorges und Tränkler 2020, S. 2–3). Vor diesem Hintergrund ist es anzustreben, HRM vermehrt in strategische Fragen einzubeziehen, was heutzutage oft nicht zum Kompetenzbereich von HRM gehört (Petry 2018, S. 53). Die Rolle eines strategisch agierenden HRM wäre hierbei, die Federführung zu Entscheiden wie Personalinvestitionen oder Führungsgrundsätzen zu übernehmen und entsprechende Voraussetzungen für Innovation und digitale Transformation zu schaffen (Grieger 2014, S. 25). HRM muss sich demnach neu positionieren und mehr als bisher den Wandel von der eher administrativen, operativen Rolle zum strategischen Player vollbringen (Holtbrügge 2015, S. 5). Für diese strategischen Unterstützungsaufgaben durch das HRM ist es unabdingbar, dass HR-Fachpersonen nebst ihrem Fachwissen über HR-Prozesse auch Fähigkeiten im Bereich Changemanagement, Projektmanagement, IT-Kenntnisse und Kulturwandel aufweisen (Grieger 2014, S. 28). Das HRM gewinnt durch die Digitalisierung an Bedeutung (Holtbrügge 2015, S. 5).

8.2 Quantitative Befragung

Die digitale Transformation verändert die Aufgaben und Arbeitsweisen von Mitarbeitenden nicht nur in Großunternehmen (GU), sondern auch in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) mit weniger als 250 Mitarbeitenden. Führungskräfte und Mitarbeitende sind gefordert, sich mit neuen Arbeitsformen, Tools und Prozessen vertraut zu machen. Personalverantwortlichen kommt die Aufgabe zu, nicht nur die eigenen Prozesse und Aufgaben zu digitalisieren, sondern auch Führungskräfte und Mitarbeitende in diesem Prozess zu unterstützen.

In Kooperation mit einem Fachverband für Human Resources haben wir deshalb untersucht, wie und in welchen Bereichen die digitale Transformation bereits heute die Aufgaben und Arbeitsweisen von Personalverantwortlichen in einer von KMU und öffentlichen Verwaltungen geprägten Region der Schweiz verändert.

8.2.1 Befragung und Stichprobe

Die Befragung wurde im Frühjahr 2019 online durchgeführt. Die Mitglieder des HR-Fachverbandes wurden direkt durch die Geschäftsstelle zur Teilnahme an der Studie eingeladen. Die 91 auswertbaren Fragebogen entsprechen einem Rücklauf von 10 %.

Geantwortet haben Personalverantwortliche aus KMU (45 %, davon 8 % mit weniger als 50 Beschäftigten) und aus Grossunternehmen (GU) (55 %, davon 33 % mit mehr als tausend Beschäftigten). Der Hauptsitz der befragten Unternehmen liegt zu 83 % im Kanton Bern. Die Unternehmen sind in einem breiten Spektrum von Branchen tätig, wobei auffällt, dass GU häufiger der öffentlichen Verwaltung, dem Gesundheits- und Sozialwesen sowie den Banken und Versicherungen zuzuordnen sind. KMU umfassen hingegen ein breites Spektrum an unterschiedlichen Unternehmen, sowohl im Dienstleitungsbereich als auch in Verarbeitung und Produktion. Den Fragebogen beantwortet haben in erster Linie Personalfachpersonen (83 %), in je geringem Maße auch Personen aus der Geschäftsführung, der IT, dem Produktmanagement und Finanzwesen. In der Geschäftsführung oder Geschäftsbereichsführung sind 25,6 % tätig, in der Abteilungsleitung 34,4 %, Team- oder Projektleitungsfunktionen nehmen 18,9 % wahr und 21,1 % sind Mitarbeitende ohne Leitungsfunktion. Das Altersspektrum ist breit und reicht von 25–62 Jahren bei einem mittleren Alter von 46,0 Jahren (SD = 8,8). Knapp zwei Drittel (62,6 %) sind Frauen. Die Teilnehmenden werden nachfolgend als Personalverantwortliche bezeichnet.

Um die Vergleichbarkeit der Resultate mit größeren nationalen und internationalen Studien zu gewährleisten, wurden die Items im Fragebogen teilweise in Anlehnung an die Befragungen von etventure (2018) und Peter et al. (2017a, b) formuliert.

Die Personalverantwortlichen wurden allgemein zu ihrem Verständnis von digitaler Transformation und ihren aktuellen Herausforderungen befragt. Spezifische Fragen wurden zu folgenden Themenbereichen gestellt:

  1. 1.

    Was verstehen Personalverantwortliche unter digitaler Transformation?

  2. 2.

    Welche Rolle nimmt HRM im jeweiligen Unternehmen ein, wenn es darum geht, Mitarbeitende auf die anstehenden Veränderungen durch die digitale Transformation vorzubereiten?

  3. 3.

    Welches sind aus Sicht der Personalverantwortlichen zentrale Schlüsselkompetenzen, die in der digitalen Transformation von Mitarbeitenden erwartet werden?

