Auszug
Das funfte Kapitel dieser Arbeit beinhaltet die Ergebnisse der empirisch durchgeführten Diskursanalyse und ist als Versuch zu verstehen, die oben angestellten theoretisch-methodologischen Überlegungen zu Europa als „essentially contested concept“ und dem türkischen Beitritt zu den europäischen Gemeinschaften als Schlüsselereignis, das immer wieder dazu Anlass gibt, das Konzept Europa neu zu definieren und auszuhandeln, mit Leben zu füllen und gleichzeitig in ihrer Stichhaltigkeit und Angemessenheit zu überprüfen. Inwiefern die Türkei dabei herangezogen bzw. benutzt wird, urn eine europäische Identität gegen oder unter Einschluss derselben zu formulieren, welche rhetorischen Strategien, Semantiken und Metaphern dabei benutzt werden, gilt es daruberhinaus zu erheben.
Alle in diesem Kapitel direkt zitierten Zeitungsartikel werden im Anhang, nach Zeitung/ Zeitschrift, Jahrgängen geordnet und mit dem jeweiligen Artikelnamen aufgelistet. Da bei den mit der Datenbank LexisNexis erhobenen Artikeln teilweise die Seitenzahlen fehlen, soll diese Liste das Auffinden der Artikel ermöglichen.
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Literatur
Alle in diesem Kapitel direkt zitierten Zeitungsartikel werden im Anhang, nach Zeitung/ Zeitschrift, Jahrgängen geordnet und mit dem jeweiligen Artikelnamen aufgelistet. Da bei den mit der Datenbank LexisNexis erhobenen Artikeln teilweise die Seitenzahlen fehlen, soll diese Liste das Auffinden der Artikel ermöglichen.
Denn natürlich könnte man den Quellenkorpus nahezu beliebig ausweiten, was sowohl die Länder als auch die Zeiträume anbelangt. Auch könnte man systematisch Texte aus Schulbüchern, Atlanten, die Fernseh-oder Radioberichterstattung, politische Vertragswerke, Reden der verschiedenen europäischen Institutionen, etwa des Europaparlaments, Internetseiten europäischer Lobbygruppen oder europäischer Vereine oder anderes mehr heranziehen.
Was beispielsweise Wimmel impliziert wenn er feststellt, dass sich in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, im Gegensatz zur Süddeutschen Zeitung, nur ablehnende Stellungnahmen gegenüber einem türkischen EU-Beitritt finden lassen, was höchstens über den von Wimmel erhobenen Zeitraum von zwei Monaten und die Beschränkung auf reine Meinungsbeiträge zu erklären ist (siehe etwa Wimmel 2006: 134, 140).
Als Literatur wurden für die Entwicklungen in Europa, Deutschland und Großbritannien die Studien bzw. Textsammlungen von Brunn (2002); Judt (2006); Gehler (2002) sowie Gasteyger (2005) und für die Türkei die von Kreiser/Neumann (2003); Zürcher (2004); Mango (2004); Steinbach (2003) und Seufert/Kubaseck (2006) herangezogen, auf die hier global verwiesen sei.
Man denke hier nur an Horror-oder Science-Fiction-Filme, bei denen das Fremde oder Böse meistens möglichst lange verborgen und unsichtbar bleibt und sich genau daraus die schaurige Wirkung auf den Zuschauer speist (etwa bei „Alien — Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt“ (1979), „Godzilla“ (1998) oder „Independence Day“ (1996)). Ist das Böse–etwa als Monster — schließlich voll und ganz und womöglich noch bei Tageslicht zu sehen, schwächt sich die beängstigende Wirkung meist drastisch ab, da es der Phantasie des Zuschauers entrissen ist und ganz profan sicht-und damit einordenbar ist. Umgekehrt stellt die Psychoanalyse ja auf die Offenlegung und Konfrontation mit den eigenen, unbewussten ängsten ab, da man sie nur so überwinden könne (siehe nur Freud 2001: 67–77).
