Zusammenfassung
Den Ausgangspunkt für die Debatte über die Dienstleistungsgesellschaft als neuer Gesellschaftsformation, in der die negativen Erscheinungen der Industriegesellschaft in einer „tertiären Zivilisation“ (Fourastie 1949) überwunden werden könnten, bildet die Theorie sektoralen Wandels (vgl. Häussermann/Siebel in diesem Band; Fourastie 1949; Bell 1973; Gershuny 1981). Fourastie sieht die Diensleistungstätigkeiten zum dominanten Beschäftigungssektor aufsteigen, in dem am Ende des 20. Jahrhunderts 80 bis 90 Prozent aller Erwerbstätigen arbeiten werden. Die Theorie sektoralen Wandels lässt sich als Evolutionstheorie menschlicher Arbeit und Ökonomie von ihren Anfängen her verstehen, in der die großen Entwicklungsphasen nach dem jeweils dominierenden Wertschöpfungssektor in der Gesellschaft bezeichnet werden: Jahrtausende lang dominierte landwirtschaftliche Produktion (primärer Sektor) die Wirtschaft aller Gesellschaften. Vor etwa dreihundert Jahren entstand in Europa das, was seitdem als industrielle Produktion (sekundärer Sektor) bezeichnet und im 20. Jahrhundert zum dominanten Wirtschaftssektor in den meisten westlichen und einem Teil der östlichen Ländern werden sollte: die maschinelle Herstellung von Gütern. Ab Mitte des 20. Jahrhunderts verliert in immer mehr westlichen Ländern die Industrie ihr Übergewicht in der Wirtschaft an den Dienstleistungsbereich (tertiärer Sektor), den man zunächst nur als Sammelbegriff für alle Erwerbsarbeiten begreifen kann, die weder unmittelbare landwirtschaftliche noch industrielle Herstellungstätigkeiten beinhalten. Für die weitere Argumentation ist es wichtig im Auge zu behalten, dass das Definitionskriterium das quantitative Gewicht des jeweiligen Sektors ist, so dass heute in allen frühindustrialisierten Gesellschaften alle drei Sektoren gleichzeitig nebeneinander existieren. Das Nebeneinander gerade von Industrie- und Dienstleistungssektor ist für die Gestaltung der Arbeitsverhältnisse folgenreich.
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Baethge, M. (2011). Die Arbeit in der Dienstleistungsgesellschaft. In: Evers, A., Heinze, R.G., Olk, T. (eds) Handbuch Soziale Dienste. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-92091-7_2
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