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Forschungsstand: Theorien und Analysen des Antisemitismus

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Radikaler Antisemitismus
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Zusammenfassung

Im folgenden Kapitel wird in der Auseinandersetzung mit den zentralen Theorien, Teiltheorien und empirischen Studien zum Antisemitismus die eigene theoretische Perspektive herausgearbeitet und begründet werden. Es geht einerseits um eine Bestandsaufnahme der Forschungszugänge und vorliegenden Ergebnisse, andererseits um die daraus abgeleitete Forschungsperspektive.

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Notes

  1. 1.

    Vgl. darüber hinaus auch Salzborns Versuch, Theorien auf unterschiedlichen Ebenen anhand von Interviews empirisch zu prüfen und daraus eine integrative politischen Theorie des Antisemitismus zu entwerfen (Salzborn 2010a).

  2. 2.

    Vgl. zu einem kritischen Überblick über die Lage der Soziologie nach 1945 und zur Bedeutung der emigrierten Wissenschaftler insbesondere für die Erforschung des Nationalsozialismus, Srubar (1988). Auch Bergmann verweist auf den raren Anschluss nach 1945 an soziologischen und politikwissenschaftlichen Arbeiten, die zur Deutung des Nationalsozialismus sowie im Speziellen der NSDAP seit den frühen 1930er Jahren entstanden sind (z. B. Geiger 1930, Neumann 1942, Heberle 1945, Klönne 1955, Dahrendorf 1965, Lepsius 1966) (vgl. Bergmann 2004: 220). Vgl. zur Analyse von Soziologie und Nationalsozialismus auch Herz (1987). Sottopietra weist außerdem auf frühe Untersuchen vor der modernen wissenschaftlichen Antisemitismusforschung hin, die zumeist auf spezifische historische Ereignisse konzentriert waren und eher den Tenor hatten, die von Antisemiten vorgebrachten Ressentiments widerlegen zu wollen, so beispielsweise Heinrich und Richard N. Coudenhove-Kalergie (Coudenhove-Kalergi 1901 und 1935, zitiert nach Sottopietra 1997).

  3. 3.

    Vgl. zu einem ausführlichen Überblick über die Anwendung sozialwissenschaftlicher Methoden in der Antisemitismusforschung Bergmann/Erb (1998).

  4. 4.

    Vgl. die Übersichten, Erhebungen und Auswertungen bei Bergmann/Erb 1991, Bergmann 1996, Frindte 1998, Frindte/Funke/Jacob 1999, Institut für Demoskopie 1986, ALLBUSS 1996 und 2006, Wittenberg 2000, Heitmeyer 2002-2009 (jährlich), Ahlheim/Heger 2002, Brähler/Richter 2002, Wittenberg/Schmidt 2003, Eurobarometer 2003 Frindte 2006, Decker/Brähler/Geißler 2006, Decker/Rothe/Weißmann/Geißler/Brähler 2008, Brähler/Decker 2008, Decker/Weißmann/Kies/Brähler 2010, Decker/Kieß/Brähler 2012, für die Schweiz: Long-champ/Dumont/Leuenberger und Aebersold/Longchamp 2006, weltweit: Pew Research Center 2008.

  5. 5.

    Ausnahmen bilden diskurshistorische Arbeiten von Ruth Wodak (1990), die objektivhermeneutische Arbeit von Klaus Holz (2001), die dekonstruktiv tiefenhermeneutische Arbeit von Salzborn (2010a) sowie die Gruppendiskussionen innerhalb der Erhebungen der Deckerschen Rechtsextremismusstudien (Decker 2008).

  6. 6.

    Die Frustrations-Aggressions-Hypothese wurde u. a. in die Verhaltenstheorie C. G. Homans aufgenommen, an die von Seiten der Soziologie in nomologischen Theorien angeknüpft wird.

  7. 7.

    Bei der Beschreibung der Ersatzreaktionen bleibt die Theorie selbst widersprüchlich, weil sie trotz der Annahme, dass auf jede Frustration Aggression folgt, davon ausgeht, dass eine Ersatzreaktion auftreten kann, die die Verminderung der immer noch wirkenden Instigation zur Folge hat. Das heißt beispielsweise, es wird mit etwas anderem Vorlieb genommen, als geplant war, Cola statt Eis o. ä.

  8. 8.

    Einen guten Überblick hierüber geben Bergmann (Bergmann 1988), Beland (2004) und Auchter (2004).

  9. 9.

    Freud zufolge weist der kannibalistische Akt auf den Versuch der Einverleibung des Vaters hin, um sich mit ihm zu identifizieren, da der Vater sowohl gehasst und gefürchtet, aber auch als Vorbild verehrt wurde (Freud 2002: 530).

  10. 10.

    Zur Bedeutung des Unheimlichen als des Ureigenen siehe auch Freuds Ausführungen zum »Unheimlichen« (vgl. Freud 1993, zuerst 1919: 137-172).

  11. 11.

