Auszug
Klinische Supervision und Psychotherapie haben ihren Boden in Erfahrungen mit Patientinnen und Klienten in Feldern, die vom traditionellen „medizinischen Modell“ der individualisierenden pathogenese-orientierten Betrachtung bestimmt sind. Diese Sicht — für die Medizin historisch gewachsen und für spezifische Aufgaben funktional, aber auch seit langem zu biopsychosozialen Betrachtungsweisen (von Uexküll 2003; Engel 1977; Petzold 1965, 1974j) bzw. zu biopsychosozialökologischen (Petzold 2001a, 2006; Sieper/ Orth/Schuch 2007) erweitert — ist für psychosoziale Kontexte zu einseitig, und diese dominante Pathologieorientierung beeinflusste bedauerlicherweise große Teile des supervisorischen Feldes, wenn nicht den überwiegenden Teil, der mit seinen Referenzverfahren überwiegend an psychotherapeutischen „Schulen“ ausgerichtet ist (Psychoanalyse, Gestalttherapie, Systemische Therapie etc.). Damit kamen Perspektiven auf Gesundheit, gesundes Verhalten, Entwicklung und Netzwerkdynamiken, Kommunikation und Interaktion (verbale und nonverbale) allzu lange Zeit nicht in den Blick, und die Supervision war und ist überwiegend defizit-, problem-, pathologiezentriert, trotz aller modischer Rede von „Ressourcenorientierung“. Diese — von Janet und Vygotskij inauguriert (Petzold/Sieper 2005; Petzold 2007b) — ist heute zwar als ein wichtiger Beitrag des systemischen Paradigmas zu sehen, aber wenn man nach der theoretischen Substanz und der empirischen Fundierung des Ressourcenkonzeptes sucht, wird man nicht fündig, sondern trifft zumeist auf Allgemeinplätze (vgl. aber die integrative Konzeption, Petzold 1997p). Da Gesundheit und gesundheitsbewusstes und -aktives Verhalten als eine der bedeutendsten Ressourcen von Menschen angesehen werden muss, ist der Einbezug der Salutogeneseperspektive (Antonovsky 1979; Petzold 1992a/2003a; Lorenz 2004) in die Supervision unerlässlich.
Univ.-Prof. Dr. mult. Hilarion G. Petzold, Studiengang Supervision, Zentrum für IBT, Faculty of Human Movement Sciences, Free University Amsterdam, Master of Science-Studiengang, Zentrum für psychosoziale Medizin, Donau-Universität-Krems und der Europäischen Akademie für Psychosoziale Gesundheit, Düsseldorf/Hückeswagen.
Eine erste, kürzere Version erschien unter: Müller, M./Petzold, H.G. (2003): Affiliation, Reaktanz, Übertragung, Beziehung — Modalitäten der Relationalität in der Supervision. Bei www.FPI-Publikationen.de/materialien.htm — SUPERVISION: Theorie — Praxis — Forschung. Eine interdisziplinäre Internet-Zeitschrift — 08/2003
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Petzold, H.G., Müller, M. (2007). Modalitäten der Relationalität — Affiliation, Reaktanz, Übertragung, Beziehung, Bindung — in einer „klinischen Sozialpsychologie“ für die Integrative Supervision und Therapie. In: Integrative Supervision, Meta-Consulting, Organisationsentwicklung. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90723-9_13
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-90723-9_13
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