Zusammenfassung
Das Ziel einer Kybernetik des Verhaltens könnte sein, die Wirkungsweise des Nervensystems und der mit ihm zusammenhängenden Sinnes- und Erfolgsorgane aus den beteiligten physikalischen Gesetzen zu verstehen. Danach scheint es möglich, die Aufgabe dieses Wissenschaftszweiges dadurch zu lösen, daß man die in diesen Organen ablaufenden physiko-chemischen Prozesse aufklärte. Aus einem hinreichend vollständigen Katalog dieser Prozesse müßte sich das ganze System synthetisieren und damit sein Verhalten ableiten lassen. Hier sollen nun nicht die zu erwartenden praktischen Schwierigkeiten eines solchen Vorgehens diskutiert werden — etwa die womöglich prohibitiv große Rechnerkapazität, die am Ende aufgewandt werden müßte, um die im ZNS einer Biene oder einer Maus ablaufenden physikalischen Prozesse soweit zu simulieren, daß sich das Verhalten des Tieres als Zeitvcrlauf der Ausgangsgrößen der Simulation ergäbe. Vielmehr soll gezeigt — oder wieder daran erinnert — werden, daß dieser Weg strenggenommen nicht gangbar und das auf ihm anvisierte Ergebnis auch nicht das Ziel der kybernetischen Verhaltensanalyse sein kann : Aus der Analyse der im Organismus ablaufenden physikalischen Prozesse allein — ohne Vorwissen über ihren strukturellen oder funktionellen Zusammenhang — ergibt sich nämlich nicht, welche von ihnen am Verhalten des Ganzen beteiligt, geschweige denn welche für den Ablauf welcher Verhaltensweise notwendig und/oder hinreichend sind. Aber selbst wenn alle während des Verhaltens ablaufenden physikalischen Prozesse beschrieben wären, hätte man das Ziel nicht erreicht: Eine solche Systemdarstellung wäre nicht nur ebenso kompliziert, sondern auch ebenso unverstanden wie der Organismus selbst.-
Nachdruck (verkleinertes Format) aus: W. Hoppe, W. Lohmann, H. Markl, H. Ziegler (Hrsg.): Biophysik. Springer-Verlag, 2. Aufl. 1982, S. 822-830
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Mittelstaedt, H. (1990). Einführung in die Kybernetik des Verhaltens am Beispiel der Orientierung im Raum. In: Freksa, C., Habel, C. (eds) Repräsentation und Verarbeitung räumlichen Wissens. Informatik-Fachberichte, vol 245. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-84235-1_2
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