Zusammenfassung
Josef van Ess, ein geschätzter Kenner der frühislamischen Theologie, hat nachgewiesen, dass „Fundamentalismus“ mit einem ganz bestimmten theologischen Anspruch an Heilige Texte verknüpft ist. Für alle religiösen Erscheinungsformen des Fundamentalismus, ob jüdisch, christlich oder islamisch, machte van Ess die grundlegende Gemeinsamkeit aus, dass deren Vertreter Aussagen aus Heiligen Texten wortwörtlich nehmen und jeglichen Versuch unterlassen, die historische Kluft zwischen dem Moment ihres Eintretens in die Geschichte und den späteren Kontexten zu beachten. Sie alle glauben, dass diese Heiligen Texte eine göttliche Verbalinspiration darstellen und dass es keine menschliche Vermittlung zwischen dem Wort Gottes und der menschlichen Aufnahmefähigkeit gibt. „Ebenso wie der Protestantismus, der mit der Autorität der Kirche zugleich die Tradition entwertete, geriet auch das islamische Denken in Gefahr, der Schrift eine Eigendynamik zu gestatten“ (van Ess 1996: 149). Die Betonung der Unfehlbarkeit Heiliger Texte ist nichts anderes, als eine logische Schlussfolgerung, die aus der Vorstellung herrührt, dass der Text eine exakte Äußerung des Göttlichen daselbst ist. Aber während diese Vorstellung im Christentum, „in dem Theologie auf der Basis von vier Evangelien betrieben wird“ (ebd.: S. 192), eine Extremposition darstellt, bildete sie in der islamischen Theologie seit dem 3. Jahrhundert islamischer Zeitrechnung und dem 9. Jahrhundert christlicher Zeitrechnung eine grundlegende Lehrmeinung.
Aus dem Englischen übersetzt von Thorsten Gerald Schneiders. Die Originalversion wurde für dieses Buch unter dem Titel: „Fundamentalism: from theology to ideology“ verfasst.
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Literatur
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Zayd, N.H.A. (2010). Fundamentalismus. In: Schneiders, T.G. (eds) Islamverherrlichung. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-92384-0_12
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