8.2.2 Analoge Prozesse digitalisieren

Was verstehen Personalverantwortliche unter digitaler Transformation? Die befragten Personalverantwortlichen verstehen unter digitaler Transformation in erster Linie die Digitalisierung des bestehenden Geschäftsmodells und/oder bestehender analoger Prozesse (76,7 %). Weit seltener (17,8 %) wird die Entwicklung neuer digitaler Geschäftsmodelle genannt. Kaum genannt werden die Vereinheitlichung und Optimierung des IT-Systems (3,3 %) sowie digitale Schulung und Weiterbildung (2,2 %). Personalverantwortliche aus GU nennen die Entwicklung neuer digitaler Geschäftsmodelle etwas häufiger, vgl. Abb. 8.1.

Abb. 8.1
figure 1

Was verstehen Personalverantwortliche unter digitaler Transformation?

Aus Sicht der Personalverantwortlichen gehört in 64,4 % der befragten Unternehmen die digitale Transformation auf der Prioritätenliste zu den Top-3-, in weiteren 28,9 % zu den Top-10-Themen. Nur 6,7 % geben an, dass die digitale Transformation keine Rolle spielt. Die Unterschiede zwischen KMU und GU sind minimal.

Rund 30–40 % der Befragten beobachten einen deutlichen Einfluss der digitalen Transformation auf einzelne Bereiche in ihrem Unternehmen. Dabei wird der deutlichste Einfluss der digitalen Transformation auf das Geschäftsmodell beobachtet. Allerdings sind damit, wie oben gezeigt, nicht in erster Linie neue Geschäftsmodelle gemeint, sondern die Digitalisierung von bestehenden Geschäftsmodellen. Während sich KMU und GU hinsichtlich Einfluss auf Geschäftsmodell, Führungs- und Unternehmenskultur wenig unterscheiden, werden in GU in der Tendenz stärkere Effekte in Bereichen beobachtet, die die Mitarbeitenden unmittelbar betreffen: die Zusammenarbeit zwischen Abteilungen, Aus- und Weiterbildung von Mitarbeitenden und das Anforderungsprofil von neuen Mitarbeitenden (vgl. Abb. 8.2).

Abb. 8.2
figure 2

Welchen Einfluss hat die digitale Transformation bereits heute auf einzelne Bereiche in Ihrem Unternehmen?

Bereits haben 45,6 % der befragten Unternehmen neue Technologien eingeführt. Weitere 34,4 % sind dabei, neue Technologien einzuführen und 15,6 % werden dies in der nahen Zukunft tun. Dabei tendieren GU stärker dazu, neue Technologien einzuführen. Keine entsprechenden Aktivitäten berichten einzig 4,4 % der befragten KMU.

Einzelne HRM-Prozesse sind in sehr unterschiedlichem Umfang digitalisiert. Während Lohnabrechnungen und die Personalsuche stark digitalisiert sind, ist dies beispielsweise in der Personalplanung sehr viel weniger der Fall. Unterschiede zw. GU und KMU sind hier deutlich ausgeprägt (vgl. Abb. 8.3).

Abb. 8.3
figure 3

Wie stark werden im Human Resource Managment in Ihrem Unternehmen technologische Tools in den verschiedenen Personalprozessen eingesetzt? Statistisch signifikante Unterschiede zwischen Großunternehmen und kleine und mittlere Unternehmen sind mit *p < 0,05, **p < 0,01 bezeichnet

Hinsichtlich der Nutzung von digitalen Tools wird in erster Linie noch auf bewährte Software vertraut, Microsoft Office und SAP. Soziale Medien werden aktiv genutzt und E-Recruitment eingesetzt (vgl. Abb. 8.4). Dabei nutzen GU insbesondere SAP, E-Recruitment und Shared Service Centers (SSC) bereits länger als KMU.

Abb. 8.4
figure 4

Welche technologischen Tools (Anwendungen, Software, Apps, usw.) werden im Human Resource Management in Ihrem Unternehmen genutzt? Kleine Prozentsätze (<9,0 %) werden nicht ausgewiesen

8.2.3 Digitalisierung als Innovationstreiber nutzen

Welche Rolle nimmt HRM im jeweiligen Unternehmen ein, wenn es darum geht, Mitarbeitende auf die anstehenden Veränderungen durch die digitale Transformation vorzubereiten? Als zentral für das Gelingen der digitalen Transformation wird die Veränderung der Unternehmenskultur von 73,7 % der befragten Personalverantwortlichen aus KMU und von 85,4 % aus GU betrachtet.

Um eine Unternehmenskultur zu unterstützen, in der Digitalisierung und Innovation nachhaltig verankert werden können, setzen die Personalverantwortlichen stark auf neue Arbeitsformen wie Teilzeit auch für Führungspersonen, Flexibilisierung, Nutzung moderner Kommunikationstools und Stärkung der Eigenverantwortung (vgl. Abb. 8.5). Einzig Maßnahmen für mehr Frauen in Führungspositionen werden von GU häufiger als von KMU eingesetzt.

Abb. 8.5
figure 5

Welche Maßnahmen setzen Sie ein, um Digitalisierung und Innovation nachhaltig in der Unternehmenskultur zu verankern? Kleine Prozentsätze (<10,0 %) werden nicht ausgewiesen

Allerdings berichten rund 47,4 % der Personalverantwortlichen aus KMU und 61 % aus GU, mit der Qualifikation ihrer heutigen Mitarbeitenden noch nicht ausreichend für die anstehenden Veränderungen durch die digitale Transformation vorbereitet zu sein (vgl. Abb. 8.6).

