Skip to main content

Gesellschaftliche Konfliktlinie 2: Zentrum vs. Peripherie

  • Chapter
Menschenrechtsorganisationen in der Türkei
  • 918 Accesses

Auszug

In der Türkei markiert der starke Staat das Zentrum, während die Gesellschaft die Peripherie bildet. So entspricht es jedenfalls dem immer wieder reproduzierten und durch die politischen und militärischen Eliten verfestigten kemalistischen Konstrukt, das nach dem Militärputsch von 1980 auch in verfassungsrechtlicher Sicht verankert wurde (Insel 2003: 294). Obwohl diese Konfliktlinie Staat und Zivilgesellschaft trennt, verläuft sie auch innerhalb der Zivilgesellschaft, primär zwischen den kemalistischen und den linken NGOs. Für die islamischen NGOs spielt diese Konfliktlinie keine bedeutende Rolle. Die Seite des Zentrums wird durch das Eintreten für einen starken Nationalstaat und den Erhalt der kemalistischen Prinzipien charakterisiert. Die zentrumsnahen Akteure unterstützen den Zentralstaat, der alle Türken, unabhängig von ethnischer Herkunft, über das Band der Staatsangehörigkeit und die gemeinsame Sprache eint. Föderalismus wird als Vorform des Separatismus angesehen, dessen Förderung überdies durch die Verfassung und das Parteiengesetz verboten ist. Diese Idee der Inklusion hat einen übersteigerten Nationalismus hervorgebracht, der wenig Raum für Diversität lässt: „For the ruling Kemalist elites, the unity of society achieved through ‚progress‘ of a Western sort is the ultimate goal. Thus, throughout republican history, all kinds of differentiation — ethnic, ideological, religious, and economic — have been viewed not as natural components of a pluralistic democracy but as sources of instability and as threats to unity and progress“ (Göle 1997).

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this chapter

Chapter
USD 29.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
eBook
USD 59.99
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
Softcover Book
USD 49.99
Price excludes VAT (USA)
  • Compact, lightweight edition
  • Dispatched in 3 to 5 business days
  • Free shipping worldwide - see info

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Institutional subscriptions

Preview

Unable to display preview. Download preview PDF.

Unable to display preview. Download preview PDF.

Literatur

  1. Peter Andrews zählt in der Türkei über fünfzig ethnische Minderheiten, unter ihnen Araber, Bosnier, Tschetschenen, Inguschen, Tscherkessen, Georgier, Kirgisen, Zaza und Lasen. Sie umfassen jeweils nur noch einige hundert bis einige tausend Personen und gehören unterschiedlichen Religionen und Konfessionen an. Für einen ausführlichen Überblick siehe Andrews 2002.

    Google Scholar 

  2. Zur Bedeutung Atatürks siehe z. B. Mango (1999).

    Google Scholar 

  3. Syrianis wird als eingedeutscher Begriff der türkischen Bezeichnung Süryani verwendet. Häufig wird als Synonym auch der Begriff Assyrer verwendet, wobei dieser eigentlich nur die Nestorianer, eine ostsyrische Untergruppe, bezeichnet (Anschütz 2002: 454).

    Google Scholar 

  4. Die Resolution kam vor allem auf Druck der einflussreichen armenischen Diaspora im Westen der USA zustande. Viele Politiker und Beobachter warnen, dass die Resolution des Verhältnis zwischen der Türkei und den USA unnötig belasten könnte. Die türkischen Armenier setzten sich in der Mehrheit für einen weniger konrontativen Kurs ein und rufen zu gemeinsamer Aufarbeitung und Verständigung auf (vgl. Süddeutsche Zeitung, 12.10. 2007).

    Google Scholar 

  5. Allerdings teilt sich das Kurdische wiederum in verschiedene Dialekte auf. In der Türkei ist Kurmanci der vorherrschende Dialekt. Darüber hinaus gibt es gibt es zaza-und aramäischsprachige Kurden (MacKenzie 2002: 541).

    Google Scholar 

  6. So wurde beispielsweise in Diyarbakrr gerichtlich untersagt, die Dörfer wieder mit ihren alten osmanischen, armenischen und kurdischen Namen zu bezeichnen (Sabah 23.2. 2007). Auch werden immer noch Strafen aufgrund des Gebrauchs der kurdischen Sprache verhängt (taz 8.3. 2007). Zwar wurde das Sprachenverbot aus Art. 14 der türkischen Verfassung 2001 aufgehoben, im Parteiengesetz existiert eine solche Vorschrift jedoch nach wie vor.

    Google Scholar 

  7. Das türkische Innenministerium gibt an, dass in den militärischen Auseinandersetzungen in Ost-und Südostanatolien zwischen 1984 und 1997 23190 ums Leben gekommen sind (zit. nach Kreiser/ Neumann 2005: 470).

    Google Scholar 

  8. Diese Zahl bezieht sich auf Schätzungen (z.B. Spuler-Stegemann 2005: 229), da das Bekenntnis zum Alevitentum in der Türkei nicht registriert wird. Anderen Angaben zufolge liegt die Zahl bei 20–25% (Vorhoff 1995: 58). Von den Aleviten sind wiederum geschätzte 10–30% Kurden (Barkley/Fuller 1998: 66).

    Google Scholar 

  9. Am 10. Dezember 1923 wurde allerdings ein Gesetz erlassen, das alle Militärs verpflichtete, mit ihrem Eintreten in das Parlament ihren aktiven Dienst zu quittieren (Steinbach 1996: 389).

    Google Scholar 

  10. Der Begriff bezieht sich auf das französische Modell der laicité de combat, das die frühe Phase nach 1789 in Frankreich unter den anti-klerikalen Jakobinern charakterisiert (Taşpinar 2005: 207). Damit wird ein Laizismus bezeichnet, welcher der Religion nicht neutral gegenübersteht, sondern eine antireligiöse Position einnimmt.

    Google Scholar 

  11. Damit ist eine Konferenz gemeint, die von der Istanbuler Bosporus-Universität für den Mai 2006 geplant geworden war. Thema sollte die Situation der Armenier im Osmanischen Reich sein. Nachdem der Innenminister Cemil Çiçek die Veranstaltung als Verrat an der Türkei bezeichnet hatte, wurde die Konferenz abgesagt (Amnesty International 2006a: 464).

    Google Scholar 

  12. Neben Hrant Dink wurden auch die prominenten Autorinnen Elif Şafak und Perihan Mağden aufgrund von §301 tStGB angeklagt. Der Paragraph verbietet die „Herabwürdigung des Türkentums“ und wird immer wieder eingesetzt, um gegen Kritik am türkischen Staat vorzugehen. Die Verfahren gegen Şafak und Mağden wurden mittlerweile eingestellt. Klagen aufgrund von §301, vor allem gegen Journalistinnen und Journalisten, halten jedoch an (Bianet 21.5. 2007).

    Google Scholar 

Download references

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 2009 VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden

About this chapter

Cite this chapter

(2009). Gesellschaftliche Konfliktlinie 2: Zentrum vs. Peripherie. In: Menschenrechtsorganisationen in der Türkei. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91330-8_8

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-91330-8_8

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

  • Print ISBN: 978-3-531-16245-4

  • Online ISBN: 978-3-531-91330-8

  • eBook Packages: Humanities, Social Science (German Language)

Publish with us

Policies and ethics