Zusammenfassung
Der vorliegende Beitrag untersucht die Rolle von Experten im Rahmen der journalistischen Qualitätsproduktion. Beginnend mit einer Bestandsaufnahme zum Bedarf von Experten wird auf Grundlage von Erkenntnissen aus der Experten- und Expertiseforschung der mediale Experte definiert und seine Rolle vor dem Hintergrund des Einsatzes im Gesundheitsjournalismus reflektiert. Der Qualitätsbeitrag von medialen Experten wird auf unterschiedlichen Qualitätsebenen und differenziert nach verschiedenen medialen Expertenrollentypen betrachtet. Abschließend werden Problemfelder und Spannungsverhältnisse, die sich durch die Interaktion zwischen Journalist und Experte ergeben, aufgezeigt. Die gewonnen Erkenntnisse fließen in einem Modell zusammen (Fokussiert wird dabei vor allem auf den massenmedialen Informationsjournalismus, der sich nicht von vornherein auf ein Fachpublikum beschränkt, sondern Experten im Rahmen der journalistischen Informationsvermittlung an einen breiten, heterogenen Empfängerkreis einbindet).
This is a preview of subscription content, access via your institution.
Buying options

Notes
- 1.
Vgl. dazu den Beitrag von Grünberg in diesem Band.
- 2.
Medialisierung und Mediatisierung werden z. T. synonym verwendet, z. T. durch sprachliche Präzisierung voneinander abgegrenzt; beiden Konzepten gemein ist, dass ihre jeweilige Deutung u. a. von dem zugrunde liegenden Medienbegriff abhängt. Einen Überblick über Entwicklung, Vertreter und Perspektiven liefert Meyen (2009).
- 3.
Analog zu den Erklärungsansätzen biomedizinischer Modelle (vgl. Bormann 2012, S. 27 ff.), die sich auf die Ursache einer Krankheit und deren Beseitigung durch medizinische Maßnahmen konzentrieren.
- 4.
Einsehbar unter: http://www.medizinpublizisten.de/joomla/index.php?option=com_content&view=article&id=23&Itemid=18 (Stand: 03.04.2013).
- 5.
- 6.
Experten- und Expertiseforschung findet bezogen auf den Journalismus eher sporadisch statt. Einen umfassenden Überblick lieferte jüngst Nölleke (2013), der sich aus systemtheoretischer Perspektive mit der Konstruktion von Expertentum im Journalismus befasst. Mit den Interaktionsbeziehungen zwischen Experten und Journalisten im Nachrichtenjournalismus setzt sich Albaek (2011) auseinander. Bevorzugt wird in länderspezifischen Studien der Einsatz von Experten als Quelle im Journalismus (Albaek et al. 2003, Collins und Evans 2002) bzw. im Medizinjournalismus (van Trigt et al. 1994) analysiert.
- 7.
Mieg (2001, S. 4) unterscheidet hier zwischen „expert-by-experience“, der Experte auf einem klar definierten Gebiet ist, und dem „expert-by-knowledge“, der ebenfalls Experte auf einem Gebiet sein kann, dem aber die persönliche Erfahrung in diesem Feld fehlt.
- 8.
Gruber (1994, S. 9) grenzt vom Expertenbegriff den des Fachmanns (definiert durch sein Handwerk), des Künstlers (verfügt über hohe Ausführungskompetenz auf einem nichthandwerklichen Gebiet) und des Genies (verfügt über hohe Ausführungskompetenz auf einem nichthandwerklichen Gebiet und personeninterne Dispositionen wie Talent, Begabung) ab.
- 9.
„Experten sind keine Intellektuellen, Intellektuelle können dagegen gelegentlich Experten sein. […] Intellektuelle sind Geschöpfe der Industriegesellschaft, Experten sind die am schnellsten zunehmende Berufsgruppe der Wissensgesellschaft. Bei den Intellektuellen liegt der Akzent auf dem allgemeinen Wissen, bei den Experten auf dem Spezialwissen.“ (Stehr und Grundmann 2010, S. 33); „Im Gegensatz zu Wissenschaftlern haben Experten in der Regel mittelbar oder unmittelbar Klienten, die sie mit Wissen bedienen […] Wissen, das Experten einsetzen, wird also selten von diesen selbst geschaffen. Das bedeutet, dass sie als Vermittler zwischen Wissensproduzenten und Wissensnutzern fungieren“ (dies., S. 43).