Abb. 8.6
figure 6

Ist das Unternehmen mit der Qualifikation seiner heutigen Mitarbeitenden ausreichend für die anstehenden Veränderungen durch die digitale Transformation vorbereitet?

Um Mitarbeitende besser auf die Herausforderungen der digitalen Transformation vorzubereiten, setzt knapp die Hälfte der befragten Personalverantwortlichen auf die Förderung von formalen Aus- und Weiterbildungen, weitere 10 % planen, dies kurzfristig zu tun. Interne Weiterbildungsprogramme zur Vermittlung von digitalem und agilem Know-how und Ideenwettbewerbe werden von knapp 40 % der Personalverantwortlichen und die Förderung von Intrapreneurship wird von rund 30 % genutzt. Hingegen finden Programme, die eine temporäre Mitarbeit in internen oder externen Digitalprojekten vorsehen, nur bei rund 17 % der Befragten Anklang (vgl. Abb. 8.7). Einzig interne Ideenwettbewerbe werden von GU häufiger als von KMU eingesetzt.

Abb. 8.7
figure 7

Welche Maßnahmen setzen Sie ein, um Ihre Mitarbeitenden auf die anstehenden Veränderungen durch die digitale Transformation vorzubereiten? Kleine Prozentsätze (<10,0 %) werden nicht ausgewiesen

Schließlich wurden die Personalverantwortlichen gefragt, ob sich die Maßnahmen im Kontext der digitalen Transformation in Ihrem Unternehmen positiv auf die Attraktivität des Unternehmens als Arbeitgeber auswirken. Bei rund 20 % der KMU und 14 % der GU wirken sich die getroffenen Maßnahmen bereits aus, indem sie berichten, generell mehr Bewerbungen zu erhalten. Je rund 12 % berichten sogar, mehr Bewerbungen mit digitalem Know-how zu erhalten. Ebenfalls 12 % der GU, aber nur 7,5 % der KMU berichten, mehr Bewerbungen für mit der Digitalisierung befasste Bereiche zu erhalten. Hingegen beobachten 15 % der KMU und 12 % der GU keine Veränderungen, trotz entsprechender Aktivitäten im Bereich Digitalisierung. In den übrigen Unternehmen sind die Aktivitäten noch zu wenig ausgeprägt als dass sie Veränderungen erwarten würden.

8.2.4 Schlüsselkompetenzen

Welches sind aus Sicht der Personalverantwortlichen zentrale Schlüsselkompetenzen, die in der digitalen Transformation von Mitarbeitenden erwartet werden? Zu unterscheiden ist zwischen spezifischem Fachwissen und allgemeineren Fertigkeiten, die im Gegensatz zu eher persönlichkeitsbezogenen Fähigkeiten (beispielsweise Offenheit, Flexibilität, sprachliche Ausdrucksfähigkeit) gelernt und geschult werden können. Gestützt auf die US-amerikanische Datenbank O*NET, die aufzeigt, welche Arten von Kompetenzen heute für die Ausübung eines Berufes wichtig sind, haben wir den Probandinnen und Probanden drei Listen mit Fachwissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten vorgelegt, die sie auf einer Skala von 1 (unwichtig) bis 5 (extrem wichtig) bewerteten (für die deutschsprachigen Begriffe vgl. Deloitte 2017).

Als sehr relevantes Fachwissen wird Kundenservice am häufigsten genannt (67 %), gefolgt von Computer und Elektronik (55 %), Aus- und Weiterbildung (51 %), Kommunikation und Medien (43 %) und Personalwesen (42 %). Am anderen Ende der Skala werden Ingenieurwesen (24 %), Produktion und Verarbeitung (21 %) Mechanik (12 %) und schließlich Mathematik (10 %) sehr viel seltener als sehr relevant eingeschätzt.

Als sehr relevante Fertigkeiten, die auch in Schulungen trainiert werden können, wird von 77 % der befragten Personalverantwortlichen die Kundenorientierung genannt. Es folgen mit deutlichem Abstand Qualitätskontrolle (51 %), komplexe Problemlösungsfertigkeiten (44 %), aktives Zuhören/Perspektivenübernahme (42 %), Entscheidungs- und Urteilsfertigkeiten (42 %), Verhandlungsgeschick (42 %), Inklusion, Vermeiden von Vorurteilen (40 %) und Koordination (38). Am anderen Ende der Skala rangieren Lernstrategien (21 %) und Programmieren (15 %).

Schließlich werden als sehr relevante Fähigkeiten, also Eigenschaften, die häufig nicht erlernbar sind, aber ausgebaut oder trainiert werden können, von 64 % der befragten Personalverantwortlichen Offenheit gegenüber Neuem und von 60 % Flexibilität genannt. Deutlich seltener folgen mündliches Verständnis/mündliche Ausdrucksweise (47 %), Informationsverarbeitung (46 %), Ideenfluss/Kreativität (34 %), Problemsensitivität (33 %) und schriftliches Verständnis/schriftliche Ausdrucksweise (27 %). Andere Fähigkeiten werden von jeweils weniger als 20 % als sehr relevant eingeschätzt. Das Schlusslicht macht mathematisches Denken, das von 10 % als sehr relevant eingeschätzt wird.

Genannt werden damit kaum Kompetenzen, die als spezifisch für die digitale Transformation gelten könnten, wie beispielsweise mathematisches Denken, sondern ein viel breiteres Spektrum an Fertigkeiten, die eine kunden- und personenzentrierte Zusammenarbeit ermöglichen.