    »Erstens, daß sie [die Juden] in mancher Hinsicht verschieden sind von ihren ›Wirtsvölkern‹. Nicht grundverschieden, denn sie sind nicht fremdrassige Asiaten, wie die Feinde behaupten, sondern zumeist aus Resten der mediterranen Völker zusammengesetzt und Erben der Mittelmeerkultur. Aber sie sind doch anders als zumal die nordischen Völker, und die Intoleranz der Massen äußert sich merkwürdigerweise gegen kleine Unterschiede stärker als gegen fundamentale Differenzen« (Freud 2002: 538)

  12. 12.

    Es gab eine starke Auseinandersetzung von Psychoanalytikern mit dem Antisemitismus, die sich u. a. in einigen maßgeblichen Symposien niederschlug. So fand das erste »Psychiatrische Symposium zum Antisemitismus« in San Francisco statt, und dessen Erkenntnisse wurden von Ernst Simmel in dem Band »Antisemitismus« dokumentiert. Im Jahr 1962 fand zum Thema »Die psychologischen und sozialen Voraussetzungen des Antisemitismus – Analyse der Psy-chodynamik eines Vorurteils« ein Symposium im Rahmen des 4. DGPT (Dt. Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie e. V.) statt, das von Alexander Mitscherlich organisiert wurde und in der »Psyche XVI« (1962: 241-317) dokumentiert ist.

  13. 13.

    Mit diesem Begriff meint Assmann nicht die Unterscheidung zwischen dem einen Gott und vielen Göttern, sondern »die Unterscheidung zwischen wahr und falsch in der Religion, zwischen dem wahren Gott und den falschen Göttern, der wahren Lehre und den Irrlehren, zwischen Wissen und Unwissenheit, Glaube und Unglaube« (Assmann 2003: 12 f.). Die sogenannte »mosaische Wende« sei für ihn jedoch nicht in einem Datum anzugeben, sondern er spricht von einer »regulativen Idee, die ihre weltverändernde Wirkung über Jahrhunderte und Jahrtausende hin in Schüben entfaltet hat« (Assmann 2003: 13). Jedoch markiert er die Wende mit der Differenzierung in ein Vorher, in dem es »nur historisch gewachsene Stammes- sowie ›polytheistische‹ Kult- und Nationalreligionen gab, und einem Nachher, in welchen diese »historisch gewachsenen Religionen« (Assmann 2003: 13) in manchen Kulturen noch weiterexistieren würden und gleichzeitig »neue Religionen, denen die Merkmale des Monotheismus, der Buchund Offenbarungsreligion und der Weltreligion gemeinsam sind« (Assmann 2003:13).

  14. 14.

    Einige der Hauptkritiken sind in Assmanns Auseinandersetzung mit seinem eigenen Buch »Moses der Ägypter« und der daraus entstandenen Diskussion in seinem Buch »Die mosaische Unterscheidung« dokumentiert (Assmann 2003).

  15. 15.

    Dabei macht sich die vorurteilsbehaftete Persönlichkeit das Prestige der Wir-Gruppe zu eigen.

  16. 16.

    Unabhängig vom Phänomen des Antisemitismus hat für die soziologische Theoriebildung maßgeblich Èmile Durkheim die Unterscheidung zwischen psychischen und sozialen Phänomenen vorgenommen, auch wenn er sich für den damit verbundenen Anspruch, Soziales nur durch Soziales zu erklären, nicht selten den Vorwurf des »Soziologismus« einhandelte. Zentraler Bestandteil seiner »Regeln der soziologischen Methode« (Durkheim 1984, zuerst 1895) ist dabei auch die Unterscheidung zwischen normalen und pathologischen Phänomenen, wobei er zu folgendem Definitionsversuch kommt: »Ein soziales Phänomen ist für einen bestimmten sozialen Typus in einer bestimmten Phase seiner Entwicklung normal, wenn es im Durchschnitt der Gesellschaften dieser Art in der entsprechenden Phase der Evolution auftritt« (Durkheim 1984: 155). Erst eine übermäßige Häufung wird insofern als pathologisch beschrieben, als sie aus dem anomischen Zustand von Gesellschaften resultiert (vgl. Durkheim 1983, zuerst 1897).

  17. 17.

    Weyand wies darauf hin, dass Horkheimer in »Autorität und Familie« die Unterschiede noch auf verschiedene Beziehungen zu Vater und Mutter erklärt, dies aber in den späten 1940er Jahren revidierte (Weyand 2006: 241).

  18. 18.

    Untersuchungen zu Geschlechterkonstruktionen im Antisemitismus deuten darauf hin. Die Darstellung »des Jüdischen» als Ambivalentem wird auch im Geschlechterbild deutlich. Der jüdische Körper wird dabei als gespalten, männlich und weiblich zugleich, vorgestellt und den homogenen und eindeutig zugeordneten Geschlechterkonstruktionen der Wir-Gruppe entgegengestellt. Vgl. zum Nationalsozialismus die Studie von Daniel Wildmann über die Konstruktion des »arischen Männerkörpers« (Wildmann 1998). Prinzipiell existieren Stereotype vom »femininen jüdischen Mann« bis zum »jüdischen Vergewaltiger«, d. h. die Darstellung des jüdischen Mannes als schmächtig und zugleich lüstern und bedrohlich, von der »schönen Jüdin« bis zum »jüdischen Mannweib« bzw. »bolschewistischen Flintenweib« (A. G. Gender Killer 2005; Hödl 2005; von Braun 1992, 2005; Jakubowski 1995, 2005; Ziege 1995, 2005, Günther 2005).

