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Niklas Luhmann: Die Wirtschaft der Gesellschaft

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Schlüsselwerke der Wirtschaftssoziologie

Part of the book series: Wirtschaft + Gesellschaft ((WUG))

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Zusammenfassung

Niklas Luhmanns Die Wirtschaft der Gesellschaft (1988) stellt den Versuch dar, die vom Autor bereits seit den 1960er Jahren schrittweise entwickelte Theorie sozialer Systeme für eine Analyse der Wirtschaft fruchtbar zu machen. Insofern resultieren grundlegende Weichenstellungen des Luhmann’schen wirtschaftssoziologischen Zugriffs aus den Charakteristika dieser Gesellschaftstheorie (Luhmann,.Die Gesellschaft der Gesellschaft, Suhrkamp, Frankfurt/M., 1997), von denen eingangs zwei wichtige Aspekte vermerkt seien: 1) Die Systemtheorie stellt als die das Soziale konstituierenden basalen Einheiten nicht auf Akteure, Bewusstseinsakte oder Handlungen ab, sondern auf Kommunikationen. Sobald Menschen aufeinander Bezug nehmen, emergiert ein soziales System der Kommunikation, das zwar durch die jeweils involvierten psychischen Systeme in Gang gehalten wird, aber gerade nicht als deren bloße Summe zu denken ist.

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Notes

  1. 1.

    Dies kann an Ort und Stelle nur sehr knapp geschehen. Es liegen zahlreiche Einführungen in die Theorie sozialer Systeme vor, hierunter auch eine Arbeit von Luhmann (2002) selbst.

  2. 2.

    Die Rechtfertigung hierfür füllt ganze Bücher. Ein Argument von Luhmann (1984, S. 347) lautet: „Es ist […] prinzipiell falsch anzunehmen, Individuen seien besser oder jedenfalls direkter beobachtbar als soziale Systeme. Wenn ein Beobachter Verhalten auf Individuen zurechnet und nicht auf soziale Systeme, ist das seine Entscheidung. Sie bringt keinen ontologischen Primat von menschlicher Individualität zum Ausdruck, sondern nur Strukturen des selbstreferentiellen Systems der Beobachtung, gegebenenfalls also auch individuelle Präferenzen für Individuen, die sich dann politisch, ideologisch und moralisch vertreten lassen, aber nicht in den Gegenstand projiziert werden dürfen.“

  3. 3.

    Luhmann nimmt gegenüber dem Konzept bei Parsons allerdings eine Umakzentuierung vor. Bei Parsons regeln „symbolisch generalisierte Medien“ vor allem die Austauschbeziehungen zwischen Systemen, bei Luhmann prozessieren sie zuvorderst die innersystemische Kommunikation.

  4. 4.

    Auch der Bedürfnisbegriff ist sozialkonstruktivistisch zu denken, nicht ontologisch/anthropologisch: Bedürfnisse können selbst Effekte der Wirtschaft sein, die sie dann befriedigt (oder auch nicht befriedigt).

  5. 5.

    Die heute im soziologischen Diskurs prominente Thematisierung von Finanzmärkten war in den 1980er Jahren noch ein Randgebiet.

  6. 6.

    Der Geldmarkt zeichnet sich einerseits im Unterschied zu anderen Märkten wie Produktmärkten oder Arbeitsmärkten dadurch aus, dass auf ihm Anhaltspunkte, die in die Umwelt des Systems verweisen, nur hochgradig vermittelt zur Verfügung stehen. „Die Operationen dieses Marktes“, so vermutet Luhmann (S. 116) „sind im Höchstmaße selbstreferentiell bestimmt, das heißt: an der Selbstreferenz des Wirtschaftssystems und an der Reflexivität seines Mediums Geld orientiert“. Gleichzeitig und andererseits ist der Geldmarkt als einziger Markt mit allen anderen Märkten der Wirtschaft verschachtelt, weshalb er „am ehesten die Einheit des Systems im System“ repräsentiert (S. 118).

  7. 7.

    Hieran könnte die Frage anschließen, welche Erfahrungen zu Luhmanns Lebzeiten für diesen Steuerungsskeptizismus Pate gestanden haben, beispielsweise die Krise Keynesianischer Wirtschaftssteuerung in den 1970er Jahren.

  8. 8.

    Es ist deshalb auch wenig verwunderlich, wenn angesichts fortschreitender Ökonomisierungstendenzen in den vormals sozialstaatlich organisierten Gesellschaften des Westens seit einiger Zeit versucht wird, die These eines Primats der Ökonomie stärker mit dem Theorem funktionaler Differenzierung zu vermitteln (siehe Schimank 2009).

  9. 9.

    Vergleichsweise evidenter ist Kaubes (2000) Feststellung einer Wechselwirkungslosigkeit von Systemtheorie (der Wirtschaft) und neoklassischer Ökonomik. Hier wäre eher zu fragen, warum sich auch die diversen Stränge heterodoxer Ökonomik bis dato kaum an Luhmann interessiert gezeigt haben.

  10. 10.

    Bei Luhmann kommt der Einbettungsbegriff nur selten und zumeist negativ konnotiert vor, in Organisation und Entscheidung rangiert er etwa als Beispiel für „analytisch unscharfe Vorstellungen“ (Luhmann 2006, S. 408 f.).

  11. 11.

    Ähnliches dürfte für die Luhmann-Rezeption außerhalb des deutschen Sprachraums gelten, die bis heute eher selektiv geblieben ist und eigentlich nur im Feld der Organisationssoziologie als klar identifizierbare Forschungsrichtung sichtbar ist. Eine englischsprachige Einführung in die Systemtheorie der Wirtschaft findet sich bei Boldyrev (2013).

  12. 12.

    Eine ausführliche Diskussion dieses Streitpunkts sprengt den Rahmen des Artikels. Mein Eindruck ist, dass Luhmanns Ausführungen nach verschiedenen Seiten hin deutungsoffen sind. Dies dürfte zum einen am nicht immer zureichenden Ausarbeitungsgrad seiner Geldtheorie liegen, zum zweiten an dem Luhmann oft eigenen sparsamen Umgang mit Literaturbezügen.

  13. 13.

    Am deutlichsten ausformuliert wird dieser Performativitätsgedanke bei Luhmann mit Blick auf den Beginn der Entwicklung dezidierter ökonomischer Theorien (Merkantilismus, Physiokratie, klassische politische Ökonomie), siehe dazu Pahl (2008).

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Pahl, H. (2021). Niklas Luhmann: Die Wirtschaft der Gesellschaft. In: Kraemer, K., Brugger, F. (eds) Schlüsselwerke der Wirtschaftssoziologie. Wirtschaft + Gesellschaft. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-31439-2_18

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