8.3 Qualitative Befragung

Die Ergebnisse unserer quantitativen Untersuchung wurden mit acht qualitativen Expertinnen- und Experteninterviews ergänzt und mit diesen validiert. Die befragten Expertinnen und Experten sind HRM-Führungskräfte. Sie wurden aufgrund theoretischer Vorüberlegungen aus dem Kreis der an der quantitativen Studie teilnehmenden Organisationen und Unternehmen ausgewählt. Bei der Auswahl legten wir Wert darauf, dass die Expertinnen und Experten insgesamt einen möglichst breiten Erfahrungshorizont in ihrer Funktion vorweisen konnten sowie in möglichst unterschiedlichen Organisationsstrukturen tätig waren.

So stellten sich uns für die Interviews Expertinnen und Experten aus verschiedenen Produktions- und Dienstleistungsunternehmen, Wirtschaftsbranchen und auch aus öffentlichen Verwaltungen zur Verfügung. Sie sind in verschiedenen KMU tätig und arbeiten für lokal, aber auch international tätige Organisationen. Die Anzahl der Interviews war durch die zur Verfügung stehenden Projektressourcen begrenzt. Die Gesprächsführung in den Interviews stützte sich auf einen vorher erarbeiteten und getesteten Interviewleitfaden ab. Die Interviews dauerten zwischen 60 und 90 Minuten.

Unsere Interviewpartnerinnen und -partner äußerten sich dabei insbesondere zu den folgenden drei Themenfeldern:

  1. 1.

    Digital Skills: Welche Rolle spielt HRM in den betrachteten Unternehmen und Organisationen, wenn es darum geht, die Mitarbeitenden auf die erwarteten Veränderungen durch die digitale Transformation vorzubereiten?

  2. 2.

    Kulturveränderung: Welche intendierten, aber auch nicht intendierten Veränderungen der Organisationskultur im Zusammenhang mit der Digitalisierung stellen die Expertinnen und Experten in ihren jeweiligen Organisationen fest?

  3. 3.

    Einbezug und Beteiligung von HRM an Geschäftsstrategie und strategischen Geschäftsentscheidungen im Zusammenhang mit der Digitalisierung:

    Wie ist das HRM funktional in die jeweilige Organisation eingebettet? Sind Veränderungen an dieser Einbettung im Zusammenhang mit der Digitalisierung erkennbar? Welche Rolle nimmt das HRM in der digitalen Transformation des jeweiligen Unternehmens bzw. der jeweiligen Organisation ein? Welche sollte es aus Sicht der Expertinnen und Experten einnehmen?

Die aufgezeichneten Interviews wurden transkribiert und thematisch mit der Software MAXQDA für Qualitative-and-Mixed-Methods-Forschung analysiert. Diese qualitative Datenanalyse ermöglichte es uns – ergänzend zur quantitativen Untersuchung, die eher einen IST-Zustand darstellen kann – von den interviewten HR-Expertinnen und -Experten, subjektive Einschätzungen, Sinndeutungen und Zukunftserwartungen zu erhalten. Diese subjektiven Aussagen sollten nicht nur der Validierung der quantitativen Ergebnisse, sondern auch der Entdeckung von im Vornherein nicht berücksichtigter Zusammenhänge und Problemstellungen dienen. Zentrale Aspekte, die in den Interviews thematisiert wurden, werden nachfolgend dargestellt.

8.3.1 Digital Skills

Ein für uns überraschendes Ergebnis der quantitativen Studie war, dass nur sehr wenige (2–3 %) der Befragten den Begriff der digitalen Transformation überhaupt mit Schulungen und Ausbildungen der Mitarbeitenden, d. h. mit Personalentwicklung und auch der Entwicklung von Skills, in Verbindung brachten (vgl. Abb. 8.1). Wir hatten erwartet, dass HRM im Bereich der Ausbildungen und Schulungen eine Schlüsselrolle einnehmen würde bzw. dass HR-Expertinnen und -Experten eine solche Rolle für wichtig hielten. Um das Ergebnis der quantitativen Resultate zu validieren, thematisierten wir daher in den qualitativen Interviews die Rolle, die sich die HR-Expertinnen und -Experten in der Ausbildung und Entwicklung von digitalen Skills der Mitarbeitenden selbst zuschreibt.

Es zeigte sich hierbei zunächst deutlich, dass den Expertinnen und Experten eine – geteilte – Definition von Digital Skills fehlt bzw. unter digitalen Skills verschiedenste Eigenschaften und Fähigkeiten verstanden werden – ein eher überraschendes Resultat.

