Zusammenfassung
Die Hypochondrie ist in der Mitte eines Spektrums zwischen Angstneurose und Phobie anzusiedeln, eines Spektrums abnehmender Somatisierung und zunehmender Symbolisierung der Angst. Der Körper ist dabei sowohl angsterregendes Objekt, wie er auch gleichzeitig auf die Angst reagiert, ähnlich wie das Herz bei der Herzneurose. Freud (1914) sprach der Hypochondrie überhaupt jeden psychologischen Inhalt ab und zählte sie neben der Angstneurose und der Neurasthenie zu den Aktualneurosen. Auch die Selbstpsychologie Kohuts (1977) gestand der Hypochondrie weniger analysierbaren Inhalt zu, vielmehr sah sie sie als prototypisches Beispiel der Angst vor der Selbstfragmentierung, d.h. der Körper tritt dabei an die Stelle des Selbst. Schilder (1935) und auch Fenichel (1945) sahen dann in der Hypochondrie sehr wohl eine Konfliktneurose bzw. Organneurose, die sich der Hysterie nähert und häufig in Zusammenhang mit der Kastrationsangst steht. Die Autoren beschrieben bereits den Mechanismus der Repräsentation eines äußeren Objekts durch den krankgewähnten Körper sowie die Möglichkeit der Projektion auf ihn. Nach Engel (1970) liegt die Ursache für die Hypochondrie in einem gestörten Ich-Mechanismus zur Bewältigung von Frustration, z.B. wenn aggressive Gefühle von den Eltern zwar abgelöst, aber nicht erfolgreich auf Ersatzobjekte übertragen werden können, so daß die Gefühle auf das narzißtische Selbst gerichtet werden. Damit sind Phantasien von Stärke, Schönheit, unbegrenzter Macht, aber auch von großen Leiden und Opfern verbunden.
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Literatur
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Hirsch, M., Herrmann, J.M. (1988). Hypochondrie und Objektbeziehungstheorie am Beispiel der AIDS-Phobie. In: Schüffel, W. (eds) Sich gesund fühlen im Jahre 2000. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-73084-9_28
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