- 10.
Aus Sicht des Rezipienten wäre dann die Hinzunahme des Experten durch den Journalisten eine Laien-Experten-Experten-Beziehung. Aus Perspektive des konsultierten Experten wird der Journalist selbst zum Laien, indem er Wissen nachfragt. Somit sieht sich der Experte dem Rezipienten gegenüber in einer Experten-Laien-Laien-Beziehung.
- 11.
- 12.
Literatur
Antonovsky, A. (1979). Health, stress and coping. San Francisco: Jossey-Bass Publishers.
Albaek, E. (2011). The interaction between experts and journalists in news journalism. Journalism, 12(3), 335–348.
Albaek, E., Christiansen, P. M., & Togeby, L. (2003). Experts in the mass media: Researchers as sources in Danish daily newspapers, 1961–2001. Journalism & Mass Communication Quarterly, 80(4), 937–946.
Bentele, G., & Seidenglanz, R. (2005). Glaubwürdigkeit. In S. Weischenberg, H. J. Kleinsteuber, & B. Pörksen (Hrsg.), Handbuch Journalismus und Medien (S. 86–91). Konstanz: UVK.
Böckmann, R. (Hrsg.). (2009). Gesundheitsversorgung zwischen Solidarität und Wettbewerb. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Bogner, A. (2005). Moralische Expertise? zur Produktionsweise von Kommissionsethik. In A. Bogner & H. Torgersen (Hrsg.), Wozu Experten? Ambivalenzen der Beziehung von Wissenschaft und Politik (S. 172–193). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Bogner, A., & Torgersen, H. (Hrsg.). (2005). Wozu Experten? Ambivalenzen der Beziehung von Wissenschaft und Politik. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Bonfadelli, H., & Friemel, T. (2006). Kommunikationskampagnen im Gesundheitsbereich. Grundlagen und Anwendungen. Konstanz: UVK.
Bormann, C. (2012). Gesundheitswissenschaften. Einführung. Konstanz: UVK.
Boyce, T. (2006). Journalism and expertise. Journalism Studies, 7(6), 889–906.
Branahl, U. (1997). Berichterstattung und Wirtschaftswerbung. Änderungen im journalistischen Selbstverständnis. In M. Machill (Hrsg.), Journalistische Kultur. Rahmenbedingungen im internationalen Vergleich (S. 71–80). Opladen: Westdeutscher Verlag.
Buchholz, G. (1988). Wirkungsproblematik in der Geschichte der Medizinpublizistik. In: H.-D. Fischer (Hrsg.), Handbuch der Medizinkommunikation. Informationstransfer und Publizistik im Gesundheitswesen (S. 183–185). Köln: Dt.-Ärzte-Verlag.
Chi, M. T. H., Glaser, R., & Farr, M. J. (1988). The nature of expertise. Hillsdale: Erlbaum.
Cho, S. (2006). The power of public relations in media relations: A national survey of health PR practitioners. Journalism & Mass Communication Quarterly, 83(3), 563–580.
Collins, H., & Evans, R. (2002). The third wave of science studies: Studies of expertise and experiences. Social Studies of Science, 32(2), 235–296.
Dernbach, B. (2010). Die Vielfalt des Fachjournalismus. Eine systematische Einführung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften..
Eisenegger, M. (2005). Reputation in der Mediengesellschaft. Konstitution – Issues Monitoring – Issues Management. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften..
Ericsson, K. A., & Smith, J. (1991a). Toward a general theory of expertise. Prospects and limits. Cambridge: Cambridge University Press.
Ericsson, K. A., & Smith, J. (1991b). Prospects and limits of the emperical study of expertise: an introduction. In K. A. Ericsson & J. Smith (Hrsg.), Toward a general theory of expertise. Prospects and limits (S. 1–38). Cambridge: Cambridge Universtity Press.