In den Interviews verwendeten unsere Interviewpartnerinnen und -partner den Begriff der Digital Skills eher für positiv konnotierte persönliche Eigenschaften oder Charakterzuschreibungen (Fähigkeiten), die im praktischen Unternehmensalltag wahrscheinlich schwierig zu objektivieren wären, nämlich Mut, Offenheit oder eine eher unspezifische Affinität zu neuen Technologien:

„Meine persönliche Meinung ist, dass Digital Skills Offenheit und Affinität zu technischen Medien und entsprechend basierten Lösungen bedeuten. Und nicht nur die Offenheit und Affinität, sondern auch den Mut, das danach umzusetzen und auszuprobieren. Ich habe das Gefühl, es verändert sich so viel und es geht so schnell, dass du nicht sagen kannst, ich habe jetzt Digital Skills und fertig, sondern es formt sich immer weiter und es gibt immer neue Möglichkeiten und Sachen. Von meiner Seite aus ist wirklich die Offenheit und der Mut, das auch zu machen und auszuprobieren, das, was es ausmacht.“ (HR-Leiterin, Sektor Erziehung, Wissenschaft, Forschung)

Während die digitalen Skills von den Interviewten eher als personenbezogene Charakterzüge konzipiert werden, sind die jeweiligen technisch geforderten Skills stark branchen- und aufgabenabhängig. Die Rolle von HRM in der Ausbildung und Weiterentwicklung dieser technischen Skills ist oft eine eher vermittelnde und wenig aktive. Die meisten ‚internen‘ Schulungen zur Ausbildung von digitalen Skills werden durch externe Dienstleister durchgeführt. Nur in kleineren Unternehmen sind die HR-Fachpersonen gelegentlich aktiv in der Schulung und Personalentwicklung tätig.

Als recht schwieriges Thema stellt sich dem HRM auch das effektive Skills Management der – eher diffus definierten – digitalen Skills dar. Der Nutzen bzw. das Verhältnis von Aufwand und Ertrag eines mit evidenzbasierten Daten hinterlegten Skills Management wird von den meisten HR-Expertinnen und -Experten in Frage gestellt:

„Skills Management, hört auf damit! Ich musste auch schon mal Skills Management machen und das ist total in die Hose gegangen. Allein aus dem Grund: Du musst etwas erfassen, du musst etwas pflegen und nachher kommt irgendetwas raus. Und wenn es nicht gut gepflegt ist, kommt dementsprechend auch das Resultat raus und wir haben auch gemerkt, dass es nicht wirklich praktikabel bei diesem Aufwand ist. Es verändert sich alle paar Monate und wie schaffst du es dann überhaupt noch, mit diesem Tool noch irgendetwas abzubilden? Und was ist dann wirklich so wie die Qualität, die da erfasst ist? Und das ist auch ein Thema, wo ich mich immer wieder mit Großbetrieben ausgetauscht habe und alle sagen: Ich habe Skills Management und das funktioniert nicht wirklich so recht.“ (HR-Abteilungsleiter, Sektor Information und Kommunikation)

Trotz den eher diffusen Vorstellungen und Aussagen über die digitalen Skills streichen die befragten Expertinnen und Experten die Wichtigkeit der Personalentwicklung in der digitalen Transformation grundsätzlich heraus. Dabei müssen in ihren Vorstellungen die Prozesse der Personalentwicklung immer mehr mit den Prozessen der Organisationsentwicklung verschränkt werden:

„Die Personalentwicklung und die Organisationsentwicklung, da müssen wir mehr machen. Das hat mit der Digitalisierung indirekt etwas zu tun. Durch die Digitalisierung haben wir schnellere Veränderungen, die begleitet werden müssen, und so haben wir Organisationsentwicklungsprozesse, die davon betroffen sind. Da sollte die Personalentwicklung automatisch mit drin sein, weil es darum geht, die Leute neu zu befähigen zu neuen Aufgaben. Es geht eben auch um die Kompetenzen von morgen. Wie können wir die Leute befähigen, mit der neuen Aufgabe und mit den neuen Skills zu arbeiten? Das sind eigentlich für mich die Hauptthemen im Moment.“ (HR-Abteilungsleiter, Sektor Information und Kommunikation)

Im Zusammenhang mit den digitalen Skills stießen wir bei der Auswertung der Interviews noch auf eine weitere interessante Auffälligkeit. Während in der quantitativen Befragung mit ihren gestützten Antworten die ‚Kundenorientierung‘ durchgehend als eine der wichtigsten Skills genannt wurde, fehlt dieser Begriff in den offeneren Expertinnen- und Experteninterviews vollkommen: Die Kundenorientierung spielt in den Interviews keine Rolle. Die Interpretation dieser Tatsache ist nicht ganz einfach. Einerseits ist denkbar, dass die Kundenorientierung – als erwünschte Skill – sich im unternehmerischen und organisationalen Alltag ganz selbstverständlich manifestiert und nicht mehr besonders betont werden muss. Andererseits ist aber auch vorstellbar, dass die Kundenorientierung in diesem Alltag eher wenig relevant ist, was auf einen möglichen Widerspruch zu der gängigen Betonung ihrer Wichtigkeit in der Unternehmenskommunikation nach innen und außen verweist.

8.3.2 Kulturveränderung: intendierte und nicht intendierte Veränderungen der Organisations- und Unternehmenskultur im Zusammenhang mit der Digitalisierung

Neben den naheliegenden Fragestellungen der Definition und Herausbildung sowie Weiterentwicklung der sog. ‚Digital Skills‘ ging unser Projekt auch der Frage nach, welche Veränderungen in den jeweiligen Unternehmens- und Organisationskulturen aufgrund der Digitalisierung von den HR-Expertinnen und -Experten wahrgenommen, vielleicht sogar initiiert und begleitet wurden. Viele der Interviewten betonten den Zusammenhang einer notwendigen Flexibilisierung der Arbeit und der effizienten Nutzung der Digitalisierung. Die Entwicklung von Skills trat vor diesem Aspekt zurück:

