Auszug
Die offenkundige Kontradiktion, dass die Welt auf dem Zeitpfeil dahinschießt, das Erkennen aber ein Anhalten dieser Turbulenzen sein muss, hat die Menschheit immer schon fasziniert. Dass Menschen einen möglichst großen Spielraum für sich gewinnen wollen, aus eben diesem Grund widerwillig Rücksicht auf die anderen nehmen müssen, ist ein anderes unauflösbares Daseinsrätsel. Mit jeweils unterschiedlicher Denkrichtung wurde dafür auf die Gegensatzpaare von Werden und Sein, Leben und Begriff, Wandel und Ordnung, Individuum und Gesellschaft zurückgegriffen. Die Welt- und Geistesgeschichte oszilliert zwischen beiden Polen. Während manche histonsche Epochen eher für die Seite der Stabilität optierten, ist das vergangene 20. Jahrhundert weitgehend über die Termini „Wandel“, „Leben“ und „Individuum“ zu erschließen. Erkenntnistheoretische und soziologische Betrachtungsweisen sind dabei gar nicht voneinander zu trennen. Das „Leben“ durchpulst die Welt, lässt sich aber „intellektualistisch“ über Definitionen, Konzepte und feste Gestalten kaum unmittelbar erfassen. Denn:
Der Begriff des Lebens, als die Summe aller nacheinander auftretenden Augenblicke ist [...] an dem kontinuierlichen Fluss des realen Lebens gar nicht zu vollziehen, setzt vielmehr an dessen Stelle die Addition jener, nach Sachbegriffen bezeichenbaren Inhalte [...] insofern sie gerade nicht als Leben, sondern als irgendwie fest gewordene ideelle oder dingliche Gebilde gelten (Simmel 1985: 1).
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© 2007 VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden
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Hettlage, R. (2007). Alle Rahmen krachen in den Fugen: Erkenntnistheoretische und soziologische Perspektiven bei Erving Goffman. In: Altmeppen, KD., Hanitzsch, T., Schlüter, C. (eds) Journalismustheorie: Next Generation. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90401-6_14
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