Auszug
Ob Wellnesstee, 5-Minuten-Yoga oder Autogenes Training, gegenwärtig ist „Gesundheit“ in Supermarktregalen, Ratgebern, Zeitschriftenkolumnen und Sportcentern omnipräsent. Eigenverantwortung und Ganzheitlichkeit sind die Schlagworte dieser neuen Kultur von Gesundheit, die nicht nur von politischen Akteuren (vgl. z.B. Suhrcke et al. 2005), sondern auch von makroökonomischen Theoretikern aufgegriffen und popularisiert werden. Dem Gesundheitsmarkt wird trotz anhaltender Rezession ein ungebrochen hohes Wirtschaftswachstum prognostiziert, das Streben nach ganzheitlicher Gesundheit wurde sogar als Basisinnovation für die nächste lange Welle der Konjunktur2 diskutiert (vgl. Nefiodow 2001). Das verweist nicht nur auf einen tiefgreifenden sozialen und kulturellen Wandel von „Gesundheit“ (vgl. Kickbusch 2006; Faltermaier 1994), sondern auch darauf, dass „Gesundheit“ seit den 1970ern Jahren zunehmend von politisch-ökonomischen Strategien und Diskursen besetzt wird. Diesem sozio-kulturellen Wandel von „Gesundheit“ werde ich im Folgenden nachgehen und ihn im Hinblick auf seine Machtdimensionen befragen.
Ich behandele Gesundheit im Folgenden nahezu durchgängig als Konzept bzw. Konstruktion. Um die Nachvollziehbarkeit meines Zugangs zu vereinfachen, werde ich dort Anführungszeichen setzen, wo die Verwendung des Begriffs „Gesundheit“ nicht unmittelbar aus dem Kontext ersichtlich wird.
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Brunnett, R. (2007). Foucaults Beitrag zur Analyse der neuen Kultur von Gesundheit. In: Anhorn, R., Bettinger, F., Stehr, J. (eds) Foucaults Machtanalytik und Soziale Arbeit. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90710-9_11
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