„Man kann die Leute mit einfachen Schulungen und IT-Plattformen und Weiterbildungen fit machen. Das sind zum Beispiel Dinge, die sind noch einfach. Schwieriger finde ich ist das Ganze, die Flexibilisierung der Arbeit. Man muss eine neue Basis legen. Bei uns ist das Arbeitszeitverordnung. […] Das heißt, die Leute werden mobiler werden. Es wird gewisse Leute geben, die mehr an Projekten arbeiten, die sich platzieren. Sie werden in Teams arbeiten. […] Es ist nicht mehr die Kontrolle und Präsenzzeit, die verlangt wird. Das ist die Flexibilisierung, und die ist ein weiteres Skill. […] Wie gehe ich damit um, wie verwalte ich das? Wenn du in einem Team arbeitest, musst du wissen: Wann kann ich die Leute erreichen? Es muss wie andere Regeln geben. Es kann nicht sein, dass mein Teamkollege mich um drei Uhr morgens anruft oder mich dann stört oder von mir eine Antwort erwartet, weil er da gerade arbeitet. Man muss neue Regeln aufstellen, vielleicht innerhalb von Teams oder von Organisationseinheiten.“ (HR-Leiterin, Sektor Öffentliche Verwaltung)

Vor allem in größeren Unternehmen, die eine Kulturveränderung anstreben, zeichnet sich die Entstehung von mehreren unterschiedlich funktionierenden Kulturen ab, welche teilweise miteinander in Konflikt stehen können. Ein etwas überraschendes Ergebnis aus den Interviews war, dass Ansätze zu agileren Vorgehensweisen und damit auch partielle Veränderungen hin zu einer dynamischeren Unternehmenskultur in einem ersten Schritt vor allem in kundenfernen Unternehmensbereichen ausprobiert werden. Dies geschieht aufgrund von Überlegungen, dass Kundinnen und Kunden Stabilität und Sicherheit wünschen, und nichts von ‚agilen Experimenten‘ mitbekommen möchten.

Nur in wenigen der von uns besuchten Unternehmen finden momentan vorsichtige Versuche mit neuen Organisationsformen statt, wie z. B. einem Hierarchieabbau oder verteilter Führung. In einem konkreten Unternehmen wurde aufgrund einer offenen und nicht besetzbaren Führungsposition versucht, die entsprechende Abteilung holakratisch umzugestalten. Allerdings scheint dieses Experiment nicht mit viel Enthusiasmus angegangen worden zu sein:

„Wir haben jetzt ein Führungsteam aufgestellt nach dem Prinzip von Holacracy. Es ist nicht einfach, denn Holacracy bringt gewisse Herausforderungen mit sich. Wenn wir einfach Leute haben, die zusammenarbeiten, dann müssen wir das überdenken. Was sind das für Funktionen und wie entlohnen wir die? Das ist einfach ein Experiment. Wir schauen. Wir haben gefunden, sie [die Führungskräfte] sind bereit dazu und sie wollten das auch selbst. Wir haben keine geeignete Führungsperson gefunden, weil der alte Chef wollte eigentlich diese Position nicht mehr haben und hat, glaube ich, auch den Beschäftigungsgrad reduziert. Und das hat dazu geführt, dass wir das dann vorgeschlagen haben.“ (HR-Leiterin, Sektor Banken und Versicherungen)

Auslöser und Antreiber solcher organisationalen Veränderungen ist nicht HRM als – übergeordneter und weitblickender – Gestalter, sondern es sind jeweils betroffene Mitarbeitende, die aufgrund spezifischer Problemstellungen neue Organisationsformen bzw. organisationale Lösungen vorschlagen. Diese erhalten dann im jeweiligen organisationalen Rahmen einen überschaubaren Spielraum für entsprechende organisationale – bzw. Führungsexperimente.

8.3.3 Einbezug und Beteiligung von Human Resource Management an Geschäftsstrategie und strategischen Geschäftsentscheidungen im Zusammenhang mit der Digitalisierung

Die wichtigste Frage, die wir mit den Interviewpartnerinnen uns -partnern diskutierten, betraf ihre Rolle in der strategischen digitalen Transformation des jeweiligen Unternehmens. Welche Rolle nimmt das HRM in dieser Transformation ein bzw. welche sollte es aus Sicht der Expertinnen und Experten einnehmen? Damit eng verknüpft interessierte uns, wie sich die organisationale Einbettung von HRM im Zuge der Digitalisierung verändern wird oder verändern könnte. Zeichnen sich z. B. schon neue Ansätze eines modifizierten Businesspartnermodells ab?

Aus den Interviews wird generell wenig klar, wie HRM in Zukunft ‚funktionieren‘ bzw. seinen Beitrag zur digitalen Transformation leisten wird. Für die Expertinnen und Experten ist es heute nicht klar, welche Rollen und Aufgaben in digitalisierten Unternehmen an Wichtigkeit gewinnen werden und welche unwichtiger werden. Es gibt z. B. Aussagen, die aufgrund des zunehmenden Hierarchieabbaus in den digitalisierten Unternehmen die künftige Relevanz der HR-Businesspartnerinnen und -partner schwinden sehen. Auch HR-Services könnten mithilfe von Automatisierungen noch weiter rationalisiert und damit auch verkleinert werden. Für strategische HR-Projekte sollten aber künftig ausgewählte IT-Fachpersonen in die HR-Abteilungen und HR-Teams integrieren werden.