Die Dardanellen sind die Meerenge, die das ägäische Meer mit dem Marmarameer bzw. dem Schwarzen Meer verbinden, das heißt sie liegen zwischen Thrakien und Anatolien.
Zu denken wäre hier insbesondere an einen modernen Nachtwächter, der — als Angestellter einer privaten Sicherheitsfirma — ein Fabrikgelände sichert und damit also nicht Angestellter der Fabrik selbst ist.
Diese Berufung auf eine nicht näher bestimmte bzw. anonyme türkische Quelle wird im weiteren Verlaufe noch des öfteren auftauchen und kann als Strategie gewertet werden, die so zitierten Aussagen als möglichst wertfrei darzustellen. Man gebe nur wieder, was ein Türke selbst über seine Landsleute ausgesagt habe.
Der Militärputsch wurde auch als ein Zeichen gegen eine wieder zunehmende und von Ministerpräsident Menderes gebilligte bzw. beförderte „Islamisierung“ der türkischen Bevölkerung angesehen, die sich in dem vermehrten Neubau von Moscheen manifestierte.
Dem lässt sich übrigens ein ebenfalls vorhandendes, wenn auch noch recht schwach ausgeprägtes, Sprechen und Schreiben über das rapide türkische Bevölkerungswachstum zuordnen, das zu gleichen Teilen als uneuropäisch, wie auch als bedrohlich markiert wird.
Dieses Bild einer gegen Europa anrennenden orientalisch-brutalen Masse wurde jüngst auch in dem Kino-Film „300“ (2007) gezeichnet, in dem die Perser als verrohte Millionenhorde dargestellt werden, denen eine kleine Zahl stolzer und ehrgeleiteter Griechen trotzt, die die Thermopylen — als Tor nach Europa — gegen die anstürmenden Perser verteidigen. Insbesondere der Iran wehrte sich vehement gegen eine solche Darstellung. Siehe für die enstsprechenden Bilder auch die Comic-Vorlage von Miller/Varley (2006).
Hier fühlt man sich stark an Thesen Dan Diners erinnert, der in seiner Studie „Versiegelte Zeit. über den Stillstand in der islamischen Welt“ (2007) die Ursache des Rückstands der islamischen Welt gegenüber dem Westen in den Grundlagen des Islam eingebaut sieht, die zu einem politisch-kulturellen Stillstand führen würden.
In einem Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 2.4.1962 (S. 2) findet sich die Interpretation, die Türkei erinnere zur damaligen Zeit eher an Preußen, das heißt an ein früheres noch nicht demokratisches Europa.
Carl Schmitt könnte hier als Pate angesehen werden, laut dem die Unterscheidung von Freund und Feind eine fundamentale, nicht zu überwindende Differenz bzw. „seinsmäßige Wirklichkeit“ (Schmitt 1963: 28) darstellt. Samuel Huntington oder Bernard Lewis stellen später auf einen ähnlich grundlegenden Antagonismus zwischen dem Westen und dem Orient oder Asien ab.
Ebenso wie in der deutschen wird auch die britische Berichterstattung von Verkehrsmetaphern (Weg, Straße etc. nach Europa/Westen) dominiert, wenn es um die Bestimmung eines demokratischen Europas geht.
Gür im Wortlaut: „We shall enter the Common Market. ... No power on earth can stop us“ (Times, 23.7.1962, S. 9; Economist, 14.9.1963, S. 901). Die Türkei würde es niemals akzeptieren, außerhalb einer Staatengemeinschaft zu bleiben „which have similar thoughts and convictions about world events“ (Times, 23.7.1962, S. 9).
Mit einer viel zitierten Aussage Khomeinis lässt sich dies recht deutlich machen: „This mentality we have now is a European or an Eastern mentality. We want to throw it off and have the mentality of a human being [...], our own mentality, an Iranian one, an Islamic one“ (Khomeini, zitiert nach Martin 2003: 169).
