Zusammenfassung
Die historische Substanz der NS-Zeit ist auf vielfältige Weise versatzstückartig in Andreas Okopenkos Roman Kindernazi eingelassen. Das Bemerkenswerte daran ist, dass dies ohne moralisierenden Unterton geschieht, wie es sonst in der österreichischen Literatur nach 1945 bis dahin meistens der Fall gewesen ist. Die Maschinerie des NS-Staates und die Indoktrination durch die NS-Propaganda sind einerseits sprachlich durch meist verdeckte Zitate und die Imitation eines ideologisch gefärbten Sprachgestus präsent und andererseits auf der Ebene des rückwärts erzählten Handlungsverlaufs offensichtlich. Die ästhetischen Verfahrensweisen Okopenkos sind radikal modern und bergen dadurch indirekt das kritische Potential zur Subversion der heranzitierten Ideologeme in sich: Zeitzeugnisse sowie subjektiv-persönliche Eindrücke und pubertäre Empfindungen sind montageartig nebeneinander gestellt. Eine kohärente Narration ist dadurch irritiert und gleichermaßen verfremdet. Der Verfremdung arbeiten ebenso eine Mixtur an eingesetzten Genres (Tagebuch, Protokoll, Brief, Schulaufsätze, etc.), eine instabile Erzählperspektive, die sprachspielerische Verballhornung von Ideologemen und die rückwärts erzählte Chronologie der Ereignisse zu. Der Erinnerungsraum, der dadurch aufgespannt wird, erfährt eine rezeptionsästhetische Öffnung.
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Herberth, A. (2018). Krieg trifft auf Alltag. Die Erfahrung des Zweiten Weltkriegs in Andreas Okopenkos Kindernazi. In: Maldonado-Alemán, M., Gansel, C. (eds) Literarische Inszenierungen von Geschichte. J.B. Metzler, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-21671-9_14
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