„Wir können im HR nicht einfach zurückbleiben. Wir wissen ja jetzt, Menschen und Technologie machen es künftig aus, um erfolgreich zu sein auf dem Markt. Genau diese zwei Komponenten, da wären wir schlecht beraten als HR, in diesem Bereich rückständig zu bleiben wie bis anhin.[…] Man wird mit neuen Technologien auch dorthin getrieben, dass man plötzlich zwischen Datenschutz auf der einen Seite und Automatisierung und Digitalisierung auf der anderen Seite steht, mit HR mittendrin. Wir müssen die Datenschutz Themen im Blick haben und trotzdem dem HR Unterstützung bieten.“ (HR-Kadermitarbeiter, Sektor Banken und Versicherungen)

In den Interviews wurde immer wieder betont, dass es auch in Zukunft eine HR-Funktion, verändert und vielleicht sogar unter einem anderen Namen, brauchen werde. Insbesondere strategische HR-Aufgaben würden neu in den Fokus der HR-Aufgaben gestellt. Konkret erwarten die HR-Expertinnen und -Experten, dass die neuen HR-Aufgabengebiete, welche sich momentan erst als Kontur abzeichnen, vor allem die Bereiche Organisationsentwicklung und -veränderung, Kulturentwicklung und Führungsentwicklung betreffen. Die gleichzeitige Nähe zu strategischen Geschäftsentwicklungen, verschränkt mit praxisbezogenen Kultur- und Organisationsentwicklungsaufgaben, dürfte in Zukunft die organisationale Einbettung von HR verändern. .

„Ich denke, es braucht weniger Businesspartner bis gar keine mehr. Es braucht auch weniger die typischen Sachbearbeiter. Es braucht vielleicht noch die Kompetenzcenter, die spezifische Sachen erledigen. […] Es wird dort noch immer so sein, dass es eine HR-Dienstleistung und -Arbeit braucht. Aber man kann ganz viel automatisieren, zum Beispiel auch beim Rekrutieren. Schon von der Vorselektion her kann man ganz viele Dinge machen. […] Und deswegen denke ich, es braucht im HR mehr IT-Leute, HR-IT-Leute, IT-affine Leute. Ich habe mir auch schon überlegt, ob ich nicht vielleicht einen Informatiker anstellen möchte, der spezialisiert ist im Bereich HR. Ich habe jemanden gefunden, der selbstständig ist und jetzt für uns arbeitet. Er hat im HR gearbeitet. Er kennt das HR, hat danach in die Informatik gewechselt und kennt das SAP. Und genau diese Person kann die Connection machen zwischen: Was ist HR und wie kann ich mit IT das HR supporten, damit es sich in die richtige Richtung entwickelt, die wir wollen? Und solche Leute braucht es mehr als alle anderen, weil ein Businesspartner in der Zukunft eine andere Rolle spielt, mehr Wert auf Führungsentwicklung legen muss, also Führungs- und Personalentwicklung.“ (HR-Leiterin, Sektor Öffentliche Verwaltung)

Das in der Vergangenheit erfolgreiche, aber überkommene HR-Businesspartnermodell dürfte durch neue HR-Modelle ersetzt werden. Im gleichen Zug wird wahrscheinlich die in vielen Unternehmen noch vorherrschende Angliederung der HR-Funktion an die Finanzabteilung vor dem Hintergrund dieser neuen Aufgaben infrage gestellt werden.

8.4 Diskussion der Ergebnisse

In der vorliegenden Studie haben wir in einer Onlinebefragung und mittels Interviews untersucht, wie Personalverantwortliche in einem von KMU und öffentlichen Verwaltungen geprägten regionalen Umfeld die digitale Transformation in ihrem Betrieb wahrnehmen und inwiefern sie diese auch (mit-)gestalten oder sogar voranbringen.

Den befragten Personalverantwortlichen fehlt eine geteilte Definition von digitalen Skills. Dies erstaunt kaum, da auch in der Literatur sehr uneinheitliche Definitionen angeboten werden. Genannt werden eher personenbezogene Schlüsselkompetenzen, die stark auf die Fähigkeit zur Zusammenarbeit oder die Wahrnehmung von (Kunden-)Bedürfnissen zielen: Kundenorientierung, aktives Zuhören und Perspektivenübernahme, Entscheidungs- und Urteilsfertigkeiten, Verhandlungsgeschick, Inklusion und Vermeiden von Vorurteilen. Als zentrale Fähigkeiten werden Offenheit gegenüber Neuem und eine Affinität zu neuen Technologien sowie Flexibilität genannt. Technische Skills hingegen werden eher branchenspezifisch von entsprechenden Fachpersonen erwartet.

Rund die Hälfte der befragten Personalverantwortlichen schätzt die Qualifikation ihrer heutigen Mitarbeitenden als nicht ausreichend für die anstehenden Veränderungen durch die digitale Transformation ein. Entsprechend wird Personalentwicklung und deren Verschränkung mit den Prozessen der Organisationsentwicklung eine hohe Bedeutung zugewiesen.