Ein Gesetz, welches das Tragen religiös konnotierter Kleidung (Turban, Schleier, Kopftuch etc.) oder Symbole (etwa der Vollbart) an türkischen Hochschulen untersagte.
Zumindest — und das sollte betont werden — im Zusammenhang mit der geostrategischen Bedeutung der Türkei.
Der Islam wird so oder ähnlich immer wieder als eine ansteckende und gefährliche Krankheit bzw. Seuche dargestellt, die in sich einen zerstörerisch-gewalttätigen Impuls trage.
Etwa: „Wir kämpfen für Chomeini“ (FAZ, 14.3.1989, S. 6).
Bei der im übrigen angemerkt werden sollte, dass sie hauptsächlich in Artikeln der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu finden ist, die als kaum kenntlich gemachte „Werbung“ im redaktionellen Teil untergebracht sind.
ähnliches lässt sich im Zusammenhang mit der Berichterstattung über Asylsuchende finden. Die Rede ist hier von einem „Asylantenzustrom“ (Spiegel, 6.3.1989, S. 86), von einer neuen „Generation von Asylbewerbern“ (Spiegel, 13.3.1989, S. 90) die im Zuge einer „uferlosen Einwanderung“, einer „Asylantenflut“ (Spiegel, 13.3.1989, S. 90), nach Deutschland dränge. Im Gegensatz zum Topos des „Gastarbeiters“ wird der Asylbewerbersdiskurs aber generell für Ausländer verwendet und nicht im Speziellen für türkische Staatsbürger.
Das bedeutet eine Steigerung im Verhältnis zum zweiten Zeitraum um rund 70 Prozent, im Verhältnis zum ersten um 530 Prozent.
Vor diesem Hintergrund verwundert es doch schon ein wenig, wenn etwa der Spiegel das Fehlen einer breit angelegten Debatte über den türkischen EU-Beitritt und den Charakter Europas beklagt (Spiegel, 4.10.2004).
Auch hier ist wieder eine klare Trennung schwierig, da selbst Beiträge, die beide Sphären voneinander trennen wollen, sie doch wieder vermischen.
Wie ihn auch schon Wimmel herausgearbeitet hat (siehe Wimmel 2006: 211ff).
Was im übrigen bedeuten würde, dass sich die Türken einer griechischen und damit äußerst europäischen List und Strategie bedienen würden.
Žižek stellt die in diesem Zusammenhang entscheidende Frage, gegen wen wir uns eigentlich im „Krieg gegen den Terrorismus“ richten sollen: „Was immer die Antwort sein mag: das richtige, uns völlig befriedigende Ziel trifft man nie“ (Žižek 2004: 42).
Das bedeutet eine Steigerung im Verhältnis zum zweiten Zeitraum um 75 Prozent, im Verhältnis zum ersten von 120 Prozent.
Und dabei auch noch als enger Verbündeter der USA, was eine weitere Gemeinsamkeit darstellt.
Wie bereits erwähnt wurde, lässt sich dieses Argument mit der deutschen Metapher nicht anbringen, da diese ja der kranke Mann vom Bosporus lautet.
Siehe hierzu auch die jüngste Studie von Immanuel Wallerstein, die sich mit diesem politischen Projekt eines missionarischen europäischen Universalismus auseinandersetzt (Wallerstein 2007).
Siehe hierfür auch Buzan/Wæver (2003: 393f).
Wehlers oder Winklers Positionen — die in Deutschland ja eine so zentrale Position einnehmen–werden in den britischen Medien nicht weiter rezipiert..
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(2008). Die Türkei, Europa und die europäischen Gemeinschaften in der Beobachtung der britischen und deutschen Massenmedien (beobachten): 1960–2004. In: Die Türkei — ‚Das Ding auf der Schwelle‘. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91026-0_5
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