Zusammenfassung
Wenn man Organisationen als soziale Systeme versteht, die sich auf der Basis von Entscheidungen reproduzieren, dann räumt man dem Thema der „Unsicherheit“ eine zentrale Bedeutung ein. Entscheidungen dienen zunächst der Unsicherheitsabsorption. Sie reduzieren einerseits Unsicherheit, aber man gelangt nicht einfach ins Reich der Sicherheit –Entscheidungen hätten auch anders ausfallen können und vielleicht anders ausfallen sollen. Insofern schaffen Entscheidungen andererseits auch neue Unsicherheiten. Am Beispiel aktueller Reformprozesse in Universitäten zeigt dieser Beitrag, wie durch die vielfältigen Reformmaßnahmen der letzten Jahre die organisationalen Voraussetzungen von Universitäten, also Entscheidungsprämissen zur Unsicherheitsabsorption, verändert wurden und welche Konsequenzen sich daraus für organisationale Strukturen und Arbeitspraxen der dort beschäftigten Professionellen ergeben. Anhand einer empirischen Untersuchung wird die These plausibilisiert, dass die gegenwärtige Reformen einen Versuch darstellen, Universitäten berechenbarer zu machen, ihr Unsicherheitsniveau zu reduzieren, dieser Versuch aber nur begrenzt die Arbeitspraxis in Lehre und Forschung erreicht und im Endeffekt zum Aufbrechen neuer Unsicherheitszonen führt.
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Notes
- 1.
Einen Überblick über unterschiedliche Typen von Organisationen und ihre Besonderheiten geben die Beiträge in Apelt und Tacke (2012).
- 2.
Der Beitrag basiert auf Forschungsergebnissen aus dem von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Projekt „Bildungsarbeit im Umbruch?“, das wir zwischen 2008 und 2011 an der Humboldt-Universität zu Berlin durchgeführt haben (Lohr et al. 2013).
- 3.
Zum Beispiel führten Lehrende an Universitäten ihre Lehrveranstaltungen bisher zwar im Rahmen von Studien- und Prüfungsordnungen durch, jedoch ohne direkte Kontrolle der einzelnen Veranstaltungen durch Vorgesetzte. (Vergleiche zu Professionen als Instanzen der Krisenbearbeitung Oevermann 1996).
- 4.
Da dieses Untersuchungsfeld relativ klein ist, verzichten wir im Folgenden auf eine deutliche Kennzeichnung der untersuchten Fälle, um die Anonymität der Interviewten zu wahren.
- 5.
Die von uns analysierten organisationalen Strukturdimensionen sind Programme, Koordinationswege, Person und Stellenstruktur. Diese Strukturdimensionen resultieren aus dem im Forschungsprojekt zugrunde gelegten systemtheoretischen Blick auf Bildungsorganisationen und Bildungsarbeit. (Vergleiche dazu sowie zu leichten begrifflichen Umstellungen gegenüber der Systemtheorie Lohr et al. 2011).
- 6.
Vergleiche u. a. die Diskussion um das Leitbild „Demokratische Hochschule“ der Hans-Böckler-Stiftung (2010).
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Lohr, K., Hilbrich, R., Peetz, T. (2015). Das Ende der Unsicherheit? Beobachtungen aus der reformierten Universität. In: Apelt, M., Senge, K. (eds) Organisation und Unsicherheit. Organisationssoziologie. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-19237-6_8
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