Vor diesem Hintergrund erstaunt, dass Personalverantwortliche Ausbildungen und Schulungen im Kontext der digitalen Transformation keine Schlüsselrolle zuschreiben. Beim Stichwort digitale Transformation denken Personalverantwortliche in erster Linie an die Digitalisierung von bestehenden Geschäftsmodellen, seltener an neue Geschäftsmodelle, hingegen kaum an die damit verbundenen Herausforderungen für die Mitarbeitenden bzw. das HRM. Digitale Schulung und Weiterbildungen werden entsprechend kaum genannt und offenbar auch nicht als zentrale Aufgabe des HRM identifiziert. So werden in der internen Aus- und Weiterbildung technologische Tools seltener eingesetzt als beispielsweise in Personalsuche oder-marketing. Allerdings bestehen hier große Unterschiede zwischen KMU und GU. Es wird stärker auf externe formale Aus- und Weiterbildungen als auf interne Schulungen gesetzt. Wobei auch intern angebotene Schulungen zur Ausbildung von digitalen Skills oft durch externe Dienstleister durchgeführt werden.

Stärker als im Ausbildungskontext verorten Personalverantwortliche die Voraussetzungen einer gelingenden digitalen Transformation im Kontext der Unternehmenskultur. Während angenommen wird, dass spezifische Fertigkeiten und technische Skills gelernt werden können, wird erwartet, dass Einstellungen und persönlichkeitsbezogene Fähigkeiten, wie Offenheit und Flexibilisierung der Arbeit eher durch die Organisationskultur beeinflusst oder verändert werden können. Der Zusammenhang zwischen einer notwendigen Flexibilisierung der Arbeit und der effizienten Nutzung der Digitalisierung wird festgestellt. Allerdings finden erste Versuche mit neuen Organisationsformen, wie z. B. einem Hierarchieabbau oder verteilter Führung, erst zurückhaltend statt.

Auffallend ist, dass organisationale Veränderungen nicht vom HRM als – übergeordneter und weitblickender – Gestalter ausgelöst oder getrieben werden, sondern dass spezifische neue Problemstellungen nach neuen Organisationsformen oder organisationalen Lösungen verlangen, die denn eher von den betroffenen Mitarbeitenden angestoßen werden.

Die Rolle und Aufgaben des HRM in der digitalen Transformation sind den befragten Personalverantwortlichen (noch) nicht klar. Hierarchieabbau in digitalisierten Unternehmen und Rationalisierungen durch Automatisierung im Bereich der HR-Services könnten die Relevanz von HRM verringern. Andererseits werden strategische HR-Aufgaben in neuen HR-Aufgabengebieten, vor allem in den Bereichen Organisationsentwicklung und -veränderung, Kulturentwicklung und Führungsentwicklung, zunehmend Gewicht erhalten und die organisationale Einbettung von HR verändern.

Allerdings zeigt sich, dass zum jetzigen Zeitpunkt die eigenen Prozesse noch wenig digitalisiert sind und bei digitalen Tools noch stark auf bewährte Software vertraut wird (Microsoft und SAP). Neben der Lohnabrechnung wird einzig im Bereich Recruiting vermehrt auf Onlinelösungen und Social Media gesetzt. Auffallend, aber wenig erstaunlich, sind hier die größeren Unternehmen deutlich stärker digitalisiert. HR-Abteilungen laufen als Spätdigitalisierer Gefahr, durch die verzögerte Beschäftigung mit der Automatisierung und Digitalisierung eigener Prozess gegenüber den Entwicklungen im Unternehmen hin zu neuen digitalen und flexibeln Organisationskulturen in Verzug zu geraten, statt diese als strategischer Partner mitzugestalten. HRM käme dabei die Rolle zu, durch gezielte Personal- und Führungsentwicklung die Voraussetzungen für Innovation und digitale Transformation zu schaffen.

HR-Abteilungen stehen damit vor der Herausforderung, neue HR-Geschäftsmodelle zu entwickeln, die der Geschwindigkeit und Flexibilität zukunftsgerichteter Organisationsmodelle angepasst sind. Mit anderen Worten, den Schritt von einer eher admistrativen, operativen Rolle zum strategisch agierenden Partner zu vollziehen.

8.5 Ausblick und Abschluss

Im Rahmen unserer Studie zeigen sich zwei Fragestellungen, von denen wir annehmen, dass sie HRM in den nächsten Jahren intensiv beschäftigen werden:

  1. 1.

    Welche neuen Rollenverständnisse benötigen HR-Fachpersonen und welche neue organisationale Einbettung von HRM könnte diesen Rollen entsprechen?

  2. 2.

    Wie können digitale Skills im Unternehmen und im HRM selbst entwickelt werden? Wie können sie konzipiert, kategorisiert und gefördert werden?

Die HR-Fachpersonen haben die Dringlichkeit dieser Fragen erkannt und sprechen offen über die Gefahr, als Spätdigitalisierer in ihren jeweiligen Unternehmen strategisch abgehängt zu werden, insbesondere, wenn sich das HRM in abteilungsinternen Prozessen und Projekten verausgaben muss, um eigene Digitalisierungsnachholbedarfe aufzuholen. Die Digitalisierung von HRM kann nur gelingen, wenn mehr IT-Wissen in die HR-Abteilungen integriert wird.

Zur Frage der digitalen Skills scheint uns zentral, dass sie – vor allem von HR-Fachpersonen – nicht als personengebundene Charaktereigenschaften von Angestellten, sondern vermehrt als lehr- und vermittelbare Handlungskompetenzen verstanden werden müssen.