Auszug
Die Frage, ob es Sinn macht, von einer erziehungswissenschaftlichen Biographieforschung zu sprechen, und damit eine Differenz zu einer soziologischen zu unterstellen, wird kontrovers diskutiert. Wenn man sich für eine solche Differenz entscheidet, dann liegt die Absicht darin, Biographieforschung stärker mit dem disziplinären Kern der Erziehungswissenschaft zu verknüpfen. Man sucht die Nähe zu Leitkategorien wie beispielsweise Lernen (Ecarius 1998; Kade/Seitter 1996; Schulz 1996) Erziehung (Loch 1979; 1995) oder Bildung, die dann die Perspektive erzeugen, unter der Biographieforschung betrieben werden soll. Da Biographieforschung bekanntlich in verschiedenen erziehungswissenschaftlichen Teildisziplinen betrieben wird (z.B. Medienpädagogik, Sozialpädagogik etc.), macht es Sinn, von einer allgemeinen Biographieforschung zu sprechen, wenn man nicht die Spezifika der Teildisziplinen im Blick hat, sondern die gemeinsamen Fundamente. Da ich die Programmatik einer allgemeinen erziehungswissenschaftlichen Biographieforschung mit einem bildungstheoretischen Zuschnitt an verschiedenen Stellen ausgeführt habe (Marotzki 1990, 1991a-c, 1996), erinnere ich hier nur kursorisch daran, dass es sich dabei um ein elaboriertes Methodologie-, Forschungs- und Theorieprogramm in zeitdiagnostischer Absicht handelt: Erziehungswissenschaftliche Biographieforschung ist erstens - wissenschaftshistorisch gesehen - ein Amalgam verschiedener Richtungen: Pädagogischerseits sind es vor allem die Dilthey-Position und die Phänomenologie, die beispielsweise über die Alltagswende in den siebziger Jahren wirksam geworden sind.
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Marotzki, W. (2006). Bildungstheorie und Allgemeine Biographieforschung. In: Krüger, HH., Marotzki, W. (eds) Handbuch erziehungswissenschaftliche Biographieforschung. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90010-0_4
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