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Parlamentsauflösung und „unechte Vertrauensfrage“

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Politik und Verfassung

Auszug

Zum zweiten Mal in seiner Amtszeit hat Bundeskanzler Gerhard Schröder die Vertrauensfrage gestellt. Im Unterschied zur parlamentarischen „Krise“ um den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan (2001) ist der aktuelle Fall einer möglichen Parlamentsauflösung wegen der Problematik eines vermeintlichen Missbrauchs von Art. 68 GG infolge der Problematik einer sog. „unechten Vertrauensfrage“ verfassungsrechtlich höchst umstritten. Nachfolgend wird die These vertreten, dass zur Beurteilung der Zulässigkeit von Bundestagsauflösungen nicht nur darauf abzustellen ist, wie die Mehrheit gegen den Kanzler bei der Vertrauensfrage zustande kommt. Es wird demgegenüber ergänzend vorgeschlagen bei sog. „unechten Vertrauensfragen“, die durch Stimmenthaltung im Regierungslager „fingiert“ werden, auf die beiden Zwecke von Art. 68 abzustellen: die Stabilität des parlamentarischen Regierungssystems und die Wahrung der Chancengleichheit der Opposition. Gemessen an dieser politischen Funktionslogik des parlamentarischen Regierungssystems lässt sich daher beim aktuellen Fall gar kein Missbrauch bzw. Verfassungsbruch feststellen.

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Literatur

  1. Zur Typologie der Regierungssysteme vgl. z. B. Brunner, Vergleichende Regierungslehre, Bd. 1; ders., Präsident, Regierung und Parlament, S. 63 ff.; a. A. Steffani, Parlamentarisch-präsidentielle „Mischsysteme“?, S. 11 ff. Zur Klassifikation der Regierungssysteme plädiert Steffani für ein eindimensionales Kriterium-nämlich: parlamentarische Verantwortlichkeit der Regierung-sodass „streng“ dichotomisch in parlamentarisches bzw. präsidentielles Regierungssystem unterschieden, das „Mischsystem“ als eigenständiger Typus abgelehnt wird. Allerdings kennt auch seine Typologie in der weiteren Differenzierung dann ein parlamentarisches Regierungssystem mit „Präsidialdominanz“ (Weimar, Frankreich seit der V. Republik). Zur Kontroverse vgl. auch kurz Ismayr, Die politischen Systeme Westeuropas im Vergleich, S. 9 ff. Bei der vorliegenden Untersuchung wird der Brunnerschen Typologie gefolgt, die das „Mischsystem“ an der ja auch schon für die Weimarer Republik so charakteristischen doppelten politischen Verantwortlichkeit der Regierung (gegenüber Parlament und Präsident) festmacht. Gerade das Beispiel Weimar zeigt ja, dass diesem „Mischsystem“ eine besondere Dynamik zu eigen ist, die sich weder aus dem parlamentarischen noch aus dem „rein“ präsidentiellen, sondern eben genau aus der „Kombination“ der Systeme ergibt.

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  2. Die Amtszeiten der rund 20 Weimarer Kabinette lassen sich zumeist mühelos in Monaten zählen und in der Endphase der Republik, in dem gut zweijährigen Zeitraum vom Sept. 1930-Nov. 1932, fanden allein drei Reichstagswahlen statt. Verfassungsgeschichtlich vgl. hierzu Art. 25, 53 und 54 WRV; insgesamt vgl. Bracher, Die Auflösung der Weimarer Republik; Fromme, Von der Weimarer Verfassung zum Bonner Grundgesetz; Feldkamp, Der Parlamentarische Rat 1948–1949; Niclauß, Der Weg zum Grundgesetz.

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  3. Vgl. einführend z. B.: Meyn, Art. 63 GG.

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  4. Das „konstruktive“ Mißtrauensvotum wurde erstmals in der Verfassung des Landes Württemberg-Baden verfassungsrechtlich fixiert. Vgl. Schmid, Erinnerungen, S. 273.

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  6. Vgl. einführend z. B.: Mager, Art. 67 GG.

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  7. Vgl. einführend z. B.: Mager, Art. 68 GG; zum hiermit zusammenhängenden „Gesetzgebungsnotstand“ vgl. Bryde, Art. 81 GG.

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  8. Zur Funktionsweise des Regierungssystems aus politikwissenschaftlicher Sicht vgl. Niclauß, Kanzlerdemokratie.

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  9. Loewenstein, Verfassungslehre, S. 92; zu Loewenstein vgl. hier Kap. I C.

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  11. BVerfGE 62, 1 Leitsatz 7.

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  12. Das Bundesverfassungsgericht ging dagegen auch in diesem Fall wegen des Richtungsstreits in der FDP über den Koalitionswechsel von einer Vertrauenskrise aus, sodass kein Missbrauch von Art. 68 vorlag und die Parlamentsauflösung durch den Bundespräsidenten als zulässig erachtet wurde; vgl. BVerfGE 62, 1 ff. sowie die hiervon jedoch abweichenden Meinungen der Richter Zeidler, Rinck und Rottmann; einführend zur Entscheidung vgl. Ritgen, BVerfGE 62, 1-Bundestagsauflösung, S. 338 ff.

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  13. BVerfGE 62, 1 Leitsatz 8 c).

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  14. Zur Einschätzung vgl. von Lucke, Rot-grüne Selbstentsorgung, S. 775 ff.

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(2006). Parlamentsauflösung und „unechte Vertrauensfrage“. In: Politik und Verfassung. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90077-3_13

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-90077-3_13

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