Zusammenfassung
Eine kürzlich erschienene Ontologie des Teufels beginnt mit dem Kapitel »Mein Hitler« (Strasser 2016). Über sieben Jahrzehnte nach dem Ende des ›Dritten Reichs‹ hat sich nichts an der Selbstverständlichkeit geändert, mit der schon zeitgenössische Kritiker des Nationalsozialismus das metaphysische Modell auf die deutsche Politik zwischen 1933 und 1945 übertrugen. Wie ist das möglich, wäre zu fragen, oder: wie war das möglich? Von einem eigentlichen Teufelsglauben, wie er den Hexenprozessen des Mittelalters und der Frühen Neuzeit zugrunde lag, kann bei der mitteleuropäischen Intelligenz spätestens seit der Aufklärung nicht mehr gesprochen werden. Das Christentum hatte im Laufe des 19. Jahrhunderts im selben Kulturkreis seine allgemeine Verbindlichkeit eingebüßt; weder der Glaube an einen persönlichen Gott noch die Überzeugung von der Unsterblichkeit der Seele fanden in den Generationen nach Marx, Darwin und Nietzsche größeren Rückhalt. Wenn Hannah Arendt angesichts des Jerusalemer Eichmann-Prozesses 1963 von der »Banalität des Bösen« sprach, bewegte sie sich gleichwohl in einem philosophiegeschichtlichen Kontext, der von einem Vordenker der Aufklärung maßgeblich geprägt war. »Für Kant bestand das Radikalböse der menschlichen Natur darin, dass ihr ein transpsychologischer – ein transzendentaler – Hang zu eigen war, aus freien Stücken nicht der Vernunft und dem ihr zugeordneten guten Willen zu folgen, sondern im Gegenteil dem bösen Willen, und daher böse Maximen zur Grundlage des je eigenen Handelns zu machen« (ebd., 11).
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Literatur
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Sprengel, P. (2018). Mephisto. In: Rohde, C., Valk, T., Mayer, M. (eds) Faust-Handbuch. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-05363-3_48
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Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
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Online ISBN: 978-3-476-05363-3
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