Fischer, H.-D. (Hrsg.). (1988). Handbuch Medizinkommunikation. Köln: Dt. Ärzteverlag.
Fischer, H.-D. (Hrsg.). (1990). Publizistikwissenschaftler und Medizinkommunikation im deutschsprachigen Raum. Bochum: Universitätsverlag Dr. N. Brockmeyer.
Fischer, A., & Sibbel, R. (Hrsg.). (2011). Der Patient als Kunde und Konsument. Wie viel Patientensouveränität ist möglich? Wiesbaden: Gabler Verlag.
Ford, B. J. (1985). Der Experten-Kult. Vom Maximalen Minimum. Wien: Paul Zsolnay Verlag.
Freedman, D. H. (2010). Falsch! Warum uns Experten täuschen und wie wir erkennen, wann wir ihnen nicht vertrauen sollen. München: Riemann Verlag.
Fromm, B., Baumann, E., & Lampert, C. (2011). Gesundheitskommunikation und Medien. Ein Lehrbuch. Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer.
Gilk, D. C. (2001). Gesundheitsjournalismus – Grundlage der professionellen Massenkommunikation. In K. Hurrelmann & A. Leppin (Hrsg.), Moderne Gesundheitskommunikation. Vom Aufklärungsgespräch zur E-Health (S. 169–182). Bern: Verlag Hans Huber.
Gottwald, F. (2006). Gesundheitsöffentlichkeit. Entwicklung eines Netzwerkmodells für Journalismus und Public Relations. Konstanz: UVK.
Gruber, H. (1994). Expertise. Modelle und empirische Untersuchungen. Opladen: Westdeutscher Verlag.
Haidet, P. (2010). No longer silent: On becoming an active patient. Health Communication, 25(2), 195–197.
Hepp, A., & Hartmann, M. (2010). Mediatisierung als Metaprozess: Der analytische Zugang von Friedrich Krotz zur Mediatisierung der Alltagswelt. In M. Hartmann & A. Hepp (Hrsg.), Die Mediatisierung der Alltagswelt (S. 9–20). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Hesse, H. A. (1998). Experte, Laie, Dilettant. Über Nutzen und Grenzen von Fachwissen. Opladen: Westdeutscher Verlag.
Hoefert, H.-W., & Klotter, C. (Hrsg.). (2011). Wandel der Patientenrolle. Neue Interaktionsformen im Gesundheitswesen. Göttingen: Hogrefe Verlag.
Kaeser, E. (2009). Pop Science. Essays zur Wissenschaftskultur. Basel: Schwabe AG Verlag.
Kohring, M. (2005). Wissenschaftsjournalismus. Forschungsüberblick und Theorieentwurf. Konstanz: UVK.
Len-Ríos, M. E., Hinnant, A., Park, S., Cameron, G. T., Frisgy, C. M., & Lee, Y. (2009). Health news agenda building: Journalists’ perceptions of the role of public relations. Journalism & Mass Communication Quarterly, 86(2), 315–331.
Limoges, C. (1993). Expert knowledge and decision-making in controversy contexts. Public Unterstandig of Science, 2, 417–426.
Maletzke, G. (1963). Psychologie der Massenkommunikation. Hamburg: Verlag Hans-Bredow-Institut.
Meier, K. (1997). Experten im Netz. Maklersysteme als Recherchehilfe für Journalisten im Wissenschaftsbereich. Konstanz: UVK.
Meier, K. (2011). Journalistik. Konstanz: UVK.
Meyen, M. (2009). Medialisierung. M & K 57. Jahrgang, 1, 23–38.
Mieg, H. A. (2001). The social psychology of expertise. Case studies in research, professional domains, and expert roles. Mahwah: Lawrence Erlbaum Associates.
Nelkin, D. (8 Juni 1996). An uneasy relationship: the tensions between medicine and the media. The Lancet, 347, 1600–1603.
Nölleke, D. (2009). Die Konstruktion von Expertentum im Journalismus. In B. Dernbach & T. Quandt (Hrsg.), Spezialisierung im Journalismus (S. 97–110). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Nölleke, D. (2013). Experten im Journalismus. Systemtheoretischer Entwurf und empirische Bestandsaufnahme. Baden-Baden: Nomos.