  19. 19.

    Der Begriff der Demokratie wird hier leider nicht explizit ausgewiesen, man kann ihn nur ex negativo erschließen, in dem man die Variablen der FSkala (d. h. Konservatismus, autoritäre Aggression, Aberglaube, übersteigerte Beschäftigung mit Sexualität etc.) als antidemokratisch deutet.

  20. 20.

    Diese wurde aus Ergebnissen der vorhergehenden Forschungen mit der ASkala zur Erfassung des Antisemitismus, der E-Skala zur Erfassung des Ethnozentrismus und mit der PEC-Skala zur Erfassung des politischökonomischen Konservatismus erfasst. Die einzelnen Variablen der F-Skala sind folgende: Konventionalismus, autoritäre Unterwürfigkeit, autoritäre Aggression, Anti-Intrazeption, Aberglaube und Stereotypie, Machtdenken und »Kraftmeierei«, Destruktivität und Zynismus, Projektivität und Sexualität (d. h. »Übertriebene Beschäftigung mit sexuellen ‹Vorgängen‹«, Adorno 1995: 45).

  21. 21.

    Dabei wird die Versuchsperson mit einer Reihe von Bildern zu Erzählungen von Handlungen aufgefordert, um aus den spontanen Erzählungen Hinweise auf verborgene Wünsche, Konflikte und Abwehrmechanismen zu gewinnen. In der Studie von Adorno u. a. wurde dieser Test geringfügig modifiziert und das produzierte Material »quantitativ auf weitverbreitete psychologische Variablen analysiert« (Adorno 1995: 24).

  22. 22.

    Es stellt sich hierbei jedoch die Frage, ob überhaupt von gleichartigen Sozialisationsbedingun-gen verschiedener Versuchspersonen ausgegangen werden kann und wie diese – selbst psycho-analytisch – methodisch kontrolliert untersucht werden können.

  23. 23.

    Vgl. zur Kritik der F-Skala, insbesondere zur fehlenden Unterscheidung zwischen Persönlich-keitsstrukturen und sozialen Ideen, auch Weiss 1994a, Meloen 1993, und vorher Christie/Jahoda 1954, Hymann/Sheatsley 1954 und Roghmann 1966, zu einem Überblick Holz 2001: 84 ff.)

  24. 24.

    Zur Kritik der Normativität und Moralität der sich selbst als »kritische Soziologie« beschrei-benden Theorien und deren performativen Selbstwidersprüchen vgl. auch Luhmann 1997: 111ff.). Dass Luhmann selbst in seiner Analyse der modernen Gesellschaft zirkulär argumen-tiert, wurde an anderer Stelle hinreichend analysiert; vgl. Dux 2000: S. 129, Wagner 1999, Srubar, Vobruba 2003).

  25. 25.

    Damit sind – wie an anderer Stelle deutlich wird – in Abgrenzung zu inhalts- und diskursanaly-tischen sowie tiefenhermeneutischen und psychoanalytischen Verfahren, die den subjektiv ge-meinten Sinn des Autors fokussieren, hermeneutische Verfahren gemeint, die die Konstrukti-onsregeln von Texten explizieren (vgl. Weyand 2006: 254, Fußnote 83).

  26. 26.

    Zu einer umfassenden Darstellung der Geschichte und Theoriegrundlagen der Autoritarismus-forschung vgl. auch Hopf/Hopf 1997, Oesterreich 1996, Lederer und Schmidt 1995, Wiggers-haus 1986, Jay 1985. Zu einem Überblick über die Kritik an der Autoritarismusforschung und deren Weiterentwicklungen, auf deren Systematisierung ich mich im Folgenden beziehe, vgl. Rippl/Kindervater/Seipel 2000.

  27. 27.

    Daraus folgt für ihn Auschwitz auch nicht der Logik des Antisemitismus, sondern der Geschichte der Gewalt (Claussen 2005: XXV).

  28. 28.

    Vgl. zur Dokumentation der Debatte Schoeps 1996.

  29. 29.

    Damit setzt sich Wodak von anderen kritischen Diskursanalysen, insbesondere von Foucault, aber auch von der britischen Spielart (Kress, Hodge, Fowler, Fairclough, van Leeuwen) sowie der niederländischen »critical discourse analysis« (van Dijk) und der deutschen Kritischen Diskursanalyse (Jäger, Link) ab (vgl. Wodak 1998: 41 f.).

  30. 30.

    Das Vorurteil »jüdische Intelligenz« kann in antisemitischen Semantiken entweder für eine Weltverschwörungskonstruktion verwandt werden oder in philosemitischen Konstruktionen für eine überhöhte Bewunderung (vgl. Wodak 1990: 351).

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Globisch, C. (2013). Forschungsstand: Theorien und Analysen des Antisemitismus. In: Radikaler Antisemitismus. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-93156-2_3

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