Pöttker, J. (2000). Kompensation von Komplexität. Journalismustheorie als Begründung journalistischer Qualitätsmaßstäbe. In M. Löffelholz (Hrsg.), Theorien des Journalismus. Ein diskursives Handbuch (S. 375–390). Opladen: Westdeutscher Verlag.
Rademacher, L., & Remus, N. (2010). Kommunikationsmanagement im Gesundheitswesen. Zur Notwendigkeit differenzierter Kommunikationsstrukturen und -routinen im Web 2.0 Zeitalter. In C. Koch (Hrsg.), Achtung: Patient online! Wie Internet, soziale Netzwerke und kommunikativer Strukturwandel den Gesundheitssektor transformieren (S. 41–61). Wiesbaden: Gabler Verlag.
Roelcke, V. (2000). „Gesund ist der moderne Culturmensch keineswegs …“: Natur, Kultur und die Entstehung der Kategorie „Zivilisationskrankheit“ im psychiatrischen Diskurs des 19. Jahrhunderts. In A. Barsch & P. M. Hejl (Hrsg.), Menschenbilder. Zur Pluralisierung der Vorstellung von der menschlichen Natur (1850–1914) (S. 215–236). Frankfurt a. M.: Suhrkamp Verlag.
Ruß-Mohl, S. (2005). Qualität. In S. Weischenberg, H. J. Kleinsteuber, & B. Pörksen (Hrsg.), Handbuch Journalismus und Medien (S. 374–381). Konstanz: UVK.
Schnabel, P. E. (2009). Kommunikation im Gesundheitswesen – Problemfelder und Chancen. In R. Roski (Hrsg.), Zielgruppengerechte Gesundheitskommunikation. Akteure – Audience Segmentation – Anwendungsfelder (S. 33–55). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Schulz, W. K. (Hrsg.). (1998). Expertenwissen. Soziologische, psychologische und pädagogische Perspektiven. Opladen: Leske+Budrich.
Schützeichel, R. (2004). Skizzen zu einer Soziologie der Beratung. In R. Schützeichel & T. Brüsemeister (Hrsg.), Die beratene Gesellschaft: Zur gesellschaftlichen Bedeutung von Beratung (S. 273–285). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Stehr, N., & Grundmann, R. (2010). Expertenwissen. Die Kultur und die Macht von Experten, Beratern und Ratgebern. Weilerswist: Velbrück Wissenschaft.
Tanner, A. H. (2004). Communicating health information and making the news: Health reporters reveal the PR tactics that work. Public Relations Quarterly, 49(1), 24–27.
van Trigt, A. M., de Jong-van den Berg, L. T.W., Haaijer-Ruskamp, F. M., Willems, J., & Tromp, T. (D.) F. J. (1994). Medical journalists and expert sources on medicines. Public Unterstanding of Science, 3, 309–321.
Weischenberg, S. (2006). Medienqualitäten: Zur Einführung in den kommunikationswissenschaftlichen Diskus über Maßstäbe und Methoden zur Bewertung öffentlicher Kommunikation. In S. Weischenberg, W. Loosen, & M. Beuthner (Hrsg.), Medien-Qualitäten. Öffentliche Kommunikation zwischen ökonomischen Kalkül und Sozialverantwortung (S. 9–34). Konstanz: UVK.
Welker, M. (2012). Journalistische Recherche als kommunikatives Handeln. Journalisten zwischen Innovation, Rationalisierung und kommunikativer Vernunft. Baden-Baden: Nomos.
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Editor information
Editors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 2014 Springer Fachmedien Wiesbaden
About this chapter
Cite this chapter
Remus, N. (2014). Experten als Qualitätsgarant im Gesundheitsjournalismus? Der Einsatz medialer Experten als Qualitätsindikator im gesundheitsjournalistischen Informations- und Berichterstattungsprozess. In: Lilienthal, V., Reineck, D., Schnedler, T. (eds) Qualität im Gesundheitsjournalismus. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-02427-7_12
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-02427-7_12
Published:
Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-658-02426-0
Online ISBN: 978-3-658-02427-7
eBook Packages: Humanities, Social Science (German Language)